Der Konflikt um Transnistrien

Ein Pseudo-Staat am Rande Europas


Hausarbeit, 2009

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Was macht einen Staat zum Staat?

3 Transnistrien – Ein Staat der keiner ist

4 Ursachen und Verlauf des Konflikts

5 Die Konfliktparteien
5.1 Moldawien und Transnistrien
5.2 Russland
5.3 Die Europäische Union
5.4 Die OSZE
5.5 Konfliktlösungspotentiale

6 Zusammenfassung

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Was macht einen Staat zum Staat? Reicht es, wenn sich die betroffene Bevölkerung eines Gebietes als eigenständig betrachtet und den Wunsch nach Unabhängigkeit äußert? Oder wenn sich eine Regierung einer Provinz, eines Bundesstaates oder einer Region für unabhängig erklärt? Muss dieses Gebilde von seinen Nachbarn oder gar von allen Staaten anerkannt werden? Ist es vielleicht ein Sitz in den Vereinten Nationen, der die reale Unabhängigkeit und Souveränität eines Staates markiert?

Im Juni 2004 hatte die UNO 191 Mitglieder (Woyke S. 534), seit 2006 gehört auch Montenegro zu diesem erlauchten Kreis. Da die meisten Staaten tatsächlich kurz nach der internationalen Anerkennung ihrer Unabhängigkeit einen UN-Sitz bekommen, so zum Beispiel fast alle ehemaligen Sowjetrepubliken, die sich zu Beginn der 1990er Jahre für unabhängig erklärten, könnte man der Versuchung anheim fallen, die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen und speziell die in der UNO als Kennzeichen von Staatlichkeit zu betrachten. Wenn aber die UN-Mitgliedschaft ausschlaggebendes Kriterium für Staatlichkeit sein soll, als was kann man dann die Schweiz bezeichnen? Obwohl formal schon seit 1648 unabhängig, trat dieses Land erst im Jahre 2002 der UNO bei. Und wie kann man die Defacto- bzw. Möchtegern-Staaten Berg Karabach, Kosovo, Südossetien oder Transnistrien in dieses Raster einordnen?

Besonders das letztgenannte Beispiel erregt hier unsere Aufmerksamkeit. Obwohl im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion eine ganze Reihe von Staaten die Unabhängigkeit erlangte, so auch Moldawien, zu dessen Staatsgebiet Transnistrien offiziell gehört, konnte das seit Ende der 1980er Jahre um seine Unabhängigkeit strebende Land diese nicht erreichen.

Im Folgenden wird der Konflikt um das Gebiet, welches kaum größer als das Saarland ist, näher beleuchtet. Dafür werden zuvorderst einige Kriterien zur Staatlichkeit herausgearbeitet. Anschließend wird das Gebiet in seiner Bevölkerungszusammensetzung, seiner Wirtschaft und seiner aktuellen Situation dargestellt. Darauffolgend wird der Fokus auf den eigentlichen Konflikt gerichtet. Wer sich die entscheidenden Akteure? Wo verlaufen die Konfliktlinien? Wie gestaltet sich der Konflikt? Abschließend werden dann mögliche Konfliktlösungskonzepte für die Region vorgestellt.

Lange spielte der Konflikt am Rande Europas in der Politik wie auch in der Forschung eine eher untergeordnete Rolle. Grundlegend für diese Arbeit waren von daher auch weniger wissenschaftliche Arbeiten wie beispielsweise von Troebst (2005), als vielmehr journalistische Berichte und Abhandlungen von Vereinigungen und Diskussionsforen wie der OSZE, Euros du village, dem Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung oder der SEF, der Stiftung für Entwicklung und Frieden.

2 Was macht einen Staat zum Staat?

Wie bereits erwähnt, scheint der Beitritt zu den Vereinten Nationen das deutlichste Zeichen zu sein, dass ein Staat unabhängig ist. Aber bevor dieser Schritt gegangen werden kann, müssen einige Kriterien erfüllt sein. In der politikwissenschaftlichen wie auch in der juristischen Forschung spielt die Souveränität eines Landes die zentrale Rolle. Die Souveränität beschreibt dabei den inneren und äußeren Herrschaftsanspruch eines Staates und seiner Gesellschaft. Wichtigstes Element ist hier die Unabhängigkeit, also theoretisch allein dem eigenen Willen unterworfen zu sein (Vgl. Woyke 2004 S. 445).

Ganz so einfach macht es uns das 21. Jahrhundert allerdings nicht. Eine ganze Reihe von Staaten, vor allem in Europa, verzichtet freiwillig auf gewisse Souveränitätsrechte im Rahmen von supranationalen Organisationen wie der Europäischen Union. Um diese Aufgaben aber an andere Institutionen und Organisationen abgeben zu können, muss der betroffene Staat schon vorher unabhängig und als Staat anerkannt gewesen sein. Allerdings gibt es bisher in gewissen Bereichen wie der Außenpolitik Grenzen des freiwilligen Kompetenzverzichts.

Neben formaler Souveränität und Mitgliedschaft in internationalen Organisationen, die die Anerkennung durch andere Staaten voraussetzt, muss es also noch andere Kriterien geben, die einen Staat zum Staat machen. Die klassische Staatsdefinition, wie wir sie bei Schmidt (2004 S. 665) nachlesen können, meint dabei „eine politisch-rechtliche Ordnung, die eine Personengemeinschaft auf Grundlage eines Staatsvolkes innerhalb eines räumlich abgegrenzten Gebietes (Staatsgebiet) zur Sicherung bestimmter Zwecke (Staatszwecke) auf Dauer bindet und der Staatsgewalt unterwirft.“ Diese Definition spielt also auf vier Ebenen: Man braucht ein Staatsvolk, ein Staatsgebiet, Staatszwecke und eine Staatsgewalt.

Darüber hinaus zeichnen sich Staaten in der Regel durch gewisse Zeichen von Staatlichkeit aus, so zum Beispiel einer eigenen Währung (auch hier nehmen einige Staaten der Europäischen Union wieder eine Sonderstellung ein), einer eigenen Nationalhymne, einer Nationalflagge, eigenen Gesetzen, einer eigenen Armee und politischen Institutionen für Innen- und Außenpolitik.

Inwieweit die hier skizzenhaft dargelegten Kriterien auf Transnistrien zutreffen, wird im nächsten Kapitel genauer erläutert.

3 Transnistrien – Ein Staat der keiner ist

In Transnistrien leben etwa 555.000 – 600.000 Menschen auf einer Fläche von etwa 4.000 km2. Die Region liegt im östlichen Moldawien, hauptsächlich am Ostufer des Dnjestr. De jure gehört Transnistrien zum moldawischen Staatsgebiet, de facto ist es jedoch seit Anfang der 1990er unabhängig und verfügt über quasi-staatliche Strukturen. Dieser Status wird jedoch von keinem Land auf der Erde anerkannt. So gibt es in Transnistrien ein Parlament, den Obersten Sowjet, einen Präsidenten, eigene Ministerien, eine eigene Währung, den transnistrischen Rubel, der jedoch außerhalb des Gebietes nicht verwendungsfähig ist, eigene Briefmarken, die aber nur für innertransnistrische Postsendungen verwendet werden können, eine eigene Hymne, eine eigene Flagge, eigene Pässe, mit denen man jedoch nicht ins Ausland reisen darf, da sie nicht anerkannt werden und eine eigene Armee. Im Osten grenzt das Land an die Ukraine, im Westen eben an Moldawien. Die Bevölkerung Transnistriens setzt sich zu etwa zwei Dritteln aus Russen und Ukrainern und zu etwa einem Drittel aus vorwiegend Moldawiern zusammen (Vgl. GEO 2006 S. 1; Troebst 2005 S. 233; SEF 2005 S. 11).

Moldawien gilt als ärmstes Land Europas, besonders weil sich fast die gesamten Industrieanlagen des Landes östlich des Dnjestr in Transnistrien befinden, da während der Industrialisierung durch Stalin diese vor allem im slawisch dominierten Landesteil vorangetrieben wurde. Politisch mag die Region isoliert sein, wirtschaftlich ist sie jedoch international verflochten und ihre noch aus Sowjetzeiten stammenden Fabriken der Schwerindustrie liefern Waren in die Ukraine, nach Kanada, Russland, in die Türkei, nach Italien und Griechenland. Tatkräftige Unterstützung bekommt die hiesige Wirtschaft von russischen Staatskonzernen wie der Gazprom, die auf die Zahlung ausstehender Rechnungen verzichten (Vgl. GEO 2006 S. 2; Hillgruber 2008 S. 3). Der größte Konzern des Landes heißt Sheriff. Ihm gehören ein Fünf-Sterne-Hotel, eine Mercedes-Niederlassung, Tankstellen, eine Supermarkt-Kette, ein Radio- und ein Fernsehsender, ein Mobilfunkanbieter, dessen Netz jedoch international nicht kompatibel ist und ein Sportkomplex in Tiraspol, in dem der FC Sheriff Tiraspol spielt, der auch an der Champions-League-Qualifikation teilnimmt, also international spielt. Der Firmenkomplex gehört der Familie des seit 1991 amtierenden Präsidenten der Region, Igor Smirnow. Sheriff steht im Westen in Verdacht, die Erlöse der Schmuggelwirtschaft, vor allem Zigaretten und Alkohol, zu waschen. Der Verdacht wird dadurch erhärtet, dass der Sohn des Präsidenten, der Mitbegründer des Konzerns ist, gleichzeitig als Chef des transnistrischen Zollamtes fungiert (Vgl. GEO 2006 S. 3, Windisch 2005; Hillgruber 2008). Inwieweit Transnistrien aber von Schmuggel, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel betroffen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Es gebe zwar keine direkten Beweise für diese Anschuldigungen, aber einen begründeten Verdacht (Vgl. SEF 2005 S. 11f).

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Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der Konflikt um Transnistrien
Untertitel
Ein Pseudo-Staat am Rande Europas
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Geographisches Institut)
Veranstaltung
Staaten, die es nicht gibt
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
15
Katalognummer
V122903
ISBN (eBook)
9783640285150
ISBN (Buch)
9783640285846
Dateigröße
418 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Transnistrien, Moldawien, De-Facto Staaten, Russland, OSZE
Arbeit zitieren
Toni Börner (Autor:in), 2009, Der Konflikt um Transnistrien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122903

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