Die Ära Karls des Großen

Leben und Wirken des "Pater Europae"


Seminararbeit, 2008

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. DIE ANFÄNGE KARLS
2.1. DIE EROBERUNG DES LANGOBARDENREICHES UND DAS VERHÄLTNIS VON KARL DEM GROßEN ZU PAPST HADRIAN I.

3. DIE ABRUNDUNG DES FRÄNKISCHEN GROßREICHS
3.1. DIE CHRISTIANISIERUNG DER SACHSEN
3.2. WEITERE FELDZÜGE UND UNTERWERFUNGEN
3.2.1. RIEG GEGEN DIE SARAZENEN
3.2.2. DIE ELBSLAWEN
3.2.3. DER AWARENKRIEG

4. DIE REFORM VON REICH UND KIRCHE
4.1. STRUKTURWANDEL IN RELIGIÖSER KULTUR UND FRÖMMIGKEIT
4.2. DIE KAROLINGISCHE RENAISSANCE
4.3. THEOLOGISCHE DISKUSSIONEN UNTER DER HERRSCHAFT KARLS DES GROßEN
4.3.1. DER BILDERSTREIT UND DIE KAROLINGISCHEN BÜCHER
4.3.2. ADOPTIANISMUS
4.3.3. DAS FILIOQUE

5. VOM REGNUM FRANCORUM ZUM IMPERIUM CHRISTIANUM
5.1. KARL DER GROßE UND PAPST LEO III
5.2. KAISER WIDER WILLEN?

6. ZUSAMMENFASSUNG

7. LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

Diese Arbeit handelt von Karl dem Großen als Kirchenreformer, als Herrscher mit theokratischen Zügen, als Missionar im Auftrag der Christenheit und in unmittelbarer Verantwortung vor Gott, vor allem aber als Vater Europas, dessen Erbe auch heute noch mit unverminderter Intensität Diskussionsstoff liefert. Der alte Anspruch eines Imperiums nach römischem Vorbild und seine Umsetzung in Zusammenhalt und Würde einer geschlossenen Christenheit, das erste Entstehen einer kulturellen Blütezeit im diesbezüglich vormals dunklen Abendland, aber auch die den Kreuzzuggedanken vorwegnehmende Ausbreitung des neu erwachsenden Reiches unter christlichem Banner sind Aspekte des Lebens eines Kaisers, das streitbarer kaum gewesen sein könnte. In einer Zeit, in der die Identitätsfrage wieder laut gestellt und von öffentlich-rechtlichen Rundfunkmedien in zehn Teile zerschnitten durch den Äther verschickt wird[1], will diese Proseminararbeit auch einen Beitrag zur kritischen Bewusstwerdung von vergangenheitsbedürftiger Zukunft, zu Fragen nach Herkunft und zur Thematik des kulturellen Ursprungs liefern. Was sind Gründe dafür, dass Kirche und Staat einmal weniger scharfen Trennungen unterworfen waren, dass das damalige Frankenreich als Wiege fast des gesamten heutigen, kontinentaleuropäischen Wirtschafts- und Kulturraumes zu verstehen ist, dass es überhaupt eine endgültige Unterscheidung zwischen den zwei Reichen des zerbrochenen Roms der Kaiserzeit gab, die in mannigfacher Hinsicht heute noch vor Augen tritt? Was mag der maßgebliche Hintergrund des Wirkens und Selbstverständnisses des von seinen Nachfolgern auf dem Kaiserthron unerreichten Kaisers des Abendlandes Karl dem Großen sein, worin besteht sein Verdienst, was zeichnet seine Ära vor anderen aus? Mit dieser Arbeit nun sollen unter anderem die aufgezeigten Punkte anhand gängiger Kirchengeschichtshandbücher im Rahmen des Amtsantritts Papst Stephans III. und der auf die Kaiserkrönung folgenden Jahre beleuchtet werden.

