Der Hortfund von Frankleben

Ein Sichelmassenhort im chronologischen und geographischen Kontext sowie seine Bedeutung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Der Hort von Frankleben
a. Fundumstände
b. Befunde
c. Aussagen zur Vollständigkeit und Datierung

III. Die Sicheln vom Fundplatz Frankleben
a. Definition
b. Daten
c. Sichelmarken
1. Gussmarken
2. Basis- und Winkelmarken
3. Interpretation
d. weitere Markensicheltypen

IV. Der Hort im geographischen und chronologischen Kontext
a. Definition „Hort“
b. Sichelmassenhorte in der Region „mittlere Saale“ (Knopfsicheln Typus Frankleben)
1. Ermlitz-Oberthau
2. Schkopau
3. Braunsbedra
4. Dornburg
c. Chronologie und geographische Verbreitung (Knopfsicheln Typus Frankleben)

V. Interpretation
a. Zur Funktion von Horten und ihre Deutungsmöglichkeiten
1. profane Deutungsansätze
2. rituelle Deutungsansätze
3. Deutung der Massensichelhorte vom Typus Frankleben

VI. Zusammenfassung

VII. Quellen und Literatur

VIII. Abbildungen

I. Einleitung

Der Sichelmassenhort von Frankleben zählt, in Bezug auf seine Masse, mit einem Gewicht von etwa 45 Kilogramm zu den größten Hortfunden Mitteleuropas. Seine Entdeckung und Bergung im Sommer 1946 machte Frankleben zum eponymen Fundort für einen Typus von Sicheln, der sich durch seine Sichelmarken auszeichnet und seine Verbreitung in mehreren Sichelmassenhorten und in Horten allgemein im mittleren Saalegebiet hat.

Das Gebiet im Bereich der Saale ist reich an Hortfunden, die sich chronologisch über die gesamte Bandbreite der Bronzezeit erstrecken. In dieser Arbeit soll der Fund von Frankleben vorgestellt werden und auf die Bedeutung des Sicheltypus Frankleben eingegangen werden. Dabei werden die Sichelmarken und ihre potentielle Bedeutung besonders zu betrachten sein. Ferner werden weitere Sichelhorte aus dem Bereich der mittleren Saale vorgestellt, die ein Gesamtbild erschließen sollen. Daran soll gezeigt werden, dass der Sichelhort von Frankleben nicht für sich alleine steht, sondern sich in eine einzigartige Fundlandschaft integrieren lässt, deren aufgeworfene Fragen noch immer nicht in ihrer Gesamtheit beantwortet werden können.

Ferner soll auf die Frage der Deponierungsgründe eingegangen und rituelle sowie profane Optionen in Augenschein genommen werden. Dabei soll die Bedeutung der Sichel an sich ebenfalls betrachtet werden, insbesondere unter den Aspekten der Sichel als Mondsymbol aufgrund ihrer Form und der daraus resultierenden Annahme einer Symbiose zwischen Arbeitsgerät und Symbol für Fruchtbarkeit sowie einer möglichen Funktion als Wertmesser – als „Gerätegeld Sichel“, wie Christoph Sommerfeld schon als Titel seiner umfangreichen Arbeit gewählt hat.

II. Der Hort von Frankleben

a. Fundumstände

Die Entdeckung des Hortes von Frankleben ist, wie so oft, einem großen Zufall und dem Engagement einiger Personen zu verdanken; durch deren Aufmerksamkeit gelang es, diesen wichtigen Fund zu bergen und der Nachwelt zu erhalten[1].

Die Fundstelle befindet sich in einem ehemaligen Braunkohletagebau im Bereich der mittleren Saale, in der heute gefluteten Grube Michael Vesta zwischen Frankleben und Großkayna, in unmittelbarer Nähe zur BAB 38.[2]

Als eigentlicher Finder gilt der Baggerführer Anton Wesp. Ihm fielen im Juni 1946 mehrere metallene Gegenstände auf, als er mit seinem Kettenschaufelbagger das Depot I angerissen hatte. Er unterbrach seine Arbeit, um 17 bronzene Sicheln aufzulesen. Am 20.06.1946 erfolgte dann die erste Fundmeldung durch Herrn Dr. Teufer in seiner Eigenschaft als Mitglied der Betriebsdirektion der Grube; aufgrund dieser Meldung erfolgte zwei Tage später eine Visitation vor Ort, durchgeführt von Wilhelm Albert von Brunn.

