Verhaltensregulations- und Gedeihstörungen im frühen Säuglingsalter


Referat (Ausarbeitung), 2001

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Normale Eltern-Kind-Interaktion
1.2 Einführung des Begriffs der Regulationsstörung

2 Exzessives Säuglingsschreien
2.1 Definitionsversuche
2.2 Theorien zur Entstehung
2.2.1 Monokausale Ansätze
2.2.2 Interaktionsmodell

3 Blickkontakt
3.1 Das System des Blickkontakts
3.2 Blickkontaktvermeidung
3.2.1 Funktion der Blickkontaktvermeidung

4 Schlafstörung

5 Fütter-/Gedeihstörung
5.1 Fütterstörungen
5.1.1 Entwicklungspsychopathologische Unterteilung
5.2 Gedeihstörungen

6 Interventionen
6.1 Diagnostik
6.2 Behandlung
6.2.1 Medikation
6.2.2 Ambulante Behandlung
6.2.3 Teilstationäre Behandlung
6.2.4 Stationäre Behandlung
6.2.5 Psychotherapie
6.3 Prognose

7 Bedeutung früher Prävention

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Normale Eltern-Kind-Interaktion

Im Normalfall kann ein Säugling von Geburt an sehen, hören, riechen, schmecken, tasten und sich bewegen. Er ist sofort fähig, mit seinen Sozialpartnern in interaktiven Kontakt zu treten und diese durch verstärkend wirkende Verhaltensweisen wie Schauen, Lächeln und Vokalisieren an sich zu binden. Dem gegenüber steht ein wohl biologisch verankertes intuitives, also nicht bewußtes und rational gesteuertes, Elternprogramm, welches die Eltern sich den kindlichen Fähigkeiten in optimaler Weise anpassen läßt. Das Merkmal, daß das Elternprogramm steuert ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Echtheit (Selbstintegration zwischen Gefühlen, die auf das Selbst gerichtet sind, und solche, die auf Anforderungen der äußeren Welt gerichtet sind). Diese Echtheit ist die Voraussetzung für Sensitivität im Umgang mit anderen, also die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzuversetzen. Die Funktionen dieser intuitiven elterlichen Verhaltensweisen sind zum einen didaktischer Art, d.h. es werden Anregungen für kommunikative und kognitive Lernprozesse gegeben, zum anderen fördert es die Entstehung einer vertrauten emotionalen Beziehung zwischen Kind und Eltern..

Die Regulation der Verhaltenszustände ist für ein Baby mit die erste Entwicklungsaufgabe und wird im Normalfall innerhalb der ersten Lebenswochen erworben. Für die Verhaltensregulation des Kindes spielt die vorsprachliche Eltern-Kind-Kommunikation eine entscheidende Rolle. So unterstützen die Eltern den Säugling in Bereichen wie der affektiven Regulation, dem Schlaf-/Wach-Rhythmus und der Regulation der Nahrungsaufnahme. Gleichzeitig fördern sie die Kompetenzen des Kindes, welche es im selbstregulatorischen Bereich schon aufweist. Co-regulatorisch wirken auch positive Zuschreibungen und Interpretationen des kindlichen Verhaltens durch die Eltern. Gelassenheit z.B. führt auch beim Kind zu größerer Ruhe. Negative Deutungen dagegen tragen zur Aufrechterhaltung bzw. Verstärkung bereits bestehender Probleme bei.

1.2 Einführung des Begriffes der Regulationsstörung

Ein relativ hoher Prozentsatz von Säuglingen weist Schwierigkeiten der Regulation innerhalb der ersten Lebensmonate auf. So fallen beispielsweise etwa 20-29% durch vermehrtes Schreien auf, ca. 30% leiden unter Schlafproblemen und bei etwa 36% kommt es zu Fütterproblemen. Normalerweise gehen solche Schwierigkeiten nach relativ kurzer Zeit wieder zurück, ohne daß professionelle Unterstützung in Anspruch genommen werden mußte. Ein Teil der Säuglinge zeigt allerdings länger anhaltende Verhaltensprobleme, die in Dauer und Intensität stark von der Norm abweichen.

