Integration durch Bildung? Integrationsprojekte der Sozialpädagogik

Eine qualitative Auswertung von zehn Integrations-Projekten, gefördert durch die Landesstiftung Baden-Württemberg


Diplomarbeit, 2007

239 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

1 INTEGRATION
1.1 DIMENSIONEN VON INTEGRATION
1.1.1 Strukturelle Integration:
1.1.2 Kulturelle Integration:
1.1.3 Soziale Integration
1.1.4 Identifikatorische Integration:
1.2 INTEGRATION UND ASSIMILATION
1.3 INTEGRATION UND AKKULTURATION
1.4 INTEGRATION UND EXKLUSION (AUSGRENZUNG )
1.5 DAS INTEGRATIONSVERSTÄNDNIS IN BADEN -WÜRTTEMBERG

2 DAS INTEGRATIONSPROGRAMM DER LANDESSTIFTUNG BADEN- WÜRTTEMBERG UND DIE KONZEPTION DER EVALUATION
2.1.1 Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Baden-Württemberg
2.2 DAS INTEGRATIONSPROGRAMM – DARSTELLUNG DER INTEGRATIONSPROJEKTE DER LANDESSTIFTUNG BADEN -WÜRTTEMBERG
2.3 FORSCHUNGSDESIGN , VORGEHEN , KONZEPTION UND METHODE IM RAHMEN DER EVALUATION
2.3.1 Evaluationskonzept
Die Sichtweise der Betroffenen
Die Sichtweise der Evaluatoren
2.3.2 Evaluationsdesign und –setting
2.3.3 Evaluationskriterien für Integrationsprojekte

3 QUALITATIVE VERFAHREN – ERHEBUNG, ANALYSE UND INTERPRETATION QUALITATIVER DATEN
3.1 QUALITATIVE SOZIALFORSCHUNG
3.2 QUALITATIVE ERHEBUNGSMETHODE : DAS EXPERTENINTERVIEW
3.2.1 Der Leitfaden für das Experteninterview im Rahmen der Evaluation
Einrichtung und Integrationsprojekt(e)
Konzeption
Ziele
Umsetzung
Gesamtbewertung
3.3 AUSWERTUNGSVERFAHREN FÜR DAS EXPERTENINTERVIEW

4 DIE ROLLE DER BILDUNG IM INTEGRATIONSPROZESS – EIN THEORETISCHER BEITRAG ZUR BILDUNG
4.1 BILDUNG ALS BILDUNG DES INDIVIDUUMS
Anmerkung
4.2 BILDUNGSBEGRIFF EINER AUF GESELLSCHAFTLICHKEIT AUSGERICHTETEN SOZIALPÄDAGOGIK
4.2.1 Sozialpädagogik – eine Definition
4.2.2 Ein sozialpädagogischer Bildungsbegriff im Kontext der Integration von Migranten
4.3 BILDUNG FÜR MIGRANTEN
Bourdieus Kapitalbegriff

5 DIE QUALITATIVE AUSWERTUNG DER PROJEKTE DER LANDESSTIFTUNG BADEN-WÜRTTEMBERG
5.1 EVALUATORISCHE AUSWERTUNG DER INTERVIEWS NACH PROJEKTEN
Auswertung Projekt „QUIST“
Auswertung Projekt „Agabey Abla“
Auswertung Projekt „Integration von jugendlichen Einwanderern“
Auswertung Projekt „Mentoren für Migranten“
Interviews Projekt „Eltern aktiv“
Interviews Projekt „Eltern und Kinder an Grundund Hauptschulen“
Interviews Projekt „HIPPY“
Interview Projekt „Offene Moschee“
5.2 QUALITATIVE AUSWERTUNG DER INTERVIEWS UNTER DEM ASPEKT BILDUNG
Sprache
Interkulturelle Öffnung
Benachteiligung
Medien
Alltag
Information
Partizipation und Teilhabe
Zusammenfassung

6 BILDUNGSZIELE IM KONTEXT DER INTEGRATION VON MIGRANTEN
6.1 GESELLSCHAFTLICHE BILDUNGSZIELE DER SOZIALPÄDAGOGIK IM INTEGRATIONSPROZESS
Anerkennung kultureller Unterschiede
Anerkennung und Zugehörigkeit
Beseitigung von struktureller und institutioneller Benachteiligung
Vermittlung und Modifikation von Einstellungen, Haltungen sowie Orientierungen (Rechtsextremismus/ Rassismus)
Mediale Berichterstattung steuern und verbessern
Interkulturelle Öffnung von Institutionen, Gesellschaft und Politik
Aneignung ermöglichen
Einen gelingenden Alltag fördern
Kontakte und Netzwerkbildung ermöglichen
Partizipation ermöglichen und fördern
Bildungsbeteiligung fördern und ermöglichen.
6.2 BILDUNGSZIELE EINER BILDUNG FÜR MIGRANTEN
Persönliche Bildung
Praktische Bildung
Erlernen der deutschen Sprache
Wissen erwerben und verarbeiten
Politische Bildung

7 INTEGRATION DURCH BILDUNG? EINE ZUSAMMENFASSUNG

LITERATURLISTE

Einleitung

Die der Arbeit zugrunde liegende Frage „Integration durch Bildung?“ scheint in der Praxis der Integrationsarbeit mit Migranten[1] eine zentrale Rolle zu spielen. Schließlich betonen die Integrationsbemühungen der Bundesregierung, der Bundesländer sowie der Städte und Kommunen genau dies in ihren Gesetzen, ihren Vorschriften bzw. Regelungen und letztlich auch in der praktischen Arbeit mit Migranten. Subsumiert man die in den Konzeptionen der institutionellen Förderprojekte festgeschriebenen Ziele, Aktivitäten und Intentionen, erscheint mir der Aspekt der Bildung als das wesentliche Moment öffentlicher Integrationsbemühungen. Ob dieser beobachteten Reduzierung der Integrationsarbeit auf die individuelle Bildung von Migranten bzw. die von Josef Held festgestellte Konzentration von Integrationsprojekten auf das individuelle Handeln der Einwanderer[2] ein zu einseitiges Verständnis von Integration zugrunde liegt, gilt es dabei zu prüfen. Schließlich bedarf es einer gelingenden Integration - meiner Meinung nach - mehr als die Bemühungen des einzelnen Individuums, sich durch das Erlernen von kulturellen Techniken, die Aneignung der geltenden Werte und Normen etc. (Assimilation) in die Gesellschaft[3] einzufügen. Fruchtbarer und evidenter erscheint mir hier Integration als ein Prozess des Aushandelns, als Prozess der beidseitigen Annäherung zwischen Migranten und „Aufnahmegesellschaft“[4] zu verstehen, was im Folgenden noch zu belegen ist. In dieser Konsequenz ist auch der Verweis im Titel auf die „Integrationsprojekte der Sozialpädagogik“ zu lesen. Diesem obliegt meine noch zu belegende These, dass die Förderung der Integration von Migranten eine ursprüngliche theoretische Fragestellung und praktische Aufgabe der Sozialpädagogik ist, der ein ihr spezifischer, auf Gesellschaft bezogener Bildungsbegriff innewohnt. Denn Integration kann „(…) auf Dauer nur gelingen, wenn sie nicht nur den Einwanderern abverlangt wird.“ (Held, 2006)

Eine Hinwendung zur Praxis bzw. einen Bezug zur aktuell getätigten Integrations- Förderung erfährt die Arbeit durch die Einbeziehung und qualitative Auswertung von zehn Integrationsprojekten, die von der Landesstiftung Baden-Württemberg gefördert und von Josef Held, Seddik Bibouche u. a. evaluiert wurden. Die evaluierten Projekte bilden ein breites sowie repräsentatives Spektrum der in Deutschland laufenden typischen Projekte zur Förderung der Integration von Migranten ab. Bezug nehmend auf diese Projekte wird das im Folgenden aufgestellte theoretische Konstrukt aufgebaut, werden einige Hypothesen abgeleitet. Ganz im Sinne einer qualitativen Arbeit dienen die in den Interviews fixierten Inhalte, Aussagen, Meinungen, Haltungen, Kritiken sowie die geäußerten Definitionen als „theoretischer Anker“, als Basis der Diplomarbeit.

Da eine Diplomarbeit für eine umfassende Abhandlung und Klärung der beiden Begriffe Integration und Bildung bei Weitem nicht ausreicht, beschränken sich die im Folgenden getroffenen Definitionen, Erklärungen, Aussagen und Zitate auf einen kleineren, aber für die Arbeit spezifischen Ausschnitt aus der Fülle der Literatur und Ansätze zu den beiden Begriffen. Auf wichtige Konzepte, Theorien und wissenschaftliche Diskurse wird in einigen Fällen verwiesen, so dass dem Leser eine tiefergehende Aufarbeitung des Themas und seiner zahlreichen Facetten möglich ist. Dies gilt auch oder insbesondere für die aus den Interviews entwickelten Bildungsziele.

Die Kapitel 2 und 4.2 wurden gekürzt, teilweise umgeschrieben, aber zum größten Teil unverändert aus dem Evaluationsbericht übernommen. Sie dienen der Einordnung der Evaluation in die Diplomarbeit, so dass diese als allein stehendes Werk einem Anspruch auf innere Vollständigkeit genügt.

1 Integration

In wissenschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und medialen Diskussionen erfreut sich das Thema „Integration von Migranten“ einer in ihrer Intensität schwankenden, aber doch permanenten Aufmerksamkeit. Die zugrunde liegende Idee der vollkommenen Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in eine - mehr oder weniger als statisch betrachtete - (Aufnahme) Gesellschaft[5] stellt dabei den Kernpunkt der Diskussion dar. An ihm müssen sich theoretische Ansätze, Modelle und Integrationsbemühungen sowie Projekte oder Maßnahmen, welche die Integration der Gruppe der Migranten fördern, nach wie vor messen lassen. Gleichzeitig erfährt das Thema Integration von Einwanderern eine Problematisierung, welche die Unterschiede zwischen Ethnien, Kulturen und Religionen als „fraglos gegebenen Sachverhalt sowie als selbstverständliche Ursache von Integrationsproblemen und sozialen Konflikten …“ (Hormel/Scherr, 2004, S. 12) betrachtet. Die nach Scherr „… einflussreiche Perspektive, welche die Existenz unterschiedlicher, gewöhnlich national oder ethisch gefasster Kulturen als evidente und folgenreiche Tatsache postuliert und daraus die Konsequenz zieht, dass bei so genannten interkulturellen Begegnungen mit Verständigungsproblemen und Konflikten zu rechnen ist“[6] (ebd. 2004, S. 12), wird hier – im Einklang mit Albert Scherr – abgelehnt. Denn im Bezug auf das Phänomen der Migration lässt sich ein starker Widerspruch erkennen: „Obgleich Migration im globalen Alltag Normalfall ist und in vielen Ländern zum kulturellen Muster gehört, wird sie in der westlichen Welt den geltenden Denkmustern - in denen „Identität und Ortsgebundenheit, Entwurzeltsein und Migration“ (Bräunlein/Lauser 1997: II) zwangläufig verbunden sind - nach wie vor als Störfall und Abweichung vom Normalen gedeutet.[7] Integration wird hier dezidiert NICHT als „Problemfall der Gesellschaft“ betrachtet. Diese Betrachtungsweise gilt auch für die nachfolgenden Kapitel.

Das Wort „Integration“ wird häufig auf Immigranten und ihre Kinder bezogen. Es ist aber wichtig, an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass Integration und das Gegenteil, der Ausschluss, die Exklusion, nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund betreffen, sondern alle, die Teil einer Gesellschaft sind (vgl. Scherr, 2005). Damit sind auch andere, von Ausgrenzung betroffene oder bedrohte Minderheiten, Gemeinschaften und Individuen mit einbezogen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird dieser Aspekt jedoch nicht weiterverfolgt. Wenn bisher und im Folgenden von Integration die Rede ist, ist damit die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund gemeint.

