Das ambivalente Verhältnis der USA zu den vereinten Nationen

Eine exemplarische Untersuchung


Hausarbeit, 2006

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

A) Einleitung – Rückblick

B) Das zerrüttete Verhältnis zwischen USA und UNO
1. Der Austritt der Vereinigten Staaten aus der UNESCO
1.1. Vorstellung einer UN-Sonderorganisation: Die UNESCO
1.2. Die ideologische Determinante unter Präsident Reagan
1.3. Die Austrittserklärung der USA:
1.3.1. Unzufriedenheit mit dem NWIKO-Programm
1.3.2. Vorwurf der Politisierung
2. Die inkonsistente Zahlungsmoral der USA
2.1. Vorstellung des Finanzierungssystems der UNO
2.2. Die Entwicklung der Finanzierung bis 1999
2.3. Das Helms-Biden-Agreement
2.4. Hintergründe der amerikanischen Zahlungsverweigerung:
2.4.1. Die amerikanische Sicht auf die UNO: „Tyrannei der Mehrheit
2.4.2. Innenpolitische Machtspiele: Kongress vs. Administration
2.4.3. Zahlungsverweigerung als Druckmittel
3. Der Irak-Krieg: Ein neues Kapitel zwischen USA und UNO.
3.1. Bush’s Bekenntnis zur „National Security Stragety“
3.2. Der Kampf um Resolutionen im Sicherheitsrat
3.3. „Exceptionalism“ als wichtiges Motiv für den US-Alleingang
3.4. Die UNO – für die USA obsolet geworden?

C) Schlussbemerkungen – Aussicht

Literaturverzeichnis

A) Einleitung – Rückblick

Seit ihrer Unabhängigkeitserklärung am 04.07.1776 – und damit seit Beginn ihres Bestehens – prägten und prägen die USA mit ihrer Politik das Bild der Welt. Dabei könnten die Auffassungen der verschiedenen Präsidenten darüber, was gut für die eigene Nation sei, kaum unterschiedlicher sein. Gründervater George Washington warnte in seiner ‚Farewell Address’ seine Landsleute ausdrücklich vor „entangling alliances“ und schlug damit den Weg des Isolationismus ein, dem Amerika[1] lange Zeit treu blieb. Diese Grundeinstellung wich – gleichzeitig mit dem wirtschaftlichen und militärischen Erstarken der USA – einer anderen Auffassung. In seinen berühmt gewordenen `14 Punkten’ nahm der liberale Präsident Woodrow Wilson eine radikale Gegenposition zu Washington ein: Das Bekenntnis „The world must be made safe for democracy“ impliziert die Verpflichtung zu aktivem Engagement in der Weltpolitik.[2] Wilson war der Vordenker des Völkerbundes, der größten anzunehmenden „Allianz“ überhaupt. Er setzte große Hoffnungen in dieses multinationale Experiment.

Und dennoch, ganz so unlogisch ist der Wandel von Washington zu Wilson nicht: Beide Präsidenten standen absolut hinter den Werten und Prinzipien der USA. Während man in der Gründerzeit glaubte, sie noch gegen Einflüsse von außen verteidigen zu müssen, fühlte man sich gegen Ende des 1. Weltkrieges verpflichtet und in der Lage, diese Wertebasis exportieren zu können.

Nach dem Scheitern des Völkerbundes, das u.a. durch Amerikas Absenz von der Organisation bedingt war – der Kongress hatte das Beitrittsgesuch Wilsons zum Völkerbund abgelehnt – , präsentierte sich die USA als „key supporter“ zur Geburtsstunde der UNO. Der Hauptsitz der UNO wurde auf New York festgelegt, die Charta stimmte mit den US-Interessen überein[3] und die gesamte Organisation trug zu sehr großen Teilen die Handschrift Amerikas.

