Publizistische Stellungnahmen gegen die Hexenverfolgung: Der katholische Diskurs


Hausarbeit, 2004

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Argumente und Motive der Kritiker des Hexenwesens
2.1 Die theologisch-dämonologische Kritiklinie
2.2 Die juristisch-prozessuale Kritiklinie
2.3 Die wissenschaftlich-empirische Kritiklinie

3. Die Diskussion zwischen Cornelius Loos und Peter Binsfeld
3.1 Cornelius Loos und Peter Binsfeld
3.2 Loos´ Ansichten über Magie und Dämonen
3.2.1 Das Hexenwesen als Randerscheinung und Aberglaube
3.2.2 Die begrenzte Handlungsfähigkeit des Teufels und seiner Dämonen

4. Die Diskussion zwischen Adam Tanner und Martin Del Rio
4.1 Adam Tanner und Martin Del Rio
4.2 Tanners Argumentation gegen die gängige Prozesspraxis
4.2.1 Der Schutz von Unschuldigen als oberster Grundsatz
4.2.1 Die Konsequenzen für das Prozessverfahren
4.2.2 Die Forderung nach geistlichen Mitteln

5. Der wirkungsgeschichtliche Einfluss der Verfolgungsgegner
5.1 Die Bedeutung für die literarische Auseinandersetzung
5.2 Die Auswirkungen auf Gesetzgebung und Rechtssprechung

6. Zusammenfassung

7. Quellen- und Literaturverzeichnis
7.1 Quellenverzeichnis
7.2 Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Über Hexenverfolgungen kursieren in der Öffentlichkeit zahlreiche, offensichtlich unausrottbare Vorurteile und Fehlinformationen. So glauben die meisten Bürgerinnen und Bürger auch in Deutschland, dass die katholische Kirche und die päpstliche Inquisition die Alleinschuld an den Massenverbrennungen träfe.1 Betrachten wir das Phänomen aus wissenschaftlicher Sicht, so muss diese starre Haltung als überholt betrachtet werden. Jedoch gestaltet sich die Suche nach den tatsächlichen Ursachen der Hexenprozesse und -verfolgungen schwierig, denn es handelt sich um eine hochkomplexe Materie.2

Mann muss aber auch festhalten, dass Massenverfolgungen3 in der Frühen Neuzeit ohne die durch Theologen geschaffenen theoretischen Grundlagen nicht möglich gewesen wären. So muss man sich nicht wundern, wenn sich europaweit unter den Verfolgungsbefürwortern namhafte Kleriker aus allen Konfessionen befanden. Dies war jedoch nicht immer so: Bis ins zweite Jahrtausend bekämpfte die Kirche den im Volk vorherrschenden Glauben an die Existenz von Hexen und Zauberern. Erst im Laufe des Hochmittelalters änderte sich diese strikte Haltung zunehmend, so dass sie sich allmählich ins Gegenteil verkehrte. Theologen entwickelten schrittweise eine vierteilige Hexenlehre – bestehend aus Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, Hexensabbat und Schadenszauber - die mit dem Hexenhammer malleus maleficarum 1487 und der drei Jahre zuvor erschienen Hexenbulle summis desiderantes affectibus Papst Innozenz´ VIII. ihren Abschluss fand.4

In der Folgezeit gab es viele katholische (und protestantische) Autoren - nicht nur aus dem geistlichen Bereich – die sich mit der angeblichen Hexengefahr in Deutschland auseinander setzten. Es meldeten sich aber auch zahlreiche Bekämpfer des Hexenwahns, teils unter Einsatz ihres Lebens, zu Wort. Ihr hartnäckiges Eingreifen veränderte allmählich das Denken weiter Teile der Bevölkerung – insbesondere der Obrigkeiten – und verhalf der Vernunft zum Durchbruch.