Der Begriff „Integration“ als solcher wird immer wieder als schwierig bezeichnet, denn zum einen variiert seine Verwendungsweise, zum anderen ist er gesellschaftspolitisch aufgeladen (vgl. Steffen/Baumann/Betz, 2003, S. 3). Aus diesem Grund ist es in jeder Arbeit über Integration notwendig, den Begriff und die zugehörigen Theorien aufzuarbeiten. Eine allgemeine Definition von Integration findet sich bei Esser: „Unter Integration wird – ganz allgemein – der Zusammenhalt von Teilen in einem ‚systemischen’ Ganzen verstanden, gleichgültig zunächst worauf dieser Zusammenhalt beruht. Die Teile müssen ein nicht wegzudenkender (...), integraler’ Bestandteil des Ganzen sein. (...) Der Gegenbegriff bzw. die Gegenkraft zur Integration ist die Segregation: Die Teile stehen beziehungslos nebeneinander, und sie bilden insofern auch kein in einer Umgebung identifizierbares System“ (Esser, 1999, S. 14): Im Verständnis von Esser ist das allgemeine Ziel von Integration, die Teile eines systemischen Ganzen nicht nur zusammenzubringen, sondern diese durch Herstellung eines Zusammenhaltes zu einem Ganzen zu verbinden.

Dieses Verständnis von Integration, „… welches sich auf den Zustand der Gesamtgesellschaft bzw. deren Innere Ordnung, Zusammenhalt und Bindungskraft“ (Riegel, 2004, S. 56) bezieht, wird in der Soziologie als strukturelle Integration bezeichnet (vgl. Riegel, 2004).

Neben der Betrachtung der gesellschaftlichen Seite des Integrationsprozesses unterscheidet die Soziologie den Begriff der individuellen Integration (ebd.).[8] Diese bezieht sich auf das Hineinentwickeln eines Individuums in eine Gesellschaft, also primär auf den Prozess der Eingliederung des Individuums, auf die individuelle Aneignung von gesellschaftlich relevanten Kompetenzen, wie z. B. Sprache, kulturelle Regeln, Normen und Qualifikationen (vgl. Riegel, 2004).[9] Die Integration gilt als gelungen „…wenn die einzelnen Teile einer Gesellschaft zu einer gesellschaftlichen Gesamtordnung zusammenfügen“ (Kreckel, 1994, in: Riegel, 2004, S. 56). Umgekehrt ist die Desintegration das Auseinanderstreben und der Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung (vgl. Riegel, 2004). Doch nicht nur das Zusammenfügen der einzelnen Teile zu einem Ganzen ist Ziel der Integration, sondern auch die Aufrechterhaltung dieser Ordnung bzw. die Sicherung dieser. Um die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ordnung zu erklären, nennt Christine Riegel, in Anlehnung an Jürgen Habermaß, die Systemintegration, die durch das Medium Geld und die rechtsstaatliche Ordnung sowie durch die damit einhergehende administrative Macht aufrechterhalten wird (vgl. Riegel, 2004). Der zweite Mechanismus ist die Sozialintegration, die „… auf den Wertekonsens und die soziale Bindungskraft und Solidarität einer Gesellschaft abhebt“ (Riegel, 2004, S. 56). D. h. die soziale und systemische Integration von außenstehenden Menschen, Gruppen, Gemeinschaften etc. dient demnach dem Erhalt bzw. dem Fortbestehen der modernen Gesellschaft.

Im Tenor der bisherigen Ausführungen wird klar, dass Integration nicht nur auf gesellschaftliche und individuelle Integrationsprozesse beschränkt werden kann, sondern immer auch auf die Gegenkräfte Ausgrenzung und Segregation trifft. Christine Riegel erfasst diesen Zusammenhang sehr gut, indem sie schreibt: „Im Rahmen des Spannungsverhältnisses von Einund Ausgrenzung bezieht sich der Integrationsbegriff sowohl auf den inneren Zusammenhalt einer Gemeinschaft als auch auf die soziale Eingliederung von gesellschaftlich Außenstehenden [in ein systemisches Ganzes]“ (Riegel, 2004, S. 57). Als „die Gesellschaft“ bzw. als das „systemische Ganze“ wird in Deutschland im Allgemeinen die Mehrheitsgesellschaft der Deutschen verstanden, was in der Vergangenheit und Gegenwart zu einigen Irrungen und Wirrungen führte und führt. So ist z. B. die Diskussion um eine deutsche Leitkultur sowie die aktuelle Praxis der Einbürgerungstests meiner Meinung nach das Resultat der Annahme, dass Migranten in eine existierenden deutschen Gesellschaft integriert werden sollen, d. h. in ein statisches System eingefügt werden sollen.[10] Dies impliziert eine Sichtweise, in welcher der Migrant die Variable ist, die veränderbar ist und es auch sein muss, und die Gesellschaft eine Konstante darstellt, deren Veränderlichkeit als nicht notwendig erachtet wird. Die Option, dass sich das „systemische Ganze“ durch Integration von Migranten verändern und sich immer wieder neu entwerfen kann oder auf die Einwanderung mit Veränderung seinerseits reagieren könnte, wird des Öfteren einfach ausgeblendet und einer assimilierenden denn einer integrierenden Praxis geopfert.

Eine Betonung der Begriffe Integration und Gesellschaft wirft immer die Frage nach dem sozialen Ort von Integration auf. Wohin sollen Migranten integriert werden? Wo ist die soziale Verortung der Integration? Es sei hier in der gebotenen Kürze ausgeführt, dass der oftmals benutzte Begriff der Gesellschaft in seiner historischen Form als nicht mehr zeitgemäß erachtet wird. Eine Gesellschaft mit dominierenden kulturellen, religiösen und familiären Orientierungsmaßstäben (vgl. Heitmeyer, 2004) etc. ist so nicht mehr auszumachen, wie auch schon Heitmeyer in seinem Buch „Was treibt die Gesellschaft auseinander?“ beschrieben hat. Mit dieser Veränderung der Gesellschaft wächst die Gefahr von Desintegration und Anomie[11]. Durkheim beschreibt „…das Schwinden von Solidarität, die Erosion sozialer Beziehungen, und damit die Frage der Integration einerseits und die Auflösung von Kulturellen Orientierungen andererseits, als die beiden Seiten der Anomie in der modernen Gesellschaft hingewiesen“ (Durkheim, in: Heitmeyer, 2004). Hinweise für die wachsende Gefahr der Desintegration sieht Heitmeyer z. B. in der Fragmentierung von Lebenszusammenhängen, in der Abwertung und Diskriminierung von ethnischkulturellen Minderheiten in der zunehmend größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich, in der Auflösung basaler Werteund Normenkonsense, etc. (ebd. 2004). Es kann folglich festgestellt werden, dass die arbeitsteilige, sich immer weiter ausdifferenzierende Industriegesellschaft (zukünftig Dienstleistungsgesellschaft) der Notwendigkeit einer vollständigen Integration entbehrt. Erol Yildiz sieht daher eine spezifische Notwendigkeit zur Integration in verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen. Denn: „Eine „vollständige“ Integration in einer polykontextuellen Gesellschaft ist empirisch nicht mehr möglich und auch nicht mehr nötig, weil das Leben in einer postmodernen Gesellschaft von allen Mitgliedern – ob autochthon oder allochthon – nur eine partielle Inklusion in die Gesellschaft verlangt“ (Yildiz, 2001, S. 79-80). Aus Gründen der Vereinfachung wird der Terminus „Gesellschaft“ auch weiterhin in der Arbeit verwendet, aber im abstrakteren Verständnis der „postmodernen Industriegesellschaft“ und nicht als die Gesellschaft der Deutschen o. ä. Die Verbindlichkeiten zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft sind meiner Meinung nach nicht mehr klar über die erwähnten dominanten Orientierungsmaßstäbe (z. B. Zugehörigkeit zu einer Religion, zu einer Klasse, einer Nation etc.) zu definieren. Es erscheint treffender, festzustellen, dass diese traditionellen Mechanismen der Vergemeinschaftung durch die Vielzahl der gesellschaftlichen Teilbereiche und damit durch eine höhere Zahl an Orientierungsmaßstäben abgelöst wurden. Nicht mehr die Gesellschaft ist sozialer Ort der Integration, sondern die gesellschaftlichen Teilbereiche, welche unter dem Begriff der postmodernen Industriegesellschaft“ subsumiert werden können und diese auch konstituieren. Es wird dezidiert darauf hingewiesen, dass weder die Forderung einer vollständigen Integration von Menschen in eine Gesellschaft noch die Betrachtung der Gesellschaft als großes Ganzes, in welches sich Individuen integrieren können, aufrechtzuerhalten ist. Ich schließe mich hier der Meinung Erol Yildiz u. a. an und verweise auf die polykontextuelle Gesellschaft[12] sowie auf die Möglichkeit einer Teilinklusion bzw. einer partiellen Integration. Es ist dennoch davon auszugehen, dass die Integration in Telbereiche der Gesellschaft nach denselben Prinzipien funktioniert wie die vollständige Integration. Dass der Integrationsprozess partiell sein kann und dementsprechend auch auf verschiedenen E- benen und in unterschiedlicher Form, Geschwindigkeit und unter unterschiedlichen Voraussetzungen stattfinden kann, ist nicht nur eine analytische Hilfskonstruktion, sondern auch die konsequente Fortführung des Gedankens einer partiellen Inklusion von Individuen. Wichtig erscheint abschließend festzustellen, dass die Gesellschaft sich insgesamt auf die Tatsache der Migration einrichten muss und sich tatsächlich zu einer Einwanderungsgesellschaft entwickeln muss, in der die Einwanderer einen Platz und eine berufliche Perspektive finden können (vgl. Held, Otto, Hormel/Scherr u. a.).

Die von Heckmann, Tomei eingeführte und von Esser und Riegel u. a. weitergeführte Differenzierung des Integrationsprozesses in die kulturelle Integration, die strukturelle Integration, die soziale Integration und die identifikatorische Integration ist eine solche Konstruktion bzw. ein Konzept, durch welches sich die individuelle Integration besser erfassen lässt. Durch sie kann der komplexe Prozess der Integration von Individuen in eine Gesellschaft vereinfacht dargestellt und analysiert werden. Im folgenden Kapitel werden diese Dimensionen der Integration kurz dargestellt.[13]

1.1 Dimensionen von Integration

Die Ausgrenzung und Benachteiligung von Migranten auf bestimmten Gebieten ist der Ausgangspunkt für pädagogische und staatliche Interventionen. Dabei sollen die Möglichkeiten von Migranten zur Teilhabe an gesellschaftlichen Ressourcen verbessert werden. Beim Einbezug von Migranten in das gesellschaftliche Geschehen kann es sich um mehrere Vorgänge handeln: um den Erwerb von Bildung und eine Positionierung auf dem Arbeitsmarkt, den Erwerb von Sprachkenntnissen, die Entstehung sozialer Akzeptanz und interethnischer Freundschaften, die Gewährung von Rechten usw. Diesen Vorgängen entsprechend differenzieren mehrere Autoren unterschiedliche Dimensionen von Integration.

Esser (2001, S. 8-15) differenziert zwischen vier Varianten der Sozialintegration, also des Einbezugs der Akteure in eine Gesellschaft: Kulturation, Platzierung, Interaktion und Identifikation. Inhaltlich gleiche Dimensionen, nur mit je anderen Labeln versehen, werden von Heckmann/Tomei (1997, S. 3) verwendet, diese wurden innerhalb der Tübinger Jugendforschungsgruppe von Christine Riegel (2004, S. 67) aufgegriffen. Es handelt sich dabei um die bereits genannten Dimensionen der kulturellen Integration, der strukturellen Integration und der sozialen Integration und die identifikatorische Integration. Anhand dieser Dimensionen von Integration lässt sich u. a. die Wirksamkeit bzw. die Frage „Was und auf welcher Ebene bewirken die Projekte, Bildungsziele etc. eine Förderung der Integration?“ vereinfacht beantworten. Schließlich kann mittels der Dimensionen festgestellt werden, auf welcher Ebene oder welchen Ebenen ein Projekt, eine Bildungsmaßnahme, Bildungsziele o. ä. wirksam werden. Daher werden diese Dimensionen für das Evaluations-Projekt und die Arbeit als fruchtbar erachtet und sollen hier ausführlicher geschildert werden.