2003: Der Irak-Krieg. Die ganze Welt wurde Zeuge, wie die UNO beim Einmarsch der US-Truppen in den Irak tatenlos und ohnmächtig zusehen musste. Was war passiert? Wieso entfernten sich die USA soweit von den Vereinten Nationen, so dass dieses Verhältnis sogar als „vergiftet“ beschrieben wurde? Was war in der Zeit vor 2003 geschehen? Wo liegen die Chancen für die Zukunft? Die vorliegende Arbeit versucht Antworten auf diese wichtigen Fragen zu geben, indem sie drei prominente Beispiele der US-UN Beziehungen beleuchtet: Amerikas Austritt aus der UNESCO, seine Zurückhaltung von Finanzierungsgeldern und schließlich der Krieg gegen den Irak. Sie sollen exemplarisch Meinungen und Handlungsmuster offenlegen, die das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und den Vereinten Nationen prägen.

B) Das zerrüttete Verhältnis zwischen USA und UNO

1. Der Austritt der Vereinigten Staaten aus der Unesco

1.1. Vorstellung einer UN-Sonderorganisation: Die UNESCO

Die „United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation“ (kurz: UNESCO) wurde offiziell mit der Ratifizierung ihrer Satzung am 4. November 1946 gegründet.[4] Diese verweist in der Präambel auf das Verständnis der Unterzeichnerstaaten von der Aufgabe der UNESCO. Dort wird konstatiert, dass, „da die Kriege im Geist der Menschen entstehen, auch die Bollwerke des Friedens im Geist der Menschen errichtet werden müssen.“ Art. 1 Abs. 2 der Satzung legt als immanente Ziele der UNESCO u.a. die Förderung des gegenseitigen Verständnisses der Völker übereinander, die Erleichterung des freien Austausches von Ideen sowie die Förderung der Bildung und der Verbreitung der Kultur durch Mitarbeit am Aufbau von Erziehungssystemen fest.[5] Die funktional wenig spezifische Organisation übte seit Beginn ihres Bestehens die Rolle eines Forums aus. Auch wenn die UNESCO als eigenständige, spezialisierte Organisation tätig ist, wurde sie „über den Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) institutionell an die Vereinten Nationen angebunden.“[6] Bis Ende der 80er war die UNESCO ein Musterbeispiel für das „monarchic model“[7] einer Organisation: Der Entscheidungsprozess wurde vom Generaldirektor maßgeblich bestimmt, während der Exekutivrat nur wenig Einfluss auf die UNESCO nehmen konnte. Insbesondere das starke Anwachsen der Organisation auf ihre heutige Größe (191 Mitgliedstaaten) bedeutete einen relativen Stimmenanteilsverlust der westlichen Staaten und erodierte ihre anfängliche Meinungshoheit innerhalb der Organisation. Während sich in den 60er Jahren die Debatte innerhalb der UNESCO vornehmlich um die Beziehungen zwischen USA und der UdSSR abspielte, rückte, ab 1970, der sich anbahnende Nord-Süd-Konflikt die Ost-West-Spannungen in den Hintergrund. Mit der Wahl Ronald Reagans zum neuen US-Präsidenten im Jahr 1981 verschlechterte sich das Verhältnis Amerikas zur UNESCO zunehmend.

1.2 Die ideologische Determinante unter Präsident Reagan

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Jimmy Carter, konzentrierte sich Reagan voll und ganz auf die Zurückdrängung Moskaus (am deutlichsten wird dies in der „State of Union Adress“ von 1985 formuliert).[8] Das gesamte Politikkonzept verpflichtete sich der bipolaren Rivalität zwischen den beiden Großmächten: Nur in dem Maße, in dem Entwicklungsländer den Führungsanspruch der USA befürworteten, erhielten sie auch Unterstützung von Amerika.[9] Auch die Beförderung von Menschenrechten musste der antikommunistischen Agenda Vorrang einräumen. Diese rigorose Politik wurde durch die Reagan-Doktrin untermauert, welche Aktionen „nicht durch die moralische Qualität der Maßnahmen, sondern durch seine moralische Überlegenheit der Ziele“[10] legitimierte. Ein wichtiges Ziel der Reagan-Administration war die Wiederherstellung des durch Carter verloren geglaubten Selbstbewusstseins. Ihm – der Amerika darauf einschwor, dass seine besten Zeiten endgültig vorbei seien – wurde von der neuen Regierung die Schuld für das Versagen im Iran-Konflikt zugewiesen.[11] Eine Politik der Schwäche und der Schüchternheit, könne und wolle man sich nicht weiterhin leisten, so die einhellige Meinung in Washington.

