Erfolgreiche Persuasion

Eine Untersuchung ausgewählter rhetorisch-stilistischer Mittel des Werbemediums Plakat


Hausarbeit, 2004

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Das rhetorische Potential der Medien

Wer sich heutzutage dem Einfluss der Massenmedien entziehen will, der ist wohl gezwungen in eine Blockhütte fern jeglicher Zivilisation zu ziehen. Besonders Städte sind gigantische Multimediaräume. Hier konzentrieren sich Medien samt ihren Informationen aller Art. Die Absicht vieler medial vermittelter Botschaften ist es, inhaltlich zu überzeugen. Dieses Ziel wird durch rhetorische Mittel verstärkt. Medien besitzen also rhetorisches Potential. Das Ziel der klassischen Rhetorik war und ist die erfolgreiche Persuasion der Rezipienten. Auch moderne Medien bedienen sich dieser, im Laufe der Jahrhunderte immer weiter verfeinerten, Kunst des Überzeugens. Ein recht junges Anwendungsgebiet der Rhetorik in den Medien ist die Werbung. Gerade in Zeiten des erbitterten Konkurrenzkampfes ist es wichtig Kunden zu gewinnen. Dies geschieht durch erfolgreiche Persuasion.

In der folgenden Arbeit wird zunächst ein knapper Überblick über das weite Feld der Medienrhetorik gegeben. In der anschließenden, genaueren Untersuchung wird das Plakat als Medium und dessen Eigenschaften vorgestellt. Abschließend wird analysiert welche rhetorischen Mittel speziell bei der Plakatwerbung zur Anwendung kommen. Einige Beispiele werden hierbei genauer untersucht.

Klassische und moderne Aspekte der Rhetorik

„Erst die Theorie entscheidet darüber, was man beobachten kann.“ (Albert Einstein) Deswegen werden im Folgenden Grundbegriffe und Ziele der klassischen Rhetorik geklärt. Auf dieser Basis kann im Weiteren auf die rhetorischen Besonderheiten von Medien eingegangen werden.

Allgemein versteht man unter Rhetorik die Kunst des Redens. Die antiken Rhetoriker unterschieden zwischen drei Redegattungen: der Gerichtsrede (genus iudicale), der politischen Rede (genus deliberativum) und der Fest- oder Prunkrede (genus demonstrativum). Später kam durch das Christentum noch die geistliche Rede oder Predigt (genus praedicandi) hinzu.[1]

Der Ausgangspunkt der historischen Rhetoriktheorie ist der Orator - der „strategische Kommunikator“[2], welcher als „textkonstruierende Instanz“[3] agiert. Sein „kommunikatives Handeln“ folgt einem bestimmten „kommunikativen Ziel“.[4] Er will seine Zuhörer von der eigenen Meinung überzeugen und gegebenenfalls eine Tat herbeiführen. Fünf theoretische Arbeitsschritte haben sich zur Produktion einer Rede etabliert:

1. inventio (heuresis): Sammlung des Stoffes und seine sichere Beherrschung, sowie Zusammenstellung der wichtigsten Argumente, die auf Tauglichkeit und Stichhaltigkeit überprüft werden.

2. dispositio (taxis): Zweckmäßige Gliederung des Materials in einer der Redekunst angemessenen Form.

3. elocutio (lexis): Umfasst die sprachlich-stilistische Ausgestaltung der Rede. Prüfung der Sprachrichtigkeit, Deutlichkeit, Angemessenheit des Inhalts, des Redeschmucks, Vermeidung von Überflüssigem.

4. memoria (mneme): Aneignung, das Einprägen der Gedanken und Worte, mittels mnemotechnischer Regeln.

5. actio (hypocrisis): Der Vortrag. Haltung des Redners, Wechsel im Stimmaufwand, in den Gebärden. Vortrag der Rede unter Einsatz der wirkungsvollsten Gesten, Mimik und Handlungen.

Der klassische Aufbau einer Rede besteht aus der Einleitung, der Darlegung des Sachverhalts/Erzählung des Geschehens, der Argumentation/Beweisführung und dem Redeschluss. Die Einleitung dient der Gewinnung der Zuhörer. Das Interesse muss geweckt werden. Die Schilderung des Sachverhalts bildet das Fundament der übrigen Rede und kann schon mit der Meinung des Redners gefärbt sein. Im Hauptteil werden dann die eigenen Argumente aufgeführt und gegebenenfalls die gegnerischen widerlegt. Beispiele werden aufgeführt. Der Redeschluss fasst alles Gesagte noch einmal zusammen, um die Einprägung beim Publikum zu verstärken. Mit einer letzen Aufwartung seines rhetorischen Geschicks versucht der Redner hier seine Zuhörer durch einen Appell zu einer bestimmten Meinung oder sogar Tat zu bringen[5].

