Der Gesundheitsfonds

Sinn und Unsinn der Gesundheitsreform 2007


Hausarbeit, 2009

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. - Einführung:

2. - Gesetzliche Entwicklung:

3. - Der Gesundheitsfonds:
3.1 - Der Gesundheitsfonds als Kompromiß - Gesundheitsprämie und Bürgerversicherung:
3.2 - Funktionsweise des Gesundheitsfonds:
3.2.1 - Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil:
3.2.2 - Steuerfinanzierte Bundesmittel:
3.2.3 - Auszahlungen aus dem Gesundheitsfonds:
3.3 - Gleichzeitig mit dem Gesundheitsfonds eingeführte Regelungen:
3.3.1 - Allgemeine Versicherungspflicht:
3.3.2 - Morbiditäts-Risikostrukturausgleich und Morbiditätsfilter:
3.3.3 - Spitzenverband Bund der Krankenkassen:

4. - Fazit - Nach der Reform ist vor der Reform:

Quellenangaben:

Anhang 1 Beispielrechnung Kostensteigerung für Arbeitnehmer durch Maßnahmen der Gesundheitspolitik:

Anhang 2 Liste der achtzig, dem Morbi-RSA zugrunde liegenden Krankheiten:

Anhang 3 Monatliche Morbiditätszuschläge je Versicherten nach HMG:

1. - Einführung:

Das Jahr 2009 ist ein Jahr der Veränderungen – zumindest was die Neuerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung betrifft, und hier speziell den neu eingeführten Gesundheitsfonds. Es wäre jedoch verkürzt, lediglich die Änderungen, die sich durch den Gesundheitsfonds ergeben, als quasi losgelöst von allen vorhergehenden und sonstigen Maßnahmen der Gesundheitspolitik zu betrachten. Vielmehr stellt er (trotz seines Kompromißcharakters) eine Weiterführung der bisherigen "Kostendämpfungspolitik" im Gesundheitswesen dar. Deshalb erscheint es sinnvoll, auch den bisherigen Gang der gesundheitspolitischen Maßnahmen und die Verortung des Gesundheitsfonds in die bis jetzt erfolgten Reformbemühungen mit in die Betrachtungen aufzunehmen.

2. - Gesetzliche Entwicklung:

Der Versuch, das gesetzliche Krankenversicherungssystem durch gesetzgeberische Eingriffe umzugestalten, ist in seinem Ursprung keine Entwicklung des dritten Jahrtausends. Vielmehr wurde bereits 1977 mit der Einführung des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVKG[1]) ein dahingehender erster Versuch unternommen[2].

Der Name des Gesetzes war dabei tatsächlich Programm – so wurden z.B. Arzneimittel-Höchstbeträge und Medikamenten-Zuzahlungen eingeführt, der Leistungskatalog der GKV eingeschränkt, die Rezeptgebühr mit Höchstgrenze von 2,50 DM in eine Medikamentengebühr (pro Medikament 1,- DM) umgewandelt und die Eigenbeteiligungshöchstgrenze bei Zahnersatz von 500,- DM fallen gelassen. Die veränderte Lastenverteilung zu Ungunsten der Versicherten war dabei u.a. dem wirtschaftspolitischen Ziel geschuldet, die Beitragssätze möglichst gering bzw. stabil zu halten, um eine Steigerung der Lohnnebenkosten zu verhindern – ein Ziel, das bis 2004 Priorität in sämtlichen gesetzlichen Änderungen die GKV betreffend hatte[3]. Insbesondere die Kostendämpfungsgesetze der 70er und 80er Jahre verankerten dabei die Budgetierung und eine einnahmenorientierte Ausgabenpolitik der GKV, zudem wurde die Position der Krankenkassen gegenüber den Leistungserbringern (vor allem Kassenärzte und Kassenzahnärzte) gestärkt, um wirtschaftlichere Behandlungen und Verordnungen durchzusetzen[4] (Rechtsgrundlage KHKG). Zusammen mit den Kostendämpfungsgesetzen wurde die "Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen" eingeführt, deren Aufgabe in der Entwicklung der Orientierungsdaten für die finanzielle Entwicklung der GKV sowie in der öffentlichen Erörterung zu strukturellen Fragen des Gesundheitswesens bestand. 2004 wurden diese Aufgaben von anderen Gremien übernommen, so daß die Konzertierte Aktion aufgelöst wurde[5].

