Hitler, Porsche und der Volkswagen

Ein prekäres wechselseitiges Ermöglichungsverhältnis


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

24 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Automobil als unerfüllter Wunsch

3 Das Konzept des Volksautomobils im Widerstreit
3.1 Widerstände aus Militär und Industrie
3.2 Gegner von Automobil und Motorisierung in der NSDAP

4 Ein prekäres wechselseitiges Ermöglichungsverhältnis
4.1 Adolf Hitler, die NSDAP und das Automobil
4.2 Ferdinand Porsche als Konstrukteur
4.3 Gegenseitige Abhängigkeit und Mobilisierung

5 Zusammenfassung

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Volkswagen war und bleibt ein nationaler Mythos der Deutschen.[1] Als Symbol des deutschen Wirtschaftswunders bleibt der „Käfer“ ebenso im Gedächtnis der Gesellschaft, wie das augenfällige Fahrzeug als erste Erfahrung mit einem Automobil bei zahllosen Deutschen verankert ist. Seine ursprünglich zugedachte Rolle als „ Kraft-durch-Freude-Wagen “ des „ Führers “ und Sinnbild der Volksgemeinschaft des Dritten Reiches tut diesem Mythos keinen Abbruch.

Dabei sind gerade der Volkswagen und seine Entwicklung untrennbar mit der Geschichte des nationalsozialistischen Deutschlands verknüpft. Erst die Verbindung der Ideen eines Konstrukteurs, Ferdinand Porsche, und die direkte Unterstützung durch Adolf Hitler ermöglichte überhaupt die Entstehung dieses Automobils. Gegen jede wirtschaftliche Vernunft geplant und gebaut, gegen den Widerstand aus Industrie und Militär durchgesetzt, ist der Volkswagen ein ideales Beispiel für prekäre wechselseitige Ermöglichungsverhältnisse im Dritten Reich. Wechselseitig, da einerseits Hitler den bereits vorhandenen, bis dato aber kaum erfüllbaren Wunsch nach dem eigenen Automobil in der breiten Bevölkerung verstärkte und Porsche für die Umsetzung brauchte, andererseits weil Porsche ohne die Unterstützung des NS-Systems – genauer gesagt durch Hitlers persönlichen Beistand – niemals auch nur erste Prototypen hätte bauen können. Prekär, weil – zumindest vonseiten des NS-Staates – stets andere Interessen mit der Volksmotorisierung konkurrierten und spätestens mit Ausbruch des Krieges die Oberhand gewannen. Die vorliegende Arbeit möchte dieses Verhältnis von Diktator und Konstrukteur untersuchen, welches zwar zur Entwicklung und Serienreife des Volkswagens führte, aber vor der Massenproduktion bereits wieder zerbrach. Mit vorliegender Arbeit soll die Frage beantwortet, werden, ob dieses prekäre wechselseitige Ermöglichungsverhältnisse tatsächlich bestand und ob die Entwicklung des Volkswagens ohne diese Beziehung überhaupt denkbar gewesen wäre.

Um die Frage zu beantworten, wird zuerst die Situation des Automobils in Deutschland vor 1933 charakterisiert, wobei belegt werden soll, dass das individuelle Kraftfahrzeug oder Volksautomobil für breite Schichten der Bevölkerung als Wunsch präsent war, aber aufgrund der dargestellten Umstände nicht erfüllt werden konnte. Die Volksmotorisierung war zudem nicht unumstritten, so dass sich gewichtige Stimmen – hier stellvertretend an Industrie, Militär und bestimmten Strömungen der NSDAP dargestellt – gegen das Konzept des Volksautomobils aussprachen. Mit diesen beiden Abschnitten soll gezeigt werden, wie unwahrscheinlich die Entwicklung des Volkswagens ohne das NS-System, aber auch nach 1933 ohne die direkte Unterstützung Porsches durch Hitler gewesen wäre.

Hitler selbst, wie auch der Führungszirkel der Partei, traten nach der Machtübernahme öffentlich als Förderer eines Volkswagens in Erscheinung. Aber das NS-System beförderte die Entwicklung nicht nur, sondern war genauso abhängig davon. Denn nachdem in zahlreichen Bekenntnissen der Wunsch vieler Deutscher nach einem eigenen Kraftfahrzeug geweckt war, benötigte die Führung aus Gründen der Glaubwürdigkeit rasch ein vorzeigbares Ergebnis. Ferdinand Porsche sollte diesen Erfolg liefern. Bereits vor 1933 entwickelte er, zum Teil auf persönliche Kosten, eigene Konstruktionen für den Bau bezahlbarer Fahrzeuge für breite Bevölkerungsschichten. Aber erst nach seinem Zusammentreffen mit Hitler erhielt Porsche jede nur denkbare Unterstützung, die ihm die Umsetzung seiner Pläne gegen zahlreiche Widerstände ermöglichte. Die Darstellung und Bewertung dieses komplexen Verhältnisses aus gegenseitiger Abhängigkeit bildet den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit.