2. Die Anfänge Karls

Der Vater, Pippin der Jüngere, hinterließ ein im Aufstreben inbegriffenes Königreich, das sich zunächst auch dadurch auszeichnete, dem Patrimonium Petri mit seinen Wirren sowohl bis in das Jahr 768 hinein – dem Jahr der Wahl Stephans III. zum Inhaber des Stuhles Petri, „der endlich allgemeine Anerkennung fand“[2] – als auch fortan eine gewisse Souveränität entgegenzusetzen und teilte dieses Erbe der bis dahin und in den folgenden Generationen üblichen Praxis entsprechend auf seine beiden Söhne Karlmann und Karl auf. Nahezu biblisch mutet nun an[3], dass es zu einem Bruderstreit kam, den sich ausgerechnet die Königinmutter Bertrada zu lösen anschickte. Als alle Ausgleichsversuche scheiterten, vermählte sich der keine 23 Jahre junge Karl auf Initiative der Mutter und zum Unwillen des amtierenden Papstes[4] im Jahre 770 mit der langobardischen Königstochter und schloss so ein instabiles Bündnis gegen den Bruder mit einem Reich, das seine schützenden Hände mit zielstrebigen Fingern über Rom auszustrecken begann. Doch auch dieses Verhältnis fiel dem politischen Kalkül der Karolinger zum Opfer: Innerfamiliäre Streitigkeiten wurden einstweilen beiseite gelegt und endeten 771 mit dem Tod des jüngeren Bruders auf natürliche Weise; es kam zum Bruch mit dem einstigen Bundesgenossen, Karl annullierte seine Ehe und sah sich mit neuen Feinden und einem Krieg vor der Haustür konfrontiert[5].

2.1. Die Eroberung des Langobardenreiches und das Verhältnis von Karl dem Großen zu Papst Hadrian I.

War der höchste Bischofssitz noch bis 772 in unruhiger Amtszeit von Wankelmut gezeichnet, so stand für den neuen Papst Hadrian I. außer Frage, welcher Macht aus dem Viergespann von römischen Adelsparteien, Franken, Langobarden und Byzantinern die höchste Priorität zukommen müsse. Nachdem Hadrian den König dazu aufforderte, dem auf Rom marschierenden Desiderius im Sinne der Verteidigung des Papsttums die Stirn zu bieten, entschloss sich Karl „nach dem Scheitern aller diplomatischen Demarchen“[6] zum Aufgebot seiner militärischen Mittel, begab sich in eine neunmonatige Belagerung der langobardischen Hauptstadt Pavia und veranschaulichte mit ihrem Fall eine klare, abendländische Hierarchie. Kurz vor der Eroberung Pavias willigte er dem Papst gegenüber in ein zweites Versprechen ad instar anterioris der noch unter seinem Vater verfassten und nun eindeutig als Schenkungsversprechen aufgefassten Promissio von Quierzy ein und bezeichnete sich schließlich Anfang Juni 774 als König der Franken und Langobarden. Schon auf einer Pilgerreise Karls des Großen nach Rom im gleichen Jahr wurde anhand des königlichen Empfanges von Papst und Militäradel mit Feldzeichen deutlich, was man sich von einer Bindung an den Großkönig versprach. Dieser bestätigte nach jahrelangem Bangen des Papstes im Jahre 781 anlässlich eines erneuten Besuches zum Osterfest das Bündnis zwischen Frankenkönig und Papst – es mag von daher nicht wundernehmen, dass im gleichen Jahr die Datierung päpstlicher Urkunden fortan anstelle des byzantinischen Kaisernamens den des Frankenkönigs berücksichtigte[7]. Man kann sich auch die Großzügigkeit Karls wohl so erklären, dass die Befürchtung eines fortbestehenden Langobardenreiches ihn zur Unterstützung eines Kirchenstaates – mit der Funktion eines eventuellen Gegengewichtes zu eben diesem – nötigte[8]. Rex Francorum et Langobardorum atque Patricius Romanorum[9] Karl war sich allerdings all der Privilegien seines neuen Titels bewusst und trug maßgeblich zur Verzweiflung des Papstes bei, mischte sich doch sein Eigeninteresse zu sehr noch in die dem Papst geschenkten Lande. War Italien für Hadrian das Herzstück jeder denkbaren Politik, so ließ sich Karl nunmehr dazu herab, es als einen Schauplatz unter vielen zu betrachten und dem in Autoritätsfragen Hadernden nicht die von ihm in allem Ausmaß erwünschte Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. „Der Papst begrub den Traum eines großen Kirchenstaates“[10], nachdem auch ein vorgehaltenes Beispiel der Konstantinischen Schenkungen im Winde verwehte, und fügte sich letztlich in seine Rolle, dem neuen Schirmherrn auch in militärischen Unternehmungen, etwa gegen den Souveränität beanspruchenden Bayernherzog Tassilo, auch im Vorfeld schon seinen Segen zu erteilen und sich sowohl in wirtschaftlichen wie in kirchlichen Angelegenheiten zu fügen, wenn nicht zu rechtfertigen[11]. Wohl war er sich seines Unvermögens bewusst, einem eifernden und durchsetzungsfähigen Fürsten vom Schlage Karls etwas entgegenzusetzen. Wenn dieser aber auf der anderen Seite dem 795 verstorbenen Papst eine Grabinschrift[12] setzten ließ, die nicht weniger als ein Vater-Sohn-Verhältnis ausdrückt, so kann man darin neben der selbstverständlichen Ehrerbietung und der einem Papst gebührenden Referenz auch einen Ausdruck von Achtung erkennen, der über das Maß politischer Überlegungen hinausgeht und weder Hadrians Vorgänger noch Nachfolger zuteil wurde[13].

