Der Weg in die Terreur

Die Betrachtung des Terrors während der Französischen Revolution in der Provinz am Beispiel Straßburg


Seminararbeit, 2007

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Definition la terreur
1.2 Forschungsstand

2. Regionale Begrenzung auf Straßburg
2.1 Gründung der Verfassungsfreunde
2.1.1 Probleme der
Verfassungsfreunde
2.2 Der Weg in die Terreur
2.3 Hauptphase der Terreur
2.4 Ende der Terreur

3. Schluß

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Französische Revolution spielt seit ihrer Zeit in unserer Geschichte eine große Rolle. Bis heute zeigt sie beträchtlichen Einfluss auf die europäische Gesellschaft. Immer wieder fließt sie beispielsweise in die Diskussionen des politischen Geschehens ein und dient dort gerne als Vergleichsobjekt. Sie hält, auch schon zu ihrer Zeit selbst, nicht vor Frankreichs Grenzen und weitet sich besonders in Europa aus, was man unter anderem gerade in der deutschen Literatur gut beobachten kann. Hier soll nur als Beispiel auf die deutschen Schriftsteller Schubart, Wieland, Hölderlin und Schiller verwiesen werden, auf deren Werke die Eindrücke der Revolution Einfluss genommen haben.[1] Auch der Dichter Novalis war von der Französischen Revolution und vor allem von den Ideen des britischen Publizisten und Politikers Edmund Burke beeindruckt.[2] „Man kann also“, laut Ernst Schulin, „von einer durchgehenden Bedeutung der Französischen Revolution bis in unsere Gegenwart sprechen. Sie ist in dieser Stärke kaum mit einem anderen historischen Ereignis vergleichbar.“[3] Denkt man an die Französische Revolution, so kommen einem schnell Schlagwörter wie Krieg, Gewalt, Hinrichtungen durch die Guillotine und Blutvergießen, sowie die Namen Robespierre und Danton in den Sinn. Doch betrachtet man die gesamte Revolution etwas genauer, so fällt auf, dass der Schrecken sich mehr oder weniger lediglich auf ein Jahr bezieht: das Jahr der Terreur.

Da die Beschäftigung mit der Französischen Revolution im Ganzen den Rahmen einer Hauptseminararbeit um Weiten sprengen würde, geht diese Arbeit in ihrem Hauptteil ausschließlich auf die eingegrenzte Zeitspanne der jakobinischen Schreckensherrschaft, auch la Terreur genannt, ein. Als weiterer thematischer Schwerpunkt wird ein regionaler Aspekt gewählt: Hier soll nicht die Stadt Paris, die mit ihren Stadtteilen und Vororten gerne als Hauptaustragungsort gesehen wird, sondern die Provinz am Beispiel Straßburg im Vordergrund stehen. Auf die Idee, Straßburg als Spezialisierung zu verwenden, kam ich über Anregungen meines Seminarleiters, der mich im Hinblick auf ein Hausarbeitsthema beraten hat. Die Fragen wie der Terror nach Straßburg gelangte, von wem er vertreten wurde und welche Auswirkungen er dort hatte, sollen im Folgenden möglichst genau dargestellt werden.

1.1 Definition „la Terreur“

„Noch ehe die Französische Revolution ihre eigenen Kinder verschlang, warnte der britische Publizist und Politiker Edmund Burke vor dem kommenden Unheil. In seinen ‚Reflections on the Revolution in France’, die am 1. November 1790 in Form eines langen Briefes an einen französischen Freund bei Dodsley in London publiziert worden sind, prophezeite er ein Terrorregime, dem eine Militärdiktatur folgen würde.“[4] Fast genau drei Jahre später kam – wie vorhergesehen – Maximilien Robespierre an die Macht und leitete die Schreckensherrschaft unter seiner Führung ein. In der Tat wird die Französische Revolution im Allgemeinen immer mit Gewalt, Krieg und Schrecken verbunden. Betrachtet man jedoch den Zeitraum von Anfang Juni 1793 bis Ende Juli 1794 genauer, so fällt auf, dass sich die berühmten Grausamkeiten der Revolution fast ausschließlich auf die genannte Zeitspanne beschränken. Genaue Daten über Anfang und Ende des Terrorregimes unterscheiden sich immer wieder bei den verschiedenen Historikern und auch wenn hier exakte Zeitpunkte verwendet werden, muss dennoch berücksichtigt werden, dass die Terreur weder einen schlagartigen Beginn noch ein plötzliches Ende hatte, sondern jeweils einen schleichenden Übergang vollzogen hat. In dieser Arbeit wird der Beginn der Schreckensherrschaft ungefähr auf den 10. Juli 1793 gesetzt, den Tag an dem Robespierre Danton als Führer des Wohlfahrtsausschusses ablöst. Die Verhaftung Robespierres am 27. Juli 1794 und die am Tag darauf folgende Hinrichtung beenden letztendlich das Jahr des Terrors und leiten die anschließende Herrschaft der Thermidorianer ein.[5]

