Die Fortsetzung der bonifatianischen Reform

Der heilige Bonifatius und die Grundlegung des christlichen Europas


Seminararbeit, 2006

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. EINLEITUNG

II. Winfrid – Bonifatius. Sein Leben und Wirken
2.1 Das Leben des Winfrid – Bonifatius
2.2 Reformtätigkeit des Bonifatius
2.3 Verdrängung und Märtyrertod des Bonifatius

III. Fortsetzung der bonifatianischen Reform
3.1 Nachwirken des Bonifatius
3.2 Die Synoden unter König Pippin
3.2.1 Die Synode von Ver 755 – Mönche und Kanoniker
3.2.2 Die Synoden von Verberie 756 und Compiègne 757 – Regelung der Ehefragen
3.2.2.1 Verberie
3.2.2.2 Compiègne
3.2.3 Die Synode von Attigny 762 – Der Gebetsbund
3.3 Ergebnis der bonifatianischen Reform

IV. Schlussbemerkung

V. Anhang
5.1 Karten
5.1.1 Karte I: England in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts
5.1.2 Karte II: Das Frankenreich unter Karl dem Großen
5.2 Abbildungsverzeichnis
5.3 Literaturverzeichnis

I. EINLEITUNG

Ende des 7. Jahrhunderts erlangte die Tatsache, dass die „römisch“ geprägte angelsächsische Kirche auf das Frankenreich einzuwirken begann, zunächst missionarisch in den nördlichen und östlichen Grenzlanden und dann kirchenreformerisch im Reichsinnern, eine epochale kirchengeschichtliche Bedeutung. Karl Martells Söhne Karlmann (741-747, †754) und Pippin (741 – 751, König 751 – 768) leiteten eine Kirchenreform ein, die über Jahrzehnte weiterverfolgt wurde und eine umfassende kirchliche Neugestaltung bewirkte. Dabei waren ihre wichtigsten Helfer angelsächsische Missionare. Besonders bedeutsam unter all den angelsächsischen Missionaren, welche nach Deutschland hinübergekommen sind, wurde Winfrid, der seit 719 den Ehrentitel Bonifatius trug.

Seine Tätigkeit ist von außerordentlicher Bedeutung für die deutsche mittelalterliche Geschichte. Als Abgesandter des Papstes für Germanien zog Bonifatius zunächst als erfolgreicher Missionar durch Hessen, Thüringen und Bayern, gründete zahlreiche Klöster und er widmete sich der inneren Reform der Kirche. In seiner Vita wird berichtet, dass Bonifatius vier Synoden abgehalten habe; damit sind das Germanicum, Les Estinnes und die Synoden von 745 und 747 gemeint, denn an diesen vier Konzilien hat er persönlich teilgenommen. In diesen Synoden hat Bonifatius mitgeholfen, die um 716 in einem beklagenswerten Zustand des Zerfalls befindliche fränkische Kirche, welches sich in den nächsten zwei Jahrzehnten nur noch steigerte, zu erneuern, indem er es in lebendige Berührung mit der angelsächsisch christlichen Kultur brachte. Das Ergebnis seiner Reformtätigkeit waren blühende Kirchenprovinzen in straffer Abhängigkeit von Rom, Klosterneugründungen als Mittelpunkte christlichen Lebens und Stützpunkte der Mission, ein nach Möglichkeit gereinigter Klerus und die Gesinnung des Christenvolkes voll neuen christlichen Geistes. Aber der Erfolg war nicht nur auf seine Zeit beschränkt, er hat weltgeschichtliche Ausmaße. Die von Bonifatius eingeleitete Kirchenreform wurde unter König Pippin von Chrodegang fortgeführt. Unter seiner Leitung fanden mehrere Synoden statt (755 in Ver, 756 in Verberie, 757 in Compiègne und 762 in Attigny), auf denen die bonifatianischen Reformthemen weitergeführt und dabei präzisiert wurden.