Der genaue Fundort ließ sich, bedingt durch den fortschreitenden Abbau, nicht mehr ermitteln, jedoch relativ genau eingrenzen. Westlich der vermuteten Fundstelle fanden sich Grubenprofile, welche Scherben mit Besenstrichverzierung aufwiesen, die allerdings nicht datierbar waren. Von Depot I, welches wohl unvollständig überliefert ist, sind die schon erwähnten 17 Sicheln bekannt; es sind allerdings heute nur noch 15 Exemplare vorhanden.

Etwa zwei Wochen später, am 05.07.1946, bemerkte Anton Wesp wiederum metallene Gegenstände im Abraum seines Baggers, als er die für Depot I angenommene Fundstelle einen Meter weiter nördlich mit seinem Kettenschaufelbagger passierte. Diesmal fanden sich neben 93 bronzenen Sicheln und zwei Lappenbeilen auch noch drei Gefäßscherben, die wohl von einem Depotgefäß stammen könnten (Depot II).

Anton Wesp grub darauf hin manuell weiter noch Norden und stieß schließlich, wiederum in etwa einem Meter Abstand, auf ein doppelkonisches Gefäß, welches mit vier Steinplatten bedeckt war. Am Folgetag reiste von Brunn erneut an; in der Zwischenzeit hatten Anton Wesp und der Betriebsleiter der Grube, Herr Klett, den Fund freilegen können und photographisch dokumentiert[3]. Depot III bestand aus einem scharfkantigen Doppelkonus mit zwei Horizontalriefen über dem gekerbten Umbruch, in dem sich zum einen 132 Sicheln befanden, welche fächerförmig mit den Spitzen zur Gefäßwand gepackt waren[4] ; zum anderen enthielt der Doppelkonus 14 sich auf dem Sichelpaket befindliche Lappenbeile[5].

b. Befunde

Für die genaue Eingrenzung der Fundstellen der Depots I und II kann nur auf die Aussagen von Anton Wesp zurückgegriffen werden. Nach seinen Angaben lag die Fundstelle des Depots II etwas tiefer als die des Depots I, wobei diese etwa 40 cm tief gelegen haben soll[6]. Weiter gab er an, dass jenes Gefäß von der Fundstelle I dem der Fundstelle III ähnelte, dass die Abstände zwischen den drei Fundstellen jeweils etwa einen Meter betragen haben sollen und diese auf einer Nord – Süd ausgerichteten Achse lagen.

Die Randtiefe von Depot III wurde mit etwa 50 cm angegeben; den Doppelkonus bedeckten vier Steinplatten. Die sich in dem Gefäß befindlichen Sicheln wiesen eine hellgrüne, dicke und mehlige Patinakruste auf[7] und ließen keine Spuren von Verpackungsmaterial erkennen.

Wenige Tage nach der Auffindung wurde der Fundplatz archäologisch inspiziert; zu diesem Zweck wurde eine etwa 20 qm große Fläche abgetragen. Als Ergebnis dieser Untersuchung trat ein sowohl im Umriss als auch im Querschnitt unregelmäßiges Grubenprofil auf; jenes reichte stellenweise bis zu 60 cm unterhalb der Humussohle[8]. Der westliche, unregelmäßige Teil der Grube enthielt Scherben von verschiedener feinerer und gröberer Ware sowie Fragmente von steinernen Reibeschalen, gebranntem Ton mit Flechtwerkabdrücken sowie Splitter von Tierknochen.

c. Aussagen zur Vollständigkeit und Datierung

Die beiden Depots I und II wurden durch die Einwirkung eines Kettenschaufelbaggers hochgradig gestört bzw. zerstört; daher kann davon ausgegangen werden, dass nicht alle Bronzen vollständig geborgen worden sind. Dies trifft insbesondere auf Depot I zu.

Ferner ist anzunehmen, dass einige Bronzen in den Händen des/der Finder und Arbeiter vor Ort geblieben sind sowie einige Stücke von der Betriebsleitung als „Andenken“ verwahrt wurden[9]. Vielleicht werden diese Exemplare eines Tages ihren Weg zurück finden[10].