Diese Arbeit setzt sich speziell mit den frühen katholischen Gegnern der Hexenverfolgungen in der Frühen Neuzeit auseinander. Dazu möchte ich zunächst auf die grundlegenden Argumentationsmuster eingehen, derer sich die (frühen) Kritiker des Hexenwesens bedienten. Anschließend sollen zwei der bedeutendsten katholische Theologen und deren unterschiedliche Haltung gegenüber den Hexenverfolgungen vorgestellt werden. Dabei handelt es sich um den Theologieprofessor Cornelius Loos (1564-1597) und den Jesuitenbruder Adam Tanner (1572-1632). Die Grundaussagen ihrer Werke sollen im Hauptteil der Arbeit mit denen ihrer Gegner Peter Binsfeld (1546-1598) bzw. Martin Del Rio (1551-1608) verglichen werden. Um das Thema abzurunden, beschäftigt sich die Arbeit abschließend mit der Frage nach dem wirkungsgeschichtlichen Einfluss der katholischen Verfolgungsgegner.

2. Argumente und Motive der Kritiker des Hexenwesens

2.1 Die theologisch-dämonologische Kritiklinie

Die Gegner und Kritiker des Hexenwesens in der Frühen Neuzeit arbeiteten mit drei von einander zu trennenden Hauptformen der Kritik, mit deren Hilfe sie versuchten den Hexen- verfolgungen und den von den Obrigkeiten geführten Prozessen ein Ende zu setzen. Verfolgungskritische Theologen griffen bis ins ausgehende 16. Jahrhundert mittels der tradierten Dämonologie die theoretischen Grundlagen des Hexenwesen an und hinterfragten die vierteilige Hexenlehre. Im Zentrum ihrer Überlegungen stand dabei die Macht bzw. Ohnmacht des Teufels und der Seinen. Dabei trafen im Wesentlichen drei Lehrmeinungen aufeinander: Viele Theologen vertraten die Auffassung, dass Gott die Welt bis ins Detail regeln könne, und der Satan von ihm zur Bestrafung der Sündhaftigkeit der Menschen geschickt worden sei. Andere Geistliche bekräftigten, dass Gott die Welt nur indirekt lenke und Luzifer somit Handlungsspielräume habe. Viele Katholiken kamen aber auch zur Erkenntnis, dass Gott und Teufel im Weltengefüge gleichberechtigt seien und sich der Mensch zwischen ihnen und ihren beiden Reichen entscheiden müsse.5

Dabei gilt es besonders herauszustellen, dass die Frage nach der Schuldhaftigkeit der Menschen an den ihnen vorgeworfenen Hexenverbrechen aufs Engste mit den verschiedenen Weltanschauungen verbunden war: Besaßen Hexen überhaupt die Macht entsprechende Handlungen zu begehen oder handelte der Teufel selbst? Bedurfte es der Zustimmung dieser Menschen oder konnte der Teufel sich ihrer nach freien Stücken benutzen? Die Kritiker des Hexenwesens argumentierten, dass Hexen nicht in der Lage seien Schaden anzurichten, der außerhalb der menschlichen Macht stehe. Für auf natürliche Weise entstandenen Schaden, wie z. B. das Giftmischen, forderten sie das Eingreifen der Strafgerichte, wobei die Schwere des Delikts für die Bemessung der Strafe berücksichtigt werden sollte.6 In der Allmacht Gottes sahen zahlreiche Theologen die Ursache für die den Hexen zugeschriebenen übernatürlichen Taten wie Hagelschlag und Missernten. Wer so argumentierte, sah in den vermeintlichen Hexen gewöhnliche Sünder, die durch Reue und Buße wieder in die Gemeinschaft der Christen zurück finden konnten.7 Dennoch schlossen die Gegner des Hexenwahns nicht aus, dass bei bestimmten Menschen ein Vorsatz bestehe, teuflische Dinge zu versuchen und mit dem Satan einen Vertrag zu schließen. Sie führten jedoch diese Absicht überwiegend auf eine natürliche Krankheit oder teuflische Täuschung zurück und legten deren Heilung in die Hände von Ärzten oder Geistlichen.8