Das Interesse dieser Seminararbeit richtet sich in einem kurzen Abriss auf die geschichtliche Darstellung des Lebensganges des Bonifatius, sowie seiner Wirksamkeit und seiner Reformtätigkeit. Anschließend hat die Studie die Aufgabe, die Fortsetzung der bonifatianischen Reform mit besonderem Blick auf die weiterführenden Synoden darzustellen und am Schluss die Ergebnisse zusammenzufassen und die Bedeutung der Reformtätigkeit des Bonifatius, wie die Fortsetzung seiner Reformthemen, herauszustellen.

II. Winfrid – Bonifatius. Sein Leben und Wirken

2.1 Das Leben des Winfrid – Bonifatius

Winfrid[2] entstammte einer adelig-grundherrlichen Familie aus Wessex. Gegen 672/75 geboren,[3] trat er um 680 als „puer oblatus“ (dargebrachtes Kind) ins benediktinische Kloster Exeter und wechselte um 700 ins Kloster Nursling (zwischen Winchester und Southampton), wuchs dort in mönchischem Geist auf, erhielt eine monastisch – gelehrte Bildung bei strenger Unterwerfung unter regeltreues Benediktinertum.[4] Annährend zwanzig Jahre sollte Winfrid dem Kloster Nursling verbunden bleiben und sich während dieser Lebensspanne all das aneignen, was ihm später bei seinen Aktivitäten auf dem Kontinent von Nutzen sein konnte.[5][1]

Der bereits Vierzigjährige fasste dann den Entschluss zur asketischen Heimatlosigkeit (peregrinatio)[6], brach zum Kontinent auf und erschien 716 in Utrecht,[7] als die Friesen gerade mit den Franken in heftigen Kämpfen lagen.[8] Winfrid kehrte im Herbst 716 wieder nach England zurück, wurde in seiner Abtei Nursling im Jahre 717 zum Abt gewählt (er hat dieses Amt wohl kurzfristig ausgeübt), verließ aber schon im Frühjahr 718 erneut seine Heimat, diesmal für immer. Zunächst ging er als Pilger bis nach Rom und ließ sich dort von Papst Gregor II. (715 – 731)[9] zur Mission in Germanien beauftragen. Am 15. Mai 719 erteilte der Papst die erbetene Vollmacht zur Mission.[10] Den Namen Bonifatius, den Winfrid damals erhielt, machte er sich als Zeichen seiner Zugehörigkeit zum Apostolischen Stuhl für dauernd zu Eigen.[11]

Der neue Missionar wandte sich nach Thüringen und dann erneut nach Friesland. Doch schon 721 wirkte Bonifatius eigenständig in Hessen mit einem ersten Stützpunkt in Amöneburg. Im Jahre 722 folgte seine zweite Romreise, bei der er am 30. November die Bischofsweihe erhielt. Dabei legte er – für einen fränkischen Bischof völlig neu – den üblichen Obedienz-Eid ab, womit er den Papst als seinen nächst zuständigen Obermetropoliten[12] anerkannte.

Im Frankenreich nahm ihn Karl Martell[13] unter seinen besonderen Schutz, da dieser um den Nutzen einer funktionierenden Kirchenordnung wusste. In Rom, wohin Bonifatius ständig Bericht erstattete, stimmte Gregor III. (731 – 741) seinem Erlangen zu, wegen der stark angewachsenen Zahl der Gläubigen neue Bistümer zu errichten und dafür Bischöfe zu weihen; der Papst verlieh ihm deswegen 732 das Pallium. Aber der neue Erzbischof musste erfahren, dass seine Pläne sich für ganze zehn Jahre nicht verwirklichen ließen. Karl Martell, aus welchen Gründen auch immer, verweigerte sich dem Angelsachsen.

