Höhlenlöwen

Raubkatzen im Eiszeitalter


Fachbuch, 2009

332 Seiten


Leseprobe


Vorwort

Löwen im Eiszeitalter

Eiszeitliche Löwen aus Europa, Asien und Amerika stehen im Mittelpunkt des Taschenbuches „Höhlenlöwen. Raubkatzen im Eiszeitalter“ des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst. Es beginnt mit dem riesigen Mosbacher Löwen (Panthera leo fossilis), der nach etwa 600.000 Jahre alten Funden aus dem ehemaligen Dorf Mosbach bei Wiesbaden in Hessen benannt ist. Dieser Mosbacher Löwe gilt mit einer Gesamtlänge von bis zu 3,60 Metern als der größte Löwe aller Zeiten in Deutschland und Europa. Seine Kopfrumpflänge betrug etwa 2,40 Meter, sein Schwanz maß weitere 1,20 Meter. Von dieser imposanten Raubkatze stammt der Europäische Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea) ab, der im Eiszeitalter (Pleistozän) vor etwa 300.000 bis 10.000 Jahren in Europa lebte. Noch größer als der Mosbacher Löwe und der Europäische Höhlenlöwe war der Amerikanische Höhlenlöwe (Panthera leo atrox) aus dem Eiszeitalter vor etwa 100.000 bis 10.000 Jahren. Er wird ebenso vorgestellt wie der vor etwa 40.000 bis 10.000 Jahren existierende Ostsibirische Höhlenlöwe (Panthera leo vereshchagini), den man auch Beringia-Höhlenlöwe nennt. Weitere Kapitel befassen sich mit Höhlenlöwen in der Kunst der Eiszeit, Löwenfunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz, eiszeitlichen Raubkatzen in Deutschland und Löwen der Gegenwart. Geschildert wird auch der Ablauf des von starken Klimaschwankungen geprägten Eiszeitalters in Deutschland.

Der Mosbacher Löwe

Panthera leo fossilis

Als der geologische älteste europäische Löwe gilt der Mosbacher Löwe der Unterart Panthera leo fossilis. Die meisten Fossilien dieser Großkatze kennt man aus den Mosbach-Sanden im Stadtkreis von Wiesbaden in Hessen. In älterer Literatur ist noch der Begriff Mosbacher Sande zu lesen, der nach Empfehlungen der Stratigraphischen Kommission von 1977 durch den Ausdruck Mosbach-Sande ersetzt wird.

Bei den Mosbach-Sanden handelt es sich um Flussablagerungen des eiszeitlichen Mains, der damals weiter nördlich als heute in den Rhein mündete, des Rheins und von Taunusbächen. Der Name Mosbach-Sande erinnert an das einst zwischen Wiesbaden und Biebrich liegende Dorf Mosbach, wo man schon 1845 in etwa zehn Meter Tiefe erste eiszeitliche Großsäugerreste entdeckte.

1882 schlossen sich die Dörfer Mosbach und Biebrich zur Stadt Biebrich-Mosbach zusammen. In der Folgezeit gewann Biebrich durch Schloss, Rheinverkehr, Industrie und Kaserne eine solche Dominanz, dass man 1892 den Begriff Mosbach aus dem Stadtnamen strich. Am 1. Okober 1926 wurde Biebrich in Wiesbaden eingemeindet.

In Mosbach befanden sich von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis etwa um 1910 zu beiden Seiten der Biebricher Allee – ungefähr beim heutigen Landesdenkmal – zahlreiche Gruben, in denen man Sande und Kiese abgebaut hat. Der dort vorhandene feine Sand diente nicht nur für Bauvorhaben, sondern wurde auch gerne von Hausfrauen zum Scheuern von Holzfußböden verwendet.

Später wurden die Abbauflächen erweitert und nach Südosten verlagert. Dort hat die Firma Dyckerhoff die stellenweise fossilreichen Schichten der Mosbach-Sande bis Ende 2005 großflächig abgebaut. Dies geschah, um an die darunter liegenden etliche Millionen Jahre alten tertiärzeitlichen Kalksteine zu gelangen, die man zur Zementherstellung benötigte. Heute werden nur noch die Mosbach-Sande als Rohstoff benötigt.

Beim Abbau der Mosbach-Sande kommen immer wieder Überreste von Wirbeltieren zum Vorschein, die wohl zum größten Teil aus dem nach einem englischen Fundort bezeichneten Cromer-Komplex (etwa 800.000 bis 480.000 Jahre) stammen. Die charakteristische Cromer-Forest-Bed-Abfolge in Norfolk (England) wurde 1882 von dem englischen Geologen Clement Reid (1855–1916) beschrieben. Als so genannte Typuslokalität gilt West Runton bei Cromer mit einem Alter von höchstens 700.000 Jahren. Das Klima im Cromer war nicht einheitlich. Einerseits gab es sehr milde, andererseits aber auch kühle Abschnitte. In Mitteleuropa wird das Cromer in vier Warmzeiten und vier Kaltzeiten gegliedert.

Nur die früheste Cromer-Warmzeit I (auch Cromer-Interglazial I genannt) wird dem Altpleistozän (etwa 1,9 Millionen bis 780.000 Jahre) zuordnet. In diese Zeit fällt die fossilarme Mosbach 1-Fauna vor etwa einer Million Jahren, die ähnlich alt wie die Fossilien aus dem Leichenfeld bei Untermaßfeld nahe Meiningen in Thüringen ist.

Den größten Teil des Cromer-Komplexes rechnet man dem Mittelpleistozän (etwa 780.000 bis 127.000 Jahre) zu. Dazu zählen die Cromer-Warmzeiten II, III, IV und die dazwischen liegenden Kaltzeiten.

Die fossilreiche mittelpleistozäne Mosbach 2-Fauna und die gleichaltrigen Sande von Mauer bei Heidelberg gehören entweder in die ältere Cromer-Warmzeit III (auch älteres Cromer-Interglazial III genannt) oder in die jüngere Cromer-Warmzeit IV (Cromer-Interglazial IV).

In der Literatur heißt es oft, in der schätzungsweise etwa 600.000 Jahre alten Hauptfundschicht (Graues Mosbach) lägen die Reste zweier Lebensgemeinschaften vor, die einer ausgehenden Warmzeit und einer heraufziehenden Kaltzeit innerhalb des Cromer entsprächen. Während der Warmzeit sollen beispielsweise Waldelefant und Flusspferd gelebt haben, in der Kaltzeit dagegen der riesige Steppenelefant, der Steppenbison, der Vielfaß und das Rentier.

Nach Forschungen des Wiesbadener Paläontologen Thomas Keller, die er seit 1991 in den Mosbach-Sanden unternimmt, gibt es aber keine Hauptfundschicht. Denn fast alle Schichten enthalten nach seinen Beobachtungen Fossilien. Außerdem vermutet er eher einen Wechsel von einer ausgehenden Kaltzeit zu einer beginnenden Warmzeit.