Für diese Symptome wurde der Begriff "Regulationsstörung" gewählt, weil er bewußt unscharf ist und sowohl die Verhaltensregulation/psychosomatische Regulation des Kindes als auch die Beziehungsregulation zwischen Kind und Erwachsenen beinhaltet.

Regulationsstörungen lassen sich in Familien aller sozialen Schichten finden.

Im Umgang mit diesen Schwierigkeiten herrscht häufig, auch unter Medizinern und sonstigen Fachleuten, relativ große Unsicherheit. Dies liegt vor allem daran, daß die Abgrenzung zum entwicklungspsychologisch normalem Verhalten auf Grund der hohen inter- sowie intraindividuellen Variabilität der Entwicklung extrem schwierig ist.

Regulationsprobleme kommen auch oft in unterschiedlichen Kombinationen vor, da die einzelnen Verhaltensbereiche des Säuglings nur unscharf voneinander abgegrenzt sind und noch in engem Reifungs- und Entwicklungszusammenhang stehen. Je mehr Regulationsbereiche allerdings gestört sind, um so wahrscheinlicher ist mit einer gravierenden Beziehungsstörung zwischen Säugling und primärer Bezugsperson zu rechnen. Verschlimmernd wirken sich auch starke psychosoziale Belastungen der Familie auf die Beziehung aus.

Die Genese regulatorischer Probleme läßt sich am besten anhand eines dynamischen Erklärungsmodells beschreiben, daß die Eltern-Kind-Interaktion und -Beziehung in alltäglichen Zusammenhängen stark berücksichtigt, d.h. Störungen und Auffälligkeiten im Säuglingsalter werden im Kontext der Eltern-Kind-Beziehung betrachtet. Diese Modell geht von multiplen Belastungen des Säuglings und seiner Eltern aus, was zu einer Beeinträchtigung seiner selbstregulatorischen Fähigkeiten und/oder zu einer Einschränkung der intuitiven elterlichen Förderung führen kann. Risikofaktoren können hier u.a. sein: Häufung psychosozialer Belastungen, Partnerkonflikte, mangelnde Unterstützung der Eltern durch das soziale Umfeld, Streß und Ängste während der Schwangerschaft, Belastungen in/Konflikte mit den elterlichen Herkunftsfamilien, schwieriges Temperament des Kindes, erhöhte Irritierbarkeit des Babys (besonders bei Frühgeborenen), psychisches Befinden der Mutter, falsche Kommunikationsmuster (über-/unterstimulierend, inadäquat).

Da Erleben/Verhalten und somatische Reaktionen bei Säuglingen noch eng miteinander verknüpft sind, muß nach diesem Modell bei Auffälligkeiten von Anfang an interdisziplinär vorgegangen werden, das bedeutet, somatische, Beziehungs- und Verhaltensaspekte müssen gleichzeitig berücksichtigt und miteinander in Beziehung gesetzt werden.

Säuglinge mit Verhaltensregulationsstörungen gelten meist als schwierig, weswegen sie bei gleichzeitigen psychosozialen familiären Belastungen dem erhöhten Risiko einer Vernachlässigung oder gar Mißhandlung ausgesetzt sind.

Desweiteren stellen sie eine Risikogruppe dar, in Bezug auf ihre spätere Entwicklung, d.h. sie weisen oft auch in späteren Entwicklungsphasen Auffälligkeiten auf.

2 Exzessives Schreien/"Säuglingskoliken"

Die Schrei- und Unruheneigung des Säuglings innerhalb der ersten drei Lebensmonate hängt eng mit den intensiven Reifungs- und Entwicklungsprozessen zusammen. Für ihn ist Schreien das effektivste Mittel, sein Unwohlsein zum Ausdruck zu bringen. Bei den Bezugspersonen löst es im Normalfall vegetative Reaktionen aus (beschleunigter Herzschlag, Anschwellen der mütterlichen Brüste), was diese in der Regel dazu bringt, sich dem Kind zuzuwenden, auf das Schreien zu reagieren.