737/38 war Bonifatius zum dritten Mal in Rom, wo Gregor III. ihn zum Legaten Germaniens, also zu seinem dortigen Vertreter, machte.[14] Gleichzeitig gewann Bonifatius eine Reihe neuer Mitarbeiter. Wegen seinem Misstrauen dem fränkischen Klerus gegenüber schaute er sich deshalb unter seinen angelsächsischen Landsleuten um.[15]

2.2 Die Reformtätigkeit des Bonifatius

Mit dem Tod Karl Martells 741 sah sich Bonifatius unversehens auf den Höhepunkt seines Wirkens gehoben, schien er doch mit Hilfe der beiden nachrückenden Söhne Karlmann und Pippin endlich seine lang gehegten Reformziele verwirklichen zu können. So beriefen Karlmann, ebenso wie Pippin – dieser freilich weniger nachdrücklich – zur Reform der fränkischen Kirchenverhältnisse.[16]

Wahrscheinlich zu Beginn des Jahres 742 richtete Bonifatius einen Brief an den kurz zuvor erhobenen Papst Zacharias (741-752), in dem er ein düsteres Bild vom Zustand der fränkischen Kirche jener Jahre entwirft:

- seit 60 oder 70 Jahren werde die Verfassung der Kirche mit Füßen getreten;
- seit mehr als 80 Jahren habe keine Synode mehr stattgefunden, um kirchenrechtliche Bestimmungen zu begründen und zu erneuern;
- es gebe keine Erzbischöfe, und die Bischofsitze in den Städten seien Laien überlassen, denen es um die Besitztümer der Kirche gehe, oder aber Geistlichen, die Unzucht oder Wucher trieben.[17]

Im Jahre 743 (oder schon 742) tagte das erste, an unbekanntem Ort abgehalten Concilium Germanicum, auf dem Bonifatius seine Ziele am klarsten hat ausformulieren können.[18] Karlmann als der zuständige „Herzog und Fürst der Franken“[19] gab den Beschlüssen Rechtskraft.

In seiner Vita wird berichtet, dass Bonifatius vier Synoden abgehalten habe; damit sind das Germanicum [742/743][20], Les Estinnes [743][21] und die Synoden von 745 und 747[22] gemeint, denn an diesen vier Konzilien hat er persönlich teilgenommen.

Als Kern seiner Reformbemühungen können folgende Punkte hervorgehoben werden:

- Installierung der jurisdiktionellen und administrativen Zuständigkeit des Diözesanbischofs und Schaffung von Metropolianbezirken; Versuch, das Kirchengut wieder in den Zugriff des Bischofs zu bekommen, indem fremde Kleriker, Priester wie Bischöfe, sich einer synodalen bzw. bischöflichen Überprüfung zu stellen hatten, man sich den Wanderklerikern entgegenzuwirken suchte, zugleich aber auch der „großen Freiheit“ der Klöster und dem Eigenkirchenwesen.
- Zentral betraf die Reform die Lebensführung des Klerus und dessen Seelsorgtätigkeit: Abhaltung von Synoden, bischöfliche Firmspendung, regelmäßige Überprüfung des Pfarrklerus in seiner Amtsführung – so in Taufspendung, Messfeier und Glaubensbekenntnis – und schließlich das Verbot des Waffentragens und Jagens.
- Kampf gegen vagierende Klosterbischöfe irischer oder pirminischer Provenienz; Verbot der adeligen Lebensweise für hohe Geistliche, die sich mit Jagd und Krieg befassen; Kampf gegen unkeusche und verheiratete Priester, gegen regellose Spendung von Taufe und Priesterweihe, gegen die Verwischung des Unterschieds zwischen Geistlichen und Laien durch fehlende Kleiderordnung.
- Dass ferner die Pflicht zum Zölibat eingeschärft und allen konkubinarischen Klerikern Amtsenthebung sowie Auspeitschung angedroht wurde, zeigt Bonifatius als Beförderer des „reinen“ Priestertums.
- Für Administration und Juridiktion in seiner Diözese sollte allein der Bischof zuständig sein. Das von Laien usurpierte Kirchengut sollte an die Kirche zurückgegeben werden.
- Ein Zusammenwirken von Bischöfen und Grafen sah das Konzil vor, um die noch vorhandenen heidnischen Tendenzen und Bräuche zu bekämpfen.
- Mönche und Nonnen sollten nach der Benediktregelregel leben.
- Bonifatius mahnte auch das christliche Eherecht an; zunächst sprach man klar das Verbot einer Neuverheiratung zu Lebzeiten des rechtmäßigen Partners aus[23] und weiterhin bestand ein Ehehindernis bei Verwandtschaft.[24]