Die Terreur zeichnet sich vor allem durch die brutale Unterdrückung derjenigen aus, die die Revolution nicht unterstützten, ja sogar nur im Verdacht standen, Gegner derselben zu sein. Dieses Jahr voller Gewalt und Schrecken wird auch oft als die Zeit betrachtet, „die die Französische Revolution für später furchtbar gemacht hat und die so gern in den Mittelpunkt ihrer Beurteilung gerückt wird.“[6]

An der Spitze des Terrorregimes stand der Wohlfahrtsausschuss, eine politische Zusammenkunft von zwölf Männern, dessen Hauptaufgabe in der „Abwehr innerer und äußerer Feinde der Revolution“ lag. Unter der Führung von Maximilien Robespierres übernahm er die Rolle der Exekutive und kontrollierte alle Behörden.[7] Die Verhaftung Robespierres am 27. Juli 1794 verdeutlichte, dass er seiner eigenen Terrorkampagne zum Opfer gefallen war und nach und nach die Unterstützung des Volkes verloren hatte. Nur wenige waren noch bereit, für seine Rückkehr an die Spitze zu kämpfen, so dass seine Hinrichtung am 28. Juli 1794 nicht verhindert wurde. Sein Tod bedeutet das Ende des Terrors, welches des Öfteren auch als Anfang vom Ende der Französischen Revolution gesehen wird und somit die Zeit der Terreur gleichzeitig als Höhepunkt und Ende der „Großen Revolution“ gesehen werden kann. Der Terror zeigte sich aber nicht nur in der Hauptstadt, sondern weitete sich vom Zentrum Paris bis in die Provinz aus, welche hier im Mittelpunkt stehen soll.

1.2 Forschungsstand

„Seitdem dieses Ereignis (die Französische Revolution) geschah, sind unzählige Bücher darüber erschienen, unendlich viele Vorlesungen in allen Universitäten der Welt gehalten worden.“[8] So beginnt Ernst Schulin in seiner Darstellung über die „Große Revolution“. Damit verdeutlicht er, dass sich Politiker und Historiker seit über 200 Jahren durchgehend mit der Französischen Revolution befassen. Zahlreiche Werke aus der Revolutionszeit liegen also als Grundlage der heutigen Forschung vor.

Am Bedeutendsten und Weitesten vorangeschritten ist bis heute wohl die französische Geschichtsschreibung. Aber auch die Deutschen und die Amerikaner befassen sich motiviert und zahlreich mit der Französischen Revolution.

Natürlich wird – in Hinsicht auf diese Arbeit – nach Gründen und Hintergründen für die Entstehung der Terreur gesucht. In der Forschung wird man hier bei Mathiez, Lefebvre und Soboul fündig: Mathiez sieht die wirtschaftlichen Gründe, Lefebvre die agrarischen und Soboul beschäftigt sich mit den sansculottischen Gründen.[9] Diese drei Historiker möchte ich jedoch nicht in den Mittelpunkt stellen, da ich mich im Folgenden hauptsächlich auf die von mir am meisten verwendeten Werke berufe:

Bei dem Überblickswerk über die Französische Revolution habe ich mich für Ernst Schulins „Die Französische Revolution“ entschieden und bei meinem Schwerpunktthema Straßburg habe ich mich bei Daniel Schönpflugs „Der Weg in die Terreur“ bedient.