1982 folgten das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz[6] (Erhöhung der Zuzahlungen pro Medikament auf 2,- DM, Heilmittel und Brillen 4,- DM, wobei es die Rentner durch den Verlust ihrer Beitragsfreiheit zur GKV besonders hart traf) sowie das Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz[7].

Anschließend folgten 1983 / 1984 die Haushaltbegleitgesetze (HBegleitG)[8], die nochmals die Leistungen der GKV einschränkten – was allerdings auch auf die ungünstige Haushaltslage zurückzuführen war; die zu Lasten der GKV vorgenommenen Einsparungen waren hier also auch ein Instrument zur Entlastung des Bundeshaushalts[9]. Obwohl diese Maßnahmen tatsächlich zu einer kurzfristigen Stabilisierung der Beitragssätze führten, stiegen die Kosten im Gesundheitswesen seit 1984 wieder signifikant an (trotz der 1986 in Kraft getretenen Bundespflegesatzverordnung[10]), so daß eine erneute Debatte über eine grundlegende Krankenversicherungsreform angestoßen wurde. Daraus resultierte 1988 / 1989[11] das Gesundheits-Reformgesetz[12] (GRG), in dessem Rahmen das SGB V geschaffen wurde[13]. Hier wurde auch zuerst der Begriff der "Gesundheitsreform" allgemein angewendet. Auch diese Gesundheitsreform[14] hatte das Ziel, Beitragsstabilität zu gewährleisten, was wiederum Leistungskürzungen nach sich zog (z.B. Einführung einer Medikamenten-Negativliste mit Festbeträgen [bei Preisüberschreitung Differenzzahlung durch den Versicherten], weitere Erhöhung der Rezeptgebühr, Verdoppelung der Krankenhaus-Selbstbeteiligung, aber auch Erweiterung der Früherkennungsangebote und der häuslichen Pflegehilfe). 1993 trat das Gesundheitsstrukturgesetz in Kraft, das durch kurz- und mittelfristige Maßnahmen (teilweise sollten diese erst 1996 bzw. 1999 wirksam werden) die Zielsetzung der Gesundheitsreform unterstützen sollte[15]. Es folgten eine Reihe weiterer Gesetze (die – fast - allesamt auf verschärfte Budgetierung, Positionsstärkung der GKVen und Kassen gegenüber den Leistungserbringern und Leistungskürzungen bzw. –streichungen ausgelegt waren), die sich im zeitlichen Ablauf grob wie folgt darstellen lassen:

1996

Beitragsentlastungsgesetz (BeitrEntlG)

Streichung des Zahnersatzzuschuß für Versicherte, die nach dem 31.12.1978 geboren wurden, erneute Erhöhung der Medikamentenzuzahlung, Verringerung des Krankengeldes, Absenkung der Krankenhausbudgets von 1997 bis 1999 um jährlich ein Prozent, Verkürzung der Regeldauer bei stationären Kuren von vier auf drei Wochen, Kuren nur noch alle vier Jahre sowie Erhöhung der täglichen Zuzahlung, weitgehende Streichung der Gesundheitsförderung der Krankenkassen.

