Die verfassungsgeschichtliche Entwicklung Pakistans von der Unabhängigkeit 1947 bis zur Militärdiktatur 1958


Hausarbeit, 2007

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historischer Rückblick: Die Kolonialzeit

3 Die konstitutionelle und gesellschaftliche Entwicklung nach der Unabhängigkeit 1947-1958
3.1 Der Government of India Act 1935 und seine Bedeutung alsInterimsverfassung 1947 - 1956
3.2 Die Verfassung von 1956 und ihr Scheitern: Autoritarismus, Militarismus und antikommunistische Außenorientierung

4 Fazit: War der Weg in die Militärdiktatur vorherbestimmt

Literaturverzeichnis

Die verfassungsgeschichtliche Entwicklung Pakistans

von der Unabhängigkeit 1947 bis zur Militärdiktatur 1958

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den ersten Jahren Pakistans nach Erlangung der Unabhängigkeit. Der Schwerpunkt liegt auf der Frage nach den Faktoren, die der Konsolidierung dieser jungen Demokratie entgegen standen und, ob diese autoritäre Strukturen forcierten. Um ein Verständnis für die historische Voraussetzung zur Staatsgründung am 14.08.1947 zu entwickeln ist ein Blick in die koloniale Vergangenheit Britisch-Indiens unvermeidlich. Dieses leistet Kapitel 2, das chronologisch den politischen Kampf um Unabhängigkeit und dessen transformative Wirkung auf die Verfassungsgebung der Kolonialmacht nachzeichnet, sowie einige wichtige soziale Aspekte in den Vordergrund stellt. Dabei ist die Themenauswahl auf die vorliegende Arbeit zugeschnitten und daher selektiv. Eine vollständige Übersicht bieten die angebenden Quellen. Kapitel 3 verfolgt die ersten Jahre nach der Unabhängigkeit in zwei Teilen. Zunächst erfolgt eine wiederum chronologische Darstellung der Ereignisse bis zur Etablierung der ersten eigenen Verfassung 1956, die kurz besprochen und zusätzlich auf den britischen Verfassungsimport der Kolonialzeit untersucht wird.[1] Der zweite Teil untersucht ihre Aufhebung; dazu wird die chronologische Abfolge zu Gunsten einer thematischen Gliederung aufgegeben. Einige Gesichtspunkte aus Kapitel 2 finden hier eine weitere Vertiefung. Kapitel 4 rekapituliert die Ergebnisse und bietet eine abschließende Analyse hinsichtlich der Frage, ob der Übergang in eine Militärdiktatur unausweichlich war.

2 Historischer Rückblick: Die Kolonialzeit

Mit der Absetzung des letzten Moguls, Bahadur Shah Zafar, 1857 hatte das britische Imperium das letzte Symbol des alten Herrschaftsgefüges ausgeschaltet. Der Sepoy-Aufstand größtenteils muslimischer Soldaten im gleichen Jahr diente der Krone als Anlass direkte Kontrolle über das Gebiet zu nehmen und die Ostindische Handelskompanie zu verdrängen, obgleich diese die Kolonisierung des Subkontinents geleistet hatte. Darauf folgte der Government of India Act 1858.[3] Damit erhielt die indische Bevölkerung ein erstes Dokument mit Verfassungscharakter, da es einen Grundrechtskatalog, sowie Zuständigkeitsregelungen beinhaltete, was den autoritär und zentralistisch geführten Mogulreichen fremd war.[4] Außerdem beschloss das britische Parlament das Amt eines Indien-Ministers einzurichten, der die Finanzhoheit über Britisch-Indien inne hatte. Während der Government of India Act 1858 das britische Parlament als Gesetzgeber für den indischen Subkontinent einsetzte, diente der Indian Council Act 1861 zur Reglung der Verwaltung. Diese oblag dem Generalgouverneur und seinem Rat; die einheimische Bevölkerung wurde auf unterer Ebene in die Administration einbezogen. Der Generalgouverneur konnte allerdings Verordnungen mit Gesetzescharakter erlassen und die Provinzen neu ordnen, um die angestrebte Dezentralisierung nach dem Motto divide and rule zu verwirklichen. Auf Zentral- und Provinzebene wurden lokale Parlamente gestattet, die aber kaum politischen Einfluss ausübten.[2]

Ab 1877 trugen die britischen Monarchen den Titel Kaiser von Indien. Später wurde das Amt eines Vizekönigs eingerichtet. Der Indian Council Act 1892 verschaffte der indogenen Bevölkerung den Zugang zu den Zentral- und Provinzräten. Diese Partizipationsgelegenheit nutzte hauptsächlich der hinduistische Bevölkerungsteil, zumal die Kolonialmacht nach dem Armeeaufstand von 1857 misstrauisch gegenüber den Muslimen blieb. Außerdem fühlten sich viele Muslime um ihre einstige Herrschaft beraubt und verweigerten die Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht. Der auf Initiative des britischen Beamten Allan Octavian Hume 1885 gegründete Indian National Congress (Kongress), dem ursprünglich administrative Aufgaben zugedacht waren, wandelte sich zum ausschlaggebenden politischen Akteur der indischen Bevölkerung.[5] Aus administrativen Gründen beschloss der amtierende Generalgouverneur 1905 die Provinz Bengalen aufzugliedern. Streitigkeiten über diesen Verwaltungsakt führten zur Gründung der All India Muslim League (Liga) in Dhaka 1906.[6]

Agitation von Kongress und Liga veranlassten den Vizekönig Lord Minto und Indien-Minister Lord Morley im britischen Parlament eine Gesetzesinitiative einzubringen, die als Indian Council Act 1909 beschlossen wurde. Dieser hatte zur Folge, dass die Kompetenzen des legislativen Rats und der lokalen Parlamente weiter ausgebaut wurden.[7] Die Liga setzte eine separate Wahlliste durch, um nicht der größeren hinduistischen Wählerschaft zu unterliegen. Die Wahlen fanden indirekt und unter Anwendung eines hohen Zensus statt, der sich nach Bildung und Besitz richtete. Die Wiedervereinigung der bengalischen Provinzen 1911 führte zu offenen Gewalttätigkeiten zwischen Hindus und Muslimen und gilt als Auslöser für muslimische Separationsbestrebungen.

Als das Osmanische Reich, das in den 1. Weltkrieg auf Seiten der Mittelmächte eingetreten war, nach der Niederlage geteilt wurde, verstärkte dies die Missgunst vieler Muslime gegenüber der Kolonialmacht, da sie sich auf Grund des Umma-Prinzips mit der osmanischen Bevölkerung solidarisch verpflichtet fühlten. Im Jahr 1916 kam es zum so genannten Lucknow-Pakt, in dem Kongress und Liga gemeinsam für die Unterstützung im 1. Weltkrieg von den Kolonialherren legislative Autonomie nach Kriegsende verlangten.[8] Der Government of India Act 1919 brachte einige Verbesserungen. Hervorzuheben ist die Einrichtung eines Zwei-Kammern-Systems nach britischem Verfassungsvorbild, das sich partiell aus demokratischen Wahlen konstituierte. Zum einen die zentrale Legislaturversammlung und zum anderen der Staatsrat. Im Unterschied zum britischen Verfassungssystem war auch der Staatsrat (das Oberhaus) wählbar. Allerdings blieb es bei dem indirekten Wahlrecht und dem hohen Zensus. Der Generalgouverneur behielt seine herausragende Stellung und bestimmte einen Großteil der Parlamentarier willkürlich. In den Provinzen kam es zu einer Art Doppelherrschaft, da die Regierungen, wie die Regierung in Großbritannien dem Parlament, sowie dem Staatsoberhaupt verantwortlich waren. Der Kongress, unter der Führung Nehrus und Ghandis, versuchte durch zivilen Ungehorsam und passiven Widerstand seine Forderung nach dem Dominionstatus durchzusetzen. Die Liga, geführt von Jinnah veröffentlichte 1929 Jinnahs 14 Punkte Plan, der eine ausdrücklich föderale Struktur und getrennte Sitzverteilung vorsah.[9] Wegen interner Streitigkeiten innerhalb der Liga, die eine Aufsplitterung der Partei forcierten, zog sich Jinnah 1931 aus der Politik zurück. Auf energischen Druck, vor allem durch Ghandis Protestbewegung, beauftragte das britische Parlament 1933 Lord Linlithgow eine Kolonialverfassung für Britisch-Indien auszuarbeiten. Im August 1935 ratifizierte das britische Parlament den Government of India Act 1935 (Act 35). Diese Kolonialverfassung beinhaltete 321 Paragraphen und 2 Ablaufpläne. Folgende Charakteristika spiegelten sich in diesem Dokument:

- Die Kolonie wurde in 11 Provinzen neu gegliedert und erhielt eine föderale Struktur, wobei sich die Provinzverfassungen aus dem Act 35 ableiteten.
- Die Provinzparlamente bildeten sich nun nach freien Wahlen, mit separaten Sitzen und Wahllisten für Hindus, Muslime, Sikhs und Minderheiten. Die Parlamente wählten dann ihre Regierungen, die wiederum Abgeordnete für das föderale Parlament wählten.
- Das bikammerale System nach britischem Verfassungsvorbild blieb auf föderaler Ebene bestehen.[10] Die Ernennung der Exekutiven oblag weiterhin dem Generalgouverneur, der das Staatsoberhaupt, den britischen Monarchen auch auf administrativer Ebene vertrat. Eine Legislaturperiode betrug fünf Jahre.
- Neue Institutionen, wie der Federal Court, der über Organstreitigkeiten nach dem Prinzip ausschließlicher und konkurrierender Gesetzgebung befand oder die Reserve Bank of India wurden etabliert.
- Das gewaltige Heer unterstand weiterhin dem Indien-Minister im britischen Parlament.

Kongress und Liga bemängelten, dass die Bildung der föderalen Regierung dem Generalgouverneur oblag und das undemokratischen Zustandekommen des föderalen Parlaments. Weiterhin verfügte das britische Parlament über jegliche Verfassungsgebung; ein Verfassungsgericht ist im britischen Verfassungsgefüge nicht vorhanden. Stärkste Kritik ging an den Umstand, dass die Vertreter der Fürstenstaaten, unter britischer Manipulation, nicht gewählt, sondern von den Staaten ernannt wurden. Darüber hinaus übten sie Protest am Steuerrecht, dass nur zum Teil in der Hand der Parlamente lag. Über den Löwenanteil des Etats verfügte der Indien-Minister auf Grund der Heereskontrolle.

Jinnah trat 1936 auf Bitten der Ligaführung wieder an die Spitze der Partei. Er konnte die Zerrissenheit aber trotz seiner hohen Reputation nicht zu den ersten Provinzwahlen 1937 beseitigen, deren Ergebnis ein Desaster für die Liga darstellte. Der Kongress trat geschlossen auf und erlangte die Mehrheit in neun Provinzen.[11] Wegen dieser Konstellation konnte der Kongress eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Kolonialmacht durchsetzen. Dabei verstand sich der Kongress als alleinige Interessenvertretung der Bevölkerung.[12] Repressionen veranlassten die Liga zur Lahore Resolution 1940, die nun ausdrücklich die Teilung der Kolonie in einen Teil für Hindus und einen Teil für Muslime forderte. Der muslimische Flügel sollte sich Pakistan, zu Deutsch Land der Reinen nennen.[13] Eine überraschende Wende brachte der Ausbruch des 2. Weltkriegs als Großbritannien, ohne Konsultation des indischen Parlaments, Nazi-Deutschland den Krieg erklärte. Die meisten Kongressregierungen traten zurück oder wurden auf Grund einer neuen Welle zivilen Ungehorsams vom Generalgouverneur entlassen. In einigen Provinzen bestellte nun die Liga die Regierungen, die eine bedingte Zusammenarbeit boten. In den meisten Fällen aber setzte der Generalgouverneur britisch geführte Notstandsregierungen ein. In den folgenden Jahren initiierte das britische Parlament mehrere Delegationen, um die Einheit und Führung des Subkontinents zu wahren, wie die Cripps’ Mission oder den Wavell’s Plan; doch der Ruf nach Unabhängigkeit hielt an. Der Machtwechsel zu Gunsten der Labour-Partei im britischen Parlament nach Ende des Krieges brachte eine Entspannung zwischen Briten und Kongress. In den Provinzwahlen 1945-46 konnte sich die Liga fast alle für Muslime reservierten Sitze sichern und verstand sich als alleiniges Sprachrohr der Muslime.

Der Cabinet Mission Plan 1946 sollte der Bevölkerung die Möglichkeit bieten, unter britischer Aufsicht eine eigene Verfassung auszuarbeiten. Dazu wurde ein Interimsparlament gebildet. Ferner sah dieser Plan vor die Union Britisch-Indiens zu wahren und die Kolonie; unter Berücksichtigung der Religionszugehörigkeiten in 3 Zonen aufzuteilen. Der Kongress lehnte dieses Vorhaben ab. Die Liga sah sich durch ihre schwache Position im Interimsparlament betrogen und rief zum Direct Action Plan auf, dessen Tenor die Errichtung Pakistans war. Im August 1946 kam es während einer Liga-Kundgebung in Kalkutta zu Kämpfen zwischen Hindus und Muslimen mit mehreren tausend Toten. Auf Grundlage des Cabinet Mission Plans wurde im Juli 1946 durch die Provinzparlamente eine verfassungsgebende Versammlung gewählt. Von den 296 Sitzen erlangte der Kongress 212 und die Liga 73, doch diese verweigerte ihre Teilnahme. Daraufhin entwickelte der Kongress eine Grundsatzerklärung im Alleingang und beschloss diese im Januar 1947. Die Liga protestierte im britischen Parlament gegen dieses Vorgehen. Unter diesen Umständen proklamierte der britische Premierminister Attlee im Februar 1947, dass er Britisch-Indien bis spätestens Juni 1948 den Dominion-Status zugestehen werde. Im März 1947 beauftragte er Vizekönig Lord Mountbatten mit der Umsetzung. Der Vizekönig arbeitete eng mit dem Kongress zusammen und hatte eine persönliche Abneigung gegen Jinnah. Am 3. Juni 1947 verkündete Lord Mountbatten schließlich seinen Plan Britisch-Indien in zwei Dominions aufzuspalten. Jeder Teil sollte im Anschluss seine eigene Konstitution ausarbeiten. Der östliche Teil Pakistans, das heutige Bangladesch, lag 1500 km von Westpakistan entfernt. Der Independence Act 1947 trat am 14.08.1947 in Kraft.

[...]


[1] Im Folgenden wird der Begriff britische Verfassung verwendet, auch wenn der Verfassungscharakter dieses Legal Frameworks umstritten ist. Zur aktuellen Diskussion: http://www.verfassungen.de/

[2] Zur Erstellung von Kapitel 2 fanden Verwendung: Khan, Hamid: Constitutional and Political History of Pakistan. New York u.a., 2001, S. 3-212 / Talbot, Ian: Pakistan. A Modern History, London, 1988, S. 21-46 u. 91-169.

[3] Einige indische Fürstenstaaten wie Kaschmir oder Hyderahbad behielten ihre Souveränität, erkannten aber den britischen Monarchen als Staatsoberhaupt an. Darüber hinaus stand die Erbfolge unter Einfluss der Krone.

[4] Unter britischer Gerichtsbarkeit stand das Gebiet bereits seit dem Government of India Act 1800.

[5] Der Kongress bestand größten Teils aus Hindus und Parsen, Sikhs und Muslime waren weniger vertreten.

[6] Diese Amtshandlung wurde von den dort lebenden Hindus abgelehnt, weil sie eine Erstarkung der Muslime in den Teilprovinzen befürchteten.

[7] Diese Kompetenzen beinhalteten ein begrenztes Finanzrecht.

[8] 1 302 000 Inder wurden zu Militär- oder Arbeitsdiensten verpflichtet.

[9] Mindestens ein Drittel der Parlamente sollte nach separaten Wahlen den Muslimen zur Verfügung stehen.

[10] Der Staatsrat konstituierte sich aus 156 Abgeordneten der Provinzen und 104 der Fürstenstaaten. Das föderale

Parlament setzte sich aus 250 Mitgliedern zusammen, die je zur Hälfte die Provinzparlamente und die

Fürstenstaaten entsandten.

[11] Im Punjab war die mit muslimischer Dominanz geführte Unionspartei und in Bengalen die aus Muslimen und Kastengruppen zusammengefügte Krishak Proja Party erfolgreich.

[12] Beispielsweise wurde die Kongressfahne auf Parlamentsgebäuden gehisst.

[13] Dieser Name wurde 1933 von dem Schriftsteller und Politiker Chaudri Rahmat Ali entwickelt.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die verfassungsgeschichtliche Entwicklung Pakistans von der Unabhängigkeit 1947 bis zur Militärdiktatur 1958
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V123265
ISBN (eBook)
9783640280339
ISBN (Buch)
9783640283798
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Pakistans, Unabhängigkeit, Militärdiktatur
Arbeit zitieren
Guido Schmidt (Autor:in), 2007, Die verfassungsgeschichtliche Entwicklung Pakistans von der Unabhängigkeit 1947 bis zur Militärdiktatur 1958, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123265

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