Erziehung und Bildung in Frauenklöstern des hohen Mittelalters


Seminararbeit, 2005

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Frauen, Frauenbildung, Frauenbestimmung
2.1 Die weibliche Frömmigkeitsbewegung
2.2 Ein neuer Frauentyp: Die Nonne
2.3 Die Beginen
2.3 Frauenbildung als Gnade und Privileg
2.3.1 Klosterleben für Frauen
2.3.2 Geschlechtsspezifisch beschränkte Nonnenbildung

3. Schluss

Literatur

Anhang

1. Einleitung

„Schon von alters her wird gerne, bisweilen sogar mit Enthusiasmus auf den hohen Bildungsstand von Stiftsdamen und Nonnen seit dem frühen Mittelalter hingewiesen. Namen wie Hrotsvith von Gandersheim (935-973), die lateinische Dramen und Historien verfasste, Hildegard von Bingen (1098-1179) mit ihrem umfassenden Werk, das von der Prophetie bis zur […] Heilkunde reicht, Herrad von Landsberg (um 1125-95), die eine Art Lehrbuch für ihre Mitschwestern verfasste, und schließlich Mechthild von Magdeburg (ca. 1210-82?) sowie ihre mystisch begabten Mitschwestern Mechthild von Hackeborn (um 1241-99) und Gertrud »die Große« (1256-1302), die ihre Visionen und religiöse Erfahrungen teils in lateinischer, teils in mittelhochdeutscher Sprache und in kunstvollen literarischen Formen niederlegten, werden immer wieder angeführt, um auf das hohe Bildungsniveau und die künstlerischen Ambitionen von mittelalterlichen Klosterfrauen hinzuweisen.“[1]

All diese Frauen, auf die ich in folgenden Kapiteln etwas genauer eingehen werde, haben eine Gemeinsamkeit: sie hinterließen eigene literarische oder theologische Schriften, waren teilweise als Nonnen tätig und lebten in religiösen Unterkünften. Und genau das macht sie zum Bestandteil dieser Hausarbeit. Meine zentrale Fragestellung dabei ist: Ob und, wenn ja, inwieweit trägt die Erziehung und Bildung in Klöstern bei, Frauen und Männer in religiöser Hinsicht zur Zeit des hohen Mittelalters gleichzustellen?

Um in der Lage zu sein, diese Frage zu beantworten, möchte ich zunächst grundlegende Dinge der Frauenerziehung klären und dann auf die Geschlechterspezifik übergehen.

Während der Zeit in der ich mich intensiver mit dem Thema beschäftigte, stellten sich mir immer mehr Fragen, die ich beantwortet haben wollte:

Wie kam es zur Herauskristallisierung von Frauenklöstern?

Wie sah das Klosterleben in jener Zeit für Nonnen aus?

Gab es nur religiöse und gebildete Frauen, die in einer klösterlichen Unterkunft lebten und wirkten, oder bestand auch die Möglichkeit einer anderen Lebensweise?

Damit es plausibel ist, wie es überhaupt möglich war, dass Frauen in der Zeit von ca. 1050 bis Ende des 13. Jahrhundert Bildung und Erziehung genießen konnten, möchte ich mich zu Beginn meiner Hausarbeit genauer auf die weibliche Frömmigkeitsbewegung beziehen um mich dann differenzierter mit der Edukation auseinanderzusetzen.

2. Frauen, Frauenbildung, Frauenbestimmung

2.1 Die weibliche Frömmigkeitsbewegung

Das Prinzip der frommen Frauengemeinschaften lässt sich bis auf den Beginn des Christentums zurückverfolgen. Spuren gottgeweihter Frauen finden sich bereits während der ersten christlichen Jahrhunderte. Jene Frauen legten ein Gelübde vor versammelter Gemeinde ab und ein ständig getragener Schleier fungierte als Zeichen ihres Standes. Sie lebten bei ihren Familien oder Verwandten, bis schließlich 360 n.Chr. das erste westliche Frauenkloster in Rom durch Marcella, eine römische Adlige, gegründet wurde. Dennoch ist nicht zu verachten, dass es während des gesamten Mittelalters religiös lebende Frauen gab, die nicht in einem Kloster lebten, die so genannte Klausnerinnen oder „Reclusen“.

Eine besonders starke und breite weibliche Frömmigkeitsbewegung fand zu Zeiten des Hochmittelalters (1050 – 1250) statt.

