Einflussmöglichkeiten von Interessenorganisationen in der deutschen Arbeits- und Sozialpolitik


Hausarbeit, 2008

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung – Problemaufriss

2. Zur Theorie
2.1 Politiknetzwerke und Netzwerkanalyse
2.2 Gliederung von Verbänden nach dem Grad ihres Einflusses
2.3 Zugangsmöglichkeiten von Verbänden auf politische Entscheidungsprozesse

3. Verbände in der Arbeits- und Sozialpolitik
3.1 Einfluss der Verbände auf die Arbeits- und Sozialpolitik in den 80er und 90er Jahren
3.2 Veränderungen des Einflusses der Verbände auf die Arbeits- und Sozialpolitik seit der Hartz-Reform im Jahre

4. Schlussbemerkung

5. Literatur

1. Einleitung – Problemaufriss

In der Bundesrepublik Deutschland sind Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände seit jeher stark in die Arbeits- und Sozialpolitik eingebunden. Sie üben nicht nur Einfluss innerhalb der jeweiligen Entscheidungsprozesse aus, sondern haben ebenso Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Ausführung der beschlossenen Maßnahmen (Trampusch 2004a: 180; Winter 1997: 357; vgl. auch König 1992: 13). Allgemein gehen Einflussmöglichkeiten von Interessenorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland so weit, dass liberale Kritiker in der Vergangenheit gar von einer „Herrschaft der Verbände“ sprachen (Eschenburg 1955, zit. nach Vetterlein 2000: 4; Scharpf 1993: 37; vgl. hierzu auch Esser 1999: 138). Der arbeitspolitische Bereich ist im Besonderen durch Institutionen wie etwa die Tarifautonomie und die Arbeitsgerichtsbarkeit gekennzeichnet, die in anderen Politikbereichen in dieser Weise nicht vorzufinden sind (König 1992: 14)

Die Policy-Forschung hat in diesem Zusammenhang die Existenz institutionell gefestigter Verhandlungsnetzwerke eruiert (Trampusch 2003: 80; Trampusch 2004b: 7). So stellt beispielsweise Hartwich (2003: 301) fest, dass Gewerkschaften als Vertretung der Arbeitnehmer in allen sozialpolitischen Einrichtungen und darüber hinaus vertreten sind. Gleiches gilt für Arbeitgeberverbände (vgl. Winter 1997: 358-361).

Seit dem Skandal um die gefälschten Vermittlungszahlen der Bundesanstalt für Arbeit, der heutigen Bundesagentur für Arbeit, und der ihm folgenden von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder einberufenen Hartz-Kommission[1] und den aus ihr resultierten Gesetzen, lässt sich jedoch eine Veränderung der Sozialpartnerschaft zwischen Staat und Verbänden innerhalb des policy-Netzwerkes bzw. Politiknetzwerkes um den für das Politikfeld Arbeit und Soziales essentiell wichtigen Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung beobachten (Trampusch 2005: 2).

Auf welche Weise Interessenorganisationen wie Gewerkschaften und wirtschaftsnahe bzw. Arbeitgeberverbände Einfluss auf die Arbeits- und Sozialpolitik ausüben, vor allem aber wie und aus welchen Gründen sich die Möglichkeiten der Einflussnahme und die verwendeten Entscheidungsmodi in bzw. seit dem Jahre 2002 verändert haben, ist Thema dieser Hausarbeit. Die Beantwortung der genannten Fragestellung hängt unweigerlich eng mit der Erklärung der Entstehungsgründe der Hartz-Kommission zusammen. Konsequenterweise werde ich in dieser Hinsicht auch auf Gründe und Motivationen der damaligen rot-grünen Bundesregierung für die Gründung der Hartz-Kommission eingehen.

Um das Thema zu erörtern und die genannte Fragestellung zu beantworten, werde ich zunächst im zweiten Abschnitt dieser Hausarbeit (2. Zur Theorie) theoretisch erörtern, was Politiknetzwerke sind und welchem Zweck die Netzwerkanalyse dient (2.1 Politiknetzwerke und Netzwerkanalyse), daraufhin Interessenorganisationen nach dem Grad ihres Einflusses gliedern (2.2 Gliederung von Verbänden nach dem Grad ihres Einflusses) und im letzten Teil des zweiten Abschnittes die Zugangsmöglichkeiten von Verbänden auf politische Entscheidungsprozesse allgemein skizzieren (2.3 Zugangsmöglichkeiten von Verbänden auf politische Entscheidungsprozesse).