1996

GKV-Neuordnungsgesetz (GKV-NOG I)[16]

1997

GKV-Neuordnungsgesetz (GKV-NOG II)

Weitere erhöhte Zuzahlungen für Medikamente, Heilmittel, Krankenhausaufenthalt ("Krankenhaus-Notopfer") und Rehabilitationen, gesetzliche Verpflichtung der Krankenkassen, die Beitragssätze zum 1. Januar 1997 um 0,4 Prozentpunkte zu senken, weitere Verringerung des Krankengeldes[17], Härtefallregelung für chronisch Kranke, Dynamisierung der Zuzahlungen im zweijährigen Abstand, Einführung arztgruppenspezifischer Budget-Richtgrößen.

1998

GKV-Finanzstärkungsgesetz (GKV-FG)

Fünf- bzw. zehnjähriges Sanierungs- und Entschuldungsprogramm zur Konsolidierung der Vermögenssituation der Krankenkassen, Möglichkeit des kasseninternen Beitragsausgleichs Ost / West, Grundlegung des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich (RSA) zur Angleichung des durchschnittlichen Beitragssatzniveaus Ost / West (Einführung 1999 - 2001).

1999

GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-SolG)

Wiedereinführung der Budgets für ärztliche Honorare. Rücknahme der Zuschußstreichung für Zahnersatz für Versicherte, die nach 1978 geborgen wurden. Ausnahmsweise eine Senkung der Zuzahlungen für Medikamente und Heilmittel, Streichung des "Krankenhaus-Notopfers", Budgetierung der Ausgaben für Arznei-, Heil- und Verbandmittel sowie Krankenhausbereich.

2000

GKV-Gesundheitsreformgesetz (GKV-GRG 2000)

Verschärfung der 1999 wieder eingeführten Budgets für ärztliche Honorare, Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung, Stärkung der Funktion des Hausarztes, Entwicklung einer Positivliste für Arzneimittel, stufenweise Einführung der monistischen Krankenhausfinanzierung bis 2008, Einführung eines Globalbudgets zur Stabilisierung der Beitragssätze, Bewertung der Effektivität medizinischer Verfahren beim DIMDI, Verschärfung der Prüfungsbedingungen und Folgen für die arztbezogenen Prüfungen hinsichtlich der Behandlungs- und Verordnungsweise durch die Krankenkassen.

2001

Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz (ABAG)

Verstärke Umsetzung des Steuerungsgedankens durch Arzneimittel-Zielvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen (bezogen auf Ausgabenvolumina, welche die Budgets ersetzten), Individualregresse von Ärzten bei Überschreitung nach einer Wirtschaftlichkeitsprüfung möglich.

2002

Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG)

Ziel: Senkung der Arzneimittelausgaben. Einführung des Aut idem-Verfahren: Ärzte verschreiben i.d.R. nur noch den Wirkstoff, in der Apotheke erhält der Versicherte das günstigste Medikament aus der zutreffenden Gruppe wirkstoff- und darreichungsgleicher Präparate; Solidarzahlung der forschenden Pharmaunternehmen - rund 200 Mio. EUR Solidarzahlung der Pharmaunternehmen in 2002, wofür die Bundesregierung auf einen Preisnachlaß von 4 % auf Arzneimittel die nicht der Festbetragsregelung unterliegen verzichtete. Erhöhung des Apothekenrabatts gegenüber den KK von 5 % auf 6 %, Bewertung des therapeutischen Nutzen von Medikamenten im Verhältnis zum Abgabepreis bewerten durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen.

2002

Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG)

Ziel: Senkung der Arzneimittelausgaben und finanzielle Entlastung der GKVen. Rabattverpflichtungen der Apotheker, Großhändler und pharmazeutischen Hersteller zu Gunsten der KK, Preissenkungen und Nullrunden zu Lasten der Zahntechniker, Ärzte und Krankenhäuser und Ausweitung der Versicherungspflicht auf Einkommensgruppen, in denen bis dahin eine PKV zulässig war. Zu diesem Gesetz stellten die Länder Baden-Württemberg und Saarland einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit (Zustimmung der Bundesländer wäre erforderlich gewesen, Einschränkung der Berufsfreiheit, Verletzung der Eigentumsgarantie), der jedoch abschlägig beschieden wurde[18]. Begründung: Das Gesetz ändere nur Vorschriften und Verfahren, die an sich nicht länderzustimmungsbedürftig seien.

