Staat - Migration - Globalisierung


Essay, 2008

22 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Erreichung/Erzwingung politischer Rechte einst und heute

Migration im Kommunikationszeitalter

Der falsche Globalisierungseffekt

Bibliographie

Erreichung/Erzwingung politischer Rechte einst und heute

Bewaffnete (Bürger)Armee oder Kommunikationstechnologie

Im 18. Jhd. stellte sich unter anderem der Schriftsteller und Philosoph Jean-Jacques Rousseau folgende Frage:

„Wie findet man eine Gesellschaftsform, die mit der ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes Gesellschaftsgliedes verteidigt und schützt und Kraft dessen jeder einzelne, obgleich er sich mit allen vereint, gleichwohl nur sich selbst gehorcht und so frei bleibt wie vorher?“[1]

Um diesen Status zu erreichen ist die „Übertragung der gesamten Macht und Stärke auf einen Menschen oder eine Versammlung von Menschen, die ihren Einzelwillen durch Stimmen- mehrheit auf einen Willen herabsetzen können. Wenn dies geschehen ist, nennt man diese eine Person oder diese Versammlung von Menschen als die vereinte Menge Staat“.[2]

Nachdem nun der Glaube bestand, indem ein Mensch oder eine Versammlung von Menschen gefunden wurde, welche bereit ist/sind jene Person und dessen Vermögen zu schützen, die sie in diese Position „einberufen“ hat/haben wurde bald deutlich, dass diese Machtpositionen negativ benützt wurden um das private Vermögen anzureichern. Indem dieser sogenannten Menge Staat jegliche Gewalt zugesichert wurde über Land und Leben waren einfache Men- schen (Menschen ohne politische Rechte, z.B. Handwerker oder Bauern) der gnadenlosen Willkür der TyrannInnen ausgesetzt.

Es scheint in der Tat so zu sein, um politische Rechte zu bekommen muss die Bereitschaft da sein diese Rechte auf jede nur erdenkliche Art und Weise erreichen zu wollen. In der Steinzeit entschied allein die physische Stärke eines Individuums über die Stellung in der Gruppe. Da- durch konnte Anspruch auf den Partner, ein Stück Fell oder rohes Fleisch erhoben werden. In den frühzeitlichen Hochkulturen entwickeln sich aus einfachen Menschen mit bestimmten Fähigkeiten, wie der Heilung von Kranken oder überlegene Stärke, regionale HerrscherInnen. In der Antike spielt die Rhetorik eine wichtige Rolle um politische Rechte durchzusetzen.

Hingegen im Mittelalter, auch die Dunkle Epoche genannt, spielt die rohe Gewalt eine we- sentliche Rolle in der Erzwingung von Rechten.

Von Epoche zu Epoche, in der sich Denkweisen und Werte verändern, verändern sich auch die Mittel zur Erreichung dieser Werte. In der Frühen Neuzeit zeichnen sich eine Reihe „neuer“ (wiederentdeckter) Entwicklungen ab, dessen Ziel es war das Leben des Menschen zu verbessern. Die Gesellschaftsstruktur veränderte sich und es entstanden neue Klassen. Eine neue Bedeutung des Eigentums trat hervor. Johann Dvošák spricht von einer „middle sort of the people“, einer eigenen Klasse von autonomen Kleinproduzenten (Handwerker, Bauern, Pharmazeuten etc.) in Stadt und Land, diese versuchten „durch Arbeit die eigenen Lebensver- hältnisse wesentlich zu verbessern“.[3] Dieses Eigentum musste gesichert und verteidigt wer- den.

Im England des 17. Jhd. bedeutete für diese autonomen Kleinproduzent die Beseitigung des Feudalismus und des königlichen Absolutismus. Erst mit dem Wegfall dieser Schranken und Hindernisse konnten „Freiheit“, „Eigentum“ und „eigenständiges Arbeiten“ gedeihen. Diese drei Merkmale galten als Werte eines besseren Lebens im zu Ende gehenden Feudalismus und dem aufstrebenden Kapitalismus. In dieser Epoche war eine der wesentlichsten Fragen, die sich diese neue Schicht von Kleinproduzenten stellte, wie das Eigentum gesichert und dessen Mehrung stattfinden könnte.