Damit möchte der Autor, abweichend von den zahlreichen technischen sowie detaillierten chronologischen Darstellungen des VW-Projekts, eine Zusammenführung bisheriger Forschungsliteratur unter dem genannten Gesichtspunkt wagen. Die Literatur kann in der Summe als umfassend und für die Fragestellung geeignet, beschrieben werden. Insbesondere die Dissertationen von Anette Gudjons und Dorotheen Hochstetter gaben für die Zusammenhänge zwischen NS-System und Motorisierung wertvolle Anregungen. Für die Darstellung der Entwicklung des Volkswagens erwiesen sich die Arbeiten von Hans-Rüdiger Etzold, Arthur Railton und Bernd Wiersch als äußerst hilfreich. Paul Simsa lieferte mit seiner unkonventionellen Darstellung einen entscheidenden Beitrag für die Zusammenhänge des persönlichen Verhältnisses von Porsche und Hitler.

2 Das Automobil als unerfüllter Wunsch

Die Lage des Automobils in Deutschland bis 1933 lässt sich stark vereinfacht mit der Feststellung zusammenfassen, dass einerseits der Wunsch nach einem eigenen Auto in Teilen der Bevölkerung geweckt war, anderseits aber die Umstände der Verwirklichung entgegenstanden.

Mehrere Gründe untermauern diese Feststellung. Anfänglich die kaum ausgebauten Straßen im Vergleich zum weit verzweigten Schienennetz zu nennen, so dass sich der individuelle PKW-Verkehr vor dem Ersten Weltkrieg kaum entwickelte,[2] ebenso wie die Industrie aus vielerlei Gründen weder in der Lage noch Willens war, eine billiges Gebrauchsauto – vergleichbar dem Ford Modell T – zur Verfügung zu stellen.[3] Der deutsche Staat tat sein übriges und verhinderte bis 1933 mit der umfassenden Besteuerung des Autos als Luxusgut seinerseits die Motorisierung breiterer Schichten des Volkes.[4]

Nach dem Ersten Weltkrieg waren aus hinlänglich bekannten Gründen, keine der Motorisierung förderlichen Umstände zu erwarten. Zum einen waren die Unterhaltskosten eines Automobils während der gesamten Zwischenkriegszeit im Vergleich zum durchschnittlichen Einkommen sehr hoch, so dass die niedrigen und mittleren Einkommensklassen kaum als Käufer in Frage kamen.[5] Auf der anderen Seite produzierten die deutschen Unternehmen die Autos weniger in Fabriken als vielmehr in kleinen Betrieben mit manufakturartiger Produktionsweise.[6] Den Einzug der modernen Produktionstechnik und der fortschrittlichen Verkaufsförderung, welche zur Verbilligung der Preise und der Verbreitung des Autos in weiten Kreisen der Vereinigten Staaten führte, war von der deutschen Automobilbranche schlichtweg verpasst wurden.[7] Da zudem ein Vorrang der Konstruktions- gegenüber der Produktionstechnik bestand, waren die deutschen Autohersteller vor 1933 nicht in der Lage über Einzel- und Kleinserien hinaus eine Serienproduktion preiswerter Autos zu etablieren.[8]

Das in Deutschland gefertigte Automobil war entsprechend teuer und diente in erster Linie der Repräsentation des gehobenen Lebensstils gleichsam einem Symbol für die Unterschiede zwischen den Klassen.[9] So besaß vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 statistisch gesehen nur jeder hundertste Einwohner ein eigenes Auto.[10] Die endgültige Transformation des Autos vom Luxus- zum gehobenen Gebrauchsgegenstand erfolgte erst kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, zum Massengebrauchsgut wurde es in Deutschland erst Ende der 50er Jahre.[11]

Trotz dieser geringen Verbreitung war der Wunsch nach einem individuellen Kraftfahrzeug bereits vor 1933 in der Bevölkerung präsent. Autorennen führten schon vor dem Ersten Weltkrieg in der Frühphase der Motorisierung zu einer Popularisierung des Autos, ebenso wie die zahlreich gegründeten Vereine, welche die Förderung des Motorsports zum Ziel hatten.[12] Im Zuge dieser Entwicklung wuchs bereits sehr früh die Idee des „Wagens für Jedermann“, einem preiswerten Volksauto – die in Deutschland allerdings keine Umsetzung fand – für die breite Bevölkerung.[13] Selbst die Sozialdemokratie prophezeite kurz nach der Jahrhundertwende, dass „ die Arbeiter […] dereinst auf eigenen Wagen […] “ fahren.[14] Erste Konstruktionen, die von vornherein als Volksautomobil konzipiert waren, waren bereits ab 1905 im Umlauf.[15]