Heute sind somit 242 Sicheln und 16 (17) Lappenbeile bekannt; diese befinden sich fast vollständig im Magazin des LDA S/A in Halle/Saale.[11]

Die genaue Datierung erweist sich als schwierig und erfolgt am Besten über die Betrachtung des Doppelkonus und der mittelständischen Lappenbeile[12]. Von Brunn datiert den Fundkomplex, ebenso wie Sommerfeld, auf etwa 1200 v. Chr. (Mont. Per. III / Ha A1), wobei von Brunn die mittelständigen Lappenbeile als Datierungsgrundlage heranzieht[13] und Sommerfeld in erster Linie statistisch argumentiert[14]. Stoll-Tucker setzt ihn mit 1500 – 1250 v. Chr. früher an (Mont. Per. II/III / B1 – D)[15].

Erste Veröffentlichungen erschienen 1949 und 1950[16], ein ausführlicher Fundbericht erfolgte erst 1958[17].

III. Die Sicheln vom Fundplatz Frankleben

a. Definition

Die Sicheln aus Frankleben sind der Gruppe der Knopfsicheln zuzuordnen. Aufgrund ihrer besonderen Merkmale, die nun genannt werden sollen, gehören sie zum Typus Frankleben; sie sind also eponym.

Sommerfeld definiert die Sicheln vom Typus Frankleben nach der Beschreibung v. Brunns[18] als durchweg kräftige, große Knopfsicheln, die eine Sehnenlänge zwischen Spitze und Knopf von durchschnittlich 17cm aufweisen. Ihre Kontur entspricht im Stadium des Rohlings annähernd einem Kreisausschnitt, wobei Rücken und Schneide fast ausnahmslos parallel zueinander verlaufen. Die Basis ist in der Regel einziehend und bildet mit dem Rücken einen Winkel von etwa 90 Grad. Rund 75% aller Sicheln dieses Typus besitzen Guss-, Basis- oder Winkelmarken.[19]

b. Daten

Folgende Aussagen lassen sich über die Sicheln vom Fundplatz Frankleben treffen:

- Die Sicheln aus Frankleben sind in ihrer Form relativ groß. Sie sind im Durchschnitt 17 - 18,5 cm lang und 3,5 – 4 cm breit. Es finden sich seltener Sicheln mit größerer Ausdehnung; so z.B. eine Sichel mit 20 cm Länge und einige Sicheln mit einer Breite von max. 4,5 cm.[20]
- Das Gewicht der einzelnen Sicheln schwankt von 135g bis hin zu 195g; sie sind somit im Verhältnis zu anderen Sicheln des Franklebener Typus relativ schwer.[21]
- Die Sicheln liegen in unterschiedlichen Erhaltungszuständen vor. Dies ist durch mehrere Faktoren bedingt. Zu nennen wären leichte Unterschiede in der Metallzusammensetzung und die dadurch bedingten Korrosionen, leichte Differenzen in der Qualität der Herstellung sowie unterschiedliche Abnutzungsstadien. Ferner sind die Sicheln unterschiedlich stark patiniert; ursächlich dafür ist in erster Linie die Position des einzelnen Exemplars im Depotgefäß.
- Ein weiteres Merkmal ist die stark ausgeprägte Rückenrippe, die im Querschnitt am Rücken manchmal schräg, mitunter steil oder auch senkrecht ansteigt und von ein (bei 102 Sicheln) bis zwei (bei 135 Sicheln) schmalen Verstärkungsrippen begleitet wird.[22]
- Die 237 Sicheln im Eigentum des LDA S/A stammen aus insgesamt 182 verschiedenen Gussformen und gliedern sich in 91 verschiedene Typen auf, wobei 179 Sicheln Gebrauchspuren aufweisen; dagegen befinden sich 58 Sicheln im unbenutzten Zustand.[23] Das Differenzierungsmerkmal für diese Unterscheidung findet sich in der Gussnaht, die eine ungebrauchte Sichel an Stelle der Schneide besitzt.

[...]


[1] Die Schilderung der Fundumstände erfolgt in erster Linie nach den Protokollen und Aufzeichnungen aus der Ortsakte „Frankleben“ – Landesamt für Archäologie und Denkmalpflege Sachsen-Anhalt, Ortsarchiv, sowie den Beschreibungen von Brunns: W.A. v. Brunn, Der Schatz von Frankleben und die mitteldeutschen Sichelfunde. Prähist. Zeitschr. 36 (Berlin 1958), 1-8.