Medialrhetorik

Ausgehend von diesen Aspekten der klassischen Rhetorik soll nun der Blick auf moderne Rhetorik, wie sie in den Massenmedien unserer Zeit vorkommt, geworfen werden.

Primärmediale Kommunikation

Medienrhetorik beschäftigt sich mit dem „Instrumentarium [, mit dem] sich rhetorisches Handeln vollzieht und wie die rhetorischen Mittel beschaffen sind“[6]. Im Prinzip basiert diese Aussage auf dem dreiteiligen Bühler’schen Kommunikationsmodell. Der Orator (Sender) muss sich dabei einem bestimmten Medium (Kanal) bedienen, um seinen Zuschauer/Zuhörer (Empfänger) zu erreichen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen rein technischen Vorgang, vielmehr stellt sich eine spezifische Kommunikationssituation ein. Dabei gelten neben dem Kommunikationsmodell weitere kommunikative Gesetzmäßigkeiten. Allen voran gilt das „kommunikative Interaktionsgesetz, welches besagt: emitive Actio = rezeptive Reactio. Weiterhin gilt das Widerstandsgesetz“[7]. Systembedingte, technische Eigenschaften des Kanals können semiotische Ablenkungseigenschaften besitzen, welche eine Verfremdung sowohl beim Orator, als auch bei den Rezipienten bewirken können. Dabei existieren zwei Hauptfaktoren: Distanz und Komplexität. Da der Orator bei der Medialrhetorik indirekt kommunikativ beteiligt ist, hat er keine situativen Interventionsmöglichkeiten. Zeit und Raum trennen die Kommunikationspartner. Hinzu kommen externe Interventionsgrößen wie Zwischenkommunikatoren, beispielsweise der Fernsehsender oder die Redaktion. Solche Medien haben mittlerweile starken Einfluss auf Kommunikationsprozesse. „In den Maschinerien der modernen Mediensysteme entstehen immer häufiger textuelle Amalgame im Durchlauf durch zahlreiche Bearbeitungs- und Redaktionsabteilungen.“[8] Es entstehen also immer häufiger anonyme Kommunikationsprodukte. Unter dieser Betrachtung der Massenmedien entstand auch Marshall McLuhans umstrittene Formel The medium is the message, was unter anderem bedeuten soll, dass Mediensysteme die moderne Kommunikation regieren. Nach Knape müsse die historische Rhetorik dieser Aussage entgegenstellen: Der Orator ist die Botschaft. Ausgehend von primärmedialer Kommunikation bleiben für rhetorische Kommunikationsvorgänge die kognitiven menschlichen Systeme entscheidend[9]. Der Orator muss versuchen eine mediale Präsenz zu erlangen, um sein „rhetorisches Handeln […] medienspezifisch wirkungsvoll zu vermitteln“[10]. Diese Präsenz ist ausschlaggebend für die Persuasion. Knape spricht in diesem Zusammenhang von einem „oratorisch gesteuerte[m] System“[11], dessen Ziel die „umfassende Einwirkung auf den Adressaten“[12] sei. Nur der Orator mit Interventionspräsenz, also der Fähigkeit den Kommunikationsprozess zu lenken und zu modifizieren besitzt „das höchste Maß an rhetorischer Handlungsmächtigkeit“[13] Die moderne Rhetoriktheorie unterscheidet zwei Arten der Persuasion:

Zentralweg: kognitives, rationales Argumentieren

Peripherweg: nonverbale, performative Kommunikationsmittel

Letztendlich hat es der Rezipient mit einem Komplex verschiedenster direkter und indirekter Kommunikationsmittel zu tun, die auf ihn einwirken.

