Mariologie. Überblick über die Forschung und die Mariendogmen


Seminararbeit, 2009

25 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Begriffsklärung

2. Wer war Maria?
2.1. Paulus
2.2. Markus
2.3. Matthäus
2.4. Lukas
2.5. Johannes
2.6. Offenbarung
2.7. Das Protoevangelium des Jakobus

3. Die Mariendogmen
3.1. Die Jungfräulichkeit Marias
3.2. Maria als Gottesgebärerin
3.3. Die unbefleckte Empfängnis
3.4. Marias Aufnahme in den Himmel

4. Maria aus Sicht der feministischen Theologie

5. Literaturverzeichnis

„ Ich glaube an Gott den Vater, den Allm ä chtigen, den Sch ö pfer des Himmels und der

Erde und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungrau Maria[...]. F ü r uns Menschen und zu un- serem Heil ist er vom Himmel, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von

der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden [...] “

(Apostolisches Glaubensbekenntnis, ab 150 n.Chr.).

Als ich begann, mich in das Thema dieser Seminararbeit einzuarbeiten fiel mir - einer Protestantin - über die Person der Maria nicht mehr ein, als in diesem Glaubensbekenntnis zusammengefasst ist: Sie war die Mutter Jesu, die Frau von Joseph, einem Zimmermann, der jedoch nicht der leibliche Vater war. Maria wurde jungfräulich vom Heiligen Geist geschwängert und gebar den Sohn Gottes. Wie sie danach auftrat - während des Wirkens ihres Sohnes - oder was nach dessen Tod mit ihr geschah: Mir waren keine Einzelheiten bekannt. Vor allem über das Dogma von Mariä Himmelfahrt wusste ich nichts. Bis dato hatte ich nur von Jesus Christus, Moses und Elias gehört, die in den Himmel entrückt wurden. Die ausgeprägte Marienfrömmigkeit, vor allem in den lateinamerikanischen Län- dern, war mir zwar geläufig. Was sie jedoch zum Inhalt hatte, konnte ich nicht sagen. Um so mehr erstaunte mich die Fülle an marianischer Literatur. Überwiegend katholische Werke, aber auch ökumenische und evangelische Bibliographien befassen sich mit der Jungfrau Maria, obwohl die Bibel selbst nicht soviel über sie zu sagen hat. Mein Ausflug in die katholischen Glaubenssätze über Jesu Mutter kann ich somit nur als spannend und interessant bezeichnen, auch wenn ich einigen Denkmustern nicht ausreichend folgen konnte.

Anfangs war es für mich wichtig, zu klären, was Mariologie bedeutet und mit was sie sich genau beschäftigt. Dann möchte ich erklären, wer Maria war, wo sie in der Bibel auf- tauchte und was wir aus diesen Überlieferungen über sie zu sagen haben. Im dritten Punkt beschäftige ich mich mit dem Kern der Lehraussagen über Maria, den Dogmen. Der letz- te Abschnitt soll sich dann mit der kritischen Sichtweise der feministischen Theologie be- schäftigen und was Vertreter dieser Theologie in den verschiedenen Ansätzen über Maria auszusagen haben.

1. Begriffsklärung

Mariologie ist ein Teil der Dogmatik der katholischen Theologie. Dogmatik selbst leitet sich von dem griechischen Verb δοκειν ab, was scheinen, meinen oder gelten bedeutet. Ein Dogma ist dann eine „Meinung im Sinne von etwas, das mir als richtig erscheint; eine Sache, die Geltung beanspruchen kann“ (Beinert 1985: S. 15).

Oder auch, nach Meyers Online Lexikon, eine „Aussage, die den Anspruch der absoluten Gültigkeit, Wahrheit erhebt“.

Philosophisch und politisch gesehen waren Dogmen in der Antike und im Mittelalter Lehrmeinungen, Beschlüsse, Dekrete oder religiöse Lehren und hießen articulus fidei (lat.: Glaubensartikel). Heute ist ein Dogma theologisch gesehen eine Heilsaussage des Papstes oder eines Konzils, die feierlich verkündet wird und von den Gläubigen akzep- tiert werden soll (vgl. Gössmann 1990: S. 20). Ist ein Glaubenssatz einmal geoffenbart worden, „ist dieser Glaube Gehorsamspflicht gegen das Wort Gottes an uns in der Offen- barung“ (Volk 1951: S. 11). Ein Gläubiger, der dieses Dogma nicht vertritt, wird letzt- endlich von der Gemeinschaft der Gläubigen getrennt und exkommuniziert. Ein Dogma unterliegt drei Kriterien, die erfüllt werden müssen, bevor die feierliche Ver- kündung vorliegen kann (vgl. Gössmann 1990: S. 21):

- Der Glaubenssatz muss auf die Heilige Schrift zurückgeführt werden können.