„Sie trägt alle Zeichen einer „Bewegung“: sie ist emotional und engagiert, […] oft eine Gratwanderung zwischen Ketzerei – Ordensleben – freier religiöser Gemeinschaftsform. Sie entfaltet sich in einer Zeit, in der die Kirchenreform gelegentlich revolutionäre Züge annimmt, die durch das gefährlich dichte Nebeneinander von Haeresie und kirchlich gebundener „Heiligkeit“ charakteristisch wird […]. An sich gehört die Reform zum Ordensleben; es gibt sie immer. Im 11. Jahrhundert ergreift sie aber die Kirche insgesamt.“[2]

Jedoch war die Anzahl an Frauenklöstern der Frömmigkeitsbewegung nicht gewappnet. Es gab erstens zu wenig Klöster und Stifte und zweitens wurde nur hochadlige Damen der Zutritt gewährt. Somit wurden neue Frauenklöster gegründet, sie entstanden parallel zu denen für die Männer. Erzbischof Friedrich I. gründete mit Unterstützung des Abtes von Siegburg im Jahr 1126 ein Benediktinerinnenkloster[3] auf der Rheininsel Ruleicheswerd. Er stellte den Frauen die Wahl der Priorin frei, „unterstellte aber im übrigen das Kloster der Abtei Siegburg“[4].

Um 1250 bestand ein Frauenkonvent aus Nonnen, Konversen[5] und Laienschwestern, gefolgt von Kostgängerinnen, Lehrtöchtern und Oblatinnen[6]. Die Nonnen waren fast ausschließlich aus dem Adel bzw. Niederadel, später kam es jedoch auch dazu, dass Konvente ‚verbürgerlichten’. Die Nonnen konnten Latein, stellten Arzneien her, unterhielten Schulen, machten Handarbeiten, kopierten Handschriften und illuminierten diese.

„Es beweist künstlerisches Selbstbewusstsein, wenn auch in mittelalterlicher Demutsform ausgesprochen, dass[7] sich die Nonne Guda auf dem Vorsatzblatt eines mittelrheinischen Homiliars[8] nennt, das sie sowohl geschrieben als auch […] illumiert hat: „Guda peccatrix mulier scripsit que pinxit hunc librum (die sündhafte Frau Guda schrieb und malte dieses Buch)“.“[9]

Die Frömmigkeitsbewegung an sich hatte einen religiös-verwurzelten Kern, die Frage nach einem Kloster als Versorgungsanstalt und sozialer Sicherheit innerhalb der Mauern spielten erst ab dem 14. Jahrhundert eine große Rolle. Die Kraft der Bewegung äußert sich in ihren Zahlen: „Im Jahr 1300 gab es bereits 74 Dominikanerinnenklöster, im 15. Jahrhundert hatten die Benediktinerinnen 115, die Zisterzienserinnen 220 Niederlassungen, um 1600 besaßen die Franziskanerinnen rund 900 Gemeinden.“[10]

Erster Grund für diese Zahlen war, wie bereits erwähnt, religiösen Ursprungs. Die Frauen nahmen an, dass eine aus dem Glauben entsprungene Askese Vorrang vor dem Leben in der Welt hat. Schon in altchristlichen Ständeordnungen war es sehr verbreitet, dass die gottgeweihte Jungfrau vor der Witwe und vor der Ehefrau stand, Vertreter dessen waren Cyprian, Augustinus und Thomas von Aquin.

„Die Hervorhebung des Jungfrauenstandes bedeutet keine Verwerfung, nur eine Minderbewertung der Ehe, wie Bernards in seiner Analyse des „Jungfrauenspiegels“, eines um 1100 wohl am Mittelrhein entstandenen Werkes von großer Verbreitung, ausführt. […] Der Jungfrauenspiegel warnt auch vor der Meinung, die Jungfrauenschaft als solche begründe sich einen Vorrang: „In jedem Stande such Gott mehr den Geist als das Kleid“, „die demütige Witwe steht höher als eine stolze Jungfrau“.[11]

Da nun aber ab dem 11. Jahrhundert ein Männermangel herrschte, war die Gewährleistung der Versorgungsinstitution Ehe nicht mehr gegeben. Folglich suchten die Frauen, sowohl aus dem Adel als auch aus der Masse der Bürgerlichen, eine Alternative im Klosterleben. Dies war dann der zweite Grund warum die Zahlen der Klöster ab der Zeit der Kreuzzüge so rasant anstiegen.

Ein weiterer, wenn dann auch nur noch spekulativer Grund, ist, dass sich die Frauen durch den Besuch im Kloster „ […] teilweise auch lästigen Familien- und Ehepflichten entziehen und in der Abgeschiedenheit der Klöster ein relativ selbstständiges Leben unter Gleichgesinnten führen (konnten); auch mag der jedenfalls theoretisch geltende Satz von der Gleichheit vor Gott sehr viele nichtadelige Frauen dazu bewogen haben, einem Orden beizutreten.“[12]

Denn betrachtet man das allgemeine Frauenbild des Mittelalters, geregelt durch die Bibel, steht es um die Gleichberechtigung von Frau und Mann im Alltag sehr schlecht. So heißt es:

„Die Frauen seien ihren Ehemännern untertan, als gelte es dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau (Vir caput mulieris), ebenso wie Christus das Haupt der Gemeinde ist, […] so sollen auch die Frauen ihren Männern in jeder Beziehung untertan sein“[13]. Thomas von Aquin stellt diesbezüglich eine „Defizittheorie“ auf, die konkret die „alttestamentlich-augustinische Einschätzung der Frau als eines Status subjectionis hominis (d.h. als eines auf Unterwerfung unter den Mann angelegten Status)“[14] beschreibt. Er systematisiert diese Theorie in drei Grundsätze: „Die Frau ist dem Manne gegenüber sowohl ihrer Biogese (Aspekt des Werdens) als auch ihrer Qualität (Aspekt des Seins) als auch schließlich ihrer Funktion nach (Aspekt der Tätigkeit) minderwertig.“[15]

Demnach ist es nachvollziehbar, dass viele Frauen in ein Kloster wollten um diesen „Vorsätzen“ zu entfliehen.