2002

Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG)

Ziel: Regelung der Vergütung der von Krankenhäusern erbrachten vollstationären und teilstationären Leistungen (iVerm Krankenhausfinanzierungsgesetz).

2003

Fallpauschalengesetz (FPG)

Ziel: Leistungsorientierte Vergütung von Krankenhausleistungen, Abschaffung des Selbstkostendeckungsprinzips, Verkürzung der Verweildauer. Einführung des diagnoseorientierten Fallpauschalensystems (Diagnosis Related Groups / DRG) für Krankenhäuser. Zusammenfassung vieler unterschiedlicher Diagnosen zu einer kleineren Anzahl von DRG-Fallpauschalen mit vergleichbarem ökonomischen Aufwand (ca. 600 bis 800 Abrechnungspositionen)[19]. Weitere Orientierung an marktwirtschaftlichen Bedingungen, z.B. durch die Einführung von Benchmarking, Erhöhung der "Eigenverantwortung" des Personals.

2004

Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung / GKV-Modernisierungsgesetz (GMG)

Hausarzt als Koordinator der Weiterbehandlung durch z.B. Fachärzte & Krankenhäuser; Hausarztsystem – der Versicherte verpflichtet sich gegenüber seiner KK gegen einen Bonus immer nur einen bestimmten Hausarzt aufzusuchen; Praxisgebühr von 10 EUR pro Quartal bei erstmaligem Arzt- oder Zahnarztbesuch oder bei ambulanter Krankenhausbehandlung; voller KV-Beitrag für Rentner auf Betriebsrenten und Nebeneinkünfte; EU-weite Leistungserstattung für Leistungserbringer in einem EU-Mitgliedstaat, wenn sich ein Versicherter dort behandeln läßt (Vergütung nach den Sätzen der GKV); Weitere Erhöhung der Zuzahlungen – bei Arzneimittel und Verbandsmaterial 10 % des Preises (mindestens 5, höchstens 10 EUR), bei Heilmitteln 10 % des Preises zzgl. 10,- EUR pro Verordnung (bei häusl. Krankenpflege begrenzt auf 28 Tage im Jahr), bei Hilfsmitteln 10 % (mindestens 5, höchstens 10 EUR), bei Verbrauchshilfsmitteln 10 % je Verbrauchseinheit (max. 10.,-EUR / Monat), bei stationärem Krankenhausaufenthalt 10,- pro Tag bzw. Belastungsgrenze bei 2 % des Bruttogehalts (max. 28 Tage / Jahr), bei stationärer Vorsorge und Reha 10,- pro Tag (bei Anschlußheilbehandlung max. 28 Tage / Jahr), bei Soziotherapie und Haushaltshilfe 10 % der Tageskosten (mindestens 5, höchstens 10 EUR), med. Reha für Väter und Mütter 10,- EUR / Tag; Brillen sind vom Versicherten in voller Höhe zu tragen; Steuerfinanzierte versicherungsfremde Leistungen[20]: Mutterschaftsgeld, Leistungen bei Schwangerschaft und Entbindung, Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes; Ersatzlose Streichung des Sterbe- und Entbindungsgelds; Bei künstlicher Befruchtung nur Übernahme der Kosten für drei Versuche in Höhe von 50 %; Streichung von Fahrtkostenerstattungen; Keine Rezeptierung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente (Ausnahme: Kinder unter 12 Jahren, Jugendliche mit Entwicklungsstörungen und Schwerstkranke; dann aber mit Zuzahlungen); Boni von den Krankenkassen für Versicherte bei Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen usw. möglich; Ambulante Behandlungen auch im Krankenhaus möglich; Patientenquittung, Gesundheitskarte (noch nicht umgesetzt, datenschutzrechtliche Bedenken); Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Träger von IQWiG). Höchstbetragsregelung 2 % des Bruttogehalts, chronisch Kranke 1 %.

