Gesellschaftsvertragstheorie

1. Teil: Thomas Hobbes` Argumentation zu Leviathan und seine Grenzen; 2. Teil: John Rawls` Versuch, die Theorie des Gesellschaftsvertrags als Theorie der Gerechtigkeit zu erneuern


Hausarbeit, 2008

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einführung und Problemstellung

2 Thomas Hobbes
2.1 Der Grundgedanke des Vertrags in Hobbes` Leviathan
2.1.1 Menschenbild und der Naturzustand
2.1.2 Entwicklung vom Naturzustand zum starken Staat
2.2 Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag
2.3 Der Umfang der Gehorsamsverpflichtung
2.3.1 Autorisierung des Leviathan
2.3.2 Notwendigkeit der Staatsgründung
2.4 Grenzen des Leviathan

3 John Rawls
3.1 Die Grundgedanken der Rawlschen Gerechtigkeitstheorie
3.2 Begründung der Gerechtigkeitsgrundsätze
3.2.1 Gerechtigkeit als Fairneß
3.2.2 Überlegungsgleichgewicht
3.2.3 Der Urzustand
3.2.4 Der Schleier des Nichtwissens
3.3 Der Utilitarismus
3.3.1 Was heißt Utilitarismus?
3.3.2 Utilitarismus und Theorie der Gerechtigkeit – ein Vergleich

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einführung und Problemstellung

Seit Jahrhunderten sind soziale sowie politische Fragen ein wichtiger Bestandteil der Philosophie. Die Theorien der zwei Philosophen, mit denen ich mich hier beschäftige, haben eins gemeinsam: Sie beschäftigten sich mit der Ordnung des menschlichen Zusammenlebens. Doch was genau ist denn Gerechtigkeit? Was ist eine faire und gerechte Verteilung in einer Gesellschaft? John Rawls und Thomas Hobbes sind in grundsätzlichen Standpunkten nicht einer Meinung. Das macht es so interessant, sich von den Argumenten beider Seiten überzeugen zu lassen und sich mit ihnen in einer Arbeit zu beschäftigen.

Im ersten Teil der Arbeit stelle ich Thomas Hobbes Vorstellung seines Menschenbildes und den Zusammenhang des Naturzustandes her. Im nächsten Abschnitt gehe ich zum Gesellschaftsvertrag und Herrschaftsvertag über. Im Anschluss erkläre ich seine Theorie des Leviathan, also die Entwicklung vom Naturzustand zum starken Staat. Als Letztes gehe ich auf die Autorisierung des Leviathan ein und erläutere die Notwendigkeit einer solchen Staatsgründung und deren Grenzen.

Im zweiten Teil meiner Arbeit beschäftige ich mich mit der Theorie von John Rawls. Diese gibt einen umfangreichen Einblick in die Thematik der Gerechtigkeit.

Beginnen möchte ich mit einer Darstellung der Grundgedanken der Rawlschen Gerechtigkeitstheorie.

Der darauf folgende Teil beschäftigt sich mit den Begründungen der Gerechtigkeitsgrundsätze. Grundsätze können nicht beliebig aufgestellt werden. Es sind bestimmte Voraussetzungen nötig, die erfüllt sein müssen, um einen Grundsatz zu rechtfertigen. Rawls spricht hier von Gerechtigkeit als Fairness und dem Urzustand. Beide beziehen sich auf die Ausgangssituation, in der Menschen Prinzipien festlegen, die für ihre Gesellschaft grundlegend und verbindlich sind. Da Rawls mit seiner Theorie der Gerechtigkeit eine Alternative zum Utilitarismus entwickeln möchte und diese ihm als überlegen betrachtet, werden eine kurze Darstellung des Utilitarismus, sowie ein Vergleich zwischen diesem und Rawls Theorie im vierten Teil folgen. Ziel ist es, die wesentlichen Punkte seiner "Gerechtigkeit als Fairneß" aufzuzeigen. Es geht mir nicht nur darum, die Gemeinsamkeiten der beiden Gerechtigkeitstheorien zu zeigen, sondern auch die gegensätzlichen Positionen deutlicher hervorzuheben.

Das Fazit der Arbeit wird im anschließenden vierten Kapitel dargestellt.