An dieser Stelle gilt es zu betonen, dass nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist, wer zu den Gegnern und wer zu den Befürwortern der neuen Hexenlehre gehörte. So befürwortete zwar der Konstanzer Jurist Ulrich Molitor in seinem 1489 erschienen "Traktat von Hexen und Unholden" Teufelspakt und Schadenszauber, lehnte es aber ab an Wettermacherei, Tierverwandlungen und Besenflug zu glauben. Der Mailänder Franziskaner Samuel Cassinis bestritt hingegen etwa 15 Jahre später in seiner Abhandlung die reale Existenz von Hexenflug und Hexentaten.9 Die schärfste Kritik an der überlieferten Dämonologie übte aber der aus Gouda in Holland stammende Theologe Cornelius Loos 1590 in seinem Werk "Von der wahren und der falschen Magie". Auf seine herausragende Bedeutung soll im weiteren Verlauf der Arbeit im Detail eingegangen werden. Im Gegensatz zu ihm schlossen alle nachfolgenden Theologen wie Adam Tanner, Paul Laymann (1574-1635) oder Friedrich Spee (1591-1635) die Möglichkeit echter Hexerei nicht grundsätzlich aus, wobei die Ursachen im Folgenden noch näher betrachtet werden sollen.

2.2 Die juristisch-prozessuale Kritiklinie

Die scholastische Theologie des Mittelalters legte Hexerei als einen geistlichen Straftatbestand crimen magia fest, denn Zauberei beruhte nach ihren Vorstellungen auf einem Abfall von Gott und vom Glauben. Magie wurde daher als Ketzerei betrachtet und von bischöflichen Gerichten oder von der päpstlichen Inquisition verfolgt. Gleichzeitig fiel jedoch Hexerei auch in die Zuständigkeit der weltlichen Gerichtsbarkeit, denn der Schaden, der durch Anwendung von Magie verursacht wurde, war rein irdischer Natur. Hexerei wurde dem Zufolge als Mischverbrechen crimen mixti forti von der geistlichen und der weltlichen Justiz gleichermaßen verfolgt. Im 15. Jahrhundert verschob sich dieses Gleichgewicht aber zu "Gunsten" der weltlichen Gerichtsbarkeit. Theologen lieferten aber weiterhin die theoretischen Grundlagen und nahmen auf die Prozesse Einfluss.10

Mit der 1532 auf dem Nürnberger Reichstag verabschiedeten Peinlichen Gerichtsordnung Karls V. Constitutio Criminalis Carolina trat zunächst eine Mäßigung in Bezug auf das Hexereiverbrechen ein, denn Artikel 109 stellte ausschließlich den Schadenszauber unter Strafe. Die Todesstrafe empfahl die Carolina nur, wenn "so jemandt den leuten durch zauberey schaden oder nachtheyl zufügt".11 Die aufstrebenden Landesherrschaften erweiterten und verschärften die maßvollen Bestimmungen der Reichsverordnung, sodass in verschiedenen Territorien des Reiches neben dem Schadenszauber fortan auch Teufelspakt oder Buhlschaft unter Todesstrafe standen. Ebenso übernahm die Rechtwissenschaft des 16. und frühen 17. Jahrhunderts weitgehend den von Theologen entwickelten kumulativen Hexenbegriff des Mittelalters.12