2005

Gesetz zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz (ZahnFinAnpG)

Versicherte tragen nunmehr allein den Anteil der Beiträge (0,9 %) für Krankengeld und Zahnersatz; gleichzeitig Absenkung der GKV-Beiträge um 0,9 % - Einsparungen für die Arbeitgeber und RV-Träger von 0,45 Beitragspunkten, Mehrbelastungen bei Rentnern und Arbeitnehmern.

2006

Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG)

Ziel: Erneute Reduktion der Arzneimittelkosten. Zweijähriges Einfrieren des Herstellerabgabepreises für Arzneimittel, die zu Lasten der GKV verordnet wurden (bis 31. März 2008); bei patentfreien Generika Erhebung eines Rabatts von 10 % des Herstellerabgabepreises; Arzneimittel mit Preisen von 30 % und mehr unterhalb des Festbetrags können[21] von der Zuzahlung befreit werden; Absenkung des Festbeträge auf unteres Preisdrittel einer Arzneimittelgruppe; Festlegung von Durchschnittskosten pro Tagesdosis (DDD) als Maßstab für wirtschaftliche Verordnungsweise; Bonus-Malus-Regelung: Bei Überschreitung der Durchnittskosten für die DDD um mehr als 10 % muß der verordnende Arzt 20 - 50 % der Kosten selbst zahlen - bei Kosteneinsparung Bonuszahlung durch die GKV; Verbot von Naturalrabatten; ausschließliche Verwendung von durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung zertifizierte Software in Arztpraxen, die einen manipulationssicheren Preisvergleich erlauben. Sowohl die Pharma-Industrie, als auch Apotheker-, Ärzte- und Patientenselbsthilfeverbände kritisierten dieses Gesetz aus vielerlei Gründen.

2007

GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) ("Gesundheitsreform 2007")

Ziel: Steigerung des Wettbewerbs zwischen den GKVen und den Leistungserbringern.

Die weiteren Inhalte werden weiter unten im Rahmen des Gesundheitsfonds besprochen.

2007

Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG)

Einführung der Teilzulassung (zeitliche Einschränkung des Versorgungsauftrags möglich); Vertragsärzte können gleichzeitig im KH angestellt sein; Erleichterte Einrichtung von Zweigpraxen; Verlängerung der Anschubfinanzierung bei der integrierten Versorgung; Abschaffung des Vergütungsabschlag für privatärztliche und privatzahnärztliche Leistungen sowie für Leistungen freiberuflicher Hebammen; Verschiebung der Einführung der direkten Morbiditätsorientierung im Risikostrukturausgleich auf 01.01.2009

2008

Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes (KHRG)

Dieses noch nicht vom Bundestag beschlossene Gesetz (voraussichtlich Verabschiedung in 2009) sieht vor: Berücksichtigung der Tariferhöhungen 2008 / 2009 im Landesbasisfallwert, Vereinbarung von Zuschlägen für zusätzlich eingestelltes Pflegepersonal (Finanzierungsanteil durch KK wird auf 90 % begrenzt, KH-Eigenanteil 10 % je zusätzl. Pflegestelle), gesamte Ausbildungskosten sind im Ausbildungsbudget enthalten, Wegfall des Abschlags in Höhe von 0,5 % vom Rechnungsbetrag ab 01.01.2009, Einführung leistungsorientierter Investitionspauschalen, Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische / psychosomatische Einrichtungen[22]. Insgesamt geht es also wieder um Kostendämpfung. Der Entwurf wurde bereits von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG - Dachverband der Krankenhausträger in Deutschland) sowie vom GKV-Spitzenverband aus verschiedenen Gründen scharf kritisiert[23].