1.1.1 Strukturelle Integration:

Mit struktureller Integration bezeichnet Christine Riegel den Prozess, innerhalb dessen Zuwanderer zu Mitgliedern einer Gesellschaft werden (vgl. Riegel, 2004). Dieser Vorgang, von Esser als „ Platzierung“ bezeichnet, meint die Eingliederung von Zugewanderten und/oder ihren Nachfahren in ein „(...) bereits bestehendes und mit Positionen versehenes soziales System“ (Esser 2001, S. 9). In diesen Bereich fällt die Übernahme von beruflichen und anderen Positionen. Dieser Erwerb des Mitgliedsstatus einer Gesellschaft sollte nach Heckmann/Tomei (1997, S. 4) „(...) auf der Basis gleichberechtigter Chancen“ erfolgen. Die Dimension der strukturellen Integration „… bezieht sich damit auf den Status einer Person, der ihr einen gleichberechtigten Zugang zu gesellschaftlichen Gütern und Positionen ermöglicht (Riegel, 2004, S. 67).

1.1.2 Kulturelle Integration:

Die Dimension der kulturellen Integration umfasst die individuelle Aneignung von Kompetenzen, welche die Partizipation am gesellschaftlichen leben erlauben (z. B. Sprache, Werte, Normen, etc.). D. h., im Prozess der kulturellen Integration bzw.

Kulturation“ eignen sich Individuen Wissen und Kompetenzen an, die sie zum Agieren in der jeweiligen Gesellschaft benötigen. Dabei handelt es sich um die Kenntnis der wichtigsten Regeln dieser Gesellschaft und – ganz besonders – um die Kenntnis der Sprache. Kulturation ist als Überbegriff für En kulturation und Ak kulturation zu sehen: Erstere bezeichnet die Kulturation eines Menschen zu Beginn seines Lebens, Akkulturation dagegen meint das Einleben in einen neuen, anderen gesellschaftlichen Kontext. Im Zusammenhang mit Migrations-Prozessen ist also vor allem Akkulturation von Interesse. Diese (individuelle) Aneignung der Kompetenzen für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben schließt nach der Theorie von Heckmann und Tomei (1997, S. 4) auch Lernprozesse bei der einheimischen Bevölkerung mit ein.

1.1.3 Soziale Integration

Als Sozialintegration bezeichnet Esser z. B. „(...) die Beziehungen der Akteure zueinander und zum ,Gesamt’-System. Es geht (...) also um den Einbezug der Akteure in einen gesellschaftlichen Zusammenhang, nicht bloß um das relativ reibungslose und abgestimmte ,Funktionieren’ der Gesellschaft als System.“ Oder anders gesagt: Die „Teile“ eines Systems, von denen in der obigen Definition die Rede ist, sind die Akteure einer Gesellschaft, also die Individuen, die ihr angehören. In unserem speziellen Falle die Migranten, die es als Angehörige einer anderen Ethnie und/oder Kultur zum Teil schwerer haben, am gesellschaftlichen Geschehen teilzuhaben. (Esser, 1999, S. 15), wie noch zu zeigen ist.

Die soziale Integration bezieht sich auf die Beteiligung von Migranten an privaten und sozialen Aktivitäten von Mitgliedern der Mehrheitsgesellschaft. Diese Dimension wird von Esser (2001, S. 10) als „Interaktion“ bezeichnet, diese wird definiert als „(...) Spezialfall des sozialen Handelns, bei dem sich die Akteure wechselseitig über Wissen und Symbole aneinander orientieren und so, über Orientierungen und ihr Handeln, Relationen miteinander bilden“. Über die Interaktion vollzieht sich die Platzierung von Individuen in den alltäglichen, nicht-formellen Bereichen der Gesellschaft. Der Aufnahme von Interaktionen liegen strukturelle Bedingungen zugrunde: Man muss objektiv gegebene Gelegenheiten haben, um mit anderen in Interaktion treten zu können. Wer z.B. in einem segregierten Wohnquartier wohnt und am Arbeitsplatz nur Kollegen der gleichen Ethnie hat, dem wird es schwieriger fallen als anderen, auch Kontakte zu Angehörigen der Aufnahmegesellschaft zu knüpfen. Über diese wiederum werden Kulturation-Prozesse erleichtert, hier zeigt sich auch, wie sehr die verschiedenen Dimensionen zusammenhängen.

1.1.4 Identifikatorische Integration:

Die identifikatorische Integration einer Person (bei Esser schlicht „Identifikation“) lässt sich als gedankliche und emotionale Beziehung zu einem sozialen System beschreiben, bei der sie sich und die Gesellschaft als Einheit sieht. Die Person orientiert sich dabei am System als Kollektiv, dies zeigt sich dann z.B. als Nationalstolz oder als Wir-Gefühl. Heckmann und Tomei stellen zu Recht heraus, dass es sich bei dieser vierten Dimension um die „subjektive Seite von Integration“ handelt (Heckmann und Tomei, 1997, S. 4). Sie beinhaltet auch die Wertschätzung, Akzeptanz und Anerkennung, welche Migranten durch die Autochthonen erfahren sollten. Das Zugehörigkeitsgefühl wird hier evtl. durch interkulturelle Kontakte (neu) konstituiert. Vor allem in dieser Dimension kann das soziale Milieu, in dem sich jemand bewegt, von großer Wichtigkeit sein. Es geht hier nämlich nicht unbedingt um eine Identifikation mit Deutschland oder „den Deutschen“. Vielmehr kann es sich auch um eine Identifikation in einem kleineren Rahmen handeln: mit der Clique, dem Stadtteil, der Region, usw. Im Zusammenhang mit Integration in Kommunen ist die identifikatorische Dimension also von großer Bedeutung.

Hinsichtlich der dargestellten Dimensionen der Integration zieht Christine Riegel das Fazit: „Von einer gelungenen Integration kann erst dann gesprochen werden, wenn eine Integration des Individuums in allen vier Bereichen vorliegt“ (Riegel, 2004, S. 67). Ob diese Definition in der sozialen Wirklichkeit haltbar ist oder ob der Integrationsprozess von Migranten faktisch nur in einigen Dimensionen stattfindet, ist nicht eindeutig zu klären, wird aber auch nicht vollständig ausgeschlossen. Fragt man nach den Beziehungen der Dimensionen untereinander, ist zwar festzustellen, dass sie eng miteinander zusammenhängen und sich in Teilen gegenseitig bedingen, aber auch, dass sie auch zeitlich unabhängig bzw. auch parallel oder unabhängig gänzlich voneinander stattfinden können.

Im Zusammenhang von Integration von Migranten sollten auch die Begriffe Berücksichtigung finden, welche einer gelingenden Integration z. B. weniger dienlich sind und/oder auf einem falsch verstandenen Integrationsverständnis fußen oder in ihrer Bedeutung umstritten sind. Daher werden im Folgenden drei Begriffe kurz behandelt, auf welche diese Kriterien zutreffen.

1.2 Integration und Assimilation

Integration und Assimilation: Wenn man nun das allgemeine Verständnis von Integration im Hinblick auf die (Sozial-)Integration von Migranten in die Aufnahmegesellschaft erweitern möchte, so findet man verschiedenste Ansichten und Integrationskonzeptionen vor. Im Allgemeinen bezeichnet die Assimilation einen unlinearen Anpassungsprozess, der durch einseitige Anpassungsleistungen seitens der Migranten gekennzeichnet ist (u. a. Otto, 2006). In Sozialwissenschaften und in der Politik gibt es verschiedene Vorstellungen, die mit Integration verbunden werden, und verschiedene Vorraussetzungen, die für eine gelungene Integration angenommen werden. Eine zentrale Schwierigkeit liegt hierbei in der Unterscheidung der Begriffe Integration und Assimilation voneinander. Manche Autoren verwenden den Integrationsbegriff als Überbegriff, welcher unterschiedliche Integrationsarten beinhalten kann.

Andere Autoren hingegen, wie z. B. Fuchs, verstehen den Assimilationsbegriff als Gegenbegriff zu dem der Integration (S. a. Fuchs, 1995, S. 138ff.). Hier werden zwei Modelle beschrieben, wie man mit Fremden umgehen kann: Bei der Assimilation werden einseitige Anpassungsleistungen der Fremden an das geschlossene System der Aufnahmegesellschaft erwartet. Dies kommt der reduzierten Sichtweise von Integration als „… Einbzw. Anpassung der Lohnabhängigen [Migranten] an die Verhaltenszwänge einer kapitalistischen Gesellschaft [Mehrheitsgesellschaft] und die ihr entsprechenden formellen und informellen Normen“ (Scherr, 1999, S. 43) gleich. Im Modell der Integration dagegen wird diese Gesellschaft als offenes System verstanden, in welchem die jeweilige Eigenständigkeit aller zusammenlebenden Gruppen auch erhalten bleibt.

1.3 Integration und Akkulturation

Ähnlich unterschiedlich wie die Verwendung der Begriffe „Integration“ und Assimilation“ wird in der Sozialwissenschaft auch die Verwendung der Begriffe „Integration“ und „Akkulturation“ gehandhabt. Der Begriff „Akkulturation“ stammt aus der interkulturellen Psychologie und „(...) benennt den Prozess des Hineinwachsens einer Person in ihre soziokulturelle Umwelt“ (Riegel, 2004, S. 64). Er bezieht sich sowohl auf Zuwanderer als auch allgemein auf das Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen zu Mitgliedern einer Gesellschaft. Das Akkulturationskonzept wurde von den amerikanischen Psychologen Berry und Sam entwickelt. Nach Berry und Sam gibt es für Migranten vier Akkulturationsstrategien, die sich zwischen den Fragen bewegen, ob man Kontakt zu Angehörigen der Aufnahmegesellschaft sucht oder nicht und ob man seine Herkunftskultur behalten möchte oder nicht. Wenn man Kontakte knüpft und die eigene kulturelle Identität behält, so wird dies als Integrationsstrategie bezeichnet (Berry, 1997, S. 296ff.). Wenn

man Kontakte knüpft und dabei nach und nach die Herkunftskultur aufgibt, so wird dies als Assimilierungsstrategie bezeichnet. Als Separationsstrategie gilt dagegen, wenn kein Kontakt zur Aufnahmegesellschaft besteht und die Herkunftskultur beibehalten wird. Eine Marginalisierungsstrategie liegt dann vor, wenn sowohl der Kontakt zu Angehörigen der „neuen“ Kultur vermieden als auch die „alte“ aufgegeben wird. In diesem Konzept wird also der Begriff „Integration“ als der „Akkulturation“ untergeordnet verwendet, bei anderen Autoren (z.B. bei Esser, siehe unten) ist das Gegenteil der Fall.

In den deutschsprachigen Sozialwissenschaften wurde das Akkulturationskonzept aufgegriffen und in Integrationskonzeptionen einbezogen. Heitmeyer und Anhut z. B. definieren - in Anlehnung an Berry und Sam – Akkulturation und Integration folgendermaßen: „Akkulturation meint eine durch Kulturkontakt hervorgerufene, wechselseitige, aber nicht gleichgewichtige Veränderung von Werten, Normen, Einstellungen, Verhaltensweisen und Lebensstilen. Integration – im migrationsspezifischen Sinn – zielt hierbei auf eine kulturelle Doppelorientierung an der Kultur der Herkunftswie der Aufnahmegesellschaft bei möglichst gleichberechtigter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“ ab (Heitmeyer/Anhut, 2000, S. 18f.)

Bezüglich dieser Definition ist anzumerken, dass es sich dabei um ein normatives Konzept handelt, das momentan noch so gut wie nicht verwirklicht ist. Anstelle von „gleichberechtigter Teilhabe am gesellschaftlichem Leben“ findet sich faktisch eine soziale Ungleichheit zwischen Migranten und den Bewohnern des Einwanderungslandes. In diesem Zusammenhang wird von der Tübinger Jugendforschungsgruppe immer wieder darauf hingewiesen, dass Integration nicht ohne ihren Komplementärbegriff der „Ausgrenzung“ diskutiert werden sollte (z. B. Held, 1999, S. 1).