In den wärmeren Abschnitten des Cromer behaupteten sich Eichenmischwälder mit Eiben und Erlen. Merklich spärlicher gab es Hasel und Hainbuche. Während der kühlen Phasen dehnten sich Nadelmischwälder aus, in denen Kiefern überwogen. Birken wuchsen zu Beginn und gegen Ende des Cromer häufig.

In Deutschland lebten im Cromer bei zeitweise warmem, mitunter aber auch kühlem Klima zwar keine Mastodonten (Rüsseltiere mit drei Backenzähnen in jeder Kieferhälfte) und Tapire mehr, jedoch weiterhin wärmeorientierte Elefanten, Nashörner und das Flusspferd Hippopotamus antiquus. Neu waren in Deutschland die Steppenhirsche (Praemegaceros verticornis), deren breitschaufeliges Geweih dem von Damhirschen ähnelt, sowie der Mosbacher Bär Ursus deningeri als Vorfahre des jungpleistozänen Höhlenbären Ursus spelaeus.

Zu den bekanntesten Fundorten mit fossilen Faunen aus dem Cromer in Deutschland zählen die erwähnten Mosbach-Sande im Stadtkreis von Wiesbaden, die aber auch ältere und jüngere Ablagerungen aus dem Eiszeitalter enthalten, die Mauerer Sande von Mauer bei Heidelberg und das Mittelmain-Cromer mit den Fundstellen Marktheidenfeld, Karlstadt, Erlabrunn, Würzburg-Schalksberg, Randersacker, Volkach und Goßmannsdorf, Voigtstedt im Harzvorland und Weimar-Süßenborn. Umstritten ist die Zuordnung der Faunenreste aus den Tonen von Jockgrimm in der Pfalz ins Cromer.

Das Naturhistorische Museum Mainz besitzt mit mehr als 25.000 Funden aus den Mosbach-Sanden die größte Sammlung von Tieren aus dem Eiszeitalter des Rhein-Main-Gebietes. Im Museum Wiesbaden wird ebenfalls eine umfangreiche Sammlung von Fossilien aus diesem Fundgebiet aufbewahrt. Die bisher wissenschaftlich bearbeiteten Vogelreste aus den Mosbach-Sanden weisen auf ein Wasser-Sumpf-Gebiet hin, in dem außer Schwänen und Enten auch Geier (Gyps melitensis) lebten.

Der frühere Direktor des Naturhistorischen Museums Mainz, Herbert Brüning (1911–1983), hat Tausende der in den Mosbach-Sanden geborgenen Fossilien aufgelistet, die in den paläontologischen Sammlungen des Mainzer Museums aufbewahrt sind. „Insgesamt wurden bisher mehr als 65 Säugetierarten aus den Mosbach-Sanden bestimmt“, heißt es in dem Buch „Deutschland in der Urzeit“ (1986) von Ernst Probst.

Zum Fundgut aus den Mosbach-Sanden gehören unter anderem Reste vom herdenweise vorkommenden Mosbach-Pferd (Equus mosbachensis), Steppen- bzw. Alt-Riesenhirsch (Praemegaceros verticornis), Alt-Damhirsch (Praedama sp.), Breitstirnelch (Alces latifrons), Wisent (Bison schoetensacki) und Mosbacher Bären (Ursus deningeri). Als eine der größten Raritäten aus den Mosbach-Sanden gilt der Fund einer Unterkieferleiste eines Makaken (Macaca), die im Frankfurter Senckenberg-Museum aufbewahrt wird. Dieser Fund belegt, dass vor ungefähr 600.000 Jahren im Rhein-Main-Gebiet noch Affen lebten.

Im Fundgut der Archäologischen Denkmalpflege Hessen aus den Mosbach-Sanden sind Mosbacher Bären (Ursus deningeri) – nach den Beobachtungen von Thomas Keller – die am häufigsten vertretenen Raubtiere. Der Artname dieses 1904 nach einem Fund aus Mosbach beschriebenen Bären erinnert an den in Mainz geborenen Geologen Karl Julius Deninger (1878–1917).

Unter den im Naturhistorischen Museum Mainz aufbewahrten Fossilien aus den Mosbach-Sanden überwiegen bei den Raubtieren dagegen die Wölfe. Man kennt etliche Formen: den kleinen Mosbacher Wolf (Canis lupus mosbachensis), die dort seltene Großform Xenocyon lycaenoides, die Art Cuon priscus, die ein Vorfahre des heutigen Alpenwolfes sein dürfte, sowie eine kleine primitivere Vorform (Cuon cf. priscus). Zu den größeren Raubtieren zählen außerdem die Streifenhyäne (Hyaena perrieri), die Tüpfelhyäne (Crocuta crocuta praespelaea), der Luchs (Lynx issiodorensis), der Mosbacher Löwe (Panthera leo fossilis), der Europäische Jaguar (Panthera onca gombaszoegensis), der Gepard (Acinonyx pardinensis) und die Säbelzahnkatze (Homotherium crenatidens).

Vom Mosbacher Löwen liegen Schädelreste, Unterkiefer oder Teile davon sowie einige Skelettknochen und wenige isolierte Zähne vor. Ganze Skelette oder komplette Schädel dieser Großkatze hat man bisher in den eiszeitlichen Ablagerungen von Rhein und Main noch nicht entdeckt.

Die erste Beschreibung des Mosbacher Löwen (Panthera leo fossilis) aus dem Jahre 1906 stammt von Wilhelm von Reichenau (1847–1925). Er hatte Funde aus Mosbach bei Wiesbaden und Mauer bei Heidelberg untersucht und sie einer fossilen Unterart des Löwen namens „Felis leo fossilis“ zugeordnet. Die heutige gültige Bezeichnung für diese Unterart lautet Panthera leo fossilis.

Wilhelm von Reichenau war Offizier, gab diesen Beruf aber wegen einer Kriegsverletzung auf. 1879 wurde er Präparator der Rheinischen Naturforschenden Gesellschaft in Mainz, 1888 Konservator an deren naturkundlichem Museum, 1907 Ehrendoktor der Philosophie der Universität Gießen. Von 1910 bis 1915 fungierte er als Direktor des neuen Naturhistorischen Museum Mainz und ab 1910 als Professor. Er hat sich um die Erforschung der Mosbach-Sande verdient gemacht.

Der Mosbacher Löwe (Panthera leo fossilis) wurde oft von Wissenschaftlern untersucht und teilweise auch unter anderen Namen beschrieben. Einer dieser Experten – nämlich der Berliner Paläontologe Wilhelm Otto Dietrich (1881–1964) – nannte ihn 1968 Panthera leo mosbachensis, was sich aber nicht durchsetzte. Auch den Namen „Alt-Panther“ für den Mosbacher Löwen liest man nicht oft.