Der dritte Abschnitt (3. Verbände in der Arbeits- und Sozialpolitik) der Hausarbeit konzentriert sich im Speziellen auf den Einfluss von Verbänden auf die deutsche Arbeits- und Sozialpolitik und dessen Wandel. Hierbei werde ich zunächst den Einfluss der Verbände in den 80er und 90er Jahren beleuchten (3.1 Einfluss der Verbände auf die Arbeits- und Sozialpolitik in den 80er und 90er Jahren), um anhand dieser Analyse Veränderungen in diesem Bereich seit dem Jahre 2002 aufzuzeigen (3.2 Veränderungen des Einflusses der Verbände auf die Arbeits- und Sozialpolitik seit der Hartz-Reform im Jahre 2002). Schlussendlich werde ich meine Ergebnisse in einer Schlussbemerkung zusammenfassen.

2. Zur Theorie

2.1 Politiknetzwerke und Netzwerkanalyse

In der Politikwissenschaft hat sich bisher keine allgemein anerkannte Definition des Begriffes Politiknetzwerk herausgebildet und die Ansichten darüber, wie und warum sich Netzwerke bilden, weiter bestehen oder sich auflösen sind heterogen und vielfältig (Bazant/Schubert 2007: 420f). Ebenso bestehen in der Literatur unterschiedliche Ansätze der Klassifizierung von Netzwerken (vgl. Jansen/Schubert 1995: 10f). Trotz dieser Heterogenität ist der Netzwerkbegriff innerhalb der Politikwissenschaft in den letzten Jahrzehnten zu einem Modewort geworden (Marin/Mayntz 1991, zit. nach Jansen/Schubert 1995: 10) und es besteht ein Grundkonsens darüber, dass das policy-making heute nicht mehr nur auf das Handeln des Staates als monolithischen Akteur zurückzuführen ist (Schneider 2004: 6), sondern dass in den Politikprozess eine Vielzahl von privaten, also nicht-staatlichen und öffentlichen Akteuren eingebunden ist (Lang/Leifeld 2008: 223; König 1992: 13), wobei bereits in den 70er Jahren eine zunehmende horizontale Interaktion zwischen privaten nicht-staatlichen Akteuren auf der einen, sowie eine zunehmende vertikale Interaktion zwischen verschiedenen Regierungsebenen auf der anderen Seite in der Literatur untersucht wurde (Scharpf 1987, zit. nach Raabe 2000: 18). Die Herausbildung von Politiknetzwerken kann dabei als eine Reaktion auf die wachsende Zuständigkeit der Politik, zunehmende Interdependenzen und auf eine Konzentration gesellschaftlicher Ressourcen in Großorganisationen wie die besagten Verbände gesehen werden (Schneider 2004: 7).

Daraus ist zunächst zu schließen, dass das Verständnis des Zustandekommens von policies eine Analyse der Beziehungen zwischen den beteiligten – staatlichen und nichtstaatlichen – Akteuren voraussetzt. Der hinter dem Begriff des Politiknetzwerkes stehende Analyseansatz erkennt die genannten Gegebenheiten an und konzentriert sich dabei auf die bereichsspezifischen Akteursbeziehungen (Coleman/Skogstad 1990; zit. nach Winter 1997: 344).

Wie zu Beginn dieses Abschnitts erwähnt, sind in der Literatur unterschiedliche Arten der Klassifizierung von Netzwerken vorhanden. Während beispielsweise Jordan und Schubert (1992, zit. nach Jansen/Schubert 1995: 10) Politiknetzwerke nach der Anzahl der Akteure, ihrem Verhältnis zueinander, der Stabilität und der inhaltlichen Aufgaben des Netzwerkes klassifizieren, gliedert van Waarden (1992, zit. nach Jansen/Schubert 1995: 10) Politiknetzwerke nach der Anzahl und den Typ der beteiligten Akteure, den Funktionen des Netzwerkes im Politikprozess, der Struktur des Netzwerkes, dem Institutionalisierungsgrad, den Interaktionskonventionen und der Machtverteilung innerhalb des Netzwerkes. Zudem ist anzumerken, dass Kenis und Schneider (1991: 27) im Gegensatz zu van Waarden oder auch Jordan und Schubert den Begriff „policy-Netzwerk“ für eine governance-Struktur zwischen Staat und Gesellschaft reservieren, und damit staatszentrierte Netzwerke, also Netzwerke, in denen der Staat eine besonders herausgehobene Stellung einnimmt, nicht als policy-Netzwerke ansehen, wobei die Beziehungen – in Form von Kommunikations-

und Informationskanälen – dem Austausch von politischen Ressourcen (beispielsweise Informationen, Expertise, Legitimation, Vertrauen) dienen.