Die Reform[25] zielte direkt auf die evidenten, nicht selten von dem politischen System hervorgerufenen Missstände.[26]

Die Beschlüsse jener Bischofskonferenz zeigen noch einmal die Probleme jener Zeit: Die Kirchen sollen durchorganisiert werden, Reste des Heidentums sollen bekämpft werden, Kleriker werden strengeren Maßstäben unterworfen. An der Spitze der Kirche stehen Bischöfe, die ihrerseits dem Erzbischof Bonifatius unterstehen. Das ganze Programm ist aber nur durchführbar, wenn es vom fränkischen Staat unterstützt wird.

Die bonifatianische Reform hat eine für die ganze westliche Kirchengeschichte bedeutsame Umorientierung angebahnt: die Rom -Verbundenheit der nordalpinen Länder. Bis zur Ankunft der Angelsachsen auf dem Kontinent war die fränkische Kirche eine Landeskirche, und dies in zweifacher Hinsicht; einmal, da sie mehr oder weniger abgeschlossen in sich und für sich lebte, und zum anderen, weil der König mit Hilfe der beiden wichtigen Rechte der Bischofsernennung und der Synodenberufung die Oberhoheit ausübte.[27]

Die bis dahin im Westen geübte regionale Eigenkirchlichkeit mit ihrer Eigenständigkeit in liturgischen und disziplinären Angelegenheiten sollte aufhören. Aber auch andere Fragen, ob nun disziplinärer oder dogmatischer Art, ließ er jetzt von Rom aus entscheiden. Die fränkische Kirche war nicht mehr länger eine Landeskirche in dem Sinn, dass sie nur ihren eigenen Lebenskreis kannte. Sie war Rom – verbunden und erhielt dadurch ein neues gesamtkirchliches Bewusstsein.[28]

2.3 Verdrängung und Märtyrertod des Bonifatius

Als der für das östliche Frankenreich zuständige Herrscher Karlmann abdankte, um sich in ein Kloster in Italien zurückzuziehen, verlor Bonifatius in der Politik dadurch seinen wichtigsten Rückhalt. Ohne Karlmann wären die Beschlüsse des Concilium Germanicum von 743 kaum zu realisieren. Bonifatius brachte zwar 747 noch einmal eine Bischofssynode zusammen, aber war die Möglichkeit einer politischen Wirkung und praktischen Umsetzung der Beschlüsse des Konzils von 747 abgeschnitten. Wie stark Bonifatius in jenen Jahren sich fast allein auf Karlmann gestützt hat, wird daraus ersichtlich, dass nach 747 keine Synode mehr stattfinden konnte. Bonifatius hat sich anscheinend aus der fränkischen Kirchenpolitik zurückgezogen und seine Missionsarbeit wieder aufgenommen.

Bei den entscheidenden politischen Ereignissen der Jahre 750 – 753 spielte Bonifatius keine Rolle mehr.[29] Seit dem Ende der vierziger Jahre traten einheimische Kirchenleute in den Vordergrund. Als erster ist Chrodegang zu nennen, seit 742 Bischof von Metz und später der Nachfolger des Bonifatius im Erzbischofsamt wurde. Sodann Fulrad (†784), seit 749 Abt der berühmten Abtei St. Denis und zugleich als erster Kaplan Pippins der Vorsteher der herrscherlichen Hauskapelle und damit wichtigster Berater in politischen Dingen. Da der Angelsachse sich in der Kirchenreform beiseite geschoben sah, versuchte er zu sichern, was ihm noch von seinem Lebenswerk verblieben war. Nicht zufällig unterstellte er Fulda 751 dem päpstlichen Schutz. Seinen Schüler Lul (†786)[30] ließ er zum Nachfolger in Mainz bestellen (752/53).