Ein fast kompletter, etwa 43 Zentimeter langer Oberschädel eines Mosbacher Löwen wurde um 1885 in den Mauerer Sanden von Mauer bei Heidelberg entdeckt. Diesen Löwen-Oberschädel hat 1912 der Paläontologe Adolf Wurm (1886–1968) beschrieben. Bei dem Fundort handelte es sich um die Sandgrube Grafenrain, wo am 21. Oktober 1907 der Unterkiefer des Heidelberg-Menschen (Homo erectus heidelbergensis bzw. Homo heidelbergensis) zum Vorschein kam. Dieser Frühmensch gilt mit einem geologischen Alter von etwa 630.000 Jahren als der älteste bekannte Mitteleuropäer. Der Unterkiefer des Heidelberg-Menschen wird im Geologisch-Paläontologischen Institut der Universität Heidelberg aufbewahrt. Dort lag früher auch der Löwen-Oberschädel aus Mauer, bevor er 1982 anlässlich der 75. Wiederkehr der Entdeckung des Heidelberg-Menschen dem Urgeschichtlichen Museum der Gemeinde Mauer als Dauerleihgabe überlassen wurde.

Dass eine diesen ersten europäischen Löwen sehr nahe stehende Form schon viel früher existierte, zeigt die frappierende Formähnlichkeit eines Löwenunterkiefers aus den Mosbach-Sanden in Deutschland mit dem rund 1,75 Millionen Jahre alten Unterkiefer eines Löwen aus der Olduvai-Schlucht in Tansania (Afrika). Dieser frühe Löwe aus dem „Schwarzen Erdteil“ wird zur Unterart Panthera leo shawi gerechnet, die 1948 der südafrikanische Arzt und Paläontologe Robert Broom (1866–1951) beschrieben hat.

Noch mehr als die Mosbacher Teilfunde lässt der Löwenschädel aus Mauer bei Heidelberg erkennen, dass diese Tiere eine ursprünglichere Stufe der Hirnentwicklung als die meisten heutigen Löwen aufwiesen. Das Hirn des Mosbacher Löwen dürfte etwa dem des in freier Wildbahn und in unvermischter Form auch in Gefangenschaft ausgestorbenen Berberlöwen oder Atlaslöwen (Panthera leo leo) und dem des Indischen Löwen (Panthera leo goojratensis) oder Asiatischen Löwen (Panthera leo persica) entsprechen. Letztere beiden Löwen besitzen weniger Hirnmasse als Afrikanische Löwen (Panthera leo). Es scheint, als ob Löwen mit der geringeren Hirnentwicklung auch in ihrem Sozialverhalten noch weniger entwickelt waren als gegenwärtige Afrikanischen Löwen. Sie werden deshalb paarweise oder als Einzelgänger gelebt und gejagt haben. Sicherlich mussten sich die Großkatzen von Mosbach und Mauer wie die noch vor einigen Jahrzehnten im Atlasgebirge heimischen Berberlöwen auch bei Schnee, Frost und Eis behaupten.

Die Löwen aus den Mosbach-Sanden erreichten nach Berechnungen von Wissenschaftlern anhand von Skelettresten eine Kopfrumpflänge bis zu 2,40 Metern. Dazu muss noch ein mindestens 1,20 Meter langer Schwanz gerechnet werden. Die Großkatzen von Mosbach waren demnach bis zu 3,60 Meter lang. Das ist etwa ein halber Meter mehr als bei durchschnittlichen heutigen Löwen. Sie entsprachen damit dem Sibirischen Tiger (Panthera tigris altaica), der größten Katze, die gegenwärtig auf Erden lebt, oder einem „Liger“, der Kreuzung eines männlichen Löwen mit einem weiblichen Tiger.

Noch größer als die Mosbacher Löwen waren die Amerikanischen Höhlenlöwen (Panthera leo atrox), die im Eiszeitalter vor etwa 100.000 bis 10.000 Jahren in Nord- und Südamerika lebten. Diese erreichten eine Kopfrumpflänge bis zu etwa 2,50 Metern und mit Schwanz eine Gesamtlänge von bis zu 3,70 Metern.

Die Urheimat der Löwen lag offenbar in Afrika. Dort sind die geologisch ältesten Löwen in den berühmten Fossilfundstellen um den Turkanasee – früher Rudolfsee genannt – in Kenia und in der Olduvai-Schlucht in Tansania entdeckt worden. Diese Löwenfunde auf dem „Schwarzen Erdteil“ sind bis zu zwei Millionen Jahre alt.

Nicht durchsetzen konnte sich die Vermutung einiger Wissenschaftler, dass rund 3,5 Millionen Jahre alte Fossilien aus Laetoli in Tansania (einem berühmten Vormenschen-Fundort) vom frühesten Löwen stammen. Dabei handelt es sich um Kieferbruchstücke und wenige Skelettreste.

In Europa tauchte der Löwe vor etwa 700.000 Jahren auf. So alt ist ein Fund des Mosbacher Löwen vom süditalienischen Fundort Isernia bei Molise. Aus Deutschland sind Mosbacher Löwen aus der Zeit vor etwa 600.000 Jahren vor allem in Mosbach im Stadtkreis von Wiesbaden (Hessen) und Mauer bei Heidelberg (Baden-Württemberg) nachgewiesen. Weitere Mosbacher Löwen kennt man aus Atapuerca/Gran Dolina (Spanien) sowie Tautavel/Arago-Höhle und Château (Frankreich).

Besonders viele Raubkatzen-Funde kamen in Château (Burgund) zum Vorschein. Dort hatte man 1863 bei Straßenbauarbeiten viele Knochen von Bären und Löwen entdeckt. 1968 wurde diese alte Fundstelle wieder aufgespürt. Zwischen 1997 und 2002 nahm der Paläontologe Alain Argant Grabungen vor. Zum Fundgut von Château gehören Fossilien vom Mosbacher Bären (Ursus deningeri), Etruskischen Wolf (Canis etruscus), Mosbacher Wolf (Canis lupus mosbachensis), ein komplettes Skelett mit Schädel vom Europäischen Jaguar (Panthera onca gombaszoegensis) sowie drei Schädel, sechs Kieferfragmente und ein Fuß vom Mosbacher Löwen (Panthera leo fossilis).

Die Löwen der Art Panthera youngi von Choukoutien bei Peking, dem berühmten Fundort des Peking-Menschen (Homo erectus pekinensis) in China vor etwa 350.000 Jahren, sind offenbar Vorfahren der Höhlenlöwen in Europa, Asien und Nordamerika. Löwen aus Vence und Cajare in Frankreich dokumentieren den Übergang zwischen dem Mosbacher Löwen und dem Höhlenlöwen.