„Die Französische Revolution ist nicht tot.“[10] So beginnt Klaus Deinet seine Rezension über Schönpflugs „Der Weg in die Terreur“. Damit will er betonen, dass Forschungen über die Französische Revolution in keinster Weise einem Rückgang erliegen, sondern ganz im Gegenteil seit dem Bicentennaire von 1989 eher noch zugenommen haben. Lediglich „der Akzent hat sich verlagert. Es ist nicht mehr der von der Pariser Zentrale bestimmte 'main-stream' der Revolution, der das Interesse der Forschung bestimmt“[11]. Weiterhin meint er, dass sich die Forschung von den „großen“ Themen und der „Paris-zentrierten Sichtweise“ entfernt, „die zwar so manches akribisch recherchierte Monumentalwerk hervorgebracht hat, die aber auch immer Gefahr lief, das vielfältige und chronologisch wie regional zerklüftete Gesamtgeschehen "Französische Revolution" auszublenden beziehungsweise es nur als Folie der kanonisierten Pariser Vorgänge zu betrachten“[12].

2. Regionale Begrenzung auf Straßburg

Im Gespräch über ein Thema für meine Hausarbeit brachte mich mein Seminarleiter Herr Prof. Dr. Winfried Schulze darauf, mich mit der Terreur im Bezug auf einen regionalen Aspekt zu beschäftigen. Mit dem Hinweis auf Daniel Schönpflug habe ich mich für die Stadt Straßburg entschieden, da sie sich durch die Besonderheit der Vermischung zweier Kulturen, der deutschen und der französischen, hervorhebt. Dies äußert sich darin, dass sowohl soziale, konfessionelle und sprachliche Konstanten von Bedeutung waren. Die deutschsprachige Gemeinde, die protestantisch war und aus dem Handelsbürgertum und Handwerkerschaft bestand, bildete somit einen klaren Gegensatz zu den meist katholischen Zugewanderten, die aus dem Inneren Frankreichs kamen und einen Teil der Verwaltung und der intellektuellen Berufe ausmachten. Weiter wurde dies von der Zusammensetzung des Jakobinerclubs in den ersten Revolutionsjahren verdeutlicht: „Die Spannung manifestierte sich in der Zusammensetzung der Mitgliederschaft der Klubs in den ersten Revolutionsjahren. Während die deutschsprachigen Straßburger zumeist in der von der Revolution neu geschaffenen Stadtverwaltung Platz fanden, entwickelte sich der 1790 gegründete Jakobinerklub rasch zum Organ der französischen Zuwanderer wie auch derjenigen deutschen Exulanten, die noch nicht in die Straßburger Gemeinde integriert waren.“[13] Zu Beginn des Jahres 1789 bestand die Grundlage der Straßburger Regierung noch auf dem Schwörbrief von 1482, so dass bis zu diesem Zeitpunkt die Macht ausschließlich in den Händen des Magistrats lag, dem höchsten städtischen Gremium.[14]

2.1 Die Gründung der Verfassungsfreunde

Die Vorgeschichte der Gründung des Jakobinerclubs liegt weitgehend im Dunkeln. Aber da sich die Mitglieder des Clubs als patriotes bezeichneten und es Überschneidungen in der Mitgliederliste mit den Teilnehmern der Reformbewegungen von 1789 gibt, liegt die Vermutung nahe, dass sich die patriotische Partei (parti patriotes) durch die Gründung der „Revolutionsgesellschaft“ ein Forum schaffen wollte, um ihre teilweise erneuerte Politik fortzuführen. Der Club befand sich also zum Zeitpunkt seiner Gründung zwischen altem und neuem Regime. Die Patrioten konnten sich als Gewinner eines lokalen und revolutionären Konflikts fühlen, da der letzte Magistrat seine Macht verloren hatte und nur noch auf das Ende seiner Regierung wartete.[15]

Am 15. Januar 1790 trafen sich dann gut vierzig Männer bei ihrem Straßburger Gastgeber, dem Commissaire de Guerre Barbier de Tinan um „eine Gesellschaft nach dem Vorbild der Pariser Société de la Révolution zu gründen“[16]. Die zu bewältigenden Aufgaben sollten darin bestehen den Anschluss der Grenzstadt Straßburg an die Revolution beizubehalten, aber auch die Berücksichtigung der lokalen Bedingungen, „welche durch die position frontière und un grand nombre d’intérêts particuliers entstünden.“[17] Der erste Schritt des Jakobinerclubs in Straßburg war somit getan. Zweck dieser Gründung – Barbier de Tinan wurde sogleich als erster Präsident gewählt – sollte ein „über ganz Frankreich gespanntes Netz von Revolutionsgesellschaften sein“, dem besonders die Erziehung der Franzosen zu guten Bürgern am Herzen lag. So heißt es auch im Clubprotokoll vom 15. Januar 1790: „Il faut travailler à régénérer les moeurs publiques, sel appui certain des bonnes lois.“ [18]