3. Die Abrundung des Fränkischen Großreichs

Nachdem der karolingische Anspruch in seiner absehbaren Größe durch die Unterwerfung des Langobardenreiches und die nahezu bedingungslose Unterordnung des Papstes samt Kirchenstaat allmählich Form anzunehmen begann, widmete sich Karl nach einer Vereinigung der beiden fränkischen Teilreiche dem wohl schon lange Zeit ein Herzensanliegen darstellenden Schwerpunkt der kirchlichen und politischen Einbeziehung der noch auf Unabhängigkeit beharrenden Sachsen, mit denen man schon seit Jahrhunderten im Krieg stand. Parallel dazu fand auch die Integration anderer angrenzender Stämme und langjähriger Feinde Berücksichtigung; aus dem Frankenreich von einst wurde ein mehr oder minder geschlossener Vielvölkerstaat, der seinesgleichen nur im Vorbild der antiken Kaiserzeit zu finden vermochte.

3.1. Die Christianisierung der Sachsen

Die Jahre 772 und 775 sind hier wahlweise als Ausgangspunkte für die angestrebte Expansionspolitik anzusehen; volle Konzentration auf die neuen Aufgabenfelder im zu erschließenden Reich konnte sich Karl letztlich wohl erst nach der Rückkehr aus Italien, also nach 774, erlauben. Noch im Jahre 772 nahm Karl die Eresburg ein und zerstörte als Antwort auf die Verwüstung einer Kirche[14] die Irminsul[15]. Die auf den Italienzug folgenden Jahre zeitigten eine scheinbar baldige Beendigung des Vorhabens: schon 776 unterwarfen sich die Sachsen bei Lippspringe, ein Jahr darauf wurden die neuen Verhältnisse auf dem ersten sächsischen Reichstag im zur Pfalz ausgebauten Paderborn feierlich ratifiziert. Nun fühlte sich der Großkönig in seiner Verantwortung als Pädagoge angesprochen, musste er doch dem göttlichen Auftrag, alle Völker zu Jüngern zu machen[16], gerecht werden. Nichts eignete sich in seinen Augen und augenscheinlich dem damaligen Verständnis entsprechend besser, als ein im Jahre 782 erlassener Strafenkatalog – offiziell mit dem Titel Capitulatio de partibus Saxoniae versehen und von L. Halphen nicht milder als mit der „Annahme des Christentums oder Tod“ - Formel paraphrasiert[17]. Immerhin gilt es zu beachten, dass dem König an deckungsgleichem Gehorsam ihm selbst wie Gott gegenüber gelegen war. Betrachtet man eine Gesellschaft, in der der timor dei den amor dei, ähnlich wie im Alten Testament, an Bedeutung überragte, so ergibt sich ein verständlicheres Bild dieses Ungleichgewichts zwischen Vergehen und Vergeltung auch vor dem Hintergrund mangelnden Unterscheidungswillens zwischen Ethos und Ritus. Verweigerung der Taufe, Gewalttaten gegen Kleriker und Christen, selbst kleinste Missachtungen etwa der Fastengesetze oder Zehnt-Regelungen führten zur Todesstrafe und so auf kurz oder lang zwangsläufig zu erneuten Aufständen der hiesigen Bevölkerung, die nicht zuletzt die Vernichtung eines fränkischen Heeres am Süntel[18] zur Folge hatten. Erneute Eindämmung und das abschreckende „Blutgericht“ bei Verden an der Aller im Herbst 782, bei dem den Reichsannalen zufolge 4500[19] Sachsenfürsten hingerichtet worden sein sollen, war die königliche Antwort. Ungeahnt heftig brach daraufhin die zweite Phase des Sachsenkrieges los – erst mit Unterwerfung und Taufe des Aufrührers Widukind im Jahre 785 bei Attigny[20] und den im ganzen Land angeordneten Dankgebeten ließ sich ein siebenjähriger Frieden herstellen. In den Jahren 794 bis 797 sah sich Karl zu abermaligem Eingreifen gezwungen, da die Sachsen kurz zuvor die Situation des im Awarenkrieges eingebunden Königs als für neuerliche Aufstände günstig betrachteten. Es kam zu einem weiteren Gewaltakt des Großkönigs, der Deportation zahlreicher Sachsen in das Innere des Reiches. Das südliche Sachsen war nun befriedet, allein „die nördlichen Gaue verharrten im Aufstand“[21]. Erst mit Erlass des milderen Capitulare Saxonicum – ihm zufolge war Buße zumindest eine Alternative zu Todesstrafe – und der Einsetzung sächsischer Grafen in die von ihm geschaffenen Grafschaften konsolidierten sich die Verhältnisse allmählich[22], 804 war das Land endgültig befriedet.