Der Achtzigjährige nahm dann seine allererste Tätigkeit wieder auf und ging noch einmal in die Friesenmission. Auf einer Firmreise wurde er am Pfingstmittwoch des Jahres 754 bei Dokkum von Räubern überfallen. Bis zum letzten Atemzug im Dienst des Glaubens, traf ihn der tödliche Schwertstreich. Dabei soll er sich mit einem Buch über dem Kopf zu schützen gesucht haben. Bonifatius wurde sofort als Märtyrer gefeiert und der Eindruck auf die Zeitgenossen war gewaltig.[31]

[...]


[1] Das Leben des Winfrid – Bonifatius umspannt einen Zeitraum von achtzig Jahren, über dessen erste Hälfte uns nur ganz wenige biographische Angaben erhalten sind. Wir bleiben fast ausschließlich auf die sehr lückenhafte Vita angewiesen, die der Presbyter Willibald etwa ein Jahrzehnt nach dem Tod des Bonifatius in Mainz geschrieben hat. Allerdings kannte Willibald Bonifatius nicht persönlich. Er war ganz abhängig von den Informationen, die ihm Lul, der Nachfolger des Bonifatius, als sein wichtigster Auftraggeber zugänglich gemacht hat. Dazu gehörte auch die umfangreiche Bonifatiuskorrespondenz, eine einzigartige Quelle von hohem Authentizitätsgrad, die vermutlich auf Veranlassung von Lul zusammengestellt worden ist. Diese Einschätzung der Quellenlage wird bei der folgenden Erzählung stets zu berücksichtigen sein.

[2] Winfrid (Wynfreth, Winfreth oder andere Schreibweisen) ist ein typisch zweisilbiger altenglischer Name, zusammengesetzt aus den Teilen wyn (Freude) und freth (Friede). Beide Elemente entstammen vermutlich vom Namen seines Vaters und der Mutter.

[3] Das Geburtsdatum des Bonifatius lässt sich nicht genau festlegen, während der Todestag (5. Juni 754) bekannt ist. So muss man sich mit der ungefähren Angabe 672/675 begnügen. Ebenso unsicher sind Geburtsort und Herkunft.

[4] Vgl. Angenendt, Das Frühmittelalter, S. 270.

[5] Vgl. Padberg, Bonifatius, S. 22. Vgl. ebenfalls dazu die Karte I im Anhang auf Seite 21.

[6] Willibald sagt nur, dass Winfrid vom Ideal asketischer Heimatlosigkeit ergriffen wurde. Dieses Motiv hatte schon früher manchen irischen oder angelsächsischen Mönch zur Auswanderung auf das Festland veranlasst. In Armut und Heimatlosigkeit wollten sie Jesus nachfolgen. Winfrid ist mit festen Vorstellungen gekommen. Sein Ziel war Friesland, wo sich schon seit Jahrzehnten angelsächsische Mönche als Missionare sich mühten.

[7] Vgl. Karte II „Das Frankenreich unter Karl dem Großen“ im Anhang, S. 22.

[8] Winfrid kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Der Friesenkönig Radbod, ein energischer Vertreter des Heidentums, hatte seine Macht in Friesland ausgedehnt und gefestigt, während das benachbarte Frankenreich, das vorher der christlichen Mission unter den Friesen Rückhalt gegeben hatte, durch innere Krisen geschwächt war. So hatte die Mission in Friesland damals kaum Erfolgschancen.

[9] Bonifatius gewann das Vertrauen des Papstes Gregor II., der sonst ganz im Bannkreis des byzantinischen Reiches und seiner Probleme lebte. Doch die Probleme der germanischen Völker waren ihm nicht ganz unbekannt.

[10] Winfrid sollte unter den Heidenvölkern in Germanien predigen, ein bestimmtes Volk oder Land wurde nicht genannt. Bei Taufen sollte er sich an das römische Ritual halten, über Schwierigkeiten sollte er nach Rom berichten.

[11] Jetzt nahm der Angelsachse Winfrid den neuen Namen Bonifatius an, wohl nach dem römischen Kalenderheiligen des vorangegangenen Tages, der der Legende nach um 300 in Tarsos den Tod gefunden haben soll und dessen Fest noch heute alljährlich am 14. Mai begangen wird. Bonifatius verstand sich nun ganz als Mann des Papstes. Der Weg in die Mission stand ihm offen.