2009

Geltung des Gesundheitsfonds

2011

Einrichtung von Clearingstellen

Ab 1.1.2011 sollen Arbeitgeber die KV-Beträge, Beitragsnachweise und Meldungen wahlweise auch gebündelt an eine zentrale Weiterleitungsstelle entrichten bzw. leiten[24] – eine Regelung, die bei den Krankenkassen (die bisher die Beiträge einzogen) auf harsche Kritik stieß.

So gut wie alle o.g. gesetzlichen Regelungen stießen auf erhebliche Widerstände – entweder bei den Krankenkassen oder den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Krankenhausvertretern, der Pharmaindustrie, den Apothekern, Patientenverbänden, der jeweiligen Opposition oder weiten Teilen der jeweiligen Regierungspartei(en) selbst, in unterschiedlichen Konstellationen oder auch einmal alle zusammen. Ein tatsächlicher weitgehender Konsens, der von rein objektiven Sachargumenten getragen wurde, gab es bis auf Teilbereiche so gut wie nie.

Wie weiterhin zu sehen ist, herrscht im Gesundheitswesen wie kaum in einem anderen sozialrechtlichen Bereich eine wahre Regelungswut, und im Prinzip läßt sich sagen, daß es seit 2000 in fast jedem Jahr eine mehr oder weniger weit reichende "Gesundheitsreform" gegeben hat, auch wenn die meist umfangreichen rechtlichen Änderungen nicht so benannt wurden.

Insbesondere die gesetzlichen Regelungen, die während der SPD/GRÜNE-Regierungsperiode von 1998 bis 2005 ausgestaltet wurden, zeigen dabei eine durchaus neue Intensität der Ausrichtung am "ökonomischen Imperativ"[25] und an Steuerungs- und Kontraktmodellen der Wirtschaft[26] (ohne allerdings tatsächlich im Sinne eines Wirtschaftsunternehmens zu handeln, das bekanntlich vor allem die Einnahmen erhöhen, und nicht nur die Kosten dämpfen will). Von besonderer Qualität sind also jene Gesetze, die im Rahmen der Agenda 2010 (insbesondere ab 2004), aber auch später durch die Große Koalition erlassen wurden. Neben (durchaus nicht unvernünftigen) Einschränkungen des Preisdiktats der Pharmaindustrie beinhalten sie brisanten sozialen Sprengstoff, nämlich einerseits durch die Aufweichung, wenn nicht sogar offenen Aufgabe des Paritätsprinzips der gleichwertig anteiligen Aufteilung des GKV-Beitrags (durch die sukzessive Senkung und dann völlige Kostenübertragung der Leistungen für Zahnersatz und Krankengeld auf die Versicherten) und die Aufweichung des Solidaritätsprinzips, was sich insbesondere durch zwei Aspekte zeigt. Nämlich erstens durch die Einbindung von Steuermitteln in eine eigentlich durch die Solidargemeinschaft zu tragende Leistung[27] ("versicherungsfremde Leistungen" wie z.B. Leistungen bei Schwangerschaft und Entbindung[28]) und zweitens durch die immer weiter ausgebaute Eigenbeteiligung der Versicherten. Während der erste Aspekt unter rechtstechnischen Gesichtspunkten[29] eventuell als weniger bedeutsam angesehen werden könnte, so hat die Ausweitung der Zuzahlungen bzw. Leistungskürzungen sehr viel direktere Auswirkungen auf die Lebensführung und vor allem Lebensqualität und Leistungsvermögen gerade jener Personenkreise, die in besonderem Maße auf die Solidargemeinschaft angewiesen sind. Darunter fallen insbesondere chronisch Kranke, ein großer Teil der Leistungsberechtigten nach SGB II (insbesondere Alleinerziehende) und SGB XII, Pflegebedürftige sowie die große Masse der Beschäftigten, die in nicht sehr gut bezahlten, immer häufiger auch regelrecht prekären Beschäftigungsverhältnissen stehen. Es gibt zwar die Begrenzung auf 2 % bzw. 1 % (chronisch Kranke) des Bruttoentgelts pro Jahr, jedoch ist eine Argumentation mit dieser Tatsache letztendlich Augenwischerei – denn durch die Leistungskürzungen und Ausgliederung vieler Arznei-, Heil- und Hilfsmittel oder durch die Selbstbeteiligung an diesen entstehen den genannten Personenkreisen Kosten, die häufig notwendig (z.B. Inhalationen bei Asthmakranken), aber eben nicht auf den maximalen Belastungsbetrag pro Jahr anrechenbar sind. Auch ohne eine besondere Beweisführung kann wohl die Behauptung aufgestellt werden, daß selbst geringe Zuzahlung und Selbstbeteiligungen bei niedrigstufigen Einkommensgruppen stärkere Auswirkungen haben als bei Einkommensgruppen höherer Stufen; oder anders ausgedrückt: Fünf Euro haben für einen Rentner, der auf Grundsicherungsleistungen nach SGB XII angewiesen ist, sowohl einen anderen subjektiven als auch objektiven Wert und eine andere Bedeutung als 50,- EUR bei einem gut verdienenden Angestellten.