- Die Wahrheit der Aussage muss in der christlichen Tradition von Anfang an be- zeugt werden können, und

-das definierte Dogma hat die Aufgabe, durch den Schutz der bedrohten Wahrheit einen Angriff auf das Glaubensgut abzuwehren.

Wie schwierig die Anwendung dieser drei Kriterien ist, wird sich im Kapitel über die vier mariologischen Dogmen zeigen.

Der Begriff Mariologie bedeutet dann also die Lehre ü ber Maria und beinhaltet alle Glaubenssätze über Maria. Sie ist ein eigener dogmatischer Traktat und hat „die Aufgabe, die Glaubenslehre über die Mutter Jesu vollständig und in ihrer Einheit mit den übrigen Glaubenswahrheiten methodisch geordnet darzubieten“ (Beinert u.a., 1991: S.15).

Mariologie kann nie einzeln betrachtet werden, sondern hat viele Berührungspunkte vor allem mit der Christologie und Erlösungslehre, aber auch mit der Ekklesiologie, der Gnadenlehre und der Eschatologie. Dies bedeutet, dass die Mariologie ein Schnittpunkt ist für die Verbindung wichtiger Aussagen über Christus, den Menschen, die Kirche und für die Lehre über die letzten Dinge (vgl. Beinert u.a. 1991: S. 15).

2. Wer war Maria?

Um an Informationen über Maria in der Bibel zu kommen, muss man drei verschiedene Ebenen unterscheiden (vgl. Brown u.a. 1981: S. 189):

- Die historische Maria: Wer verbirgt sich hinter der Frau, die Jesus geboren hat? Welche historisch belegten Informationen finden sich über das Leben der Mutter Jesu? Hier muss man direkt in die Zeit vor der österlichen Tradition gehen.
- Maria in den Traditionen, die den geschriebenen Evangelien vorausgingen. Was wusste man in der nachösterlichen Tradition über Maria?
- Maria in den Evangelien, d.h. an was erinnern sich die Evangelisten, wenn sie von Maria sprechen?

Um ein Bild der historischen Maria skizzieren zu können, bräuchte man wesentlich mehr Informationen, als man tatsächlich finden kann. Im Gegensatz zu anderen Personen, die im Umfeld der Familie Jesu zu finden sind (z.B. Pontius Pilatus oder König Herodes) gibt es keine belegten historischen Tatsachen über die Frau, die Jesu Mutter war. Das bedeu- tet, man findet wesentlich mehr Informationen darüber, was man über Maria gedacht hat, als darüber, wer Maria tatsächlich war, „dass sich mehr über die Theologie sagen läßt als über die Geschichte“ (Brown u.a. 1981: S. 189). Ich werde mich deshalb - und aufgrund der Länge dieser Hausarbeit - darauf beschränken herauszufinden, was die wichtigen neutestamentlichen Schriften über Maria aussagen.

Das früheste Zeugniss von Maria im Neuen Testament findet sich bei Paulus. Alle seine Briefe stellen den ältesten Teil des Neuen Testaments dar, „das wiederum die früheste Quelle in Hinblick auf Maria ist und zudem die einzige, die Anspruch auf historische Gültigkeit erheben darf“ (Warner 1982: S. 24).

2.1. Paulus

Zum ersten Mal wird Maria im Galaterbrief erwähnt, wenn auch nicht namentlich (vgl. Schreiner: 2003: S. 12). Darin berichtet er über die Geburt Jesu: „Als aber die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter Gesetz, damit er die loskaufte [, die] unter Gesetz [waren], damit wir die Sohnschaft empfingen.“

(Gal. 4,4-5). Jesus ist der Sohn einer Frau und damit Menschensohn. „Geboren von einer Frau“ ist für Hebräer eine beliebte sprachliche Wendung für „Menschsein“, und dass er „dem Gesetz unterstellt“ ist, kennzeichnet Jesus als Mitglied des Gottesvolkes (vgl. Köster 1961: S. 11). Paulus erwähnt danach Maria nicht wieder.