Eine sinnvolle Einteilung von Politiknetzwerken ist die Gliederung in „Issue Networks“, „Policy Communities“ und „Issue Communities“ (Winter 1995: 346f). Hierbei sind „Issue Networks“ als eine sehr offene und flexible Form des Politiknetzwerkes mit einer großen Zahl von Beteiligten, deren Gemeinsamkeit es ist, ein Interesse an einem bestimmten Politikbereich zu haben, und eher fließenden Grenzen im Hinblick auf ihre Umgebung (Heclo 1987, zit. nach Winter 1995: 344) charakterisiert, wohingegen policy-communities durch deutlichere Grenzen gegenüber ihrer Umgebung, verhältnismäßig stabilen Beziehungsstrukturen, einem gemeinsamen Interessenbezug und gegenseitiger Abhängigkeit der Akteure des Netzwerkes gekennzeichnet sind (Winter 1995: 344). Die genannten Grenzen einer policy-community entstehen aus dem Mechanismus gegenseitiger Anerkennung der Akteure (Kenis/Schneider 1991: 41). Als Issue Communities werden Teile einer policy-community verstanden, die sich um einzelne und institutionell gefestigte Teilbereiche eines Politikfeldes bilden (Winter 1997: 346). Es handelt sich also sozusagen um ein Netzwerk im Netzwerk, das aus einer thematischen Gliederung der policy-community entsteht. Issue Networks grenzen sich gegenüber Policy Communities und Issue Communities im Besonderen dadurch ab, dass in zweiteren ein unmittelbar auf den politischen Entscheidungsprozess bezogenes Kommunikations- und Machtgefüge vorhanden ist (Winter 1997: 347). An dieser Stelle wird deutlich, dass für mein Anliegen die Untersuchung von Policy Communities bzw. Issue Communities von zentraler Bedeutung ist.

2.2 Gliederung von Verbänden nach dem Grad ihres Einflusses

Nachdem ich nun dargestellt habe, was Politiknetzwerke sind und eine Möglichkeit der Klassifizierung derselben aufgezeigt habe, werde ich nun eine Gliederung der Verbände nach deren Einfluss vornehmen.

Zunächst ist davon auszugehen, dass nicht alle Verbände Einflussmöglichkeiten von gleicher Tragweite besitzen. Vor diesem Hintergrund ist es zentral, in welchem Verhältnis ein Akteur zu anderen Akteuren eines Politiknetzwerkes steht, d.h. welche Position ein Akteur – hier im speziellen ein Verband – im Netzwerk einnimmt. Eine Klassifizierung der Akteure wird mittels des Begriffs „politischer Status“ (Winter 1997: 352) vorgenommen.

Von Winter (1997: 353f) unterscheidet an dieser Stelle drei Status: (1.) den inkorporierten Status, bei dem ein Verband für den Staat eine unverzichtbarer Verhandlungspartner darstellt und häufig dauerhaft in institutionalisierten Organen auftritt, (2.) den akkreditierten Status, bei dem ein Verband nicht an staatlich-verbandlichen Verhandlungssystemen teilnimmt, aber dennoch das Entscheidungskalkül der übrigen Akteure beeinflusst, d.h. Einfluss auf die Entscheidung anderer Akteure ausübt und schließlich (3.) den marginalen Status, bei dem einem Verband aufgrund seiner minimalen Ressourcen die Anerkennung als relevanter Akteur verweigert wird, wodurch die Strategie der Verbände mit marginalem Status häufig darin besteht, durch militante Aktionen eine möglichst große Öffentlichkeit herzustellen, um durch den Druck der Öffentlichkeit Einfluss auf politische Entscheidungen auszuüben. Verbände, die den inkorporierten Status inne haben, zeichnen sich gegenüber anderen Verbänden vor allem dadurch aus, dass sie am Gefüge politischer Macht teil haben (Winter 1997: 356). Aus dem bisher aufgeführten lässt sich schließen, dass inkorporierte Verbände relativ zu Verbänden mit akkreditierten bzw. marginalen Status die weitestgehenden Einflussmöglichkeiten besitzen und dass für eine Analyse des Einflusses von Verbänden (nicht nur) auf die Arbeits- und Sozialpolitik Organisationen mit inkorporiertem Status von zentraler Bedeutung sein werden.

Aber auch Verbände mit akkreditiertem Status verfügen aufgrund ihrer Einbindung in Kommunikationslinien von Politiknetzwerken, der ihnen Zugang zu Informationen gewährt, über Machtressourcen, die sie zur Ausübung von Einfluss befähigen, wenn auch nicht in ähnlich direkter Weise wie Verbände mit inkorporierten Status (Winter 1997: 356).

[...]


[1] offizieller Name der Kommission: „Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (Weimar 2004: 17)

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Einflussmöglichkeiten von Interessenorganisationen in der deutschen Arbeits- und Sozialpolitik
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
Einführung in die Policy-Analyse (Policy I)
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
17
Katalognummer
V121956
ISBN (eBook)
9783640271207
ISBN (Buch)
9783640271382
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einflussmöglichkeiten, Interessenorganisationen, Arbeits-, Sozialpolitik, Einführung, Policy-Analyse
Arbeit zitieren
Antonio Arcudi (Autor:in), 2008, Einflussmöglichkeiten von Interessenorganisationen in der deutschen Arbeits- und Sozialpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121956

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