[...]


[1] Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung

[2] Vgl. dazu Statistisches Bundesamt / Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Datenreport 2008, 2008: 237

[3] Sicherlich auch im Hinblick auf die Erfahrungen der 1970er Jahre, in denen die Beitragssätze zur GKV innerhalb weniger Jahre von 8,2 % auf 11,3 % rasant anstiegen

[4] Vgl. Bayer-Helms et al. in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Übersicht über das Sozialrecht, 2008: 132

[5] Ebd.

[6] KVEG - Gesetz zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung

[7] KHKG - Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze

[8] U.A.: Änderung der Reichsversicherungsordnung, Änderung des Angestelltenversicherungsgesetzes, Änderung des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte, Änderung des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation, Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, Änderung des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes

[9] Vgl. Bayer-Helms et al. in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Übersicht über das Sozialrecht, 2008: 132

[10] Für Krankenhäuser nunmehr die Möglichkeit einer flexiblen Budgetierung mit Gewinn- und Verlustmöglichkeiten. Mit den Pflegesätzen werden die Kosten der stationären Versorgung weiterhin pauschal abgedeckt

[11] In Kraft getreten am 01.01.1989

[12] Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen

[13] Zuvor fanden sich die krankversicherungsrechtlichen Regelungen im 2. Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO)

[14] Ein recht irreführender Begriff, denn es wurden ja weder die Gesundheit an sich noch bestimmte Bedingungen zu ihrer Erhaltung (z.B. durch Umweltschutz oder Arbeitsbedingungen) geändert bzw. "reformiert", sondern im wesentlichen Finanzierungsfragen. Es handelt sich also eher um eine Art Schlagwort, um Kürzungen im Gesundheitswesen verbal positiv zu besetzen

[15] Vgl. Bayer-Helms et al. in: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Übersicht über das Sozialrecht, 2008: 133

[16] Initiiert von der CDU/FDP im Rahmen des sog. "Sparpakets" 1996

[17] Absenkung von 80 % auf 70 % des Bruttoentgelts und maximal 90 % des Nettoentgelts

[18] Vgl. die Pressemitteilung Nr. 99/2005 vom 13. Oktober 2005 des Bundesverfassungsgerichts zum Beschluß vom 13. September 2005 - 2 BvF 2/03 -

[19] Genaue Auflistung in der jeweils gültigen Fallpauschalenverordnung (KFPV). Die KFPV wurde mehrfach als Ersatzvornahmen durch nicht durch die Selbstverwaltung zustande gekommenen Regelungen ergänzt und geändert, so in 2002, zweimal in 2003, 2004 und zweimal in 2005