„Das Zauberwort Freiheit hat sie, echte Kinder ihrer Zeit, in seinen Bann geschlagen. Wenn Kirche und Kloster im Zeichen großer Reformen um ihre Freiheit kämpfen, ist Freiheit auch für die Frauenwelt ein verlockendes Ziel. […] Als Zeitgenossen der Kreuzritter und Angehörige eines kämpferischen Zeitalters lieben sie es, sich selbst als Streiterinnen in den Kriegen Gottes zu betrachten.“[16]

Besonders dieser nicht gerade religiöse Vorsatz, das Kloster auf Grund eines Freiheitswunsches zu besuchen, sorgte für viele Diskussionen innerhalb der katholischen Kirche. Bevor sich die reinen Frauenklöster endgültig etablierten, gab es auch eine Masse an Doppelklöstern, in denen Mönche und Nonnen unter einem Dach lebten. Aber schon bald wurde die Gründung von Doppelklöstern verboten, da sich das Gerücht hielt, dass die Moral angeblich stark gefährdet sei. Zwar versuchte man im 12. Jahrhundert die Insassen von einem asketischen Leben zu überzeugen, aber in Deutschland wollte dies nicht so recht auf fruchtbaren Boden stoßen. Wie auch, wenn selbst in reinen Frauenklöstern, nicht sonderlich auf die Einhaltung des Keuschheitsgebotes geachtet wurde:

„Als Graf Eberhard von Würtemberg 1484 in seinem Frauenkloster Söflingen eine Reformation durchführen wollte und zu diesem Zweck das Kloster durchsuchen ließ, fanden sich zahlreiche völlig eindeutige Liebesbriefe von Geistlichen an die Nonnen, und eine ärztliche Untersuchung der Klosterfrauen ergab, dass[17] die meisten schwanger waren; sie mussten[18] daraufhin das Kloster verlassen.“[19]

Die Tatsache der Schwangerschaften und die großartigen geistigen Leistungen einiger Frauen beweisen, dass man sowohl im Kloster als auch in einem Stift ein erfülltes und gutes Leben führen konnte, und die Askese, soweit man sich auch daran hielt, einem nicht schadet sondern eher nützt und Kräfte des Geistes freisetzt.

An dieser Stelle eröffnet sich nun die Frage: Wem war es überhaupt erlaubt Nonne zu werden und was machte eine gute Nonne aus?

[...]


[1] Kleinau, Elke: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung, S. 63.

[2] Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter, S. 112.

[3] Das Frauenkloster entstand parallel zum Kloster der Benediktiner. Zu diesem Orden gehörte der Großteil der Frauenklöster des hohen Mittelalters.

[4] Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter, S. 112.

[5] Konversen = Frauen, die dabei sind in den Glauben zu konvertieren/wechseln.

[6] Angehörige einer katholischen Genossenschaft.

[7] An aktuelle Rechtschreibregel angepasst.

[8] Mittelalterliche Sammlung von Predigten

[9] Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter, S. 114.

[10] Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter, S. 115.

[11] Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter, S. 115.

[12] Becker, Bovenschen, Brackert u.a.: Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualisierung des Hexenbildes, S. 67.

[13] Die Bibel: Epheser 5, 22-24.

[14] Becker, Bovenschen, Brackert u.a.: Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualisierung des Hexenbildes, S. 20.

[15] Becker, Bovenschen, Brackert u.a.: Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualisierung des Hexenbildes, S. 20.

[16] Ennen, Edith: Frauen im Mittelalter, S. 117.

[17] An aktuelle Rechtschreibregel angepasst.

[18] An aktuelle Rechtschreibregel angepasst.

[19] Becker, Bovenschen, Brackert u.a.: Aus der Zeit der Verzweiflung. Zur Genese und Aktualisierung des Hexenbildes, S. 69f.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Erziehung und Bildung in Frauenklöstern des hohen Mittelalters
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Institut für Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Proseminar: Hofische Erziehungslehre
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
19
Katalognummer
V122709
ISBN (eBook)
9783640269778
ISBN (Buch)
9783640270507
Dateigröße
696 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erziehung, Bildung, Frauenklöstern, Mittelalters, Proseminar, Hofische, Erziehungslehre
Arbeit zitieren
Stefanie Busch (Autor:in), 2005, Erziehung und Bildung in Frauenklöstern des hohen Mittelalters, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122709

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