Der Club ersetzte das Bürgerkomitee sowie die bislang inoffiziellen patriotischen Zusammenschlüsse und konnte Einfluss auf die Straßburger Wahlen nehmen. Dadurch bot er seinen Mitgliedern auch die Chance auf Posten in der neuen Stadtverwaltung. Die Gründung brachte zwar Veränderungen in den politischen Strukturen, jedoch blieb die Stadt vor einem Umsturz der gesellschaftlichen Ordnung verschont.[19]

Ab Februar 1790 änderte die Société de la Révolution entgegen ihrem Pariser Vorbild ihren Namen in Société des Amis de la Constitution, womit sie verdeutlichen wollten, dass sie gegen die Gewalt waren und Unruhen wie die Tumulte von 1789 vermeiden wollten. Die Verfassungsfreunde hegten den Wunsch nach Revolution ohne Revolution.[20] Das von der Revolution neu geprägte Zentrum Paris beeinflusste von Anfang an die Politik der Straßburger Verfassungsfreunde. Die Unterordnung des Clubs betonte die Bewunderung für die Nationalversammlung, die die Mitglieder in ihrem Eid dazu verpflichtete „ de maintenir de tout mon pouvoir la Constitution, décrétée par l’Assemblée Nationale.“[21] Die Ausrichtung auf das Pariser Zentrum brachte außerdem mit sich, dass man mit aktuellen Informationen aus der Hauptstadt versorgt wurde. Somit war auch das Verhältnis von der Provinz zur Metropole geklärt: Die Clubisten akzeptierten die Pariser Führung. Es gab kein Bestreben nach lokalen Alleingängen oder Widerstand, sondern die treue Unterordnung an das Pariser Vorbild war stand im Vordergrund.[22] Die Bemühungen des Clubs beriefen sich darauf, sowohl der Straßburger Bevölkerung als auch dem Umland ein revolutionäres Bewusstsein zu übermitteln.[23] Dies geschah auch außerhalb der Clubsitzungen in Form von öffentlichen Lesungen der Dekrete der Nationalversammlung – in deutscher und französischer Sprache – die von der Bevölkerung begeistert aufgenommen wurden.[24] Des Weiteren würden Flugblätter verteilt, missionares patriotes in die ländliche Umgebung ausgesandt und Zeitungsbeiträge wurden veröffentlicht.[25] Der Club meinte auch, dass es keine „schlechten Menschen gäbe, sondern nur schlechten Einfluss. Alle, die sich nach den neuen Gesetzen der Verfassung hielten, waren Freunde, die restlichen zählten als Feinde, die es zu bekämpfen galt. Das Verfassungsdenken der Clubisten brachte eine neue Hierarchisierung mit sich, an deren Spitze der Gesetzgeber stand und am Fuße der einfache Bürger und die Bauern, die mit Einsicht der Führung folgten.[26]

Von den 51 Gründungsmitgliedern, die diese Einstellungen und Ziele vertraten, waren 23 dem Militär zugehörig. Sie setzten sich jedoch nicht aus einfachen Soldaten, sondern aus Offizieren, Quartiermeistern, königlichen Verwaltern (commissaire des guerres) und Ärzten, die bei der Armee angestellt waren, zusammen. Acht Mitglieder stammten aus dem Wirtschaftsbürgertum und die restlichen 16 kamen aus dem Bildungsbürgertum, mit den Berufen Anwalt, Notar, Architekt, Journalist, Professoren und Lehrer sowie Verwaltungsangestellte. Die Mehrheit der Mitglieder stammte sichtlich aus der Oberschicht.[27]

Auch wenn offiziell jeder den Verfassungsfreunden beitreten konnte, bestanden harte Aufnahmekriterien: ein zukünftiges Mitglied musste von einem „Paten“ und 4 weiteren Clubisten vorgeschlagen werden. Anschließend wurde durch das ballotage -System abgestimmt. Auch der jährliche Mitgliedsbeitrag von 24 Livre konnte ein Hindernis für den Beitritt sein. Im Gegenzug bot der Club Neuankömmlingen, die sonst mehrere Generationen lang benötigten, um in die Oligarchie einzudringen, eine Chance zum schnellen politischen Aufstieg.[28]