[12] Der Metropolit ist im katholischen Kirchenrecht die Bezeichnung für einen Diözesan-Bischof, der gleichzeitig erster Bischof oder Erzbischof einer Kirchenprovinz ist. Ein Metropolit genießt verschiedene Ehrenrechte. Seine Aufgabe ist die Überwachung der Lehrverkündigung und der kirchlichen Ordnung. Er ist verpflichtet, dem Heiligen Stuhl über Vorkommnisse zu berichten, darf aber im Allgemeinen nicht eigenmächtig eingreifen.

[13] Karl Martell, „der Hammer”(um 688 bis 741), war ein Hausmeier aus dem Geschlecht der Karolinger. Er legte den Grundstein für den Aufstieg der karolingischen Dynastie und des Frankenreiches. Während seiner ganzen Regierungszeit unterstützte er die Missionstätigkeit des Bonifatius im Osten des Reiches. Nach dem Tod des Karl Martell hinterließ das Frankenreich seinen beiden Söhnen Karlmann und Pippin III., dem Jüngeren.

Als ältester Sohn Karl Martells erhielt Karlmann nach dessen Tod 741 die Herrschaft über den östlichen Reichsteil (Austrasien), sein Bruder Pippin III., der Jüngere, den westlichen (Neustrien). 747 zog Karlmann sich als Mönch in das Kloster Montecassino zurück, nachdem er zugunsten Pippins III. auf sein Amt verzichtet hatte. Damit wurde Pippin 747 alleiniger Hausmeier und faktischer Herrscher im ganzen Frankenreich.

[14] Zwar lag der Akzent bei dieser Funktion auch auf der Mission, noch wertvoller aber war sie bei der Durchsetzung einer kirchlichen Organisation.

[15] Vgl. Angenendt, Das Frühmittelalter, S. 270-272.

[16] Vgl. ANGENENDT, Das Frühmittelalter, S. 272.

[17] Vgl. Bonifatius Briefe Nr. 50, hrsg. von M. TANGL, S. 80ff, in: HARTMANN, Die Synoden, S. 47.

[18] Das Concilium Germanicum tritt in Austrsien, im Reich des Karlmann, zusammen und soll am Sonntag nach Ostern (21. April) 742 (anno ab incarnatione Christi septingentesimo XLII) getagt haben. Vgl. Rau, Briefe des Bonifatius, S. 376-381.

[19] Rau, Briefe des Bonifatius, S. 379.

[20] Aus den Beschlüssen des Concilium Germanicum sprechen die Erfahrungen und Sorgen des Bonifatius. Das Dokument stellt kein geschlossenes Gesetzeswerk dar, es will vielmehr fürs erste nur die elementare Ordnung wiederherstellen und bringt die als besonders schreiend empfundenen Missstände zur Sprache; lässt aber auch Probleme aus – wie das ganze Eherecht -, von denen wir wissen, dass sie dem Bonifatius auf die Seele brannten.

[21] Ein knappes Jahr nach dem Germanicum trat bei Les Estinnes eine große Reformsynode zusammen. Dort wurden die wichtigsten Beschlüsse des Concilium Germanicum bestätigt und zum Teil modifiziert.

Angesprochen werden dann noch zwei neue Themen, die in der folgenden Zeit von großer Bedeutung sein sollten. Dies gilt vor allem für den Kampf gegen den Ehebruch und den Inzest. Im folgenden Jahr 744 griff die Reformtätigkeit des Bonifatius auch auf den Reichsteil Pippins über. Zum ersten Mal ist hier für eine fränkische Synode (bei Soissons) bezeugt, dass auch Laien teilgenommen haben. Der enge Zusammenhang von Soissons mit dem Concilium Germanicum und der Synode von Les Estinnes fällt besonders auf, da nur ganz wenige Bestimmungen nicht durch entsprechende Bestimmungen des Germanicum oder von Les Estinnes gedeckt sind.

[22] Bei diesen Synoden wurden einige wichtige Probleme behandelt, die mit der Verwirklichung der Reformen des Bonifatius zusammenhängen. Im Jahre 745 ist sogar eine gesamtfränkische Synode zusammengetreten, die wahrscheinlich im Beisein der beiden Hausmeier getagt hat.