1.4 Integration und Exklusion (Ausgrenzung)

Währen die Integration (lat. Inklusion) den Status eines Individuums hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Gemeinschaft oder Gesellschaft kennzeichnet, steht die Ausgrenzung für eine Nicht-Zugehörigkeit zu diesen Formen der Vergemeinschaftung. Damit ist (lat.) die Exklusion bzw. (dt.) die Ausgrenzung das Gegenteil bzw. der Pendant der Integration. Neben der Bedeutung, dass die Begriffe Integration und Exklusion das Verhältnis bzw. die Stellung eines Individuums zu einer Gruppe o. ä. beschreiben, kann Ausgrenzung auch als Handlung verstanden werden. Wenn die Integration von Individuen auch als aktive Tätigkeit von Mitgliedern einer Gesellschaft (oder auch gesellschaftlichen Teilbereichen) verstanden wird, kann auch die Ausgrenzung als aktives Handeln von Individuen (Mitgliedern) einer Gruppe, Gemeinschaft oder Gesellschaft verstanden werden, welches den nachhaltigen Ausschluss einzelner sozialer Akteure oder ganzer Gruppierungen aus den eigenen sozialen Kreisen bewirken soll und bewirkt. Soziale Exklusion ist Verlust an sozialen und politischen Teilhabechancen. Mit dem Terminus „Soziale Ausgrenzung“ wird also nicht nur darauf hingewiesen, dass Arbeit und Einkommen, sondern auch die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe knapp und ungleich verteilt sind (vgl. Scherr, 1999).

Nachdem die Dimensionen der Integration dargestellt wurden und bevor die Präzisierung der einzelnen Projekte erfolgt, halte ich es für lohnenswert, noch einen Blick auf das zugrunde liegende Verständnis von Integration zu werfen, da die Landesstiftung, als Stiftung des Landes Baden-Württemberg, sich an diesem Verständnis orientiert. Zudem lassen sich die nach Esser definierten Dimensionen von Integration und deren analytische Funktion auf den 2004 vom Innenministerium Baden-Württemberg herausgegebenen Bericht zur „Integration in Baden-Württemberg“ anwenden.

1.5 Das Integrationsverständnis in Baden-Württemberg

Durchforstet man den vom Innenministerium (2004) herausgegebenen Bericht zur „Integration in Baden-Württemberg“, so findet sich leider keine explizite Bestimmung dessen, was unter Integration eigentlich verstanden wird. Das Integrationsverständnis der Landesregierung lässt sich lediglich indirekt über die Ziele der integrationspolitischen und integrationsfördernden Maßnahmen[14] erschließen:

„Ziel der integrationspolitischen Maßnahmen in Baden-Württemberg ist es, Ausländer und Spätaussiedler möglichst umfassend am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu beteiligen; dies liegt im Interesse unseres Landes. Nicht Assimilation, aber ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen, gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz unserer Rechtsund Werteordnung sind dabei Grundvoraussetzungen für ein gedeihliches und friedliches Zusammenleben“ (Innenministerium Baden-Württemberg 2004, S. 11).

Die „Beteiligung am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben“ verweist auf die Wichtigkeit der strukturellen Integration für die Migranten. Am wirtschaftlichen Leben zu partizipieren bedeutet, eine Arbeit bzw. eine berufliche Position zu haben – also im Sinne Essers „platziert“ zu sein. Die geforderte „Akzeptanz unserer Rechtsund Werteordnung“ fällt in den Bereich der kulturellen Integration, das „gegenseitige Aufeinanderzugehen“ verweist auf die Dimension der sozialen Integration. Die Interaktion zwischen Migranten und Deutschen wird auch vom Innenministerium Baden-Württembergs als wichtig erachtet. Auch der Aspekt des „gegenseitigen Verständnisses“ verweist einerseits auf die Ebene der sozialen Integration, andererseits aber auch leicht in die Richtung der identifikatorischen Integration, weil dieser Aspekt etwas sehr Subjektives darstellt. Wenn man Verständnis füreinander aufbringt, so bedeutet das, dass man den jeweils Anderen eher akzeptiert und anerkennt, und diese Anerkennung erleichtert evtl. die Entstehung einer Identifikation der Migranten mit dem Aufnahmeland und seiner Gesellschaft. Integration ist zusammengefasst also ein Prozess des Aushandelns, als Prozess der beidseitigen Annä- herung zwischen Migranten und „Aufnahmegesellschaft“ zu verstehen, der auf verschiedenen Dimensionen und Ebenen verläuft und das Ziel verfolgt, den einzelnen Subjekten eine gleichberechtigte Teilhabe sowie die reelle Chance auf Glück in der Gesellschaft oder zumindest in Teilbereichen dieser zu ermöglichen. Im Idealfall gelingt die Integration von Migranten in alle Dimensionen. Dies würde bedeuten, dass sie sich nicht nur mit der Gesellschaft, in welcher sie leben, identifizieren können, sondern darüber hinaus am kulturellen Ganzen mitwirken und ihr mitgebrachtes kulturelles Kapital Anerkennung und Wertschätzung erfährt.

2 Das Integrationsprogramm der Landesstiftung Baden- Württemberg und die Konzeption der Evaluation

Die in der vorliegenden Arbeit verwendeten qualitativen Daten sind Teil der Ergebnisse einer Evaluation von 14 Projekten zur Integrationsförderung von Migranten, die von der Landesstiftung Baden-Württemberg finanziert wurden. Das Spektrum der Projekte ist repräsentativ für die Bandbreite der Integrationsförderung in der Bundesrepublik Deutschland. Die geförderten und evaluierten Projekte stehen sowohl inhaltlich als auch durch ihre Konzeption, durch ihr Angebot und ihre Ziele sowie letztlich aufgrund ihrer Durchführung als Repräsentanten der derzeit getätigten Praxis zur Förderung der Integration. Aus diesem Grund erfolgt an dieser Stelle eine kurze Darstellung der Projekte sowie der durchgeführten Evaluation.

Im Mai 2002 hat die Landesstiftung Baden-Württemberg Fördergelder für Projekte im Rahmen von „Integration von Ausländern, interkultureller Dialog“ ausgeschrieben. In diesem Programm sollten in baden-württembergischen Städten mit hohem Ausländeranteil „(...) zur Verbesserung von Integration von Ausländern konkrete Modellvorhaben (...) gefördert werden“ (Dokument Nr. 1). Die Ausschreibung richtete sich an in der Integrations- /Migration-Arbeit tätige Einrichtungen und Organisationen in Stuttgart, Mannheim, Ludwigsburg, Sindelfingen, Heilbronn und Esslingen. Die Bedingungen zur Förderung von Projekten waren folgende: Zielgruppe sollten Ausländerinnen und Ausländer oder Aussiedler mit dauerhaftem Bleiberecht sein, bevorzugt aus der jüngeren Generation. Des Weiteren sollten die Projekte sich nicht nur auf neu Zugewanderte beziehen, sondern auch auf bereits länger hier lebende Migranten mit „Integrationsbedarf“. Vor Ort bereits bestehende Integrationsangebote sollten dabei mit einbezogen werden, um innovative Projekte erhalten zu können.

2.1.1 Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Baden- Württemberg

Es wird geschätzt, dass in Baden-Württemberg ca. 1,3 Millionen Menschen eine andere Staatsbürgerschaft als die deutsche haben. Dies entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 12% und ist somit der höchste unter den deutschen Flächenländern. Des Weiteren liegt er deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 8,9% an ausländischen Mitbürgern (vgl. Innenministerium Baden-Württemberg, 2004, S. 9). Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund dürfte allerdings sowohl im Bund als auch im Land wesentlich höher liegen, da erstens Aussiedler, zweitens bereits Eingebürgerte und drittens Nachkommen von Migranten (sofern sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben) nicht in die Statistik mit eingehen (vgl. Härle, 2004, S. 16f.). Wenn man über Integration von Migranten redet, sollten die Menschen mit Migrationshintergrund auf jeden Fall einbezogen sein, da auch ihre Integration in die deutsche Gesellschaft nicht unbedingt selbstverständlich vonstatten geht.

Wenn in der Literatur über Zugewanderte und deren Integration diskutiert wird, so handelt es sich dabei meist um „Arbeitsemigranten“[15] und deren Nachkommen, um Flüchtlinge und Asylsuchende sowie um Spätaussiedler mit ihren Familien.[16]

2.2 Das Integrationsprogramm – Darstellung der Integrationsprojekte der Landesstiftung Baden-Württemberg

Folgende Projekte wurden von der Landesstiftung Baden-Württemberg nach Sichtung der Anträge gefördert und qualitativ untersucht:

„QUIST JUNGBUSCH – QUALIFIZIERUNG VON JUGENDLICHEN IM STADTTEIL“

Zielgruppe: jugendliche Migranten im Mannheimer Stadtteil Jungbusch

Maßnahmen: Unterstützung in schulischen, beruflichen und alltagsweltlichen Fragen, Hilfe bei der Persönlichkeitsentwicklung;

„QUIST NECKARSTADT WEST – QUALIFIZIERUNG VON JUGENDLICHEN IM STADT- TEIL“

Zielgruppe: jugendliche Migranten im Mannheimer Stadtteil Neckarstadt West Maßnahmen: Unterstützung in schulischen, beruflichen und alltagsweltlichen Fragen, Hilfe bei der Persönlichkeitsentwicklung;

„QUIST WESTLICHE UNTERSTADT – QUALIFIZIERUNG VON JUGENDLICHEN IM STADTTEIL“

Zielgruppe: jugendliche Migranten im Mannheimer Stadtteil Westl. Unterstadt Maßnahmen: Unterstützung in schulischen, beruflichen und alltagsweltlichen Fragen, Hilfe bei der Persönlichkeitsentwicklung;

„AGABEY-ABLA MODELLPROJEKT“

Zielgruppe: türkische Schüler in Stuttgart

Maßnahmen: türkischsprachige Studierende begleiten und die Schüler unterstützen

„INTEGRATION VON JUGENDLICHEN EINWANDERERN“

Zielgruppe: Vorschulkinder und Jugendliche aus Aussiedlerfamilien

Maßnahmen: sozialpädagogische Arbeit mit Eltern und Kindern + Sprachkurse

„OFFENE MOSCHEE“

Zielgruppe: Kinder und Erwachsene in Mannheim

Maßnahmen: Gemeinwesenarbeit, Bildungsarbeit

„MENTOREN FÜR MIGRANTEN“

Zielgruppe: v. a. Frauen mit Migrationshintergrund in Stuttgart

Maßnahmen: Soziale und sprachliche Unterstützung durch Mentoren

„ELTERN AKTIV“ – BILDUNGSSEMINARE

Zielgruppe: türkische Eltern in Stuttgart

Maßnahmen: Beratung und Informationsveranstaltungen

„KINDER + ELTERN AN GRUND- UND HAUPTSCHULEN“

Zielgruppe: Eltern und Lehrer

Maßnahmen: Infoveranstaltungen, Sprachkurse, interkulturelle Arbeit mit Lehrern

“HIPPY – HOME INSTRUCTION PROGRAM FOR PRESCHOOL YOUNGSTERS”

Zielgruppe: Eltern mit Vorschulkindern in Sindelfingen

Maßnahmen: Hausbesuche, Sprachunterstützung, Beratung, Fortbildung, Materialien

„AKTIVSPRACHKURS“

Zielgruppe: Migranten eines Industriegebiets in Heilbronn

Maßnahmen: sozialpädagogische Erweiterung von Sprachkursen

„MIGRANTINNEN LERNEN … FÜR DIE ZUKUNFT IHRER KINDER“

Zielgruppe: Eltern, die keine deutsche Schule besucht haben, in Stuttgart

Maßnahmen: Vermittlung von schulrelevantem Wissen

„JUGEND INTEGRIERT“

Zielgruppe: Jugendliche (10-15 J.) in Heilbronn

Maßnahmen: interkulturelle gruppenübergreifende Arbeit

„VONEINANDER LERNEN“

Maßnahmen: Wissenschaftliche Begleitung des Projekts „Qualifizierung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in interkultureller Handlungskompetenz“

2.3 Forschungsdesign, Vorgehen, Konzeption und Methode im Rahmen der Evaluation

Das oberste Ziel dieser Evaluation ist es, allgemeine Erkenntnisse zu gewinnen, die für die Verbesserung zukünftiger Projekte wichtig sind. Ein weiteres Ziel besteht darin, die Projektleiter und die Projektmitarbeiter authentisch zu Wort kommen zu lassen und bei ihnen selbst eine Reflexion der Projektkonzeption und des Projektverlaufs anzuregen. Dies gilt sowohl für die hauptamtlichen als auch für die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Projekte[17]. Beide Gruppen können daraus für die zukünftige Arbeit lernen. Die Ergebnisse der Evaluation sollen ihnen zugänglich gemacht werden. Dies stellt einen Prozess der Selbstevaluation dar, der sich auf noch laufende und zukünftige Maßnahmen, im Sinne einer „formenden Weiterentwicklung der Praxis“, auswirkt.