In einer kurzen Beschreibung des Herrschaftssystems im England des 17. Jhd. finden sich trotz einer parlamentarischen Monarchie relativ wenige Rechte für das Englische Volk, sieht man vom Adel ab. Im Zuge des fortschreitenden Kapitalismus im restlichen Europa waren der englischen Bevölkerung soziale und politische Reformen notwendig um den Anschluss an ein neues Zeitalter nicht zu verlieren/verpassen.

In einer ersten Auseinandersetzung zwischen der Krone und dem Parlament (1640/41) um die radikale Neuordnung der Kirchenverfassung und der Abschaffung des Bischofsamtes ging das Parlament als Sieger aus diesem Disput hervor. Bei dieser Debatte handelte es sich um die deutlichen Unterschiede zwischen religiösen, politischen, sozialen und ökonomischen Fra- gen.[4] Durch die Kirchenverfassung und das Bischofsamt wurde die Herrschaft des Adels über die niederen Schichten bestätigt. Somit diente die Kirche selbst als Mittel zum Zweck um politische Rechte einer kleinen Gruppe durchzusetzen. Dieser Gruppe gehörte nicht nur der Adel, sondern auch ein Teil der Parlamentarier an. Sie sahen ihre eigenen ökonomischen, po- litischen und sozialen Stellungen bedroht und schlossen sich der Krone an. Für sie war die Abschaffung nur eine Vorstufe für die Abschaffung des Königtums und in weiterer Folge für eine Gütergleichheit zwischen den Klassen.[5]

Das Parlament suchte Unterstützung bei den autonomen Kleinproduzenten in den Städten und am Land. Daraus entstand eine „Volksbewegung“, die sich nicht nur aus der genannten Mit- telschicht, sondern auch aus Angehörigen der unteren Klassen zusammensetzte. Mittel für diesen Stärkebeweis gegenüber der Krone waren Demonstrationen und Petitionen. Den größ- ten Erfolg zwischen den beiden Kammern, welche das englische Parlament bilden, ging zu Gunsten des House of Commons (Unterhaus) aus. Daraus ergaben sich einige konstitutionelle Neuerungen. Das Parlament wurde rechtlich Abgesichert um nicht einer willkürlichen Auflö- sung seitens der Krone zum Opfer zu fallen. Dem Parlament oblieget es nun die Steuern und Abgaben zu bewilligen. Die wohl wichtigste Neuerung für das englische Volk war es wohl die „Garantie der Sicherheit der Person und des Eigentums vor willkürlichen Eingriffen der“ Krone.[6]

Der Krone wurde im Falle dessen, dass sie nicht bereit war den nötigen Veränderungen zuzus- timmen mit einem bewaffneten wiederstand unter der Bevölkerung gedroht. Führend mit den Argumenten war Nathaniel Fiennes, Abgeordneter des Parlamentes. Er hielt den Willen der großen Zahl stets für bedeutsam. Dies schlägt sich in seinen Reden vor dem Parlament und der Krone nieder als er mit dem Volke Drohte. „Gesetze könnten geändert werden, wenn nur viele es wünschten – die Entscheidungen darüber, ob bestehende Gesetze abgeändert werden sollten, sind allerdings Angelegenheit des Parlaments“. Diese Rede stellt in einer gewissen Art und Weise ein Paradebeispiel für die Instrumentalisierung bestimmter Wörter in Verbin- dung mit dem Volk um gezielt bestimmte Ziele durchzusetzen.[7]

Durch die Spaltung der Zugehörigkeit des Parlamentes zwischen Krone und Volk entstanden neue Spannungen. Auf der einen Seite standen die Royalisten und auf der anderen die Bürger. Dies führte zu bewaffneten Auseinandersetzungen und schlussendlich in einen Bürgerkrieg und einer Niederlage der „Kronloyalen“. An dieser Methode der kriegerischen Konfrontation wird auch die Bereitschaft der Bevölkerung deutlich zum Vorschein getragen, dass in Zeiten der Unterdrückung jedes Mittel recht ist um politische Rechte zu erlangen damit eine Aussicht auf ein besseres Leben erreicht wird. Die Angehörigen der parlamentarischen Armee haben sich nicht als Söldnerarmee gesehen, sondern, um es mit dem Begriff des 20. Jhd. zu bezeich- nen, als „Freiheitskämpfer“. Sie kämpften einerseits für politische Rechte, andererseits stan- den dafür wirtschaftliche Möglichkeiten im Hintergrund. „Diese Armee des Parlamentes war […] das Volk [selbst] in Waffen“[8] Von der Bemächtigung der Armee um in einen Krieg zu ziehen schrieb Carl von Clausewitz (19. Jhd.) folgendes:

„Der Krieg ist nichts als ein erweiterter Zweikampf. Wollen wir uns die Unzahl der einzelnen Zweikämpfe, aus denen er besteht, als Einheit denken, so tun wir besser, uns zwei Ringende vorzustellen. Jeder sucht den anderen durch physische Gewalt zur Erfüllung seines Willens zu zwingen; sein nächster Zweck ist, den Gegner niederzuwerfen und dadurch zu jedem fernen Widerstand unfähig zu ma- chen. […] die physische Gewalt ist also das Mittel; dem Feind unseren Willen aufzudringen, der Zweck.“[9]

Nach der Beendigung des Zweikampfes, wie es Carl von Clausewitz so schön formuliert hat, versammelten sich hohe Offiziere der Armee, gewählte Soldatenvertreter und einige Zivilisten aus den Levellers um über die politische Gestaltung des Landes und die Rolle der Armee zu diskutieren. In dieser und späteren Versammlungen ging es um die politische Gestaltung des Staatswesens und um die Zukunft jener Angehörigen der Armee, die zuvor den Adel und sei- ne Verbündeten im Bürgerkrieg besiegt hatten. Nachwievor stellte das Bürgertum den Haupt- teil der Armee dar. Nach der Beendigung der Konflikte war eine solche Armeekonzentration nicht mehr notwendig und musste aufgelöst werden. Die rückkehrenden Soldaten machten sich Gedanken darüber, wie sie in den Grafschaften und Städten behandelt werden würden.

Um nicht in die Situation zu geraten von den Besiegten wieder unterdrückt zu werden konn- ten nur erweiterte politische Rechte und Rechtsreformen, die das Eigentum der erwähnten Kleinproduzenten in Stadt und am Land, die zurückkehrenden Soldaten absichern. Dieser wesentliche Punkt wurde von jenen mit wenig Besitz zur Sprache gebracht mit der Aussicht auf eine Erweiterung ihres Besitzes durch ihre Arbeits- und Leistungsfähigkeit. Mit dem poli- tischen Recht der Wahl zum Parlament, der demokratischen Möglichkeit der Gestaltung in den Städten, Zünften, in religiösen Angelegenheiten, hätten für die Anhänger des Parlamentes und dessen Armee die Belohnung für die eingegangenen Risiken, ihr Leben im Krieg und dessen Folgen zu lassen, bedeutet.[10]

Durch die konstitutionellen Neuerungen des Staatswesens wurde die Position des Parlamen- tes, darin speziell die des House of Commons, gestärkt. Auf der anderen Seite wurde der Ein- fluss des Throns und der Adeligen abgewertet. Diese Neuerungen bezogen sich dabei nicht auf Verfassungen oder andere Dokumente mit Eigentumsgarantie, sondern um politische In- stitutionen der Herrschaft.[11]

Betrachten wir die Möglichkeiten der Erreichung oder Erzwingung politischer Rechte im 20. Jhd. wird deutlich, dass eine Vielzahl an Möglichkeiten dafür zur Verfügung steht. Methoden dafür sind u.a.

- Einsatz von militärischer Kraft,
- Diplomatie,
- wirtschaftliche Boykotte
- oder der Einsatz von Medien.

Dadurch, dass im 20. Jahrhundert von einer Dreiteilung der Welt gesprochen wird ist es auch zu unterscheiden in welcher „Welt“ welche Methoden verstärkt eingesetzt werden.

Wird von der Erreichung von politischen Rechten in der „Ersten Welt“ geredet, ist damit meist der Gebrauch von medialer Macht gemeint. Nach Ulrich Sarcinelli besteht das heutige Politikvermittlungsgeschäft aus der medialen Präsenz. Er benützt den Begriff der „Telekratie“ und setzt diesen mit der Herrschaft des Fernsehens als ferngesteuerte Herrschaft gleich. Damit meint er die „politische Herrschaft über oder durch die Medien“. Ein bekanntes Beispiel in Europa ist die Machtübernahme des italienischen Medienmoguls Silvio Berlusconi Anfang der 1990er Jahre und am Anfang des 21. Jhd. in Italien. Dies gelang ihm durch das Inszenie- rungs- und Mobilisierungspotential seines Medienimperiums.[12]