2 Thomas Hobbes

2.1 Der Grundgedanke des Vertrags in Hobbes` Leviathan

2.1.1 Menschenbild und der Naturzustand

Hobbes räumt jedem Menschen eine absolute Handlungsfreiheit ein, die nur reale, keine rechtlichen Grenzen kennt.1 Nach Hobbes strebt der Mensch nach den angenehmen Dingen und versucht die unangenehmen Dinge zu vermeiden.2 Da nach dieser Logik der Tod das größtmögliche Übel darstellt3 postuliert Hobbes eine individuelle Handlungsfreiheit und auch ein Handlungsgebot gemäß der eigenen Selbsterhaltung: „Das natürliche Recht (...) ist die Freiheit eines jeden, seine eigene Macht nach seinem Willen zur Erhaltung seiner eigenen Natur, das heißt seines eigenen Lebens, einzusetzen und folglich alles zu tun, was er nach eigenem Urteil und eigene Vernunft als das zu diesem Zweck geeignetste Mittel ansieht.“4 Hobbes macht also die angeborene Vorstellungsfähigkeit des Menschen über den eigenen Tod und den daraus resultierenden primitiven Selbsterhaltungstrieb zum zentralen Bezugspunkt der menschlichen Existenz. Hobbes vermeidet es, eine explizite Selbsterhaltungspflicht zu formulieren, weil dies seine These von der unbegrenzten Handlungsfreiheit im Naturzustand argumentativ schwächen würde].5 Für ihn ist dieses Bestreben aber eine derart unbestreitbare, konstante Grundeigenschaft des Menschen, dass er die Beschränkung der Handlungsfreiheit durch das gleichzeitige Handlungsgebot des natürlichen Gesetzes im Sinne der Selbsterhaltung für ausreichend erachtet. Jedes Individuum kann demnach alle im subjektiven Dafürhalten für seine Selbsterhaltung förderlichen oder notwendigen Mittel nutzen.6 Die sich ständig weiterentwickelnden subjektiven Begehrlichkeiten finden ihre physische Grenze jedoch sehr schnell im analogen Bemühen der Anderen. Hobbes sieht im daraus entstehenden Wettlauf um die Anhäufung möglichst großer Machtmittel zur Erlangung von materiellen Gütern, Sicherheit und Anerkennung die Hauptursache für die Entstehung zwischenmenschlicher Konflikte: „So liegen also in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Misstrauen, drittens Ruhmsucht.“7 Hobbessche „Krieg aller gegen alle“ hat jedoch einen zusätzlichen Auslöser. Hobbes unterscheidet bereits im Naturzustand verschiedene psychologische Typen: Die Minderheit der gemäßigten, die nur einen bescheidenen Wohlstand anstreben, die Mehrheit der durchschnittlichen Ehrgeizigen sowie eine Minderheit mit überdurchschnittlich risikobereitem Streben nach Besitz und Macht. Bereits die durchschnittlich ehrgeizige Mehrheit würde aufgrund der naturgemäß begrenzten Ressourcen unweigerlich in Verteilungskämpfe geraten. Das Verhalten der überdurchschnittlichen ehrgeizigen Minderheit forciert diesen Prozess, in dem auch der Bescheidenste seine Machtmittel ständig steigern muss, um das bisher Erreichte auch nur zu behaupten.8

Der resultierende Konfliktzustand ist nicht notwendigerweise von ständigen Gewaltexzessen geprägt, sondern eher von der ständigen, latenten Unsicherheit, die von wiederkehrenden tatsächlichen Auseinandersetzungen nur unterbrochen wird. Die radikal subjektiven Handlungsfreiheiten der Individuen sind faktisch gleichberechtigt, können sich aber nicht nebeneinander entfalten, ohne in Konflikt zu geraten. Somit ist klar, wenn zwei Menschen nach demselben Gegen- stand streben, den sie jedoch nicht zusammen genießen können, so werden sie Feinde und sind in der Folge ihrer Absicht, die grundsätzlich Selbsterhaltung und bisweilen nur Genuss ist, bestrebt, sich gegenseitig zu vernichten oder zu unterwerfen. „(…) es herrscht, was das Schlimmste von allem ist, beständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes – das menschliche Leben ist einsam, armselig, ekelhaft, tierisch und kurz.“9

Entscheidend ist jedoch, dass die angestrebte Anhäufung von Machtmitteln von der prinzipiellen gegenseitigen Tötungsfähigkeit ad absurdum geführt wird, „denn auch der Stärkste muss immer um sein Leben fürchten“.10 Bei Hobbes wird erkennbar, dass eine Gleichheit der Menschen, trotz unterschiedlicher, natürlicher Stärke durch angeborene Talente vorliegt.11 Allerdings gilt diese nicht im ethisch-moralischen, sondern in einem primitiven physischen Sinne. Durch die zunehmende Verschärfung des beschriebenen gewaltsamen Konflikts wird die individuelle Selbsterhaltung immer mehr bedroht und die Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung unübersehbar.