Auf eine dezidierte Zuordnung des Projektdesigns zu einer festen Evaluationsform wird verzichtet. Vielmehr wird ein freier gefasstes Verständnis von Evaluation präferiert:

„…evaluation is the use of social research procedures to systematically investigate the effectiveness of social intervention programs that is adapted to their political an organizational environments and designed to inform social action in ways that improve social conditions” (Rossi, 1993, S. 20). Demnach ist Evaluation auch als „in den Feldern der sozialen Arbeit und in der sozialen Wirklichkeit angewandte empirische Sozialforschung“ (Kö- nig, 2000, S. 34) zu verstehen. Sie kann als Sammlung, Analyse und Interpretation von Informationen über Konzeption, Umsetzung, Durchführung und (erwartete) Wirkung von Maßnahmen, welche die Lebensbedingungen der Menschen [mit Migrationshintergrund] verbessern sollen, zusammengefasst werden (vgl. König, 2000). Die Ergebnisse dieser Evaluation erheben nicht den Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit. Vielmehr gilt ihr wesentliches Interesse der Gewinnung von nützlichen Informationen für die Praxis (vgl. Kromrey, 2001).

2.3.1 Evaluationskonzept

Explizite Grundlage von Evaluation ist das gemeinsame Interesse an der Verbesserung der Praxis. Die Betonung des Aspektes der Gemeinsamkeit (zwischen Wissenschaft und Praxis; Evaluatoren und Projektmitarbeiter) impliziert das von der Tübinger Forschungsgruppe um Josef Held entwickelte, s ubjektorientierte Evaluationskonzept. Dieses ist angelehnt an einen subjektwissenschaftlichen Forschungsansatz, der sich im gewählten Vorgehen bzw. in der Konzeption des Evaluationsprojektes wiederfinden lässt.

Dieser, auf die konsequente Berücksichtigung des Subjektstatus basierende Ansatz (vgl. Held, 2006) hat durch die ihm eigentümliche subjektorientierte Perspektive konzeptionelle sowie methodische Konsequenzen für die Evaluation bzw. für die empirischen Untersuchungen. Eine dieser abgeleiteten Konsequenz ist die Anwendung der Forschungsmethode Mixed Methods (S. Rallis, 2003), welche sich die Verknüpfung von quantitativen und qualitativen Daten zu eigen macht. Die Kombination der beiden empirischen Methoden war und ist für uns eine adäquate Vorgehensweise, um die Evaluations-ziele umzusetzen, da die Mixed Methods eine pragmatische Herangehensweise sind, um komplexe soziale Phänomene verstehen zu können (vgl. Rallis, 2003). Sharon F. Rallis, Gretchen B. Rossmann u. a. sehen darin einen integralen Bestandteil der Evaluation: „This pragmatic approach to answering evaluative questions is integral to evaluation practice.” (Rallis, 2003, S. 492).

Die Sichtweise der Betroffenen

Die wichtigste Konsequenz der Subjektorientierung ist jedoch die Einbeziehung der Projektmitarbeiter und -mitarbeiterinnen. Zu den Akteuren im Rahmen eines Evaluationsprozesses sind somit die Beteiligten, d. h. Personen und Gruppen zu zählen, die an der Entwicklung und Umsetzung des zu überprüfenden Programms unmittelbar beteiligt bzw. davon betroffen sind (vgl. Joint Committee on Standards for Educational Evaluation/Sanders, 1999, S. 49). Den Praktikern kommt dadurch die Rolle des Forschers, des Mitforschers, zu und nicht die passive Rolle derer, die „evaluiert werden“. Sie werden an der Evaluation (Forschung) beteiligt, stehen also auf der Forschungsseite und nicht auf der Objektseite. (vgl. Held, 2006). Demnach ist es nicht möglich – ohne den Subjektstatus zu gefährden – das Subjekt zum Objekt der Forschung zu machen. In dieser Konsequenz muss Forschung vom Standpunkt des Subjekts aus betrieben werden. Für die Evaluation bedeutet dies: Evaluation vom Standpunkt des Subjekts, vom Standpunkt der an den Projekten Beteiligten aus. Die Begründung für diese Sichtweise kann mit den Worten Klaus Holzkamps auf den Punkt gebracht werden: „Der Standpunkt des Subjekts schließt - phä- nomenologisch gesehen - eine Perspektive, d. h. eine besondere ,Ansicht’ der Welt [bzw. des Projektes] (einschließlich der eigenen Person) eben von jenem Standpunkt ein” (Holzkamp, 1993, S. 21). Die Perspektive der Betroffenen aufzunehmen bedeutet für die Evaluationspraxis, dass die Ergebnisse der Experteninterviews (s. Kap. 3.2) und Expertenbefragung in die Beurteilung einbezogen werden. D. h., die Projekte und Projektmitarbeiter können nicht von „außen“ beurteilt werden, sondern kommen in Interviews und Fragebögen selbst zu Wort.

Ziel des subjektorientierten Vorgehens war es also, auch Mitarbeiter und insbesondere leitende Mitarbeiter zu aktivieren sowie sie anzuregen, die Stärken des Projektes zu erkennen. Gleichzeitig sollten aber auch Probleme und Schwächen im Projektdesign sowie in der Durchführung des Projektes transparent gemacht werden (vgl. Heiner, 1996). Es ist davon auszugehen, dass der durch diese selbst-evaluative Herangehensweise angesto- ßene Reflexions-Prozess den Projektverantwortlichen und Mitarbeitern hilft, die Qualität zukünftiger und noch laufender Projekte nachhaltig zu verbessern. Diese optimistische Aussage lässt sich nicht zuletzt auch deswegen treffen, weil die Projektmitarbeiter die Evaluation als Mitforschende erlebt und sich am Prozess der Evaluation beteiligt haben.

Die Sichtweise der Evaluatoren

Durch einen subjektorientierten Evaluations-Ansatz erfolgt die Bewertung letztlich von zwei gleichberechtigten und gleichgewichtigen Standpunkten aus bzw. aus der Sicht von zwei Subjekten: die Sichtweise der Evaluatoren, also die Sicht und Einschätzung der Projekte durch die Forschungsgruppe und der Standpunkt der Projektmitarbeiter selbst. Die Bewertung beinhaltet also nicht nur eine rein theoretische Einschätzung der Wissenschaftler, sondern auch die der beteiligten Praktiker. Diese gleichberechtigte Zweiteilung zwischen Evaluatoren-Sichtweise und Sichtweise der Betroffenen wird auch in der Bewertung der einzelnen Projekte durchgehalten: Beginnend mit der Beurteilung der Tübinger Forschungsgruppe folgt in einem zweiten Abschnitt die Einschätzung der Beteiligten.

Die summative Evaluation oder auch Bilanzevaluation kommt der Sichtweise der Evaluatoren sowie dem entwickelten Projektdesign am nächsten. Im Verständnis von Evaluation als wissenschaftliche Begleitung der Praxis, die sich mit Bewertungsfragen befasst (vgl. König, 2000), stellt die (summativ) zusammenfassende Bewertung der Ergebnisse von Ereignissen oder Maßnahmen in der folgenden Evaluation eine adäquate Form dar, um diese auch nach Projektende zu evaluieren. „Priorität einer solchen Evaluation ist das Abgleichen der Evaluationsergebnisse mit den konzeptionellen Zielen des untersuchten Programms“ (Heiner, 1996, S. 33). Aufgrund der Gegebenheiten, dass viele Projekte bereits beendet waren, konnte eine formative, also begleitende Evaluation nicht mehr durchgeführt werden. Diese Unterscheidung zwischen summativer und formativer Evaluation ist von grundlegender Bedeutung. Bei der summativen Evaluation will man Ergebnisse festhalten und diese Ergebnisse mit den Zielen des Programms abgleichen. Die Frage lautet: „Hat das Programm bewirkt, was es bewirken wollte?“ (vgl. Heiner, 1996). Adaptiert auf die durchgeführte Evaluation müsste die Frage präziser lauten: „In welcher Form können die Projekte hinsichtlich ihrer Konzeption das Ziel, die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund zu fördern, erreichen?“ Dieser Frage gingen die gewählte Vorgehensweise sowie das zusammengestellte Evaluations-Setting auf den Grund - sowohl aus der Perspektive der Projektmitarbeiter und Teilnehmer[18] als auch aus der an der Evaluation beteiligten Wissenschaftler und Studenten. Diese Wirkungsanalyse erfasst sämtliche Effekte bzw. Wirkungen der Projekte auf die Teilnehmer. Dabei werden neben den beabsichtigten Zielen auch die unbeabsichtigten Wirkungen oder Nebenwirkungen in die Analyse aufgenommen (vgl. Kromrey, 2001).

Wie bei einer Evaluation mit geringer Vorstrukturierung üblich, werden lediglich die Leitziele, Globalziele und grundlegenden Fragestellungen fixiert (s. a. Heiner, 1996). Der Fokus der wissenschaftlichen Untersuchung richtet sich auf die theoretische Reflexion und Bewertung der Projekt-Konzeptionen sowie auf die Interpretation der Ergebnisse der angeregten und dokumentierten Selbstevaluation. Ebenso gilt das Forschungsinteresse im Sinne einer Makroevaluation der Gesamtheit der Projekte und nicht nur ausgesuchten Teilaspekten (vgl. König, 2000). Trotz der im Evaluationsdesign immanenten Frage „Hat das Projekt bewirkt, was es bewirken wollte?“ wird eine Bewertung der Projekte im Sinne einer Outputevaluation nicht vorgenommen. Die Untersuchung der eingesetzten Mittel und Ressourcen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Menschen und die Umwelt ist aus wissenschaftlicher Sicht abzulehnen bzw. erfolgt nicht, da diese von wenig fruchtbarer Gestalt wäre. Gleiches gilt für eine rein vergleichende Evaluation. Die Projekte stehen in Folge von konzeptionellen Unterschieden (Adressaten, Maßnahmen, Ziele, etc.) einer rein vergleichenden Evaluation im Verständnis Königs entgegen.

2.3.2 Evaluationsdesign und –setting

Die durchgeführte Programmevaluation umfasste neun Integrationsprojekte. Die Evaluation wurde mit Unterstützung von Studierenden, die an einem Projektseminar teilnahmen, durchgeführt. Die von Tutoren angeleiteten Studierenden beteiligten sich dabei an der Entwicklung des Fragebogens und des Interviewleitfadens (s. Kap. 3.2.1), an der praktischen Durchführung sowie an der Auswertung der Daten. Ihre Anregungen und Ergebnisse fanden bei der Erstellung des Evaluationsberichtes auch eine angemessene Berücksichtigung.

Als Vorbereitung für die Untersuchung wurden die Integrationsprojekte kategorisiert (vgl. Kap. 2.2). Des Weiteren wurden Evaluationskriterien für Integrationsprojekte erarbeitet. In der ersten Untersuchungsphase wurden die Materialien, die es zu jedem Projekt gab, im Sinne einer Zielund Maßnahmenanalyse aufgearbeitet und mit der gesamten Forschungsgruppe diskutiert. Bei den Materialien handelte es sich um Projektanträge, Zwischen- und Abschlussberichte, Pressemitteilungen, Briefe und Begleitschreiben der Ausländerbeauftragten, Stellungnahmen (z. B. der Stadt), Presseberichte, Evaluationsberichte, die der Forschungsgruppe von der Landesstiftung zur Verfügung gestellt wurden. Auch eigene Recherchen im Internet gingen in die Analyse mit ein. Diese Unterlagen und Informationen wurden sorgfältig gesammelt und sehr genau analysiert. Parallel dazu nahmen die Theoriebildung und das Evaluationsdesign, gestützt auf Literatur und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, Form an. Anschließend wurde der Kontakt zu den Leitern der Integrationsprojekte aufgenommen und um Vertrauen geworben. Dabei konnte deutlich gemacht werden, dass die Forscher sich nicht als objektive Experten verstehen, sondern als an den subjektiven Meinungen und Erfahrungen der Praktiker Interessierte.

