Die Erklärungslücke

Nagel - Jackson - Levine


Hausarbeit, 2007

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Thomas Nagel: „What it is like to be a bat“

3. Frank Jackson
3.1 Das Argument des unvollständigen Wissens
3.2 Epiphänomenalismus

4. Joseph Levine: Die Erklärungslücke

5. Kann die Erklärungslücke geschlossen werden?
5.1 Repräsentationalismus
5.2 Eliminativer Materialismus

6. Schlussbemerkungen

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Wendung von der Erklärungslücke (explanatory gap) wurde zwar 1983 von Joseph Levine in seinem Aufsatz „Materialism and Qualia: The Explanatory Gap“ geprägt, doch ist die Problematik keine neuartige. Der Frage, wie es möglich sein kann, aus neuronalen, also funktionalen Zuständen zu verstehen, wie es ist, subjektive phänomenale Zustände zu erleben, gingen bereits vor Levine verschiedene Philosophen nach. Vertreter der These von der Erklärungslücke halten es für unplausibel, dass phänomenales Erleben ausgehend von neuronalen Prozessen erklärt werden kann. In dieser Ausarbeitung sollen verschiedene Argumente zur Erklärungslücke beleuchtet werden, die sich der epistemischen Frage annähern, wie sich physikalisches Wissen beispielsweise der Neurowissenschaften und das Wissen beziehungsweise unsere Vorstellungen über phänomenales Bewusstsein zueinander verhalten.

Besondere Beachtung werden im Folgenden drei Argumente finden: Zunächst betrachte ich Thomas Nagels „What is it like to be a bat“-Argument, das Argument des unvollständigen Wissens und das der Epiphänomene von Frank Jackson. Beide Philosophen vertreten den Standpunkt, dass physikalische Fakten nicht ausreichen zur Erklärung phänomenalen Erlebens.

Joseph Levines „Erklärungslücken“-Argument verweist eher auf einen epistemologischen Zusammenhang. Levine hält es aufgrund der Beschränkungen unseres Erkenntnisvermögens prinzipiell für unmöglich, dass wir die genannte Erklärung jemals verstehen können.

Die Argumente sollen zunächst dargestellt, kritisch reflektiert und dann zu einer Aussicht hin entwickelt werden. Ich möchte betonen, dass mir durchaus bewusst ist, dass ich der umfangreichen Thematik nicht gerecht werden kann. Das liegt zum einen an der Materialfülle und dem begrenzten Ausmaß dieser Arbeit, zum anderen aber auch an den erheblichen Implikationen der zahlreichen Argumente und Gegenargumente für verschiedene Disziplinen und Fragestellungen. Ich werde also meinen Fokus auf die bekanntesten Argumente richten und diese miteinander in Beziehung stellen.

2. Thomas Nagel: „What it is like to be a bat“

In diesem 1974 erschienen, richtungweisenden Artikel versucht Nagel einem reduktionistischen Physikalismus in Bezug auf phänomenales Bewusstsein entgegen zutreten, in dem er den Unterschied zwischen phänomenalem und physikalischem Wissen herausarbeitet1. Am Beispiel der Unmöglichkeit, sich vorstellen zu können, wie es ist, eine Fledermaus zu sein2, zeigt Nagel auf, dass der Physikalismus nicht ausreicht, um mentale Phänomene zu erklären. Das Argument entwickelt sich wie folgt: Zunächst stellt Nagel fest, dass sich der Charakter phänomenaler Zustände dadurch auszeichnet, dass es irgendwie ist, in diesem Zustand zu sein. Mentale Zustände weisen also einen Erlebnischarakter auf, der zudem grundsätzlich an eine subjektive Innenperspektive geknüpft ist. Das Wissen, wie es ist, in einem bestimmten Zustand zu sein, versteht Nagel als ein Wissen von Fakten. Im Gegensatz zum subjektiven Standpunkt phänomenalen Erlebens lässt sich physikalisches Wissen als objektiv bezeichnen, es kann also von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet werden. Dies führt zu der Konklusion, dass sich geistige Phänomene aufgrund ihres essentiell subjektiven Charakters nicht mittels funktionaler und somit reduktiver Theorien erfassen lassen. Die Unvereinbarkeit der Perspektiven der ersten und der dritten Person erzeugt eine Kluft, die Nagel zwar nicht Erklärungslücke nennt, aber als „logically unbridgeable“3 definiert.

Nagels Argument fußt auf dem Beispiel des Bewusstseins von Fledermäusen. Da sich unsere Sinneswahrnehmung grundlegend von der der Fledermaus unterscheidet, geht Nagel davon aus, dass dieser Unterschied auch im phänomenalen Erleben zu finden ist. Daher stellt sich die Frage, ob es für Menschen überhaupt vorstellbar ist, eine Fledermaus zu sein. Selbst wenn wir uns Mühe geben, unsere Erfahrungen auf die der Fledermaus zu übertragen, werden wir nicht lernen, wie es für eine Fledermaus ist, eine Fledermaus zu sein, sondern im besten Fallen erleben, wie es für uns selber ist, (wie) eine Fledermaus zu sein, da unsere menschliche Perspektive bestehen bleibt. Dasselbe gilt, auch wenn sich eine Person allmählich in eine Fledermaus verwandeln würde. Erst wenn sie vollständig zu einer solchen geworden wäre, wüsste sie, wie es ist, eine Fledermaus zu sein. Wie ließe sich nun laut Nagel die genannte Kluft in den Erklärungsversuchen von mentalen Zuständen mittels des Physikalismus schließen? Zunächst einmal behauptet Nagel weder, dass es generell unmöglich sei, subjektive, mentale Zustände mit objektiven, naturwissenschaftlichen Theorien und Methoden zu erklären, noch erklärt er den Physikalismus für falsch. Eine monistische Position wäre also weiterhin prinzipiell möglich, wenn auch unverstanden. Nagel sieht lediglich momentan kein geeignetes Konzept, wie eine physikalische Reduktion möglich sein könnte. Wir können uns nicht einmal vorstellen wie eine objektive Methode aussehen könnte, die subjektives Erleben erklären kann, weil wir auch nicht genau definieren können, was sie damit erklären soll.