Als eine Vereisungsphase den Meeresspiegel weltweit absinken ließ, wanderten Höhlenlöwen über die Landbrücke Beringia und die Beringbrücke auch nach Nordamerika. Beide Landbrücken werden heute von der Beringsee bedeckt, die nach dem dänischen Entdecker Vitus Janessen Bering (1741–1680) benannt ist. An der engsten Stelle ist die Beringstraße heute nur 85 Kilometer breit sowie 50 bis 90 Meter tief.

In Nordamerika verbreiteten sich die Höhlenlöwen rasch über den gesamten Halbkontinent und erreichten zudem das nördliche Südamerika. Fast gleichzeitig wie ihre Artgenossen in Europa sind sie dann dort vor etwa 10.000 Jahren zum Ende des Eiszeitalters ausgestorben.

In Deutschland jagten riesige Löwen – wie erwähnt – schon vor etwa 600.000 Jahren an den Ufern der eiszeitlichen Flüsse Neckar, Rhein und Main. Außerdem kennt man etwa 370.000 Jahre alte Löwenfunde aus Bilzingsleben in Nordthüringen und etwa 300.000 Jahre alte Löwenfossilien aus Steinheim an der Murr in Baden-Württemberg. An all diesen Plätzen lebten auch menschliche Vorfahren wie Homo erectus bilzingslebenensis oder Homo steinheimensis.

Begegnungen mit Mosbacher Löwen dürften vor rund 600.000 Jahren für unsere damaligen Vorfahren lebensgefährlich gewesen sein. Denn diese Frühmenschen verfügten – nach den Funden zu urteilen – noch über keine wirkungsvollen Waffen. Stoßlanzen und Wurfspeere standen vermutlich erst zwischen etwa 400.000 und 300.000 Jahren zur Verfügung, wie Funde von acht etwa 1,80 bis zu 2,50 Meter langen Speeren im Baufeld Süd des Braunkohletagebaus Schönfeld (Landkreis Helmstedt) in Niedersachsen belegen.

Spätestens zwischen etwa 400.000 und 300.000 Jahren also hat sich die Lage zugunsten der Menschen verändert. Nun gehörte der Löwe zur Jagdbeute von Frühmenschen, wie als Speiseabfälle gedeutete Reste bei Ausgrabungen in Bilzingsleben (Kreis Artern) in Thüringen bezeugen.

In der Literatur werden die Mosbacher Löwen mitunter auch als Höhlenlöwen bezeichnet, was vor allem Laien verwirren dürfte. In diesem Buch wird der Begriff Höhlenlöwe ausschließlich für die Unterart Panthera leo spelaea verwendet, die sich vor etwa 300.000 Jahren aus dem Mosbacher Löwen entwickelt hat.

Europäische Jaguare

in den Mosbach-Sanden

Im Sommer 1913 entdeckte der Mainzer Paläontologe Otto Schmittgen (1879–1938) in den Mosbach-Sanden ein rechtes Unterkieferbruchstück mit einem gut erhaltenen Backenzahn von einer Raubkatze. Dabei handelte es sich – wie man heute weiß – um den ersten Fund von einem Europäischen Jaguar (Panthera onca gombaszoegensis) in Mosbach. Der Name Panthera onca gombaszoegensis erinnert an den slowakischen Fundort Gombasek (Gombaszök). Von dort hat 1938 der Budapester Paläontologe Miklós Kretzoi (1907–2005) einen derartigen Fund beschrieben.

Otto Schmittgen deutete das Mosbacher Bruchstück zunächst, obwohl es ihm dafür eigentlich etwas zu klein erschien, als Rest eines Löwen. Bei späteren Vergleichen gelangte er aber zu der Überzeugung, dass es sich um einen „Panther“ handeln müsse, der bis dahin noch nicht aus Mosbach bekannt war. Weil der Backenzahn des Mosbacher „Panthers“ merklich abgekaut war, musste es sich um ein altes Tier handeln. Der bemerkenswerte Fund wurde im Naturhistorischen Museum Mainz aufbewahrt.

1968 glückte in den Mosbach-Sanden der zweite Nachweis des Europäischen Jaguars. Dabei handelte es sich um einen Unterkieferrest, den 1969 der Zoologe Helmut Hemmer und die Paläontologin Gerda Schütt (1931–2007) identifizierten. Die Gesamtlänge des nicht ganz vollständigen Unterkiefers dürfte etwa 16,5 bis 17 Zentimeter betragen haben. Dieses Maß entspricht den Extremwerten heutiger afrikanischer Leoparden (Panthera pardus). Es erreicht aber nicht die Variationsbreite kleiner Löwinnen, die bei etwa 19 Zentimetern beginnt. Der Eckzahn (Fangzahn) des im Naturhistorischen Museum Mainz aufbewahrten Jaguar-Unterkiefers aus Mosbach ragt etwa 3,5 Zentimeter aus dem Knochen.

Am 24. April 1998 gelang Anne Sander bei einer von der Abteilung Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen veranlassten Kontrollbegehung des Tagebaus Ostfeld in Wiesbaden der dritte Nachweis eines Europäischen Jaguars in den Mosbach-Sanden. Frau Sander entdeckte Fragmente des rechten Unterkieferastes von einem vermutlich weiblichen Jaguar. In der Folgezeit barg sie zusammen mit dem Paläontologen Thomas Keller weitere Kiefer- und Zahnfragmente, bis am 18. Juni 1998 insgesamt 54 Bruchstücke des Unterkiefers vorlagen. Im Juli 2001 wurde der Fund dem Mainzer Zoologen Helmut Hemmer zur Bestimmung übergeben. Erfahrene Präparatoren der Forschungsstation für Quartärpaläontologie der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft, Weimar fügten die Bruchstücke zu einem 10,8 Zentimeter langen Unterkieferfragment zusammen. Der komplette Unterkiefer dürfte schätzungsweise 18 Zentimeter lang gewesen sein. Von den erhaltenen vier Zähnen konnten nur drei in Position eingefügt werden, weil für den vorderen Vorbackenzahn ein Halt gebendes Knochenstück fehlte. Das Lebendgewicht dieses Jaguars wird auf bis zu 140 Kilogramm geschätzt.

Die Mosbacher Jaguarfunde gehören zu den geologisch jüngsten dieser Raubkatze, die schon vor etwa 1,5 Millionen Jahren im Eiszeitalter in Europa vorkam. Vielleicht war der Europäische Jaguar wie der heutige Jaguar „eng ans Wasser“ gebunden und bevorzugte ebenfalls Wald- und Buschgebiete.

Panthera onca gombaszoegensis dürfte spätestens in der Mindel-Eiszeit (etwa 480.000 bis 330.000 Jahre) ausgestorben sein. Sein Verschwinden ist wohl durch die Kälte und die Konkurrenz durch Löwen bewirkt worden.