Mit der ideologischen Umorientierung änderte sich auch Amerikas Verhältnis zur UNO. Immer häufiger wurde „nicht nur die Effektivität des UN-Systems, sondern auch dessen Existenzberechtigung in Frage gestellt.“[12] Im Einklang mit der stärker werdenden Ablehnung der UNESCO (sowie der gesamten UNO) stand die Rückkehr zu nationalen Themen[13] und ein verstärkter Individualismusanspruch.[14] Eine Ideologie des dogmatischen Unilateralismus erlaubte es daher, Interessen alleine auf nationaler Ebene zu formulieren. Somit stellte der Rückzug auf die eigenen Wertevorstellungen gleichermaßen einen Rückzug aus der multilateralen Kooperation dar.[15] Reagans stark neorealistisch gefärbte Auffassung, dass Selbsthilfe der sicherste Schutz für Amerikas Interessen sei, wurde von der neokonservativen UNO-Botschafterin Jeane Kirkpatrick geteilt.

1.3 Die Austrittserklärung der USA

Als Außenminister Shultz am 28. Dezember 1983 Amerikas Austritt aus der UNESCO ankündigte, haben die schon lange schwelenden Spannungen ihren Höhepunkt erreicht. Vorausgegangen waren lang andauernde und wirkungslose Debatten der USA mit den Entwicklungsländern um eine Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung (NWIKO). Der nächste gewichtige Kritikpunkt war die amerikanische Empörung über fortlaufende Politisierungs-Versuche vieler anderer Mitgliedstaaten. Nach Meinung der USA gehörten viele in der UNESCO erörterte Themen, v. a. die Israel-Frage, nicht zum Mandat dieser Sonderorganisation. Weiterhin mehrte sich die Unzufriedenheit in der US-Administration über den amtierenden Generaldirektor der UNESCO, Amadau-Mahar M´Bow, „whom they considered corrupt, inefficient, and antiwestern.“[16] Zudem hatte sich die öffentliche Meinung in den USA (auch in Folge einer gegen die NWIKO gerichteten Medienkampagne) der unilateralistischen Ideologie von Reagan (s. oben) angenähert. Die hier erwähnten Gründe mündeten schließlich in den endgültigen Austritt der USA aus der UNESCO am 31. Dezember 1984 nach einer einjährigen sog. Untersuchungsphase. Die ersten beiden Argumente werden nun näher betrachtet.

1.3.1 Unzufriedenheit mit dem NWICO-Programm

Seit Beginn ihres Bestehens sahen die Amerikaner die UNESCO als Organisation, die die liberalen Normen und Einstellungen des Westens in der ganzen Welt verbreiten sollte.[17] In diesem Sinne standen auch ihre ersten Versuche, ein weltumspannendes Radionetzwerk zu etablieren. Es sollte die amerikanische Vorstellung einer neuen Weltordunung verkünden. Die angestrebte Instrumentalisierung scheiterte jedoch am Widerstand der kleinen Länder. Nachdem die anfänglich hochgesteckten Erwartungen in die globale Zusammenarbeit auf institutioneller Basis enttäuscht worden waren und die „Realität im Laufe der Zeit immer weniger dem amerikanischen Konzept der Vereinten Nationen entsprach“[18], verringerten sich sukzessive Zuspruch und Unterstützung der Amerikaner für die UNO. Eine resignative Grundstimmung machte sich breit, die sich vor allem darin widerspiegelte, dass die aktive Selbstbeteiligung am politischen Gestaltungsprozess gänzlich aufgegeben wurde. Die Bekämpfung von Initiativen anderer Staaten, die amerikanischen Vorstellungen widerstrebten, erforderte ab Mitte der 70er die ganze Konzentration der USA.[19] Das bekannteste und weitreichendste Paradigma hierfür ist das Gezerre in der UNESCO um die NWIKO (neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung).