[23] Die merowingische Synodalgesetzgebung hatte sich für zwei Jahrhunderte in den Fragen der Ehemoral ausgeschwiegen. Angesichts unterschiedlicher Anweisungen und Auffassungen war es ein bedeutsamer Schritt, dass die Diskussion um die Unauflöslichkeit der Ehe von Bonifatius wieder aufgenommen wurde.

[24] Einmal ging es darum, die genaue Zählung der Verwandtschaftsgrade festzulegen, innerhalb derer eine Ehe nicht möglich war, weiter auch um die Berücksichtigung der geistlichen Verwandtschaft, die zwischen Paten und Patenkindern bestand und gleichfalls als Ehehindernis angesehen wurde.

[25] Nicht alle Reformgesetze waren neu, vielmehr ist durchaus eine Kontinuität mit den früheren fränkischen Konzilien festzustellen. So die Gebote von der zu Laien unterscheidenden Lebensführung der Kleriker, sowie die Stellung des Bischofs als Aufsichtsperson über den Diözesanklerus wurden schon bei merowingischen Konzilien des 7. Jahrhunderts festgesetzt. Neu war neben der schon erwähnten besonders harten Bestrafung unzüchtiger Kleriker vor allem der Passus über die Rückgabe des entfremdeten Kirchenvermögens.

[26] Vgl. ANGENENDT, Das Frühmittelalter, S. 272f., sowie HARTMANN, Die Synoden, S. 50-63.

[27] Natürlich wurde in der merowingischen Kirche die Zugehörigkeit zur Gesamtkirche nicht geleugnet; doch zeigte diese Bindung kaum Auswirkungen. Dies änderte sich mit den Angelsachsen. Bonifatius’ erklärtes Ziel war, die fränkischen Bischöfe zur „Einheit und Unterwerfung unter die römische Kirche“(unitas et subiectio Romanae ecclesiae) zu veranlassen. Von ganz zentraler Bedeutung für die Würdigung der Lebensarbeit des Bonifatius ist, dass er die von ihm angestrebte Reform der fränkischen Kirche an den Vorbildern des älteren Kirchenrechts ausgerichtet hat.

[28] Vgl. ANGENENDT, Das Frühmittelalter, S. 275f.

[29] Vgl. HAENDLER, Bonifatius. In: GRESCHAT, Gestalten der Kirchengeschichte, S. 83ff.

[30] Von gleicher Herkunft und Bildung wie Bonifatius – von grundbesitzendem Adel aus Wessex abstammend - treffen wir Lul 738 in Rom. Bonifatius nahm ihn mit in sein Missionsgebiet, und Lul wuchs in die Rolle eines persönlichen Vertrauten und Sekretärs. Zuletzt wurde er Chorbischof und nach 754 Bischof von Mainz. Doch folgte er Bonifatius nicht sofort im Erzbischofsamt. Nach Karls des Großen Herrschaftsantritts (768) wirkte Lul für viele Jahre als einer der wichtigsten Berater. Aufs lebhafteste an der schon von Bonifatius intendierten Sachsenmission interessiert, wurde er 780/82 Erzbischof, und bekam sein Sitz im Bistum Mainz zugewiesen.

[31] Vgl. ANGENENDT, Das Frühmittelalter, S. 275.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Fortsetzung der bonifatianischen Reform
Untertitel
Der heilige Bonifatius und die Grundlegung des christlichen Europas
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Katholische Theologie)
Veranstaltung
Seminar in Kirchengeschichte
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
27
Katalognummer
V123482
ISBN (eBook)
9783640290833
ISBN (Buch)
9783656536253
Dateigröße
2701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bonifatius, Kirchengeschichte, Kirchenreform, Reform, Fortsetzung, Synode, Ehefrage, Gebetsbund, Verberie, Compiègne
Arbeit zitieren
Claudia Curcuruto (Autor:in), 2006, Die Fortsetzung der bonifatianischen Reform, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123482

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