Ihr erster Auftritt ist also sehr unscheinbar, was beispielhaft eine wichtige Tatsache be- legt: Um an Maria zu kommen, muss der Weg über ihren Sohn gehen: „Immer steht sie in Funktion ihres Sohnes Jesus oder des Geistes, der zu ihr kommt“ (Boff, 1985: S. 120/121). Wir stehen also vor dem Problem, nicht einmal ansatzweise eine Biographie von Maria zu haben.

2.2. Markus

Ihr Name Maria (der hebräische Name lautet Mirjam) wird von Markus zum ersten Mal im dritten Vers des sechsten Kapitels genannt.

Diese Herkunftsbezeichnung „Sohn der Maria“ ist dahingehend auffällig, dass in jüdi- scher Tradition immer nur die Namen der Väter erwähnt wurden. Joseph als Vater Jesu wird dagegen nicht genannt. Franz Courth bietet in seiner bearbeiteten Fassung der Texte zur Theologie als Deutung dieser Bezeichnung ein Schimpfwort oder behutsamen Hin- weis auf die Jungfrauengeburt an (vgl. Beinert u.a. 1991: S. 15). Torsten Reiprich deutet an, dass Joseph zu der Zeit, in der Jesus wirkte, bereits verstorben war. Er stützt diese Hy- pothese auf die damalige durchschnittliche Lebenserwartung für Männer von 45 Jahren[1]. Dagegen spricht, dass zu dieser Zeit auch nach dem Tod des Vaters die Söhne nach ihm benannt wurden. Tatsächlich aber soll die Abwesenheit Josephs für Markus einen theolo- gischen Grund haben: Jesus ist der Sohn Gottes und ebenso seine Familie (vgl. u.a. Mk 3,35; 8,38; 9,7;11,25) (vgl.Reiprich 2008: S. 143-147).

In der Textstelle 6,3 wird auch die Verwunderung der Bewohner aus seiner Heimatstadt über den Ruf Jesu angedeutet. Er, dessen Vater Zimmermann und dessen Mutter Maria eine schlichte Frau aus einer bildungsfernen Familie ist soll zu diesen Wundertaten fähig sein?

Einen weiteren Auftritt hat Maria als Teil seiner Verwandtschaft in Mk 3,31-35: „Und es kommen seine Mutter und seine Brüder [...] er antwortete ihnen und spricht: Wer sind meine Mutter und meine Brüder?“ Er selbst beantwortet die Frage damit, dass seine Verwandten all jene seien die den Willen Gottes beachten. Es ist also eine Stellungnahme zu seiner Mutter Maria durch Jesus selbst.

2.3. Matth ä us

Im Kindheitsevangelium nach Matthäus bleibt Maria eher passiv, da sein Augenmerk v.a. auf Jesus Christus gerichtet ist (vgl. Groupe des Dombes 1999: S. 71). Er beginnt mit dem Stammbaum Jesu, aus dem sich Josephs Herkunft bis zu König David zurückverfol- gen lässt (Mt. 1,2-17). Er ist der „Mann Marias“ (Mt. 1,16), die Jesus geboren hat. Den- noch ist Joseph auch bei Matthäus nicht der leibliche Vater Jesu: „Matthäus wollte sagen: Maria hat ihn ohne Mitwirkung eines Mannes vom Heiligen Geist empfangen“ (Schreiner 2003: S. 13). Trotzdem bilden Josef und Maria, „seine Frau“ (Mt. 1,24) zusammen die Eltern von Jesus. In den Wiederholungen vom „Kind und seiner Mutter“ (z.B. Mt. 2,13- 14) findet sich ein Hinweis darauf, dass Joseph keine verwandtschaftliche Beziehung zu Jesus hat. Matthäus sieht diese nicht-leibliche Abstammung so:

„Als nämlich Maria, seine Mutter, dem Joseph verlobt war, wurde sie, ehe sie zusammen- gekommen waren, schwanger befunden von dem Heiligen Geist“ (Mt. 1,18). Joseph weiß nun nicht, wie er sich verhalten soll, da das Kind offensichtlich nicht von ihm sein kann. Bevor er sich für die Trennung von Maria entscheidet, erscheint ihm ein Engel im Traum. Er teilt Joseph mit, dass Maria ihn nicht betrogen hat, sondern dass ihr Kind der Sohn Gottes ist und dass seine Geburt von den Propheten vorausgesagt wurde. Hier wird auch explizit die Mutter Jesu als Jungfrau bezeichnet. Die Geburt Jesu ist also nicht nur jungfräulich, sondern auch messianisch (vgl. Köster, 1961: S. 14) .: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Emmanuel nennen“ (Mt. 1,23).