2.1.2 Entwicklung vom Naturzustand zum starken Staat

Ein Zusammenleben unter den bei Hobbes beschriebenen Bedingungen hat einen frühen Tod zur Folge. Daher muss ein Ausweg aus diesem Zustand gesucht werden. Eine entscheidende Rolle spielt hier die angeborene Vernunftfähigkeit, die sich bereits im rationalen Nutzenkalkül zur Bedürfnisbefriedigung manifestiert. Sie ermöglicht jedem Menschen die notwendigen Erkenntnisse, wie dieser Zustand beendet werden kann. Das Ziel, nämlich den Frieden anzustreben, eröffnet jedem Menschen als vernunftbegabtem Wesen bei nüchterner rationaler Betrachtung auch die einzig notwendigen und praktikablen Mittel zu seiner Erreichung, und das sind für Hobbes seine „natürlichen Gesetze“.12

Diese beinhalten u. a. folgende Verhaltensregeln, welche ein friedliches Zusammenleben fördern: Dankbarkeit, Entgegenkommen, Verzeihen, Vermeidung von Grausamkeit.13 Er formuliert mit den natürlichen Gesetzen gleichzeitig die Rahmenbedingungen seines Gesellschaftsvertrags. Die Bereitschaft zum Vertragsschluss ist nach Hobbes das beste Mittel zur Sicherung der Selbsterhaltung. Jedoch betont er lediglich die Verpflichtung zur ehrlichen und inneren Bereitschaft.

„Die natürlichen Gesetze verpflichten foro interno, das heißt sie verpflichten zu dem Wunsch, dass sie gelten mögen, aber in foro externo, das heißt zur Anwendung, nicht immer.“14 Hobbes Regel der Vernunft besagt, dass Vertragstreue nicht nur ausgeübt werden muss, wenn dies sicher ist oder erscheint bzw. wenn dies im subjektiven Ermessen der Selbsterhaltung dient, sondern solange es nicht unsicher ist und nicht die Selbsterhaltung gefährdet. „Jedermann hat sich um Frieden zu bemühen, solange dazu Hoffnung besteht. Kann er ihn nicht herstellen, so darf er sich alle Hilfsmittel und Vorteile des Krieges verschaffen und sie benützen.“15 Hobbes nennt vier Gruppen, die die Bereitschaft der Mehrheit zum Vertragsschluss unterstützen und fördern können, weil sie überdurchschnittlich an seinem Zustandekommen interessiert sind. Die 1. Gruppe eine Minderheit, die eigentlich nur ihren bescheidenen Besitz gesichert sehen will. Die 2. Gruppe, welche als Resultat des Konfliktzustandes größeren Besitz anhäufen konnten und diesen von der bloßen faktischen Kontrolle in gesicherte Eigentumsrecht überführen will. Die 3. Gruppe sind überdurchschnittlich an ethischen Maßstäben orientierte Menschen. Die 4. Gruppe sind Menschen, die auf der Basis einer besonders entwickelten natürlichen Gottesfurcht von sich aus in den natürlichen Gesetzen auch im Naturzustand gültige Gebote Gottes zu erkennen glauben. Zugänglich ist allen Menschen lediglich „die Anerkenntnis eines einzigen, ewigen, unendlichen und allmächtigen Gottes“16 als der ersten und ewigen Ursache aller Dinge. Hobbes definiert die natürlichen Gesetze tatsächlich als Befehle Gottes. Der mit Taylor verknüpfte Versuch, aus der Hobbesschen Konzeption eine über das bloße Nutzenkalkül hinausgehende moralische Verpflichtungstheorie abzuleiten, ist nicht überzeugend.17

[...]


1 vgl. Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 13, S. 98

2 vgl. Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 6, S. 39ff.

3 vgl. Hobbes, Thomas, Vom Bürger, Hamburg 1959, I,7,S. 81

4 Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 14, S. 99

5 vgl. Tuck, Richard, Natural Right Theories. Their origin and development, Campridge/ London/ New York 1979, S. 131

6 vgl. Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 11, S- 75f.

7 Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 13, S. 95

8 vgl. Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 13, S. 95

9 Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 13, S. 94ff.

10 Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 13, S. 94

11 vgl. Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 10 S. 66

12 Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 14, S. 100 und Kap. 15, S, 110

13 vgl. Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 15, S. 116ff.

14 Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 15, S. 121; Hobbes, Vom Bürger, III; 27, S. 111

15 Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 14, S. 99f

16 Hobbes, Thomas, Leviathan, Ditzingen 1986, Kap. 12, S. 83

17 vgl. Kersting, Wolfgang, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates, Band5, Berlin 1996, Kap. 7, S. 155 ff.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Gesellschaftsvertragstheorie
Untertitel
1. Teil: Thomas Hobbes` Argumentation zu Leviathan und seine Grenzen; 2. Teil: John Rawls` Versuch, die Theorie des Gesellschaftsvertrags als Theorie der Gerechtigkeit zu erneuern
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Rechtsgeschichte / Rechtsphilosophie / Rechtssoziologie / Rechtstheorie)
Veranstaltung
Hausarbeit im Fach "Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie"
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
19
Katalognummer
V123745
ISBN (eBook)
9783640281732
ISBN (Buch)
9783640284597
Dateigröße
456 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit wurde mit insgesamt 13 Punkten benotet (Note: 1,7).
Schlagworte
Gesellschaftsvertragstheorie, Hausarbeit, Fach, Einführung, Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie
Arbeit zitieren
Jürgen Langhans (Autor:in), 2008, Gesellschaftsvertragstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123745

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