Sekundärmediale Kommunikation

Was ist jedoch, wenn die Oratorpräsenz nicht mehr unmittelbar gegeben ist? Dann spricht man von sekundärmedialer Kommunikation. Die Gegebenheiten erfordern keinen leibhaftig anwesenden Orator. Welche Auswirkungen hat dies auf den rhetorischen Prozess? Der Kommunikator ist fortan einer Vielzahl von Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Am Beispiel Fernsehen ist exemplarisch zu nennen: Bildregie, Bildausschnitt und Zeitdauer der medialen Präsenz. Ein gutes Beispiel für diese Art der Präsenzverfremdung sind hier Reden von Goebbels oder Hitler. Beide Redner performierten ihre Texte geradezu theatralisch mit großen Gesten, konzipiert für das Reden vor einer riesigen Menschenmenge. Dort zeigten die ausgefeilten Inszenierungen auch ihre erschreckende Wirkung. Wurden diese Reden jedoch gefilmt und Nahaufnahmen, sowie Bildwiederholungen der Akteure gezeigt, so wirken die Bilder grotesk und unwirklich[14]. Der mediale Orator muss Rücksicht auf die technischen Gegebenheiten nehmen und seine Performanz anpassen. Ein weiterer Punkt ist, dass die Zuschauer durch stärkere Mittel gefesselt werden müssen, da sie im Umgang mit den Medien freie Hand haben. Der Fernseher kann abgeschaltet werden, sich jedoch von einer sprechenden Person zu lösen die einem Gegenüber steht, fällt mit Sicherheit schwer. "Wer für die Öffentlichkeit schreibt oder spricht, hält sich immer - bewusst oder unbewusst - an Regeln der Rhetorik. Bei der Stoffsuche, bei der Formgebung, beim Gliedern eines Textes, bei der Wahl des Stils und beim Ausformulieren werden Richtlinien befolgt, die die äußere Gestalt dem jeweiligen Ziel anpassen. Jede Sprech- oder Schreibsituation hat ihre eigene Rhetorik, zum Teil gelten immer die gleichen Regeln, zum Teil stellen die einzelnen Situationen ihre spezifischen Anforderungen. So schaffen auch Radio und Fernsehen besondere Rahmenbedingungen für das Reden und Schreiben."[15]

Tertiärmediale Kommunikation – Die Isolation des Rezipienten

Wieder anders verhält es sich bei der tertiärmedialen Kommunikation, beispielsweise im Bereich der Publizistik. Es liegt eine Reduktion des medialen Kommunikationsprozesses auf ein einziges semiotisches System vor. Die Interventionsmöglichkeiten seitens des Kommunikators sind abgestellt. Jetzt ist der Rezipient vollkommen isoliert vom Sprecher. Es „liegt eine nur noch auf eindimensionale Textpräsenz beschränkte Reduktionsstufe der rhetorischen Interventionspräsenz vor.“[16] Laut William Ivins findet jedoch eine Aufwertung des Zentralwegs statt. Da uns Daten nur auf einem Sinneskanal erreichen neigen wir weniger zu Fehlern.[17] Neuere Untersuchungen bestätigen, dass bei dieser Art der Rezeption die Meinungsbildung von der Prüfung der Argumente abhängt. Der Kommunikator muss aus der „korporalen Präsenz […] eine intellektuelle Präsenz im Text“[18] machen. Also dem Text eine Struktur versehen, die die persuasiven Ziele unterstützt. Weiterhin ist es ihm möglich durch das komplexe Zeichensystem unserer Verbalsprache in Schriftform personale Präsenz zu simulieren, indem die „menschliche Imagination, Phantasie und Emotionalität“[19] angeregt wird.

In allen drei aufgeführten medialen Kommunikationsformen spielt der Text und seine Gestaltung eine entscheidende Rolle.

Das Werbemedium Plakat

Was passiert wenn der Text auf ein Minimum reduziert ist und durch Bilder unterstützt wird? Dieser speziellen Form der medialen Kommunikation widmet sich das Medium Plakat. Im Folgenden werden allgemeine und mediale Eigenschaften des Plakats aufgezeigt.

„Das Plakat ist ein gedrucktes Blatt, das an einer öffentlich zugänglichen Wand angebracht ist, im Großformat mit graphischer Gestaltung und mittelfristiger Aktualität.“[20] Um seine kommunikative Wirkung entfalten zu können, muss das Plakat mit dem Medium Außenwelt eine Symbiose eingehen. Die Aktualität ist meist von sehr kurzer Dauer, da die Hauptaufgabe des Plakats die Verbreitung kurzzeitig relevanter Information und Werbung ist[21]. Um neuere Exemplare der Gattung Plakat genauer unter die Lupe zu nehmen, erscheint es sinnvoll sich die Entwicklung des relativ jungen Mediums Werbeplakat zu betrachten.