Nach den Munizipalwahlen 1790, die den mittlerweile großen Einfluss der Clubisten verdeutlichte, traten Mitglieder des letzten Magistrats, 16 Mitglieder der Stadtverwaltung und 28 von 60 Amtsträgern den Verfassungsfreunden bei. Durch den späteren Beitritt des Straßburger Bürgermeisters Friedrich Dietrich wurde ein enges und gutes Verhältnis zwischen den Verfassungsfreunden und der Munizipalität bestätigt: „ nous vous invitons à partager avec nous les honorables mais pénibles obligations que nous impose le voue de nos concitoyens.“[29] Im Gegensatz zur Einstellung im Ancien Régime galten verschiedene kulturelle Minderheiten bei den Jakobinern nicht als Außenseiter: „Die kulturelle Vielfalt sollte als Ausdruck persönlicher Freiheitsrechte geschützt werden.“[30]

2.1.1 Probleme der Verfassungsfreunde

Trotz aller guten Vorsätze wurde die vorher gelobte kulturelle Vielfalt schon kurz nach der Clubgründung zum Problem. Auslöser war die Kirchenpolitik der Nationalversammlung: Die Katholiken erfuhren ein „revolutionäres Erneuerungsprogramm“, während sich die Protestanten in ihren Auffassungen bestätigt fühlen konnten und die Revolution befürworteten. Die Abschaffung des Kirchenzehnten (4./11. August 1789), die Verstaatlichung der Kirchengüter (2. November 1789) und die Auflösung der katholischen Orden (18. März 1790) hatten in Straßburg zur Folge, dass sich die Katholiken in Form von zivilem Ungehorsam gegen die Revolutionierung ihrer Kirche wehrten. Verdeutlicht wurden dieser Konflikt und die Ungleichheit zwischen Protestanten und Katholiken durch die Bikonfessionalität der Region.[31] Barbier de Tinan setzte es zum Ziel die „unsichtbare Grenze“ zu überwinden. Das bedeutete, den katholischen Widerstand zu brechen und eine dauerhafte Vereinigung der Stadtbevölkerung zu erreichen. Kulturelle Zugehörigkeit in den Privatbereich zu rechnen, funktionierte jedoch aufgrund ideologischer Verschiebungen nicht. „Die Konzepte von Einheit, Zugehörigkeit und Umgang mit kultureller Vielfalt, welche die großen Gesten der Verbrüderung getragen hatten, mußten angesichts der Konflikte modifiziert werden. (…) Einheit wurde nun nicht mehr durch Integration, sondern durch Exklusion angestrebt.“[32] Die Phase offener Feindschaft war zu Beginn der Revolution beendet und der Wille zur Koexistenz vorhanden. Dies äußerte sich im Alltag gleichermaßen wie in der Politik, auch wenn sich die beiden Konfessionen immer noch mit Misstrauen und Unverständnis begegneten. Das erste Feindbild bestand somit aus denjenigen Katholiken, die sich gegen das Gesetz der Zivilverfassung vom 27. November 1790 – einen Eid auf die Verfassung abzulegen – weigerten. Laut Schönpflug liegt es deswegen nahe, den Beginn der Radikalisierung in Straßburg auf die Zeit der Einführung der „Zivilverfassung der Klerus“ zu setzen.

Der konfessionelle Gegensatz in Straßburg wurde zudem noch von dem Bilingualismus verstärkt. Die „Alteingesessenen“ waren meist protestantisch und deutschsprachig, Immigranten zählten zu den Katholiken und sprachen Französisch:

[...]


[1] Vgl. Volke, Werner (Hrsg.): "O Freyheit! Silberton dem Ohre ...". Französische Revolution und deutsche Literatur 1789 - 1799 ; eine Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs auf dem Salon du Livre in Paris und im Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar, Marbach am Neckar 1989, S. 5.

[2] Vgl. Edmund Burke: Betrachtungen über die Französische Revolution. Gedanken über die Französischen Angelegenheiten, Zürich 1987, S. 9-32, hier S. 12.

[3] Ernst Schulin: Die Französische Revolution, 3. Auflage, München 1990, S. 14.

[4] Edmund Burke, S. 9.

[5] Vgl. Ernst Schulin: Die Französische Revolution, S. 210 und S. 225.

[6] Ebd., S. 210.

[7] Vgl. Sabine Büttner: V. Radikalisierung. Aus: Die Französische Revolution - eine Online-

Einführung: Verlauf, in: historicum.net, URL:

http://www.historicum.net/no_cache/persistent/artikel/480/ zuletzt aufgerufen am 27.Oktober 2007.