[...]


[1] Vgl. Guido Knopps „Die Deutschen“; zehnteilige Dokumentation, ausgestrahlt im ZDF vom 26. 10. bis zum 25. 11.

[2] Gert HAENDLER: Die lateinische Kirche im Zeitalter der Karolinger, S. 68.

[3] Man beachte allerdings die Geburtsdaten der Brüder (Karl *747, Karlmann *751).

[4] Vgl. Haendler, ebd.

[5] Vgl. Eugen EWIG: Das Zeitalter Karls des Großen (768–814), S. 65.

[6] Pierre RICHÉ: Das Christentum im karolingischen Reich (Mitte 8. bis Ende 9. Jahrhundert), S. 706.

[7] Harald ZIMMERMANN: Die Kirche im Zeitalter der Karolinger und Ottonen, S. 36; vgl. aber dazu Ewig S. 68 mit Schwerpunkt auf einer mit Karl abgesprochenen Ablösung von Byzanz.

[8] Nach Riché, ebd.

[9] Bezeichnung Karls seit der Unterwerfung des Langobardenkönigs Desiderius am 5. Juni 774.

[10] Ewig, S. 70.

[11] Vgl. Haendler, S.70f.

[12] „Unsere Namen vereine ich in dieser Grabschrift: Hadrian und Karl, ich der König, du der Vater.“

[13] Vgl. dazu auch Riché, S. 708.

[14] Nach Haendler, S. 99.

[15] (Säule des Irmin) - ein in Form eines Stammes oder einer Säule als Stütze des Himmelsgewölbes verehrtes Kultbild.

[16] Vgl. den Missionsbefehl Mt 28, 16-20.

[17] Dies und folgender Abschnitt nach Ewig, S. 73ff.

[18] Nach Riché, S. 724.

[19] Man mag diese Zahl wohl symbolisch als eine besonders große Zahl auffassen und sie wie andere mittelalterliche Zahlenangaben nicht überbewerten.

[20] Nach Riché, S. 724.

[21] Ewig, S. 80.

[22] Nach Riché, S. 725f.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Ära Karls des Großen
Untertitel
Leben und Wirken des "Pater Europae"
Hochschule
Universität Leipzig  (Theologische Fakutät / Institut für Kirchengeschichte)
Veranstaltung
Proseminar Kirchengeschichte
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V122435
ISBN (eBook)
9783640276653
ISBN (Buch)
9783640278015
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karl, Große, Ära, pater europae, Karl der Große, Karls des Großen, Karl dem Großen, Karolinger
Arbeit zitieren
stud. theol. Ferenc Herzig (Autor:in), 2008, Die Ära Karls des Großen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122435

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