Entstehungsprozess

Vorläufer des Plakats gehen bis in die Antike zurück. Schon im alten Rom gab es Aushänge von Gesetzestexten. Der Durchbruch gelang jedoch erst mit der Erfindung des Buchdrucks und der Lithographie im 18. Jahrhundert. Von da an waren die technischen Vorrausetzungen geschaffen, das Medium Plakat massenweise zu verbreiten. Kapitalismus und die Entstehung komplexer Märkte mit ständigem Konkurrenzdruck förderten weiterhin die Unabdingbarkeit von Werbung. Plakate waren zeitweise der wichtigste kommerzielle Werbeträger und sind seit jeher ein zentraler Bestandteil von Werbung. Im Zuge dieser Entwicklung entstand das logistische Umfeld, um das Vordringen des Plakats weiter zu fördern. Im 19. Jahrhundert etablierten sich in europäischen Großstädten feste Plakatanschlagsstellen, beispielsweise 1855 in Deutschland die Litfaßsäule. Erfunden wurde sie durch Ernst Litfaß, einem der ersten Plakatanschlagsunternehmer der damaligen Zeit.[22]

Der Aufbau

Plakate existieren in jeglicher Größe, Form und Farbe. Klassische Plakate sind jedoch meist von rechteckiger Form und bestehen aus einem Bild -und einem Textteil. Reine Bild -oder Textplakate bilden die Ausnahme. Dabei dient in den meisten Fällen das Bild als so genannter Eyecatcher, um die Aufmerksamkeit zu erregen. Der Text dient als Informationsinstanz, transportiert den genauen Inhalt und lenkt den Rezipienten.

Zur Rhetorik des Plakats

Wie die verschiedenen Komponenten des Plakats nun genau miteinander funktionieren und was die Besonderheiten des Mediums sind, wird im Folgenden untersucht.

Der Rezeptionsprozess

Zunächst unterscheidet sich die Rezeption von Plakatwerbung grundsätzlich von der der meisten anderen Werbemedien. Der Rezipient begegnet ihr meist auf der Straße, entscheidet sich also nicht willentlich zur Rezeption, sondern schnappt hier und da Werbebotschaften auf. Der Multimediaraum Stadt bietet Platz für eine Unmenge an medialer Information. Das Werbemedium ist hierbei selbst sein stärkster Konkurrent. Werbeanzeigen in Zeitschriften, im Fernsehen oder Radio folgen in kurzen Abständen aufeinander. Der Rezipient hat etwas Zeit sie zu verarbeiten. Plakate dagegen hängen oft nebeneinander und sorgen für ein Meer an Eindrücken. Zudem kommen weitere Formen der Ablenkung hinzu, die sich um das Medium Plakat abspielen, beispielsweise das Leben auf der Straße oder Verkehrsschilder.

[...]


[1] vgl. Ueding 2000, S. 8 ff

[2] S. 33, Knape 2000

[3] S. 33, Knape 2000

[4] S. 33, Knape 2000

[5] vgl. Ueding 2000, S. 9 ff.

[6] S. 90, Knape 2000

[7] S. 91, Knape 2000

[8] S. 92, Knape 2000

[9] vgl. S.93, Knape 2000

[10] S.93, Knape 2000

[11] S.94, Knape 2000

[12] S. 95, Knape 2000

[13] S. 95, Knape 2000

[14] vgl. S 101, Knape 2000

[15] S. IX, Häusermann/Käppeli, 1986

[16] S. 103, Knape 2000

[17] vgl. S. 103, Knape 2000

[18] S.104, Knape 2004

[19] S. 105, Knape 2000

[20] S. 80, Faulstich 2004

[21] vgl. S.80, Faulstich 2004

[22] vgl. S. 82, Knape 2005

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Erfolgreiche Persuasion
Untertitel
Eine Untersuchung ausgewählter rhetorisch-stilistischer Mittel des Werbemediums Plakat
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Veranstaltung
Seminar Medienrhetorik
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V121693
ISBN (eBook)
9783640255399
ISBN (Buch)
9783640255443
Dateigröße
941 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erfolgreiche, Persuasion, Seminar, Medienrhetorik
Arbeit zitieren
Matthias Lenssen (Autor:in), 2004, Erfolgreiche Persuasion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121693

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