[8] Ernst Schulin, S. 9.

[9] Vgl. Ebd., S. 210.

[10] Klaus Deinet: Rezension von: Daniel Schönpflug: Der Weg in die Terreur. Radikalisierung und Konflikte im Straßburger Jakobinerclub (1790-1795), München: Oldenbourg 2002, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 9 [15.09.2003], URL: http://www.sehepunkte.de/2003/09/2828.html (27.11.2007)

[11] Klaus Deinet: Rezension von: Daniel Schönpflug: Der Weg in die Terreur. Radikalisierung und Konflikte im Straßburger Jakobinerclub (1790-1795), München: Oldenbourg 2002, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 9 [15.09.2003], URL: <http://www.sehepunkte.de/2003/09/2828.html>

[12] Ebd.

[13] Ebd.

[14] Vgl. Daniel Schönpflug: Der Weg in die Terreur. Radikalisierung und Konflikte im Straßburger Jakobinerclub (1790-1795) (= Pariser Historische Studien; Bd. 58), München: Oldenbourg 2002, S. 30; mehr zur alten Straßburger Stadtverfassung u.a.: Martin Alioth, Gruppen an der Macht. Zünfte und Patriziat in Straßburg im 14./15. Jahrhundert. Untersuchungen zur Verfassung, Wirtschaftsgefüge und Sozialstruktur, 2Bde., Frankfurt a. M. 1988, hier Bd. 1, S. 117f.

[15] Vgl. Daniel Schönpflug, S.32f.

[16] Ebd., S.29.

Anmerkung: Société de la Révolution war der ursprüngliche Name des Pariser Jakobinerclubs.

[17] Ebd., S. 11

[18] Schönpflug verweist hier auf das Clubprotokoll vom 15. Januar 1790.

[19] Vgl. Schönpflug, S.32.

[20] Vgl. Ebd., S. 34.

[21] Vgl. Ebd., S. 36 : Die Eidformel der Verfassungsfreunde ist auf der Innenseite des Einbandes des ersten Protokollbandes zu finden. Desweiteren wurde die Satzung des Clubs größtenteils aus dem Reglement der Nationalversammlung übernommen.

[22] Vgl. Ebd., S.37.

[23] Vgl. Louis de Cardenal, La province pendant la Révolution, Paris 1929, S. 363-395.

[24] Schönpflug verweist hier auf: Johann Friese, Neue vaterländische Geschichte der Stadt Straßburg, 6 Bde., Straßburg 1792-1801 [AMS D 46.] hier Bd. 5, Straßburg 1801, S.13.

[25] Vgl. Schönpflug, S. 41. Zeitungsbeiträge erschienen v.a. in Chronique de Strasbourg, Straßburgische Zeitung, Geschichte der Gegenwärtigen Zeit und in Wöchentlichen Nachrichten. Eine eigene Clubzeitschrift wurde zwar diskutiert, aber nie in die Tat umgesetzt.

[26] Vgl. Schönpflug, S. 42f.

Zum jakobinischen Einheits- und Harmoniegedanken: higonnet, goodness beyond virtue, S. 183-209.

[27] Vgl. Ebd., S. 43 und Anhang A erstellte Mitgliederdatenbank von Claude Betzinger.

[28] Vgl. Ebs., S.44f.

[29] Schönpflug verweist auf das Clubprotokoll vom 19. März 1790, in: Heitz: Les sociétés politiques de Strassbourg pendant les années 1790 à 1795, S. 24.

[30] Schönpflug, S. 48.

[31] Schönpflug, S. 64f.

Hintergrundinformation: Zu Beginn der Revolution übertraf der katholische Anteil der Bevölkerung den protestantischen um 2-3.000 Personen, bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 45.000 Personen. (Dreyer-Roos. La société strasbourgeoise, S. 98.).

[32] Vgl. Ebd., S. 64ff.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Weg in die Terreur
Untertitel
Die Betrachtung des Terrors während der Französischen Revolution in der Provinz am Beispiel Straßburg
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Die Französische Revolution
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V123419
ISBN (eBook)
9783640286331
ISBN (Buch)
9783656587552
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Terreur, Französische, Revolution
Arbeit zitieren
Eva Sailer (Autor:in), 2007, Der Weg in die Terreur , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123419

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Weg in die Terreur



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden