Analyse und Interpretation von Vergil, Ekloge IV, Verse 1-10


Seminararbeit, 2006

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Text und Übersetzung

2. Analyse von Ekloge IV, Verse 1-10
2.1. Lexikalische Erschließung
2.2. Grammatische Erschließung
2.3. Metrische Erschließung
2.4. Textkritik

3. Interpretation
3.1. Sacherklärungen
3.2. Politischer Hintergrund
3.3. Interpretation der Verse 1-10

4. Literaturverzeichnis

1. Text und Übersetzung

Vergil: Ekloge IV, Verse 1-10

1 Sicelides Musae, paulo maiora canamus!
2 non omnis arbusta iuvant humilesque myricae;
3 si canimus silvas, silvae sint consule dignae.
4 ultima Cumaei venit iam carminis aetas;
5 magnus ab integro saeclorum nascitur ordo.
6 iam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna,
7 iam nova progenies caelo demittitur alto.
8 tu modo nascenti puero, quo ferrea primum
9 desinet ac toto surget gens aurea mundo,
10 casta fave Lucina: tuus iam regnat Apollo.

Übersetzungsvorschlag:

Ihr Musen Siziliens, lasst uns etwas Erhabeneres singen!

Nicht jeder hat Freude an Sträuchern und niedrig wachsenden Tamarisken;

wenn wir die Wälder besingen, dann sollen die Wälder eines Konsuls würdig sein.

Schon ist das letzte Zeitalter der kumäischen Weissagung gekommen:

eine lange Folge von Zeitaltern beginnt von neuem.

Schon kommt auch Asträa zurück, das Goldene Zeitalter kehrt wieder,

schon wird ein neues Geschlecht vom erhabenen Himmel herabgesandt.

Sei du jetzt dem Jungen, der geboren wird,

mit dem zunächst das eiserne Geschlecht aufhören und gleichzeitig das goldenen auf dem ganzen Erdkreis sich erheben wird,

reine Lucina, gewogen: schon herrscht dein Apollo.

2. Analyse von Ekloge IV, Verse 1-10

Die Analyse der Lexik, Grammatik und Metrik der Verse 1-10 soll im folgenden Teil der Hausarbeit im Vordergrund stehen. So kann ein gewisses Vorwissen für die später folgende Interpretation geschaffen werden. Zusätzlich wird auch auf zwei textkritische Anmerkungen zum zugrunde liegenden Textausschnitt eingegangen.

2.1. Lexikalische Erschließung

Im Folgenden sollen ausgewählte Vokabeln, geordnet nach ihrem Vorkommen im Text, lexikalisch analysiert werden. Es wird dabei für jedes Wort erarbeitet, welche verschiedenen Nuancen es hat und welche dieser Bedeutungen genau in diesem Text die passende ist.

si ist eine Konjunktion, die einen Konditionalsatz einleitet. Sie zeigt eine Bedingung an, durch deren Beseitigung, Aufstellen oder Erfüllung etwas gemacht oder erreicht werden kann oder nicht kann. Unter den Komposita dieser Konjunktion müssen außerdem etiamsi, etsi und tametsi aufgeführt werden.[1]

carminis ist der Genitiv Singular zum Substantiv carmen, -minis, dessen grammatisches Geschlecht das Neutrum ist. Es scheint dem Autor des Thesaurus-Artikels von canere zu kommen, auch wenn laut seiner Aussage viele daran zweifeln könnten. Man unterscheidet zwischen carmina, die durch die menschliche Stimme, durch Musikinstrumente (die alleine spielen oder mit der menschlichen Stimme begleitet werden) oder durch Vögel und Unbeseelte hervorgebracht werden. Im vorliegenden Text ist ein durch die menschliche Stimme erzeugtes carmen gemeint. In diesem Bedeutungsfeld können verschiedene Arten des carmen angeführt werden, wo schließlich unter der speziellen Bedeutung „Weissagung, Orakel“ Vers 4 der 4. Ekloge als Belegstelle angeführt ist.[2]

a/ab/abs ist eine Präposition und entspricht dem griechischen apó. A steht vor Konsonanten außer h, ab vor Vokalen und h und abs bei bestimmten Wendungen. Diese Präposition kann lokal oder temporal verwendet werden oder eine Reihenfolge oder einen Ursprung bezüglich des Urhebers angeben. Im zugrunde liegenden Vers ist sie im lokalen Sinne gebraucht und zeigt den Anfang einer Bewegung an, von welchem Ort oder welcher Person her sie entsteht oder aus welcher Gegend etwas kommt. Sie steht hier bei einem Verb des Gehens, Kommens, Aufbrechens, usw. von Personen. Der Präpositionalausdruck ab integro entspricht einer bestimmten Formulierung aus dem Bereich der Philosophie und wird im Rahmen des vorliegenden Verses auch als Belegstelle im Thesaurus angeführt.[3]

et wird in Vers 6 nicht als kopulative Konjunktion in der Bedeutung „und“, sondern als additives Adverb in derselben Bedeutung wie etiam oder quoque, also in der Bedeutung „auch“ verwendet. Im Thesaurus wird der behandelte Vers unter einigen wenigen ausgewählten Beispielen angeführt, die dem späteren und vorherrschenden Gebrauch des Adverbs et entsprechen und bei denen es zusammen mit einem Substantiv steht.[4]

virgo, -inis f. wird verwendet zur Bezeichnung einer Frau im heiratsfähigen Alter, einer im sexuellen Sinne Jungfrau, des Sternbildes und Tierkreiszeichens der Jungfrau oder eines der Aquädukte Roms, das für sein kühles Wasser bekannt ist. Im vorliegenden Vers ist Virgo als Eigenname gebraucht, was schon an der Großschreibung erkannt werden kann, und bezeichnet das Sternbild der Jungfrau.[5]

demittitur kommt von demitto, demisi, demissum, demittere und setzt sich also zusammen aus de und mittere. Es hat zunächst einmal die Bedeutung „abwärts schicken“ und ist dann ein Synonym zu deicere, deducere oder deferre. Hierbei kann es transitiv oder reflexiv gebraucht werden. Zum anderen wird es benutzt, wenn das Ausdrücken der vis mittendi im Vordergrund steht, was im vorliegenden Text der Fall ist. Demittere wird hier im gewöhnlichen und allgemeinen Sinn gebraucht und zusätzlich wird hinzugefügt, woher etwas geschickt wird. Unser Vers wird in diesem Bedeutungsfeld gleich als erste Belegstelle angeführt.[6]

tu, tui, tibi, te ist das Personalpronomen der 2. Person Singular. Es wird hier explizit ausgedrückt, obwohl schon in der Verbform enthalten, um die Ansprache des „DU“ hervorzuheben.[7]

nascenti von nascens, -ntis ist das Partizip des Deponens nasci mit den Stammformen nascor, natus sum. Im Oxford Latin Dictionary wird zur Bedeutung des Partizips nascens angegeben, dass es den Prozess des Geborenwerdens oder die frühen Stufen des Heranwachsens bezeichnet. Für Vers 8 maßgeblich ist die erste Nuance des Geborenwerdens.[8]

qui/quis, quae, quod/quid kann im Lateinischen sowohl das Relativ- als auch das Interrogativpronomen meinen, wobei in diesem Vers das Relativpronomen in der Form quo gemeint ist. Es bezeichnet eine Sache oder – wie hier – Person, die kurz vorher schon einmal erwähnt wurde. Da das Pronomen verschieden geschrieben und dekliniert wird, wird es unter die Anomala gezählt.[9]

toto kommt von dem Pronominaladjektiv totus, -a, ‑um, einem Adjektiv mit einer abweichenden Deklination, das im Genitiv und Dativ Singular wie ein Pronomen dekliniert wird. Daraus ergibt sich im Genitiv Singular die Form totius, im Dativ Singular die Form toti, beide in allen Geschlechtern. Totus bezeichnet das, was integer, universus, solidus ist, also unvermindert, gesamt, vollständig. Es lenkt somit den Blick auf das Gesamte/Vollständige, nicht auf die Einzelheiten.[10]

aureus, -a, -um ist als Adjektiv vom lateinischen Substantiv aurum abgeleitet. Es dient zur Bezeichnung von Dingen, die aus Gold sind, Gold beinhalten, geschmückt sind mit Gold, den Glanz oder die Farbe von Gold haben oder von höchster Schönheit und Annehmlichkeit sind. In Vers 9 wird etwas beschrieben, das aus Gold ist, nämlich gens aurea, wobei genau dieser Vers als Belegstelle im Thesaurus angeführt ist.[11]

tuus, tua, tuum kommt von tu und ist ein Possessivpronomen. Tuus ist zum einen der, der sich auf tu bezieht – wie im vorliegenden Vers. Andererseits wird tuus, vor allem bei Lebewesen, auch über denjenigen gesagt, der sich in der Gewalt eines anderen befindet.[12]

2.2. Grammatische Erschließung

Im Folgenden sollen die Verse 4-7 der 4. Ekloge grammatisch analysiert werden. Hierbei werden die gängigen Abkürzungen verwendet.

Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen benutzt:

- Der Hauptsatz ultima Cumaei venit iam carminis aetas wird mit HS 1 bezeichnet.
- Das Kürzel HS 2 benennt den folgenden Hauptsatz magnus ab integro saeclorum nascitur ordo.
- In der Parataxe iam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna, iam nova progenies caelo demittitur alto wird der 1. Hauptsatz von iam bis Virgo mit HS 3, der 2. Hauptsatz von redeunt bis regna mit HS 4 und der 3. Hauptsatz von iam bis alto mit HS 5 bezeichnet.

[...]


[1] vgl. Forcellini, A. et al.: Lexicon totius latinitatis. Vol. 4. Prato 1872 (ND Padua 1940). S. 488f..

[2] vgl. Thesaurus linguae Latinae (ThlL). Ed. iussu et auctoritate consilii ab academicis societatibusque diversarum nationum electi. Volumen III. Leipzig 1956-1979. c. 463-474 (Belegstelle: c. 464, l. 13).

[3] vgl. ThlL I. c 1-41 (Belegstelle: c. 16, l. 31).

[4] vgl. ThlL V,2. c. 869-916 (Belegstelle: c. 907, l. 74).

[5] vgl. Oxford Latin Dictionary (OLD) IV-VI. Oxford 1968-1975. p. 2071.

[6] vgl. ThlL V,1. c. 488-493 (Belegstelle: c. 492, l. 45).

[7] vgl. Forcellini VI. p. 225.

[8] vgl. OLD IV-VI. p. 1156f..

[9] vgl. Forcellini V. p. 40-44.

[10] vgl. Forcellini VI. p. 127f..

[11] vgl. ThlL II. c. 1489-1492 (Belegstelle: c. 1490, l. 12f.).

[12] vgl. Forcellini VI. p. 225.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Analyse und Interpretation von Vergil, Ekloge IV, Verse 1-10
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V122799
ISBN (eBook)
9783640276974
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Im ganzen eine probate Leistung, die den Anforderungen vollauf genügt.
Schlagworte
Analyse, Interpretation, Vergil, Ekloge, Verse
Arbeit zitieren
Julia Hohm (Autor:in), 2006, Analyse und Interpretation von Vergil, Ekloge IV, Verse 1-10, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122799

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