Aus Sorge vor US-amerikanischem Kulturimperialismus und damit einhergehendem Verlust ihrer eigenen kulturellen Identität, forderten die Entwicklungsländer eine „stärkere Beteiligung [...] im internationalen Informationsfluss“[20] und dessen wirksame Kontrolle. Weiterhin wurde die Verankerung eines Lizenzierungszwangs für Journalisten in der NWIKO gefordert.[21] Dieses Ansinnen wurde vor allem von der UdSSR unterstützt. Moskau verlangte die soziale Verpflichtung der Massenmedien und ihre Erziehung zum Frieden in die Mediendeklaration aufzunehmen[22] und wollte gemäß dem Prior-Consent-Prinzip auch die staatliche Zensur über satelliten-ausgestrahlte Medieninhalte sicherstellen. Die genannten Vorschläge stießen in den USA auf harsche Kritik. Sie liefen der liberalen Norm des „free flow of information“ so stark zuwider, dass der Kongress für den Fall des Zustandekommens einer solchen Vereinbarung, den sofortigen Zahlungsstopp für die UNESCO androhte. In der Tat wurden auch Mittel für die nationale UNESCO-Kommission gestrichen, die von allen US-Akteuren noch am meisten gesprächsbereit war. Die radikale Verweigerungshaltung der USA verschärfte die Dissonanzen zwischen UNESCO und den Vereinigten Staaten.

[...]


[1] Wenn im Folgenden (der Einfachheit halber) von Amerika oder den Amerikanern die Rede ist,

so sind immer die USA bzw. die US-Amerikaner gemeint.

[2] Johnstone, Ian: US-UN Relations after Iraq: The end of the World (Order) as we know it?, in: European Journal of International Law, Nr. 4 (2004), S. 827.

[3] Mingst, Karen: Troubled Waters: The United States-United Nations Relationship, in: International Peacekeeping, Nr. 4 (2003), S. 82.

[4] Vgl. Imber, Mark F.: The USA, ILO, UNESCO and IAEA; Politicization and withdrawal in the specialized agencies. New York: St. Martin`s Press: 1989, S. 100

[5] Auch der Schutz und die Erhaltung des Kulturerbes der Menschheit und die Förderung des internationalen Personenaustauschs sind wichtige Belange der UNESCO, aber für die nachgehende Argumentation eher von geringem Interesse.

[6] Kittel, Gabriele: Charakteristika internationaler Organisationen und Außenpolitikanalyse; Zwischen konditionaler Kooperation und Austritt: Die Außenpolitik der USA gegenüber der UNESCO und der ITU (1982 – 1988). Baden-Baden: Nomos, 1997, S. 69.

[7] Ebd., S. 94.

[8] Vgl. Münzing, Ekkehard: Die UNO – Instrument amerikanischer Außenpolitik?;

Die Uno-Politik der Bush-Administration 1988 – 1992. Münster: Lit-Verl., 1995, S. 33.

[9] Vgl. Zitka, Frank: Wandel und Kontinuität; Amerikanische UNO-Politik 1977 – 1993. Frankfurt a.M.: Lang, 1997, S. 290.

[10] Münzing, Die UNO – Instrument?, 1995, S. 33.

[11] Vgl. Ostrower, Gary B.: The United Nations and the United States. New York: Twayne, 1998, S. 172.

[12] Zitka, Wandel und Kontinuität, 1997, S. 290.

[13] Vgl. Ostrower, The UN and the US, 1998, S. 174.

[14] siehe dazu auch Kapitel 3.3 (ab S. 19)

[15] Vgl. Zitka, Wandel und Kontinuität, 1997, S. 290.

[16] Vgl. Ostrower, The UN and the US, 1998, S. 177.

[17] Vgl. Kittel, Außenpolitik der USA, 1997, S. 167.

[18] Ebd., S. 168.

[19] Ebd., S. 175.

[20] Kittel, S. 140.

[21] Vgl. Ostrower, The UN and the US, 1997, S. 177.

[22] Vgl. Imber, 1989, S. 106.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das ambivalente Verhältnis der USA zu den vereinten Nationen
Untertitel
Eine exemplarische Untersuchung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister Scholl Institut für politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Die Vereinten Nationen
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
25
Katalognummer
V123595
ISBN (eBook)
9783640289929
ISBN (Buch)
9783640290086
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhältnis, Nationen, Vereinten, Nationen
Arbeit zitieren
Philipp Hauner (Autor:in), 2006, Das ambivalente Verhältnis der USA zu den vereinten Nationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123595

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