Die veränderte Rolle der öffentlichen und veröffentlichten Meinung in der Mediengesellschaft stellt eine neue Herausforderung für demokratische Systeme dar.[13] Durch die Entwicklungen in der Kommunikationstechnologie vom Radio, durch dass, die Stimme der RednerInnen ge- hört werden konnte, bis hin zum Farbfernseher, mit dem ein kompaktes Bild der Redenführe- rInnen dem Publikum näher präsentiert wird können sich die ZuhörerInnen ein leichteres Bild von diesen machen. In einem Zeitalter der Visualisierung sprechen Bilder für sich. Meist ist es nicht notwendig diese zu Kommentieren. Sie wirken authentisch und haben eine andere Suggestivkraft als sprachlich Vermitteltes. Dadurch wird klar, dass „der Weg vom Dargestell- ten zum Vorgestellten […] über Bilder kürzer [ist] als über Worte und Sprache“.[14]

Durch dieses neue Mittel, um leichter einen Zugang zur Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu bekommen, ist es wichtig sich in diesem harten Wettbewerb um Aufmerksamkeit zu posi- tionieren. Nur so kann eine Wahrnehmung nach innen und nach außen stattfinden.[15] Die Mas- senmedien sind nicht nur ein „Medium“ zur Darstellung von Politik, sondern sie stellen selbst einen zentralen politischen Faktor dar. Diese „politische Kommunikation ist […] nicht [als] Mittel der Politik“ zu sehen, sondern nach Ulrich Sarcinelli ist „sie selbst Politik“. In der anti- ken Rhetorik findet diese Regel genauso Anwendung wie im 16. bzw. im 20. und 21. Jhd. Natürlich hat der Umgang mit der Volksmeinung im neuen Jahrtausend eine breitere Wirkung als in den vorhergegangenen Jahrhunderten auf Grund der modernen Informations- und Kommunikationsmittel.[16]

[...]


[1] Rousseau, Jean-Jaques (2005): Der Gesellschaftsvertrag. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main. S. 42

[2] Hobbs, Thomas (1966): Leviathan. Suhrkamp, Neuwied und Berlin. S. 134

[3] Vgl. Dvošák, Johann (2007): „Eigentum und Freiheit, Wahlrecht und Demokratie in den Debatten der Armee während des Englischen Bürgerkrieges.“ In: Bader-Zaar, Brigitta; Grandner, Margarete; Sauer, Edith (Hg.). Auf dem Weg in die Moderne. Radikales Denken, Aufklärung und Konservatismus. Gedenkband für Michael Wein- zierl. StudienVerlag, Innsbruck/Wien/Bozen. S.77

[4] Vgl. ebd., S. 79

[5] Vgl. ebd., S. 81

[6] Vgl. ebd., S. 78

[7] Vgl. ebd., S. 80

[8] Vgl. ebd., S. 84

[9] von Clausewitz, Carl (2008): Vom Kriege. NIKOL, Hamburg. S. 29

[10] Vgl. Dvošák (2007): S. 82

[11] Vgl. ebd., S. 86

[12] Vgl. Sarcinelli, Ulrich (1998): Politische Inszenierung im Kontext des aktuellen Politikvermittlungsgeschäfts. In: Arnold, Sabine R./Fuhrmeister, Christian/Schiller, Dietmar (Hg.): Politische Inszenierung im 20. Jahrhundert. Zur Sinnlichkeit der Macht. bóhlau, Wien/Köln/Weimar. S. 146

[13] Vgl. ebd., S. 147

[14] Vgl. ebd., S. 151

[15] Vgl. ebd., S. 148 f.

[16] Vgl. ebd., S. 149

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Staat - Migration - Globalisierung
Hochschule
Universität Wien
Veranstaltung
Ringvorlesung Sozialwissenschaften und gesellschaftlicher Wandel – aktuelle Debatten
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V123670
ISBN (eBook)
9783640291656
ISBN (Buch)
9783640291724
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit besteht aus drei von einander unabhängigen Essays.
Schlagworte
Staat, Migration, Globalisierung, Ringvorlesung, Sozialwissenschaften, Wandel, Debatten
Arbeit zitieren
Alen Velagic (Autor:in), 2008, Staat - Migration - Globalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123670

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