Der Europäische Jaguar wurde früher unter zahlreichen Artnamen beschrieben. Reste dieser Großkatze kamen außer in Mosbach (Hessen) auch an anderen Fundstellen in Deutschland zum Vorschein: Rabenstein bei Waischenfeld und Würzburg-Schalksberg (beide in Bayern), Neuleiningen bei Grünstadt (Rheinland-Pfalz), Weimar-Süßenborn und Untermaßfeld bei Meiningen (beide in Thüringen). Zum Fundgut der Bärenhöhle bei Sonnenbühl-Erpfingen (Baden-Württemberg) gehört der Toskanische Jaguar (Panthera onca toscana), der aber vielleicht mit dem Europäischen Jaguar identisch ist.

Jaguarfossilien hat man außer in Deutschland auch in Spanien, Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, England, Österreich, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Georgien und in der Ukraine geborgen. Bei einer Ausgrabung am französischen Fundort Château in Burgund entdeckten die Paläontologen Alain Argant und Jacqueline Argant sogar Teile eines fast kompletten Skelettes mit Schädel von Panthera onca gombaszoegensis.

Alain Argant, Jacqueline Argant, Marcel Jeannet (alle drei aus Frankreich) und Margarita Erbajeva (Russland) haben 2007 in der Publikation „Courier Forschungs-Institut Senckenberg“ zahlreiche Fundorte des Europäischen Jaguars erwähnt:

Frankreich: L’Escale, Château, La Nauterie, Artenac, Vallonnet, Cénac-et-Saint-Julien Grotte XIV, Villereversure, Azé-Aiglons, Marignat

Spanien: Atapuerca Gran Dolina, Huéscar I

Italien: Olivola, Val d’Arno, Perugia

England: Westbury-sub-Mendip

Belgien: Sprimont/Belle-Roche

Niederlande: Maasvlakte bei Rotterdam, Nordsee

Deutschland: Mosbach, Würzburg-Schalksberg, Untermaßfeld, Weimar-Süßenborn, Rabenstein bei Waischenfeld (Der Fundort Neuleiningen bei Grünstadt in Rheinland-Pfalz wurde erst 2013 bekannt)

Österreich: Hundsheim

Tschechien: Koneprusy, Stránská Skála, Holsteijn 1/Chlum 6,

Slowakei: Gomsbasek (Gombaszög)

Ungarn: Vérteszölös II, Villány 3, Somssich-hegy 2, Kövesvárad, Uppony 1

Rumänien: Betfia

Bulgarien: Slivnica

Griechenland: Volos, Gerakou 1, Petralona

Georgien: Akhalkalaki

Ukraine: Zimbal

Eine Säbelzahnkatze

in den Mosbach-Sanden

Ein 1963 entdeckter Mittelhandknochen aus den Mosbach- Sanden von Wiesbaden stammt von der Säbelzahnkatze Homotherium crenatidens. Dieser seltene Fund wurde 1979 von der Paläontologin Gerda Schütt identifiziert. Die Säbelzahnkatze aus den Mosbach-Sanden steht in der Größe zwischen einem Jaguar und einem Löwen. Sie besaß einen großen und schweren Kopf, zwei mehr als fingerlange Eckzähne im Oberkiefer, einen ziemlich kurzen Körper, kraftvolle Beine und einen kurzen Schwanz. Zwei Fingerknochen und einen Eckzahn der Säbelzahnkatze Homotherium crenatidens hat man auch in Mauer bei Heidelberg entdeckt.

Im Eiszeitalter gab es zwei Arten der Säbelzahnkatzen-Gattung Homotherium in Europa. Die größere davon namens Homotherium crenatidens mit einer Gesamtlänge von der Nasen- bis zur Schwanzspitze von ca. 1,90 Metern und einer Schulterhöhe von etwa einem Meter lebte vom frühen bis zum mittleren Eiszeitalter, die kleinere Nachfolgeart Homotherium latidens behauptete sich vom mittleren bis zum späten Eiszeitalter. Der letzteren Form ähnelt eine Tierstatuette, die 1896 in der Höhle von Isturitz (Südwestfrankreich) entdeckt wurde.

Obwohl die Säbelzahnkatze Homotherium ziemlich groß und kräftig war, wirkte sie wesentlich schlanker und hochbeiniger als die Dolchzahnkatzen Smilodon und Megantereon, die zur gleichen Zeit in Eurasien, Afrika und Amerika existierten. Wie bei Smilodon waren die Vorderbeine von Homotherium merklich länger als die Hinterbeine, weswegen seine Rückenlinie nach hinten abfiel. Im Gegensatz zu Smilodon mit bis zu 28 Zentimeter langen Eckzähnen trug Homotherium zwei relativ kurze, mehr als fingerlange Eckzähne, die zudem stärker gekrümmt, flach, gezackt und messerscharf waren. Mit diesen Eckzähnen konnte Homotherium seinen Opfern eher Reisswunden als tiefe Stoßwunden zufügen. Oder er hat damit Aas, das durch Verwesungsgase aufgetrieben war, geöffnet.

Rätselhaft ist, dass die Krallen bei Homotherium offenbar nicht vollständig einziehbar waren. Eventuell hatten sie – wie bei heutigen Hunden und Hyänen – eine Funktion wie Spikes, um lang anhaltende Verfolgungen zu ermöglichen. Diese Säbelzahnkatze dürfte ein ausdauernder Läufer gewesen sein und offene Landschaften – wie Steppen – bevorzugt haben.

Säbelzahnkatzen werden von Experten und Laien oft als Säbelzahntiger bezeichnet. Doch diese populäre Bezeichnung ist unzutreffend, weil Säbelzahnkatzen nicht mit dem heutigen Tiger verwandt sind. Der neuerdings verwendete Begriff Dolchzahnkatzen für einige früher als Säbelzahnkatzen bezeichnete Raubkatzen gefällt auch nicht jedem.

Geparden in den Mosbach-Sanden

Zeitgenossen der Mosbacher Löwen waren auch Geparden, für die 2008 der Zoologe Helmut Hemmer (Mainz) sowie die Paläontologen Ralf Dietrich Kahlke (Weimar) und Thomas Keller (Wiesbaden) den wissenschaftlichen Namen Acinonyx pardinensis (sensu lato) intermedius vorgeschlagen haben. Diese Raubkatzen aus den Mosbach-Sanden von Wiesbaden waren größer und schwerer als ihre schnellen asiatischen und afrikanischen Verwandten (Acinonyx jubatus) der Gegenwart. Das kann man aus ihren fossilen Resten schließen. Bisher sind in den Mosbach-Sanden drei Fossilien von Geparden entdeckt worden.