Das Joseph trotz fehlender Blutsverwandtschaft die volle Verantwortung für seine Fami- lie trägt, wird im zweiten Kapitel ersichtlich, als ihm ein Engel im Traum erscheint. Er trägt ihm auf, seine Familie vor Herodes in Sicherheit zu bringen und nach Ägypten zu fliehen, bzw. nach dem Tod des Herrschers wieder nach Nazaret zurückzukehren. Die letzte Erwähnung bei Matthäus hat Maria im Kapitel 13. In Vers 55 wird seine Her- kunft „Ist er nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria?“ aus einfachen Verhältnissen bestätigt und damit angezweifelt, inwieweit er wirklich Wunder vollbringen kann.

2.4. Lukas

Lukas ergänzt die vorhergehenden Evangelien beträchtlich, v.a. durch die Vorgeschichten zu Jesu Geburt und Kindheit (Lk 1,5-2,52). Er schenkt Maria dadurch besondere Beach- tung. Der jungfräulichen Maria erscheint der Engel Gabriel und kündigt ihre Schwanger- schaft an.

Um Marias Sohn als Nachkommen des König Davids zu erkennen, wird von Maria be- richtet, sie wäre die Verlobte Josephs. Die überwältigenden Prophezeihungen über ihr Kind überfordern Maria und der Engel muss seine Verkündigung wiederholen (Lk 1,34- 38). Auffallend ist hier, dass Maria ihrem Sohn den Namen Jesus geben soll (Lk 1,31) und nicht Joseph, wie es bei Matthäus geschrieben steht (Mt 1,21). Ihre absolute Glaubenstreue bekundet Maria in der Bezeichnung als „Magd des Herrn“ (Lk 1,38). Weil der Engel Maria zum einen als „Begnadete“ (Lk 1,28) bezeichnet, zum anderen bestätigt, dass sie Gnade bei Gott gefunden hat (Lk 1,30) und ihm bedingungslos glaubt, ist sie ein Urbild der Kirche und des Gläubigen (vgl. Schreiner, 2003: S. 14). Eli- sabeth nennt sie „Gesegnete unter den Frauen“ und „Mutter meines Herren“ (Lk 1,42-43). Die fast parallelen Erzählungen über die wunderbare Elternschaft von Zacharias und Eli- sabeth (Lk 1,5) und Joseph und Maria (Lk 1,26) fallen dem Leser sofort ins Auge. Es wird angenommen, dass die erste Erzählung den alttestamentlichen Kult (Zacharias als Priester im Tempel mit Rauchopfern) repräsentieren soll.

Der zweite Jugendbericht steht für das neue Testament durch die Jungfräulichkeit der Maria und die „überschwängliche Gnade Gottes“ (Köster, 1961: S. 20). Johannes als Sohn des Zacharias und der Elisabeth ist ein Prophet und damit der Wegbereiter des Herrn, was von Lukas auf den Sohn der Maria bezogen wird. Die Gnade, die Gott ihr zuerkannt hat und die frohe Aussicht für Bedürftige und Notleidende auf Hilfe fasst Maria in ihrem Magnifikat (Lk 1,46-54) zusammen:

Und Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn,

und mein Geist hat gejubelt über Gott, meinen Heiland.

Denn er hat hingeblickt auf die Niedrigkeit seiner Magd;

Denn siehe, von nun an werden mich glücklich preisen alle Geschlechter. Denn Großes hat der Mächtige an mir getan,

und heilig ist sein Name.

[...]

Danach erfolgt die Geburt Jesu in Bethlehem (Lk 2,1-20), seine Namensgebung (Lk 2,21) und sein erster Besuch im Tempel (Lk 2,22 ff.). Im Gegensatz zu Joseph wird Maria in der folgenden Geschichte über Jesu Verschwinden in Jerusalem die Rolle des verängsti- gen Elternteils zugesprochen (Lk 2,48). Dieses Ereignis bewahrt Maria in ihrem Herzen, genau wie Jesu Geburt, ohne dass Lukas näher darauf eingeht, für was sich Maria diese Worte merkt. Hier könnte die Konfrontation Marias mit der Außergewöhnlichkeit ihres Sohnes und die Verarbeitung der Tatsache, was ihr Erstgeborener alles leisten soll und wird gemeint sein: “Sie schreitet in der Pilgerschaft des Glaubens fort“ (Groupe des

Dombes 1999: S. 78).

Simeons Verheißung, Marias Seele werde von einem Schwert durchdrungen (Lk 2,35), wird im Lukas-Evangelium nicht mehr aufgegriffen. Für eine Erfüllung der Prophezeiung bei Jesu Kreuzigung, wie mittelalterliche Theologen annahmen, gibt es im Schluss des Evangeliums keinen Hinweis. Es soll vielmehr so verstanden werden, als dass damit der Widerstand gegen Jesus in Israel gemeint ist. Das durchbohrende Schwert bezeichnet Ma- rias Leidenserfahrung durch die Ablehnung ihres Sohnes (vgl. Schreiner 2003: S. 16). Viele Autoren weisen darauf hin, dass die Kindheitsgeschichten des Lukas aus historisch ungesicherte Quellen bestehen könnten: „Katholische und evangelische Bibelwissen- schaftler halten sie für eine historisch weitgehend ungesicherte, mit legendären Motiven angereicherte Erzählung“ (Schreiner 2003: S. 13). Gerade weil Lukas in seiner detaillierte Erzählung Maria - im Gegensatz zu den anderen Evangelisten - sooft erwähnt, kann man davon ausgehen, dass er damit nur Jesu Messianität ausdrücken und somit sein „Hauptin- teresse Jesus und nicht Maria widmen“ wollte (Brown u.a. 1981: S. 29).

2.5. Johannes

Wie bei Paulus sucht man bei Johannes den Namen der Mutter Jesu vergeblich. Sie über- nimmt eine symbolische Funktion und wirkt als Rahmen um das öffentliche Leben ihres Sohnes (vgl. Beinert u.a. 1991: S. 36-37). Selbst Jesus spricht sie nicht mit Mutter, son- dern mit Frau an, was eine gewisse Distanz erahnen lässt. Da er alle Frauen, denen er be- gegnet so anspricht, kann man höchstens mutmaßen, dass er der leiblichen Mutterschaft keinen besonderen Wert abgewinnen kann (vgl. Brown u.a. 1981: S. 150). Oder, wie Karl-Heinz-Menke meint, wird Maria „durch die Anrede 'Frau' [...] in Beziehung gesetzt zu der 'Frau Zion', zum Volk Israel“ , sie ist also zugleich mit Israel die Mutter Jesu (vgl. Menke 1999: S. 55).

Zu Beginn erscheint sie als „Symbolfigur des neuen Israel“ (Schreiner 2003: S. 16) und verweist bei der Hochzeit von Kana (Joh 2,1-11) auf Gottes Heilsgabe für die neue Gemeinde. Bei der Passion Christi sieht sie Johannes als einziger der Evangelisten unter dem Kreuz (Joh 19,25-27) und damit soll sie hier die Jüngergemeinde vertreten, die der Kreuzigung nicht beiwohnen, nimmt man davon den Augenzeugen Johannes aus (vgl. Court 1991: S. 37; Schreiner 2003: S. 16-17).

Marias Anwesenheit und die der anderen Frauen (Maria Magdalena und Maria, seine Tante) spielt damit keine untergeordnete Rolle wenn man bedenkt, dass es zur damaligen Zeit sehr gefährlich war, Kreuzigungen von Verwandten oder Bekannten beizuwohnen. Auch diese Erzählung ist unter Historikern nicht unumstritten, taucht doch die Anwesenheit von Maria unterm Kreuz bei keinem anderen Evangelisten auf.

[...]


1Addiert man das wahrscheinliche Heiratsalter für Männer in der damaligen Zeit (ca. 15 Jahre) mit dem Alter Jesu bei dessen Auftreten (ca. 30 Jahre) erreicht man genau diese Zahl (vgl. Reiprich 2008: S. 144).

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Details

Titel
Mariologie. Überblick über die Forschung und die Mariendogmen
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Evangelisches Institut)
Veranstaltung
Grundinformation Dogmatik
Autor
Jahr
2009
Seiten
25
Katalognummer
V121938
ISBN (eBook)
9783668067721
Dateigröße
1548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mariologie, überblick, forschung, mariendogmen
Arbeit zitieren
Eva Heidingsfelder (Autor:in), 2009, Mariologie. Überblick über die Forschung und die Mariendogmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121938

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