[2] Abb. I.

[3] Von Brunn hob die Eigeninitiative positiv hervor, besonders pries er die photographische Dokumentation durch Klett: Ortsakte „Frankleben“ und v. Brunn, 1958, 1.

[4] Abb. II / III.

[5] Die Angaben zu der Anzahl der geborgenen Sicheln und Beile schwankt für die Sicheln von 129 (Ortsakte „Frankleben“) bis zu 132 (alle Publikationen) und für die Beile von zwölf (Ortsakte „Frankleben“) bis zu vierzehn (alle Publikationen) Exemplaren. Dies erklärt sich aus dem Umstand, dass in den Bestandslisten der Ortsakte nur jene Exemplare verzeichnet wurden, welche Eigentum des LDA S/A wurden und nicht etwa jene, die sich offiziell im Privatbesitz befanden (siehe unten à Aussagen zur Vollständigkeit und Datierung).

[6] Bei der Angabe handelt es sich wahrscheinlich um die Tiefe des angenommenen Gefäßbodens.

[7] Einige Sicheln wurden später chemisch behandelt, um die Patina zu entfernen.

[8] Abb. III / IV.

[9] Anhand der Ortsakte „Frankleben“ konnte folgendes ermittelt werden: Im Besitz von Betriebsleiter Klett verblieben vier Sicheln und ein Lappenbeil (Protokoll vom 12.04.1950); für Betriebsdirektor Bönisch sind eine Sichel und ein Lappenbeil vermerkt (Protokoll vom 12.09.1949).

[10] Laut Auskunft von Frau Dr. Maraszek wurde in letzter Zeit ein Lappenbeil im LDA S/A eingeliefert, welches nach Auskunft des Überbringers aus dem Franklebener Hortfund stammen soll.

[11] Laut Ortsakte „Frankleben“: HK 46:4 (15 Sicheln), HK 46:5 (93 Sicheln, zwei Lappenbeile), HK 46:6 (129 Sicheln, zwölf Lappenbeile) à 237 Sicheln und 15 (14 und ein eingeliefertes) Lappenbeile.

[12] Abb. V.

[13] v. Brunn 1958, 57ff.; W.A. v. Brunn, Mitteldeutsche Hortfunde der jüngeren Bronzezeit. Röm.-Germ. Forsch. 29 (Berlin 1968), 117, 319.

[14] Ch. Sommerfeld, Gerätegeld Sichel. Studien zur monetären Struktur bronzezeitlicher Horte im nördlichen Mitteleuropa. Vorgesch. Forsch. 19 (Berlin 1994), 180 f.

[15] B. Stoll-Tucker, Mondsicheln in der Erde. Der Bronzehortfund von Frankleben. In: Schönheit, Macht und Tod (Halle 2001), 178.

[16] K.H. Otto, Vorgeschichtliche Neufunde in Sachsen-Anhalt und Erwerbungen des Landesmuseums Halle in den Jahren 1942 – 1946. Jahresschr. mitteldt. Vorgesch. 33 (Halle 1949), 139; K. Schwarz, Die vorgeschichtlichen Neufunde im Lande Sachsen-Anhalt während der Jahre 1948 – 1949. Jahresschr. mitteldt. Vorgesch. 34 (Halle 1950), 223.

[17] v. Brunn 1958, 1-70.

[18] v. Brunn 1958, 9 ff.

[19] Sommerfeld 1994, 179.

[20] v. Brunn 1958, 9.

[21] Sommerfeld 1994, 38 (siehe dort Abb. 4).

[22] v. Brunn 1958, 9 f.

[23] Stoll-Tucker 2001, 178.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Der Hortfund von Frankleben
Untertitel
Ein Sichelmassenhort im chronologischen und geographischen Kontext sowie seine Bedeutung
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas)
Veranstaltung
Die Bronzezeit in Mitteldeutschland 1500-720 v. Chr.
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
26
Katalognummer
V122259
ISBN (eBook)
9783640271122
ISBN (Buch)
9783640271153
Dateigröße
3478 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hortfund, Frankleben, Bronzezeit, Mitteldeutschland
Arbeit zitieren
Marco Chiriaco (Autor:in), 2008, Der Hortfund von Frankleben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122259

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