3.1 Definitionsversuche:

Bis heute gibt es keine Standarddefinition von Kolik. Das Problem besteht darin das sich der Begriff Kolik etymologisch von dem griechischen Wort Kolon ableiten läßt, was soviel wie Dickdarm bedeutet, also den Schluß nahelegt, mit dem Dickdarm des Säuglings stimme etwas nicht. Dies kann zwar manchmal der Fall sein, trifft aber auf einen Großteil der exzessiv schreienden Kinder nicht zu.

Die derzeit am geeignetsten erscheinende Definition ist die von Wessel et al., wonach ein Säugling dann Kolik hat "wenn er sonst gesund und gut genährt ist, Paroxysmen von Erregbarkeit zeigt, quengelt und für mehr als drei Stunden am Tag schreit, und dies an mehr als drei Tagen in der Woche über eine Zeitspanne von mehr als drei Wochen." Hierbei wird das Wort Paroxysmus als "Schreien mit voller Kraft" interpretiert. Der Begriff Kolik kann also dementsprechend als exzessives Schreien definiert werden, bedarf hierbei aber eines Klassifizierungssystems, welches die Säuglingsschreie vernünftig einteilt. Als erstes wäre hier das normale oder physiologische Säuglingsschreien zu nennen, was bei allen Kleinkindern vorkommt. Dann gibt es das sekundäre exzessive Schreien, das den Normalbereich überschreitet und evt. durch eine gesundheitliche Störung hervorgerufen wird. Letztlich beschreibt das primäre exzessive Schreien das Verhalten von Säuglingen innerhalb der ersten vier Monate, die wesentlich häufiger Schreien als der Durchschnitt, und das in voller Lautstärke und über mindestens drei Stunden am Tag. Auf die letztgenannte Gruppe kann man die Bezeichnung Kolik anwenden, wobei man Kolik auch als Abkürzung verstehen kann für "cause obscure lengthy infant crying" , was soviel bedeutet wie "lang andauerndes Säuglingsschreien mit unklarer Ursache".

Rein subjektiv aus elterlicher Sicht gesehen gilt das Schreien dann als exzessiv, wenn es sich für die Eltern zu einem nicht allein lösbaren Problem auswächst.

Leitsymptome des exzessiven Schreiens sind das gehäufte Auftreten in den Abendstunden, eine starke Hautrötung, Muskelhypertonie und evt. ein geblähtes Abdomen.

Begleiterscheinungen des exzessiven Schreiens sind ein verkürzter bzw. spät einsetzender Nachtschlaf sowie meist eine allgemeine unreife Schlaf/Wach-Regulation

2.2 Theorien zur Entstehung:

2.2.1 Monokausale Ansätze

Ätiologische und diagnostische Faktoren lassen sich bei einem Teil der Säuglinge finden in: Ernährung/Füttern, neurologischen Auffälligkeiten (Unreife der cerebralen Organisation), Hyperirritabilität, niedrige sensorische Schwelle, Temperamentsmerkmalen, psychosozialen familiären Belastungen/Partnerschaftsproblemen der Eltern, andere externe Probleme im psychosozialen Umfeld sowie interne Probleme beim Säugling.

Im Folgenden werde ich auf zwei der genannten Punkte kurz näher eingehen:

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Verhaltensregulations- und Gedeihstörungen im frühen Säuglingsalter
Hochschule
Fachhochschule Braunschweig / Wolfenbüttel; Standort Braunschweig  (Fachbereich Sozialwesen Braunschweig)
Veranstaltung
Der kompetente Säugling und seine Eltern
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V12334
ISBN (eBook)
9783638182447
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhaltensregulations-, Gedeihstörungen, Säuglingsalter, Säugling, Eltern
Arbeit zitieren
Julja Hufeisen (Autor:in), 2001, Verhaltensregulations- und Gedeihstörungen im frühen Säuglingsalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12334

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