Es folgte der Besuch der Einrichtungen, von denen die Projekte durchgeführt wurden. Dabei wurden – soweit möglich – sowohl mit den Projektleitern als auch mit Projektmitarbeitern leitfadengestützte Interviews durchgeführt und mit Videooder Tonbandgeräten aufgezeichnet. Es konnten 28 Interviews mit insgesamt 32 Projektexperten geführt werden. Zusätzlich nahmen 52 Personen an der quantitativen, mit Hilfe eines Fragebogens durchgeführten Befragung teil.

Es wurden vier Gruppeninterviews mit insgesamt 14 Jugendlichen geführt, an der quantitativen Befragung nahmen 58 Jugendliche teil. Die durch die Mitarbeit der Studierenden gesammelten quantitativen und qualitativen Daten wurden nach geprüfter Validität für die Auswertung und Interpretation aufbereitet. Sie bilden neben den Projektanträgen und - berichten die Grundlage für die Ergebnisse der Evaluation. In der folgenden Auswertungsphase wurden die Hypothesen für die quantitative Befragung der Experten und Teilnehmer konkretisiert und überprüft. Des Weiteren wurde die qualitative Analyse pro Projekt und Projektkategorie vorgenommen. Die im Evaluationskonzept verankerte subjektund sozialwissenschaftliche Herangehensweise umfasste damit sowohl die Durchführung einer Befragung mit einem standardisierten Fragebogen als auch die Durchführung halbstandardisierter Experteninterviews. Der Methoden-Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden lieferte nicht nur die für die Programmevaluation notwendigen Daten und Informationen. Fragebogen und Interview initiierten bei den beteiligten Projektmitarbeitern auch den Prozess der Selbstreflexion. Die Kombination beider Methoden führte zu dem im Vorherigen beschriebenen, speziellen Evaluationsdesign bzw. zu dem in Abb. 1 dargestellten Ablaufschema.

Abb. 1 Ablaufschema der Evaluation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.3 Evaluationskriterien für Integrationsprojekte

Integration ist kein Zustand, sondern ein Prozess. Innerhalb eines Integrationsprojektes kann also nicht auf den Zustand der „gelungenen Integration“ eines Individuums hingearbeitet werden, sondern darauf, dass es innerhalb des Prozesses ermöglicht wird, gewisse „Stationen“ zu durchlaufen. In diesem Verständnis von Integration als Prozess ist Integration also nicht messbar. Für die Evaluation wird es daher als eine Aufgabe gesehen, zu analysieren, welche Stationen im Integrationsprozess durch die Projekte Unterstützung erfahren. Hierfür werden die bereits im Kapitel 1.1 dargestellten Dimensionen von Integration als Analyseinstrument herangezogen, da diese Dimensionierung in der wissenschaftlichen Literatur die derzeit gängigste ist. Integrationsprozesse von Zugewanderten und Einheimischen können in folgenden Dimensionen Unterstützung erfahren:

Diese vier Dimensionen können weiter in einzelne Kriterien ausdifferenziert werden. Diese beschreiben genauer, was unter der einzelnen Dimension zu verstehen ist. Im Folgenden werden die Kriterien für einen gelingenden Integrationsprozess herausgearbeitet. In einem weiteren Schritt werden diese Kriterien daraufhin untersucht, wie sie durch Integrationsprojekte unterstützt werden können. Dies liefert uns die Indikatoren, anhand derer die Integrationsprojekte analysiert werden können.

Dimensionen, Kriterien, Indikatoren

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Tabelle wird als Analyseinstrument folgendermaßen eingesetzt: Es wird untersucht, ob es in einem Projekt Hinweise (Indikatoren) dafür gibt, dass in einer der aufgeführten Dimensionen eine Entwicklung angestoßen wird. Wenn z. B. in einem Projekt die Arbeitssuche unterstützt wurde, dann ist das ein Hinweis darauf, dass an einem wichtigen Kriterium für strukturelle Integration gearbeitet wurde: der „Partizipation am Arbeitsmarkt“. Auf diese Weise sollen die Integrationsprojekte selbst daraufhin überprüft werden, in welcher der Dimensionen sie welches Kriterium von Integration fördern und wie (gut) dies jeweils geleistet wird. Für die Fragestellung der Arbeit sind diese Dimensionen insofern von Bedeutung, als dass sie als Kategorien beibehalten und genutzt werden und auf ihre Durchdringung hinsichtlich Bildung und Bildungsziele untersucht werden. Ebenso beziehen sich die formulierten Bildungsbegriffe und Bildungsziele sowie die in späteren Kapiteln erfolgende qualitative Auswertung und Zusammenfassung auf diese Kategorien.

3 Qualitative Verfahren – Erhebung, Analyse und Interpretation qualitativer Daten

Qualitative Untersuchungen sind bezüglich der Ergebnisse sehr viel offener, ihre große Stärke ist das Entdecken völlig neuer und auch unerwarteter Zusammenhänge und die Entwicklung neuer Theorien. Es können durch qualitative Untersuchungen aber genauso auch schon bekannte Zusammenhänge oder Theorien überprüft werden – dabei wird aber gleichzeitig auf eine Verfeinerung oder Erweiterung der Theorie geachtet. Der Ansatz der Theoriebildung, welcher der in der Arbeit angewandten Vorgehensweise nahe kommt, ist die Grounded Theory. Die Grounded Theory[19] ist keine Theorie, wie der Namen vielleicht vermuten lässt, sondern ein Forschungsstil und eine Strategie, um auf der Grundlage von empirischen, meist qualitativen Daten eine Theorie zu "entdecken". Man könnte hier also von einer Methodik zur Entwicklung von datenverankerten Hypothesen, Aussagen und Begründungen sprechen. Die Grounded Theory ist keine Einzelmethode, sondern ein wissenschaftstheoretisch in der Hermeneutik begründeter Forschungsstil. Gleichzeitig umfasst sie ein abgestimmtes Arsenal von Einzeltechniken, mit deren Hilfe aus Interviews, Feldbeobachtungen, Dokumenten und Statistiken schrittweise eine in Daten begründete ("grounded") Theorie entwickelt werden kann (vgl. Strübing, 2004). Ein der Grounded Theory innewohnendes und wichtiges Prinzip ist die Prozessorientierung. Sie ist eine Vorgehensweise, die unter Berücksichtigung des Prozesscharakters eines Forschungsvorhabens einfordert, dass sich Methoden, Fragestellungen, Hypothesen, Herangehensweisen, während des Fortganges der Forschung weiterentwickeln. Die während der Exploration gewonnenen Daten, Sichtweisen, Fragestellungen, etc. fließen somit in die aktuelle Forschungstätigkeit und lassen eine, dem Projekt und vor allem der Ergebnisgewinnung förderliche Modifizierung des Forschungsdesigns und der Theoriebildung zu. Dieser Anspruch wurde im Rahmen der Evaluation nicht gänzlich berücksichtigt, fand aber zumindest in Teilen Eingang in das Evaluationskonzept. Aus diesem Grund verstehen sich der angewandte Forschungsstil sowie die hier diskutierten Forschungsergebnisse und Vorgehensweisen nicht als Grounded Theory, sondern als ein Ansatz, der sich lediglich in der Nutzung der qualitativen Daten an die Grounded Theory annähert. Trotzdem lässt sich aufgrund der Vorgehensweise und anhand der Ergebnisse ein theoretischer Bezugsrahmen herauskristallisieren, der die Arbeit durchsetzt und die Aussagen grundlegend umrahmt. In dieser Konsequenz werden die interpretativ gewonnenen Aussagen und theoretischen Konstrukte in den qualitativen Daten verankert und auf diese Verankerung die Arbeit zu großen Teilen aufgebaut. Das Modell der schrittweisen Verallgemeinerung ist für die in der Diplomarbeit gewählte Vorgehensweise nicht geeignet, da es nicht um eine Überprüfung bzw. Bestätigung einer Theorie geht, sondern um eine Ableitung von Ansätzen und Begründungen aus den vorliegenden qualitativen Daten. Eine (qualitative) Verifizierung der aufgestellten Hypothesen wird nicht vorgenommen.

3.1 Qualitative Sozialforschung

Unter dem Begriff qualitative Verfahren versteht die Wissenschaft verschiedene Untersuchungspläne. Diese sind: Einzelfallanalyse, Dokumentenanalyse, Handlungsforschung, Feldforschung, das qualitative Experiment sowie die qualitative Evaluationsforschung. All diese Verfahren bauen auf ein gemeinsames Grundgerüst qualitativen Denkens auf. Das Grundgerüst stützt sich auf fünf Postulate (vgl. Mayring, 1999, S. 9–13), welche noch durch ein sechstes Postulat ergänzt werden:

1) Starke Subjektbezogenheit
2) Betonung der Deskription des Forschungssubjektes
3) Interpretation des Forschungssubjektes
4) Untersuchung der Subjekte in ihrer alltäglichen Umgebung
5) Generalisierung von Ergebnissen als Verallgemeinerungsprozess
6) Selbstreflexion des Forschers (ergänzend zu Mayring).

Alle vorangehend aufgeführten Postulate konstituieren ein Modell, bestehend aus 13 Säulen, welches später in Handlungsanweisungen bzw. Richtlinien qualitativen Denkens und Handelns[20] münden soll. Eine dieser ist die als Orientierung am Subjekt formulierte ganzheitliche Betrachtung des Subjektes. Die Ganzheit schließt hier die historische Betrachtung des Menschen in seiner Gewordenheit sowie die Berücksichtigung der subjektiven Probleme bzw. das Ansetzen der Forschung an diesen ein. Als weitere programmatische Regel impliziert die Betonung der Deskription des Gegenstandes die Einzellfallbezogenheit der Beschreibung, die Offenheit, mit welcher dem Subjekt entgegengetreten werden muss, und letztlich die genaue Kontrolle der dabei eingesetzten methodologischen Schritte (vgl. Mayring, 1999, S. 13). Ebenfalls als Richtlinie qualitativen Denkens und Handelns zu verstehen sind die im Postulat der Interpretation zusammengefassten Säulen Vorverständnis[21], Introspektion und Forschungs-Gegenstand-Interaktion . Mit der Interpretation wird eine vorurteilsfreie Forschung des Gegenstandes ausgeschlossen. Vielmehr soll diese akzeptierte Befangenheit bzw. Voreingestelltheit durch Explikation des Vorverständnisses in das Denken integriert werden. Damit ist die Zulassung der Introspektion (eigene, subjektive Erfahrungen der Wissenschaftler) als legitimes Erkenntnismittel, gleichsam festgelegt. Danach ist nach Mayring „Forschung immer als Prozess der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, als Forscher-Gegenstands-Interaktion aufzufassen“ (Mayring, 1999, S. 14; Hervorhebung P. M.).

Als letzter Bestandteil des von Mayring aufgestellten Modells ist das Postulat der schrittweisen Verallgemeinerung anzuführen. Dieses wird durch die Forderung nach argumentativer Verallgemeinerung, nach einem Verweis auf die Möglichkeit der Induktion und nach der Substitution des starren Gesetzesbegriffs durch den Regelbegriff differenziert und beschrieben. Zudem ist in diesem letzten Postulat der Anspruch an die qualitative Forschung, die Ergebnisse zu prüfen, ob und an welchen Stellen Quantifizierungen möglich und sinnvoll sind, enthalten (vgl. Mayring, 1999, S. 14).