1969 erwähnte die Paläontologin Gerda Schütt einen Leoparden-Fund (Panthera pardus) aus den Mosbach-Sanden, der in einer Privatsammlung aufbewahrt wurde und zur Publikation durch den Weimarer Paläontologen Hans Dietrich Kahlke vorgesehen war. Nach einem Hinweis von Kahlke wurde dieses Fossil 2002 von dem Paläontologen Jens Lorenz Franzen in der Mosbach-Sammlung der Sektion Paläanthropologie des Forschungsinstitutes Senckenberg in Frankfurt am Main aufgefunden. Es war durch den Kauf dieser Privatsammlung durch Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald (1902–1982) zu Senckenberg gelangt. Der Mainzer Zoologe Helmut Hemmer identifizierte das rund sechs Zentimeter lange rechte Unterkieferbruchstück mit Resten zweier Zähne 2003 als Gepard. Nach seiner Ansicht stammt es von einem etwa 60 Kilogramm schweren Weibchen.

1970 beschrieb Gerda Schütt ein in den Mosbach-Sanden entdecktes linkes Oberarmknochenfragment von einem Geparden und ordnete es der Art Acinonyx pardinensis zu. Dieser 3,7 Zentimeter lange Fund von 1959 wird im Naturhistorischen Museum Mainz aufbewahrt. Es ist – laut Helmut Hemmer – ein Knochen von einem schätzungsweise rund 60 Kilogramm schweren Weibchen.

Am 10. März 2000 glückte Anne Sander von der Abteilung Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen in den Mosbach-Sanden von Wiesbaden der Fund eines rechten Oberschenkelknochens von einem Geparden. Von dem ursprünglich rund 31 Zentimeter langen Oberschenkelknochen waren 27,3 Zentimeter erhalten geblieben. Helmut Hemmer vermutet, dies sei ein Rest von einem männlichen Geparden mit einem Gewicht von etwa 90 Kilogramm.

Heutige Geparden haben eine Kopfrumpflänge bis zu etwa 1,35 Meter, wozu noch ein maximal 0,75 Meter langer Schwanz kommt, und oft nur ein Gewicht von etwa 60 Kilogramm. Wegen ihres höheren Gewichts dürften die früheiszeitlichen Geparden im Rhein-Main-Gebiet keine so schnellen Sprinter wie ihre jetzigen Verwandten gewesen sein, die auf kurzen Strecken eine Geschwindigkeit von bis zu 110 Stundenkilometern erreichen. Geparden sind ab der Mindel-Eiszeit (etwa 480.000 bis 330.000 Jahre) in Europa nicht mehr nachweisbar.

Leoparden in den Mosbach-Sanden?

Vermutlich lebten im Cromer (etwa 800.000 bis 480.000 Jahre) auch am Main und Rhein in der Wiesbadener und Mainzer Gegend prächtige Leoparden der Unterart Panthera pardus sickenbergi, die aus Mauer bei Heidelberg (Baden-Württemberg) nachgewiesen ist. Jene Unterart wurde 1969 von der Paläontologin Gerda Schütt anhand eines linken Vorbackenzahns und eines rechten Unterkieferfragments aus Mauer beschrieben. Der Name dieser Unterart erinnert an den Hannoveraner Geologen Otto Sickenberg (1901–1974). Sicherlich haben Leoparden nicht nur am Ufer des eiszeitlichen Neckars gejagt. Irgendwann wird man auch in den Mosbach-Sanden einen Leopardenrest finden.

Heutige Leoparden verfügen über einen ungewöhnlich guten Gehörsinn. Sie können für Menschen nicht mehr hörbare Frequenzen bis zu 45.000 Hertz wahrnehmen. Ihre Augen sind nach vorn gerichtet und weisen eine breite Überschneidung der Sehfelder auf, was ihnen ein ausgezeichnetes räumliches Sehen ermöglicht. Bei Tageslicht verfügt der Leopard über ein Sehvermögen wie ein Mensch, doch in der Nacht über ein fünf- bis sechsfach besseres Sehvermögen. Auch der Geruchssinn ist hervorragend ausgeprägt.

Jetzige Leoparden fressen Käfer, Reptilien, Vögel und Säugetiere (meistens mittelgroße Huftiere). Als Jagdmethoden praktizieren sie die Anschleichjagd oder die passive Lauerjagd. Sie können bis zu 60 Stundenkilometer schnell sprinten und mit wenigen Sätzen etliche Meter weit springen, doch schon auf mittleren Distanzen sind ihre meisten Beutetiere schneller. Leoparden versuchen deswegen, unbemerkt so nahe wie möglich an ihr Opfer heranzuschleichen, um die Distanz vor dem Angriff zu verkürzen. Auf Bäume sitzende Leoparden lassen geduldig Beutetiere unter sich vorbeiziehen, bis ein geeigneter Moment für einen Angriff eintritt. Meistens klettern sie dann vorsichtig an der für das auserwählte Opfer nicht sichtbaren Seite des Baumstammes herab oder springen – wenn der Baum nicht zu hoch ist – direkt von oben auf die Beute. Mitunter vertreiben sie auch schwächere Raubtiere – wie Geparden – von ihrer Beute oder benügen sich mit Aas.

Im Normalfall gehen Leoparden dem Menschen aus dem Weg, was wohl auch im Eiszeitalter der Fall gewesen sein könnte. Von 1918 bis 1926 gelangte aber der so genannte Leopard von Rudrapraya in Indien zu trauriger Berühmtheit, als er angeblich insgesamt 125 Menschen tötete, bevor ihn der Großwildjäger Jim Corbett erlegte. 1924 tötete ein anderer Leopard in Punani auf Sri Lanka (früher Ceylon) insgesamt ein Dutzend Menschen.

Der Europäische Höhlenlöwe

Panthera leo spelaea

Die Löwen aus dem Eiszeitalter vor etwa 300.000 Jahren bis zu dessen Ende vor etwa 10.700 Jahren werden in Europa als Höhlenlöwen (Panthera leo spelaea) bezeichnet. Sie sind – wie erwähnt – aus den riesigen Mosbacher Löwen (Panthera leo fossilis) hervorgegangen, den größten Löwen Deutschlands und Europas.

Der Arzt und Naturforscher Georg August Goldfuß (1782–1848) hat 1810, als er noch in Erlangen arbeitete, den Höhlenlöwen anhand eines Schädelfundes aus der Zoolithenhöhle im Wiesenttal von Burggaillenreuth bei Muggendorf in der Fränkischen Schweiz erstmals wissenschaftlich beschrieben. Goldfuß war ein besonders tüchtiger Gelehrter: Ihm ist die Entde-ckung von etwa 200 Fossilien aus verschiedenen Fundstellen und Zeitaltern geglückt, die er wissenschaftlich untersuchte und publizierte.

Noch heute ist der so genannte Holotyp, nach dem der Europäische Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea) erstmals beschrieben worden ist, im Museum für Naturkunde Berlin der Humboldt-Universität vorhanden. Nach Erkenntnissen des Paläontologen Cajus G. Diedrich aus Halle/Westfalen handelt es sich dabei um den recht großen Schädel eines erwachsenen männlichen Höhlenlöwen. Der 40,2 Zentimeter lange Schädel stammt aus der Würm-Eiszeit (etwa 115.000 bis 11.700 Jahre).