Die juristische Kritik am Hexenverbrechen konzentrierte sich weniger auf die Interpretation einzelner Gesetzesabschnitte, sondern vielmehr auf das Prozessrecht im Allgemeinen sowie das Prozessgebaren in der Praxis. Besonderen Anstoß nahmen Theologen und Juristen an der Festlegung, dass es sich beim Hexereidelikt wegen seines geheimen Charakters um ein außerordentliches Verbrechen crimen extraordinarius handle, wodurch Vorsichts- und Schutz- maßnahmen außer Kraft gesetzt wurden. Sie argumentierten, dass aus den Prozessen Unschuldigen keine Gefahr erwachsen dürfe und daher der richterliche Ermessenspielraum einzuschränken sei. Ein weiterer Kernpunkt ihrer Kritik war die oft zügellose und leichtfertige Anwendung der Folter, durch die Beschuldigte zu Geständnissen gezwungen wurden.13 Wer so argumentierte, für den waren auch die unter Tortur erpressten Denunziationen kein geeignetes Beweismittel für die Schuld derjenigen Personen, die dadurch der Hexerei bezichtigt wurden.

Ein besonders früher Kritiker des Hexereistrafrechts und der Prozessführung war der Jurist und Ratskonsulent der Reichsstadt Frankfurt, Johann Fichard (1512-1581), der in den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts in zahlreichen Gutachten die Lehre vom Ausnahmeverbrechen ablehnte und stattdessen ordentliche Prozesse processi ordinarii im Sinne des Reichsrechts forderte.14 An der Jahrhundertwende wandten sich auch nahezu alle katholischen Theologen der juristischen Kritiklinie zu, denn ein bayerisches Hofratsgutachten stufte seit 1590 jede Kritik an der kumulativen Hexenlehre als Ketzerei ein.15

[...]


1 Wisselinck, E: Hexen. Warum wir so wenig von ihrer Geschichte erfahren und was daran auch noch falsch ist.

2 Schorman, G.: Hexenprozesse in Deutschland, insbesondere S. 72-124.

3 Vernünftige Schätzungen gehen von deutlich unter 100.000 aus, vgl. Schorman, G.: Hexenprozesse in Deutschland, S. 71.

4 Behringer, W.: Meinungsbildende Befürworter und Gegner der Hexenverfolgung (15.-18. Jahrhundert), S. 219ff.

5 Lehmann, H. / Ulbricht, O.: Motive und Argumente von Gegnern der Hexenverfolgung von Weyer bis Spee, S. 6.

6 Clark, S.: Glaube und Skepsis in der deutschen Hexenliteratur von Johann Weyer bis Friedrich von Spee, S. 20ff.

7 Lehmann, H. / Ulbricht, O.: Motive und Argumente von Gegnern der Hexenverfolgung von Weyer bis Spee, S. 5.

8 Clark, S.: Glaube und Skepsis in der deutschen Hexenliteratur von Johann Weyer bis Friedrich von Spee, S. 20ff.

9 Behringer, W.: Meinungsbildende Befürworter und Gegner des Hexenverfolgung (15.-18. Jahrhundert), S. 222f.

10 Lerack, B.: Die Geschichte der Hexenverfolgungen in Europa, S. 89f.

11 Die Peinliche Gerichtsordnung Karls V. (Carolina), S. 76.

12 Keller, W.: Die Cautio Criminalis und ihre Überwindungsgeschichte in der Überwindung des Hexenwahns, S. 328f.

13 Lehmann, H. / Ulbricht, O.: Motive und Argumente von Gegnern der Hexenverfolgung von Weyer bis Spee, S. 8.

14 Behringer, W.: Meinungsbildende Befürworter und Gegner der Hexenverfolgung (15.-18. Jahrhundert), S. 229.

15 Behringer, W.: Von Adam Tanner zu Friedrich Spee, S.157f.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Publizistische Stellungnahmen gegen die Hexenverfolgung: Der katholische Diskurs
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Hexenverfolgungen in Schwaben und Bayern in der Frühen Neuzeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V123407
ISBN (eBook)
9783640281183
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Publizistische, Stellungnahmen, Hexenverfolgung, Diskurs, Hexenverfolgungen, Schwaben, Bayern, Frühen, Neuzeit, Thema Hexenverfolgung
Arbeit zitieren
Oliver Simmet (Autor:in), 2004, Publizistische Stellungnahmen gegen die Hexenverfolgung: Der katholische Diskurs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123407

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