Qualitative Sozial-Forschung dient also der Erkenntnisgewinnung über die psychische und soziale Konstruktion der Wirklichkeit der Menschen. Zwischen quantitativen und qualitativen Forschungsansätzen besteht kein grundsätzlicher Gegensatz, es handelt sich vielmehr um eine pragmatische Unterscheidung zweier methodischer Zugänge, die sich sinnvoll ergänzen. Im Gegensatz zur quantitativen Forschung wird in der qualitativen Forschung nicht oder nicht vorrangig mit numerischen Daten, sondern meist mit sprachlich vermittelten Daten gearbeitet. Neben den schon erwähnten Untersuchungsplänen verfügt qualitative Sozialforschung über eigene Erhebungs-, Bearbeitungsund Auswertungsmethoden. Mit dem Begriff Gegenstandsorientierung greift ein weiterer Grundgedanke der qualitativen Sozialforschung: Das Verfahren zur Datenerhebung, in diesem Fall das Interview, muss in seiner konkreten Gestaltung spezifisch auf den Gegenstand der Forschung bezogen sein. Eine reine Übernahme von vorgefertigten Forschungsinstrumenten, wie sie der quantitativen Sozialforschung teilweise angelastet wird, ist abzulehnen.

Die Grundformen qualitativer Erhebungsmethoden sind nach Lamnek die Einzelfallstudie, das qualitative Interview, die Gruppendiskussion, die Inhaltsanalyse, die teilnehmende Beobachtung, das qualitative Experiment sowie die biographische Methode (vgl. Lamnek, 1995). Zu ergänzen ist die Aufzählung Mayrings noch um die ethnografische Feldforschung sowie die Methoden der Analyse sprachlicher und bildhafter Dokumente. Letztere sind für die Arbeit ohne nennenswerte Bedeutung. In der Konzeption der Evaluation wurde aus dem Verfahrensspektrum qualitativer Erhebungsmethoden das Interview, speziell das Experteninterview, als methodische Vorgehensweise ausgewählt.

Zusammenfassend ist die qualitative Sozialforschung die einzige empirische Methode, welche das Subjekt zu Wort kommen lässt, den historischen, sozialen und strukturellen Kontext erforscht, umfassend beschreibt und erfasst, soziales Handeln, Alltagssituationen, Eigenschaften des Forschungsgegenstandes sowie individuelle Bedürfnisse und Einstellungen berücksichtigt und integrative, problemzentrierte, vergleichende, praktische und subjektorientierte Forschung zu lässt. Ebenso erlaubt sie methodologisch sowohl bei der Analyse der Daten als auch bei der anschließenden Auslegung bzw. Theoriebildung ein deduktives und induktives Vorgehen. Eben für diese Theoriebildung leisten qualitative Daten bzw. die Interpretation dieser einen wichtigen Beitrag. Aus diesem Grund stützen sich die in der Arbeit formulierten Thesen, Erklärungen und Schlüsse auf die Analyse und Interpretation der qualitativen Daten, auf die Auswertung der Interviews.

3.2 Qualitative Erhebungsmethode: Das Experteninterview

„Gegenstand des Experteninterviews sind Wissensbestände im Sinne von [Erfahrungen,] Erfahrungsregeln, die das Funktionieren von sozialen Systemen (von bürokratischen Organisationen bis zu Projektinitiativen) bestimmen“ (Meuser und Nagel, 1997, S. 489). Im Kontext der klassischen Methoden empirischer Sozialforschung gilt das Experteninterview - trotz weiter Verbreitung - als randständiges Verfahren (ebd.).[22] Mit Hilfe dieser strukturierten Interview-Form wird das Wissen der „Experten“ zur wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung bzw. zur Theoriegenerierung genutzt (u. a. Menz, 2005). Michael Meuser und Ulrike Nagel weisen nicht nur darauf hin, dass diese Interview-Form in der Literatur zur qualitativen Sozialforschung nur wenig Beachtung findet, sondern generieren die methodisch-methodologische Form des Theoriegenerierenden Experteninterviews[23] (vgl. Menz, 2005). Diese Form des Experteninterviews „… zielt im Wesentlichen auf die kommunikative Erschließung und analytische Rekonstruktion der „subjektiven Dimension“ des Expertenwissens“ (Menz, 2005, S. 38). Das Expertenwissen dient folglich als Ausgangspunkt der Theoriebildung, welche:

„Ausgehend von der Vergleichbarkeit der Expertenäußerungen, die methodisch im Leitfaden und empirisch durch die gemeinsame organisatorisch-institutionelle Anbindung der Experten gesichert ist, wird eine theoretisch gehaltvolle Konzeptualisierung von (implizi-ten) Wissensbeständen, Weltbildern [Definitionen, Orientierungen] und Routinen angestrebt, welche die Experten in ihrer Tätigkeit entwickeln und die konstitutiv sind für das Funktionieren von sozialen Systemen“ (Menz, 2005, S. 38).

Michael Meuser und Ulrike Nagel betonen zwar, dass die Literatur zum qualitativen Interview für das Experteninterview von großer Bedeutung ist, weisen aber auch darauf hin, dass das Experteninterview sich von anderen Interview-Formen unterscheidet (vgl. Meuser und Nagel, 1997). Die Frage, wer die Experten sind und warum die befragten Personen zu Experten erklärt wurden, kann in der vorliegenden Evaluations-Studie einfach gefasst werden: Als Experte kommen Personen in Betracht, die sich durch eine institutionalisierte „Kompetenz zur Konstruktion von Wirklichkeit“ (Meuser und Nagel, 1997, S. 484) auszeichnen. Im Rahmen der Evaluation der Integrationsprojekte waren dies Personen, die für ein Projekt verantwortlich waren bzw. die mit Aufgaben der Projektleitung, der Projektkoordination o. Ä. betraut waren. Diese repräsentieren die Akteure in der Wirklichkeit der evaluierten Integrationsprojekte bzw. sind also Repräsentanten einer getätigten Förderung der Integration. Die Auswahl und Befragung der Experten geschah nicht etwa, weil deren Wissen besonders systematisiert und reflektiert ist, sondern weil es in einem besonderen Maß praxiswirksam war (ist und sein wird). D. h., die Handlungsorientierungen, das Wissen und die Einschätzungen der Experten sind für die Handlungsbedingungen anderer Akteure in entscheidender Weise (mit-)strukturierend und weisen dadurch eine Dimension der sozialen Relevanz auf (S. ä. Menz, 2005). Die methodische Spezifität des Experteninterviews begründet sich nicht nach dem Forschungsgegenstand, sondern über das Interesse an einer spezifischen Wissenskonfiguration. Diese beschreibt Menz auf der kognitiven Ebene als „…Konglomerat subjektiver und inkonsistenter Sinnentwürfe und Erklärungsmuster und auf sozialer Ebene als Handlungsdeterminanten für andere“ (Menz, 2005, S. 67). Die Definition des Experten wird im Einverständnis mit Wolfgang Menz wie folgt definiert:

„Der Experte ist als eine Person zu begreifen, die vermittels des Besitzes bzw. der Zuschreibung besonderer Kompetenzen über einen sozialen Status verfügt bzw. eine Funktion ausübt, die ihn in den Stand setzt, ihre Handlungsorientierungen und Situationsdefinitionen [Begriffsdefinitionen sowie Vorstellungen] auch durchsetzungsfähig zu machen“ (Menz, 2005, S. 66).[24]

Dies trifft in besonderer Weise auf die Koordinatoren und Leiter der Projekte zu, weswegen diese zu den befragten Experten wurden. Die Erhebung der qualitativen Daten erfolgte – wie bereits dargelegt - über leitfadengestützte Experteninterviews. Die Methode des Experteninterviews bot sich letztlich deshalb für die Forschung an, weil ein Zugang zum „Betriebswissen“ (Meuser/Nagel, 1991, S. 446) der Expertinnen und Experten für die Integrationsprojekte geschaffen werden sollte. Im Unterschied zu anderen Interviewformen stehen bei Experteninterviews nicht die Interviewten als Gesamtpersonen im Mittelpunkt des Interesses, sondern der organisatorische oder institutionelle Zusammenhang, in den sie als Funktionsträger eingebunden sind (vgl. ebd., S. 442).

Im Vergleich zum narrativen Interview, bei welchem es sich um ein freies Gespräch zwischen Interviewer und Interviewten handelt, ist das Experteninterview strukturiert, richtiger gesagt halbstrukturiert. Das Gespräch ist hier nicht nur ein animiertes, freies Erzählen sondern eine durch einen Leitfaden angeregte Erzählung, welche durch diesen zwar strukturiert, aber nicht zwingend von dessen strikter Einhaltung abhängig ist. Vielmehr wird ein zuvor analysiertes Themenfeld – in unserem Fall die Förderung der Integration von Migranten - vom Interviewer in Form des Leitfadens in das Gespräch eingebracht. Der Leitfaden ist das Ergebnis der vor der eigentlichen Interviewphase gemachten Analyse des Forschungsgegenstandes, die unter Berücksichtigung der evaluatorischen Aufgabe durchgeführt wurde, bzw. ein Themenkomplex, der das Expertenwissen im Interview erschließen soll. Um den im Leitfaden erarbeiteten Themenkomplex zentriert sich dann der weitere Verlauf des Interviews. D. h., der Interviewer spricht das Thema an und „holt“ den Interviewten, falls dieser im Verlauf des Gespräches „zu weit abschweift“, immer wieder auf dieses zurück (vgl. Mayring, 1999, S. 50–54). Die Antworten des Befragten sind hierbei jedoch offen und unterliegen keiner Antwortvorgabe. Damit kann eine offene sowie flexible Interviewführung als Merkmal des Experteninterviews manifestiert werden. Die Offenheit wird im Wesentlichen durch eine Vertrauensbeziehung und eine Anerkennung der gegenseitigen Kompetenz zwischen Befrager und Interviewten konstituiert.[25] Gleichzeitig eröffnet sich dem Interviewten dadurch die Möglichkeit, sehr subjektive Perspektiven und Deutungen zu äußern und selbst Zusammenhänge und Gedanken während der Befragung zu entwickeln (vgl. Mayring, 1999, S. 50–54). Die Flexibilität verweist auf eine flexible Interviewführung, in der auch auf Störungen oder Ereignisse und Themen, die nicht im Leitfaden antizipiert werden können, flexibel eingegangen werden kann (vgl. Meuser und Nagel, 1997).

Meuser, Nagel et al empfehlen insgesamt eine unbürokratische Handhabung des Leitfadens im Sinne eines Themenkomplexes denn eines standardisierten Ablaufschemas. Schließlich gilt es, das Wissen und die Erfahrungen der Experten umfassend zu erschließen und eine mögliche, unerwartete Themen-Dimensionierung seitens dieser nicht zu verhindern, sondern sie gegebenenfalls im Interview zu aktivieren. Die in den Interviews erschlossenen Wissensbestände schaffen so Anschlussmöglichkeiten für Beschreibungen der sozialen Wirklichkeit, für evaluatorische Wertungen, für event. Problemstellungen und vor allem (für diese Arbeit von hoher Relevanz) Anschlussmöglichkeiten für Generalisierungen. Um möglichst viele Informationen über die Integrationsprojekte zu sammeln, wurde für die Evaluation ein Methoden-Mix aus qualitativen und quantitativen Methoden gewählt. Durch die qualitative Vorgehensweise sollte der Gehalt der Informationen, also die Möglichkeiten zu vertiefender Nachfrage und dem Erlangen von Detailwissen, sichergestellt werden. Dieses Tiefenwissen sollte einerseits aber auch quantifiziert werden können und andererseits durch die Erfahrungen und Meinungen derjenigen Mitarbeiter ergänzt werden, die aus organisatorischen Gründen nicht interviewt werden konnten. Aus diesen Gründen wurde außerdem eine quantitative Befragung vorgenommen. In dieser konnten Wissen und Erfahrung von annähernd doppelt so vielen Projektmitarbeitern erhoben werden als in der qualitativen Befragung.

3.2.1 Der Leitfaden für das Experteninterview im Rahmen der Evaluation

Zunächst wurden fünf übergeordnete Themenblöcke für die Experteninterviews festgelegt. In einem weiteren Schritt wurden für diese Themenkomplexe Schlüsselfragen formuliert, auf die offen geantwortet werden sollte. Es war beabsichtigt, diese Fragen so zu formulieren, dass die Befragten möglichst von sich aus auch auf uns interessierende Details zu sprechen kommen. Für den Fall, dass sie dies nicht täten, wurden die Fragen durch Detail- und Bewertungsfragen ergänzt. Diese sollten von den Interviewern je nach Verlauf des Interviews gestellt werden. Der Aspekt der „Bewertung“ spielt natürlich für eine Evaluation eine große Rolle, deshalb dürfen die Detailund Bewertungsfragen keineswegs als weniger relevant erachtet werden als die Schlüsselfragen. Im Folgenden werden die Themenkomplexe aufgeführt, jeweils versehen mit einer kurzen Zusammenfassung der relevanten Fragestellungen:

Einrichtung und Integrationsprojekt(e)

Hier interessierte uns die Konzeption der gesamten Einrichtung/des Vereins, ob es z.B. weitere Integrationsangebote gibt, in welchem Zusammenhang das Integrationsprojekt entstanden war und welche Angebote genau es enthielt.