Der Holotyp des Höhlenlöwen aus der Zoolithenhöhle wurde aus Teilen von mindestens zwei Tieren zusammengesetzt, fand Diedrich heraus. So ist der linke Oberkieferast rund drei Zentimeter kürzer und auch, was seine Proportionen anbetrifft, merklich schlanker als der rechte. Offenbar stammt der rechte Oberkieferast mit einem großen Eckzahn von einem Männchen, der linke dagegen von einem Weibchen.

Die Zoolithenhöhle wurde durch Unmengen fossiler Tierknochen berühmt. Dort fand man Reste von schätzungsweise etwa 800 Höhlenbären (Ursus spelaeus), aber auch zahlreichen Höhlenhyänen (Crocuta crocuta spelaea) und ungewöhnlich vielen Höhlenlöwen. Dieser Fundreichtum bewog den evangelischen Pfarrer Johann Friedrich Esper (1732–1781) aus Uttenreuth bei Erlangen, der 1771 seine erste Erkundungsreise in die geheimnisvolle Unterwelt unternommen hatte, die Höhle als „Kirchhof unter der Erde“ zu bezeichnen.

Zur Zeit von Pfarrer Esper wurden in der Zoolithenhöhle erstaunlich viele Reste von Höhlenlöwen geborgen. Nach Angaben der Paläontologin Brigitte Hilpert vom Geozentrum Nordbayern, Fachgruppe PaläoUmwelt, in Erlangen hat man dort Fossilien von rund 25 Höhlenlöwen gefunden. Bei Grabungen ab 1971 kamen noch einige Schädel-, Kiefer- und Skelettreste dazu. Nirgendwo in der Welt sind mehr Höhlenlöwen entdeckt worden als in der Zoolithenhöhle!

Während bei den Mosbacher Löwen nie bezweifelt wurde, dass es sich um Überreste von Löwen handelt, hielt man anfangs die Höhlenlöwen aus dem Oberpleistozän (etwa 127.000 bis 11.700 Jahre) oft für Tiger und nannte sie „Höhlentiger“. Dies lag daran, dass die Höhlenlöwen in dem einen oder anderen Merkmal dem Erscheinungsbild von Tigern ähnelten. Noch immer befinden sich in vielen Museen der Welt fehlbestimmte fossile „Tiger“. Inzwischen kennen aber erfahrene Zoologen am Schädelknochen unter anderem einige sogar mit den Fingern ertastbare Nervenlöcher und Muskelansätze, die optisch nicht so sehr ins Gewicht fallen, an denen sich aber Löwe und Tiger sicher unterscheiden lassen.

2004 gelang es einem deutschen Forscherteam um den Geoarchäologen Wilfried Rosendahl (Mannheim), den Biologen Joachim Burger (Mainz) und den Zoologen Helmut Hemmer (Mainz), durch einen DNA-Test den Höhlenlöwen eindeutig als Unterart der Art Panthera leo zu identifizieren. Damit wurde ein seit der Erstbeschreibung von 1810 durch Goldfuß bestehender Streit endgültig entschieden, ob es sich bei den Fossilien um Reste eines Löwen oder eines Tigers handelt. Für diese aufsehenerregende Erbgutanalyse (DNA-Test) hatte man Höhlenlöwenfossilien aus Siegsdorf in Bayern (etwa 47.000 Jahre alt) und aus der Tischoferhöhle bei Kufstein in Tirol (etwa 31.000 Jahre alt) verwendet. Die Analyse belegte auch, dass der Höhlenlöwe keinerlei Beziehungen zu Löwen aus der Gegenwart aufweist.

Heute geht man davon aus, dass die eiszeitlichen Löwen des Nordens einen eigenen Rassekreis bilden, dem die Löwen Afrikas und Südasiens gegenüberstehen. Zur so genannten spelaea-Gruppe gehören der Mosbacher Löwe (Panthera leo fossilis), der Europäische Höhlenlöwe (Panthera leo spelaea), der Beringia-Höhlenlöwe bzw. Ostsibirische Höhlenlöwe (Panthera leo vereshchagini) und der Amerikanische Höhlenlöwe bzw. Amerikanische Löwe (Panthera leo atrox). Diese beiden Rassekreise sollen sich vor etwa 600.000 Jahren auseinanderentwickelt haben. Der Amerikanische Höhlenlöwe wurde früher gelegentlich für eine eigenständige Art gehalten und teilweise als Riesenjaguar betrachtet. Nach neueren Erkenntnissen war er sicherlich keine eigene Art, sondern wie der Höhlenlöwe eine Unterart des heutigen Löwen (Panthera leo).

Die Höhlenlöwen verdanken ihren falschen Namen dem Umstand, dass ihre Knochenreste häufig in Höhlen entdeckt wurden. In Wirklichkeit waren die Löwen aber Tiere der Steppe, der Busch- und Waldtundra und in Gebieten mit Höhlen genauso verbreitet wie in Landschaften ohne Höhlen. Weil die Höhlenlöwen nachweislich keine Höhlen als Lebens- oder Geburtsort nutzten, bezeichnet der Paläontologe Cajus G. Diedrich sie als „eiszeitliche Löwen“ oder „spätpleistozäne Steppenlöwen“.

Anders als Höhlenbären und Höhlenhyänen haben Höhlenlöwen vermutlich nur selten Höhlen als Versteck aufgesucht. Wahrscheinlich kamen vor allem geschwächte, kranke oder alte Höhlenlöwen in solche natürlichen Unterschlüpfe und suchten dort Schutz oder einen ruhigen Platz zum Sterben. Womöglich dienten Höhlen auch als Unterschlupf für Löwinnen, die dort ihren Nachwuchs zur Welt brachten und in der ersten Zeit aufzogen.

Sogar in hoch gelegenen alpinen Höhlen von Italien, Österreich und der Schweiz hat man Reste von Höhlenlöwen entdeckt. An erster Stelle ist hier die in etwa 2800 Meter Höhe liegende Conturineshöhle in Südtirol (Italien) zu nennen. In rund 2000 Meter Höhe befinden sich die Eingänge zur Salzofenhöhle bei Grundlsee im österreichischen Bundesland Steiermark. Der Haupteingang zur Ramesch-Knochenhöhle in Oberösterreich beginnt in etwa 1960 Meter Höhe. Die Höhle Wildkirchli im Ebenalpstock des Säntisgebirges im schweizerischen Kanton Appenzell erstreckt sich in ca. 1500 Meter Höhe. In jeder dieser Höhlen ist der Höhlenlöwe eindeutig durch Funde belegt.