[20] Widersinnigerweise finanziert durch eine Erhöhung der Tabaksteuer

[21] Die Ausführung als Kann-Vorschrift zeigt m.E. deutlich, daß es hier nicht nur um Kostendämpfung, sondern auch um Defizitreduzierung seitens der GKVen geht (deren Schulden 2003 ca. 6 Milliarden EUR betrugen)

[22] Vgl. Übersicht über die Inhalte (Auszüge) des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes - KHRG BT-Drucksache 16/11429

[23] Vgl. DKG zur Beratung und Verabschiedung des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes (KHRG) im Deutschen Bundestag unter http://www.dkgev.de/dkg.php/cat/38/aid/5581/title/DKG_zur_Beratung_und_Verabschiedung_des_Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes_%28KHRG%29_im_Deutschen_Bundestag sowie Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes vom 19.11.2008 zum Entwurf des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes (KHRG) vom 24.09.2008 unter https://www.gkv-spitzenverband.de/upload/081119_Stellungnahme_GKV-SV_KHRG_endg__3751.pdf

[24] Vgl. § 252 Abs. 2 SGB V und §§ 5, 6, 6a Verordnung über die Berechnung, Zahlung, Weiterleitung, Abrechnung und Prüfung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages (Beitragsverfahrensverordnung - BVV)

[25] Und folgte damit weitestgehend den Empfehlungen des Sachverständigenrats "Schlanker Staat", die noch 1997, also während der Unions-Regierungsperiode, ausgesprochen wurden und sich im wesentlichen auf Deregulierung, Privatisierung staatl. Aufgaben, Flexibilisierung des Haushaltswesen sowie Effektivitäts- und Effizienzsteigerung bezogen. Vgl. Sachverständigenrat "Schlanker Staat", Abschlußbericht Band 1 1997

[26] Weshalb das 1999 in Kraft getretene GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz (GKV-SolG) durchaus als eine Art nachträgliches "Wahlgeschenk" zur Imagepflege angesehen werden kann

[27] Da der zweitgrößte Anteil an den durch den Staat eingenommenen Steuern die Lohnsteuer beträgt, und diese vorrangig durch jene Personen aufgebracht werden, die der GKV zuzuordnen sind, finanzieren dies die GKV-Versicherten also über ihren Steueranteil zu einem guten Teil selbst

[28] Genaue Regelung und Auflistung versicherungsfremder Leistungen in der Pauschal-Abgeltungsverordnung (PauschAV)

[29] "Schwangerschaft ist keine Krankheit"; dennoch muß eine möglicherweise notwendige Erstversorgung gewährleistet sein und auch in Anspruch genommen werden können, was durchaus medizinischen Leistungen und somit dem Leistungskatalog der GKVen sowie der Krankenhausgesetzgebung entspricht; in auffälliger Diskrepanz erschiene ansonsten die Tatsache, daß den Krankenkassen mit der Einführung des Gesundheitsfonds pro schwangerer Versicherter (hierarchisierte Morbiditätsgruppe HMG 146) zusätzlich zum Grundbetrag ein Betrag von 92,5773 EUR aus den Bundesmitteln des Fonds gewährt wird

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Der Gesundheitsfonds
Untertitel
Sinn und Unsinn der Gesundheitsreform 2007
Hochschule
Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe
Veranstaltung
M1 LV 03 im Studiengang Management in sozialwirtschaftlichen und diakonischen Organisationen
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
28
Katalognummer
V122500
ISBN (eBook)
9783640278688
ISBN (Buch)
9783640282760
Dateigröße
597 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesundheitsfonds, Studiengang, Management, Organisationen
Arbeit zitieren
Dipl.-Sozialarbeiter (FH), Dipl.-Sozialpädagoge (FH) Uwe Janatzek (Autor:in), 2009, Der Gesundheitsfonds, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122500

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