Konzeption

In diesem Themenschwerpunkt wurde danach gefragt, was an dem Projekt wichtig war/ist, ob es zur Verständigung zwischen Deutschen und Migranten beitragen könne, wie genau es die Integration förderte und was von den Experten eigentlich unter „Integration“ verstanden wird.

Ziele

Hier wurde vor allem danach gefragt, welche Ziele angestrebt waren, ob und warum sie evtl. im Laufe des Projekts verändert wurden. Auch die genaue Definition der Zielgruppe und ob diese erreicht werden konnte, war hier für uns von Interesse.

Umsetzung

In diesem Punkt ging es um die genauen Aktivitäten und Maßnahmen des Projekts, ob diese wie geplant durchgeführt werden konnten und welche Schwierigkeiten es dabei gab. Auch nach dem Beitrag und dem Erfolg der einzelnen Maßnahmen zur Integration und nach der Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt wurde gefragt.

Gesamtbewertung

Ein besonderes wichtiges Thema stellt die „Gesamtbewertung“ dar. Sie beinhaltete die Fragen danach, was man bei nochmaliger Durchführung des Projekts anders machen würde, worin genau der Erfolg des Projekts lag, ob es Spannungen unter den Beteiligten gab und wie die personelle Ausstattung des Projekts beurteilt wird.

Allgemein lässt sich zur Auswahl der Fragen an die Expertinnen und Experten sagen, dass durch sie zum einen das Vorwissen, welches die Evaluatoren durch das Studium der Projektmaterialien hatten, um wichtig erscheinende Aspekte ergänzt und zum anderen mit den jeweiligen Bewertungen aus Expertensicht versehen werden sollte. Die im vorigen Kapitel erläuterten Überlegungen zu den Integrationsdimensionen flossen hier insofern ein, als dass es darauf ankam, dass die Experten die Maßnahmen einzeln genau beschreiben und ihre Relevanz für Integration erörtern sollten. Die Evaluationskriterien und Integrationsdimensionen werden hier vor allem für die Analyse relevant.[26]

[...]


[1] Innerhalb dieser Arbeit wird im Allgemeinen auf die Nennung der weiblichen Form verzichtet. Wenn nicht explizit hervorgehoben, sind mit der männlichen Attributierung immer auch weibliche Personen gemeint und eingeschlossen. Dies ist nicht als Diskriminierung zu verstehen, sondern verfolgt den Zweck einer besseren Lesbarkeit der Arbeit bzw. eine textliche Vereinfachung dieser.

[2] Integrationsprojekte konzentrieren sich meist auf das individuelle Handeln von Einwanderern und auf die Frage, wie die Integration von Migranten durch spezielle Maßnahmen gefördert werden kann, welche subjektiven Voraussetzungen Migranten haben oder erwerben sollten. (vgl. Held, 2006)

[3] Der Begriff „Gesellschaft“ wird im späteren Verlauf der Arbeit noch präzisiert, jedoch nicht ausführlich behandelt.

[4] Der Begriff der „Aufnahmegesellschaft“ steht für den noch zu präzisierenden sozialen Ort von Integration.

[5] Hans-Uwe Otto schlägt den Begriff der Migrantengesellschaft vor (vgl. Otto, 2006). Er begründet dies damit, dass Deutschland im Vergleich zu allen klassischen und neuen Zuwanderungsländern die höchste Fluktuation in der Bevölkerung (Zuwanderung/ Abwanderung) zu verzeichnen hat (ebd.).

[6] Ohne auf die umfassende Diskussion zum Kulturbegriff hier eingehen zu können, kann festgestellt werden, dass einer solchen Perspektive vielfach ein allzu statisch und widerspruchsfrei gefasstes Kulturverständnis zugrunde liegt (vgl. Scherr, 2005). Kultur wird hier als etwas Dynamisches verstanden, das zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft gleichberechtigt ausgehandelt wird.

[7] Derartige Denkmuster führen in einer Welt, die wesentlich von ‚Übergängen, Fusionen, Auflösungen und Neuschöpfungen’ gekennzeichnet ist, zu Aporien und falschen politischen Entscheidungen: „Eine kulturwissenschaftliche Hinwendung zum Phänomen Migration kommt nicht umhin, sich über die Macht solcher Denkmuster klar zu werden und die ‚symbolische Politik’ der Migrationsdiskurse wahrzunehmen“ (Bräunlein/Lauser 1997: II).

[8] Die Begriffe strukturelle Integration und individuelle Integration schlagen sich noch einmal in den in Kapitel 5 entwickelten Bildungsbegriffen und Bildungszielen nieder. So können die in diesem Kapitel vorgenommenen Definitionen von Bildung ebenfalls unter gesellschaftlichen und individuellen Aspekten betrachtet werden.

[9] Den Prozess der sozialen Eingliederung müssen nicht nur gesellschaftlich Außenstehende, sondern auch Heranwachsende als nachkommende Generation durchlaufen (vgl. Riegel, 2004).

[10] Auch die neugefasste Verordnung über die Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler (Integrationsverordnung – intV) sowie die darin verankerten Inhalte gehen meiner Meinung nach in die falsche Richtung. Die politisch verordnete Reduzierung der Integration auf den Erwerb der deutschen Sprache (ausreichende Deutschkenntnisse) und das einseitige Vermitteln der „deutschen Inhalte“ (Rechtsordnung, Deutsche Geschichte, Werte des demokratischen Staatswesens etc.) ist nach meinem Dafürhalten ebenso ein Hinweis auf die von mir bereits angemerkte Einseitigkeit des Integrationsverständnisses bzw. ein Merkmal einer statischen Sichtweise der Aufnahmegesellschaft, die sich an einem nationalen Kulturbegriff orientiert.

[11] Émile Durkheim stellte die Auswirkungen der sich anbahnenden Industriegesellschaft in den Blickpunkt seiner Forschungsarbeit. Der Schlüsselbegriff seiner Analysen war das Konzept der Anomie. Den Auslöser für eine Gefährdung der gesellschaftlichen Integration waren seiner Ansicht nach tiefe Veränderungen in der sozialen Struktur innerhalb sehr kurzer Zeit.

[12] Dass die Integration auch unter den Bedingungen einer polykontextuellen Gesellschaft gelingen kann, jedoch durch Fremdheitskonstruktionen bzw. durch eine Ethnisierung auch misslingen kann, wird von Bukow und Llaryora in ihrem Buch „Mitbürger aus der Fremde“ diskutiert (Bukow, W. D./Llaryora, R.,1998: Mitbürger aus der Fremde: Soziogenese ethnischer Minoritäten. 3., aktualisierte Aufl. Opladen : Westdeutscher Verlag.)

[13] Es ist noch anzumerken, dass der Schwerpunkt der folgenden Dimensionen von Integration auf der Seite der individuellen Integration liegt.

[14] Eine detaillierte Aufschlüsselung der in Baden-Württemberg getätigten Integrations-Förderung ist dem Evaluationsbericht, der als Ergebnis der Evaluation vorliegt, zu entnehmen.

[15] Der Begriff „Arbeitsemigrant“ hat den Begriff des „Gastarbeiters“ abgelöst. Dieser stand über Jahrzehnte in der Kritik, weil er suggerierte, dass ausländische Arbeiter nach Erfüllung ihrer Aufgabe in ihr Heimatland zurückgingen und dadurch kein Teil dieser Gesellschaft – sondern eben nur „Gäste“ – seien. Die mit dem Begriff verbundene „Gastarbeiter“-Politik wird von vielen als „blockierte Integration“ (Oberndörfer 2005: 111) empfunden, da man sich so über ggf. notwendige Integrationsförderung keinerlei Gedanken machen musste.

[16] Die Projektbeschreibung und die Kategorisierung entstammen dem Evaluationsbericht, der von der Projektgruppe um Josef Held erstellt wurde und der Landesstiftung Baden-Württemberg im März 2006 vorlag.

[17] Für das Projekt Quist in Mannheim wurde auch eine Befragung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchgeführt.

[18] Eine Befragung der Teilnehmer ließ sich nur in den drei QUIST-Projekten verwirklichen, da z. T. die Teilnehmerdaten in den Projekten nicht erfasst wurden bzw. für die Evaluation nicht zur Verfügung standen.

[19] Die Methodik der Grounded Theory wurde von den amerikanischen Soziologen Barney Glaser und Anselm Strauss Anfang der 60-er Jahre des vorigen Jahrhunderts im Rahmen medizinsoziologischer Untersuchungen zum Sterben entwickelt (Glaser & Strauss: The Discovery of Grounded Theory 1965). Anselm Strauss entstammte der Chicagoer Schule der soziologischen Feldforschung, er stand in der Tradition des Pragmatismus und des symbolischen Interaktionismus.

[20] Auf die genaue Definition der verwendeten Begriffe, wie z. B. Offenheit, Introspektion etc., wird nicht präziser eingegangen. Genauer bei Mayring, 1999, S. 14–26.

[21] Der Begriff „Vorverständnis“ kann hier, aufgrund der vorhandenen Einflüsse, z. B. durch W. Dilthey, auf die qualitative Sozialforschung durchaus im hermeneutischen Sinn verstanden.

[22] Wolfgang Menz u. a. weisen daraufhin, dass das Experteninterview methodisch wenig reflektiert ist. Auf eine ausführliche theoretische Fundierung wird hier verzichtet. Dies gilt auch für die Diskussion um die Anerkennung des Experteninterviews als eigenständige Erhebungsmethode.

[23] Menz typologisiert drei Formen des Experteninterviews: Das explorative (Zugang zum Feld durch Experten) Wissensbeständen, Weltbildern [Definitionen, Orientierungen] und Routinen angestrebt, welche die Experten in ihrer Tätigkeit entwickeln und die konstitutiv sind für das Funktionieren von sozialen Systemen“ (S.Menz, 2005).

[24] Auf eine Vertiefung der wissens-soziologischen Diskussion des Expertenbegriffes wird an dieser Stelle verzichtet und auf die Ausführungen von Meuser, Nagel, Menz et al verwiesen.

[25] Die gegenseitige Anerkennung der Kompetenz sowie der Aufbau von Vertrauen während der Interviews gestalteten sich nicht immer ganz einfach. Die Interviewer wurden aufgrund der evaluatorischen Aufgabe teilweise als überlegen oder aufgrund ihres Studentenstatus als Laie angesehen. Beides kann nach Meinung Wolfgang Menz zu einer asymmetrischen Interaktion zwischen Interviewer und Befragten führen.

[26] Die ausführliche Würdigung und Beurteilung der Projekte findet sich im Evaluationsbericht. Eine qualitative und quantitative Befragung der Experten sowie der Teilnehmer des Projektes „Quist“ wurde im Rahmen der Evaluation durchgeführt, wird in dieser Diplomarbeit jedoch nicht aufgegriffen. Carolin Schork hat dies in ihrer Magisterarbeit bereits ausführlich getan.

Ende der Leseprobe aus 239 Seiten

Details

Titel
Integration durch Bildung? Integrationsprojekte der Sozialpädagogik
Untertitel
Eine qualitative Auswertung von zehn Integrations-Projekten, gefördert durch die Landesstiftung Baden-Württemberg
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
239
Katalognummer
V123307
ISBN (eBook)
9783640289646
Dateigröße
2642 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Integration, Migranten, Sozialpädagogik, Bildung, Bildungsbegriff, Diplomarbeit, Migration, Integrationsprojekte
Arbeit zitieren
Dipl.-Päd. Florian Dirr (Autor:in), 2007, Integration durch Bildung? Integrationsprojekte der Sozialpädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123307

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