In der deutschen Öffentlichkeit entfachte sich eine weiter reichende Debatte aber erst nach den ersten Krisenjahren der Weimarer Republik. Die ersten Anstöße dafür gaben die Nachrichten über die Motorisierung in den USA und die Autobiographie Henry Fords, welche ab 1922 weite Verbreitung fand. Nach der Denkschrift von Franz Joseph Popp über die positive Wirkung einer breit angelegten Motorisierung für die Stärkung der Volkswirtschaft und die Hebung des Lebensstandards wurde das Thema Volksautomobil zu einem ständig in Presse präsenten Thema. Der Diskurs erreichte selbst diejenigen sozialen Schichten, welche bisher völlig von der Motorisierung ausgeschlossen blieben und überzeugte weite Teile von deren Wichtigkeit.[16] Auch Fachzeitschriften, wie z.B. „ Motor‑Kritik “ ab 1928, hielten die Diskussion mit Beiträgen und Vorschlägen für eine technische Umsetzung des Volkswagens am Leben.[17]

Aber trotz aller Debatten verhinderten Faktoren wie technische Umsetzbarkeit, fehlendes Kapital der Unternehmer und die politische und wirtschaftliche Situation vor 1933, dass die Motorisierung im Mutterland des Automobils einen den USA nur ansatzweise vergleichbaren Stand erreichte.[18]

[...]


[1] Schütz, Erhard, Der Volkswagen, in: Schulze, Hagen, François, Etienne (Hrsg.), Deutsche Erinnerungsorte, München 2001, S. 352-369.

[2] Gudjons, Anette, Die Entwicklung des „Volksautomobils“ von 1904 bis 1945 unter besonderer Berücksichtigung des „Volkswagens“. Ein Beitrag zu Problemen der Sozial-, Wirtschafts- und Technikgeschichte des Automobils, 1988,S. 33.

[3] Ebenda, S. 63.

[4] Ebenda, S. 75.

[5] Flik, Reiner, Von Ford lernen? Automobilbau und Motorisierung in Deutschland bis 1933, Köln u.a. 2001, S. 61.

[6] Wiersch, Bernd , Die Käfer-Chronik. Die Geschichte einer Autolegende, Bielefeld 2005, S. 9.

[7] Simsa, Paul, Hitler, Käfer, Volksbetrug. Wie Ferdinand Porsche den „Führer“ faszinierte, Wallmoden 2004, S. 12.

[8] Fürstenberg, Friedrich, Motorisierung und Arbeitsmarkt, in: Pohl, Hans (Hrsg.), Die Einflüsse der Motorisierung auf das Verkehrswesen von 1886 bis 1986. Referate und Diskussionsbeiträge des 11. Wissenschaftlichen Symposiums der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V., 27./28. November 1986 in Fellbach, Stuttgart 1988, S. 39.

[9] Fraunholz, Uwe, Motorphobia. Anti-automobiler Protest in Kaiserreich und Weimarer Republik, Göttingen 2002, S. 47f.

[10] Ebenda, S. 44.

[11] Fürstenberg 1988, S. 39f.

[12] Gudjons 1988, S.35f.

[13] Wiersch 2005, S. 9.

[14] Fraunholz 2002, S. 53.

[15] Gudjons 1988, S. 49.

[16] Flik 2001, S. 57f.

[17] Simsa 2004, S. 22f.

[18] Wiersch 2005, S. 9.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Hitler, Porsche und der Volkswagen
Untertitel
Ein prekäres wechselseitiges Ermöglichungsverhältnis
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für GEschichte )
Veranstaltung
Prekäre wechselseitige Ermöglichungsverhältnisse. Die Mobilisierung von Technik und Wissenschaft im „Dritten Reich“
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
24
Katalognummer
V123775
ISBN (eBook)
9783640292318
ISBN (Buch)
9783640292448
Dateigröße
474 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hitler, Porsche, Volkswagen, Prekäre, Ermöglichungsverhältnisse, Mobilisierung, Technik, Wissenschaft, Reich“
Arbeit zitieren
cand. phil. Martin J. Gräßler (Autor:in), 2009, Hitler, Porsche und der Volkswagen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123775

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