Nagel fordert, weiter an dieser Frage zu arbeiten, neue Begriffe für phänomenale Zustände zu entwickeln und dabei eine „objektive Phänomenologie“4 zu entwerfen, die dann als Basis dienen kann, aus der man phänomenale Zustände herleiten und erklären kann. Durch die Zunahme von Objektivität ließen sich die Zusammenhänge von Mentalem und Physikalischem deutlicher erkennen. Diese optimistische Forderung scheint, als fordere Nagel etwas, dass er zuvor für unmöglich erklärt hat. Die Kritik an Nagels Argumentation lässt sich an verschiedenen Punkten festmachen.

Sein Argument unter anderem dahingehend angreifbar, dass der entworfene Kontrast zwischen der Objektivität der Naturwissenschaften und der Subjektivität des phänomenalen Erlebens zu streng gezeichnet wird. Denn einerseits können auch Naturwissenschaften perspektivisch ausgelegt sein, andererseits lassen sich in Bezug auf die Darstellbarkeit von Vorgängen des phänomenalen Bewusstseins durch naturwissenschaftliche Methoden zunehmend Fortschritte erkennen.5

3. Frank Jackson

3.1 Das Argument des unvollständigen Wissens

Auch das Argument des unvollständigen Wissens (oder Knowledge-Argument) stellt den Physikalismus in Frage, da Jackson wie Nagel eine alles umfassende Erklärbarkeit phänomenalen Bewusstseins durch naturwissenschaftliche Theorien anzweifelt.

Zur Unterstützung seiner These führt Jackson zwei Gedankenexperimente an, in denen er mittels Intuitionen zu zeigen versucht, dass unsere Wahrnehmungen und der mit ihnen verbundene qualitative Erlebnisgehalt sich nicht auf physikalische Prozesse reduzieren lassen. Denn da der Physikalismus laut Jackson behauptet, dass alle Tatsachen physikalische Tatsachen sind, müssen sich nur nicht-physikalische Tatsachen finden, um zu beweisen, dass der Physikalismus falsch ist.

a) Farbtalent Fred

Jackson stellt uns Fred vor, der die besondere Begabung aufweist, Farben besser und genauer diskriminieren zu können als Normalsehende. Doch auch wenn wir alle physikalischen Informationen über Freds Wahrnehmung gesammelt haben, können wir nicht verstehen, wie es ist, diese Begabung zu haben. Es gibt also nach Jackson Informationen (und Jackson versteht die mentalen Zustände, Farben exakter unterscheiden zu können, als Informationen), die sich nicht durch den Physikalismus greifen lassen, weshalb dieser falsch sein muss.

b) Wissenschaftsgenie Mary

Ein weiteres Gedankenspiel zeigt uns Mary, eine Expertin auf dem Gebiet der Farbwahrnehmung, die alles physikalische Wissen über die Physiologie der Farbwahrnehmung aufweist. Allerdings lebt sie von Geburt an in einer ausschließlich schwarz-weißen Umgebung, so dass sie selber noch keine Wahrnehmung von Farben erlebt hat, sie sieht die Welt nur in Grauschattierungen zwischen Schwarz und Weiß. Jackson behauptet nun intuitiv, dass Mary bei einer Freilassung in die bunte, farbige Außenwelt neue Informationen über die Farbwahrnehmung dazu gewinnt. Sie lernt also etwas Neues, wenn sie erlebt, wie es überhaupt ist, Farben zu sehen. Demnach gibt es nicht-physikalische Informationen über Farbwahrnehmung, das physikalische Wissen ist unvollständig und der Physikalismus damit falsch.

[...]


1 Der Aufsatz erschien in einer wissenschaftlichen und philosophischen Phase, in der durch die erstaunlichen Fortschritte in den Kognitionswissenschaften ein zunehmender Reduktionismus festzustellen war.

2 Wir können uns nämlich lediglich vorstellen, wie es für uns ist, eine Fledermaus zu sein, aber nicht, wie es für die Fledermaus ist, eine solche zu sein.

3 Nagel, 1979, S. 189.

4 Nagel 2006, S. 76.

5 z.B. auf dem Gebiet der Emotionspsychologie, vgl. Pauen 2001, S.178.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Erklärungslücke
Untertitel
Nagel - Jackson - Levine
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Philosophie)
Veranstaltung
Philosophie des Geistes 06/07
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
17
Katalognummer
V122317
ISBN (eBook)
9783640274956
ISBN (Buch)
9783640275144
Dateigröße
421 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erklärungslücke, Philosophie, Geistes
Arbeit zitieren
Anna Jäger (Autor:in), 2007, Die Erklärungslücke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122317

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