„Das Vorkommen von Höhlenbären und Höhlenlöwen in einer Höhe von 2800 Metern lässt sich nur so erklären, dass es in der Zeit zwischen etwa 55.000 und 40.000 Jahren wesentlich wärmer war als heute. Wir nennen diese Zeit Mittelwürm-Warmzeit oder Ramesch-Warmzeit, weil sie bei der Grabung in der Rameschhöhle zum ersten Mal erkannt worden ist“, sagt der Wiener Paläontologe Gernot Rabeder. Seine Meinung über das „warme Mittelwürm“ wird aber von manchen Quartärgeologen, besonders aus dem norddeutschen Raum, nicht geteilt. Denn die globale Eiskurve zeigt für diese Zeit mehr Eis an als für heute. Rabeder geht dieser Frage in einem bereits begonnenen Projekt nach. Höhlenbärenreste aus jetzt vegetationslosen Alpengebieten, wie beispielsweise am Dachstein (Schreiberwandhöhle), im Steinernen Meer und im Toten Gebirge stammen ebenfalls aus dieser Zeit. Hinweise für ein warmes Klima im Mittelwürm gibt es auch an Lössfundstellen im Flachland wie Willendorf in der Wachau.

Teilweise sind Höhlenlöwen wohl durch Höhlenhyänen, denen sie zum Opfer gefallen waren, in Höhlen verschleppt worden. Die bis zu etwa 1,50 Meter langen und rund 0,90 Meter hohen Höhlenhyänen ernährten sich nicht nur von Aas, sondern waren wegen ihrer Körpergröße und Kraft auch fähig, im Rudel zu jagen. Sie fraßen nicht alles vor Ort, sondern schleppten Fleisch- und Knochenteile zu einem geschützten Fressplatz, der auch in einer Höhle liegen konnte. Dort bissen sie in Ruhe die Knochen auf, um so an das begehrte energiereiche Knochenmark zu gelangen.

Besonders häufig entdeckte man Reste von Höhlenhyänen in so genannten Hyänenhorsten, die sich in Höhlen befanden. Dort brachten sie offenbar über Generationen hinweg ihren Nachwuchs zur Welt und schleppten ihre Beutetiere ein. Hyänenhorste kennt man aus England, Frankreich, Deutschland und der Schweiz.

Ein solcher Hyänenhorst war die erwähnte Zoolithenhöhle in der Fränkischen Schweiz. Aus ihr stammt auch jener Schädel, anhand dessen 1823 Georg August Goldfuß erstmals die Höhlenhyäne beschrieb und jener Schädel anhand dessen 1794 der Chirurg Johann Christian Rosenmüller (1771–1820) aus Erlangen erstmals den Höhlenbären beschrieb. Der Holotyp der Höhlenhyäne befindet sich noch heute im Goldfuß-Museum Bonn.

Als Beutetiere der Höhlenlöwen gelten Wildpferde (Przewalski-Pferde), Steppenbisons, Saiga-Antilopen, Rot- und Riesenhirsche, Rentiere, Rehe und kleine Säugetiere. Auch Jungtiere von Mammuten und Fellnashörnern waren vor ihnen nicht sicher. Vermutlich mussten sogar menschliche Jäger und Sammler, die ihnen begegneten, trotz ihrer Waffen (Lanzen und Speere) auf der Hut sein. Pfeil und Bogen wurden wahrscheinlich erst vor mehr als 20.000 Jahren erfunden.

Die eiszeitlichen Höhlenlöwen lebten sicherlich in Rudeln, zu denen vielleicht – ähnlich wie bei heutigen Löwen – ein bis sechs Männchen und vier bis zwölf Weibchen gehörten. Wie in der Gegenwart dürften auch im Eiszeitalter nur die Löwinnen gemeinsam und überwiegend in der Nacht auf die Jagd gegangen sein und das Rudel mit Beute versorgt haben. Beim Fressen hatten die größeren Löwenmännchen Vorrang vor den kleineren Weibchen.

Höhlenlöwen fraßen nur das Fleisch von Beutetieren und nicht deren Knochen. Anders als Höhlenhyänen besaßen sie keine zur Verwertung von Knochen geeigneten Zähne. Aus diesem Grund blieb von ihrer Mahlzeit immer viel für Aasfresser übrig.

Dass die Höhlenlöwen nicht nur Jäger, sondern manchmal auch Gejagte waren, belegt vielleicht das Hinterhaupt einer solchen Raubkatze, das in Kiesablagerungen der Lippe bei Haltern in Nordrhein-Westfalen entdeckt wurde. Eine kleine Knochenwucherung im Bereich des Scheitelkammes dieses Höhlenlöwen könnte nämlich von einer teilverheilten Bissverletzung stammen.

Zum riesigen Verbreitungsgebiet der Europäischen Höhlenlöwen gehörten Europa und Nordasien. In Deutschland müssen sie vor allem im Oberpleistozän (vor etwa 127.000 bis 11.700 Jahren) sehr zahlreich gewesen sein. Darauf deuten viele Funde aus Norddeutschland, dem Ruhrgebiet, Westfalen, Rheinhessen, dem Taunus, der Fränkischen Schweiz, dem Harz, aus Thüringen und Sachsen hin. Sie belegen, dass diese Raubkatzen in ganz Deutschland weit verbreitet waren. Allerdings traten Höhlenlöwen nie in so großen Mengen auf wie Höhlenbären.

Auch in Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, England, der Schweiz, Österreich, Tschechien und Osteuropa stellten Höhlenlöwen keine Seltenheit dar. Sie waren von Spanien bis nach Russland (Ural) weit verbreitet. Früher hieß es in der Fachliteratur, in Skandinavien habe es keine Höhlenlöwen gegeben. Doch 1994 erwähnte der Weimarer Paläontologe Ralf-Dietrich Kahlke einen Höhlenlöwenfund aus Südschweden.

Sogar auf dem Grund der Nordsee vor den Küsten der Niederlande und Englands hat man Fossilien von Höhlenlöwen entdeckt. Die Nordsee war in der letzten Eiszeit teilweise Festland („Nordseeland“) gewesen. Etwa zehn Kilometer vor der Küste bei Den Haag (Niederlande) schaufeln Schwimmbagger, die in der seichten See eine Fahrrinne offen halten, Fossilien vom Mammut, Fellnashorn, Riesenhirsch, der Säbelzahnkatze und vom Höhlenlöwen frei. Oft holen niederländische Fischkutter mit ihren Netzen auch Zähne und Knochen eiszeitlicher Säugetiere vom Nordseegrund.

Die Größenangaben für Europäische Höhlenlöwen in der Literatur differieren stark. Für die Kopfrumpflänge reichen die Maße von etwa 1,45 bis 2,20 Meter, wozu noch der schätzungsweise etwa einen Meter lange Schwanz kommt, für die Schulterhöhe von 0,90 bis 1,50 Meter. Das Gewicht männlicher Höhlenlöwen wird auf mehr als 300 Kilogramm geschätzt.

Heutige männliche Löwen bringen es auf bis zu etwa 1,90 Meter Kopfrumpflänge, wozu noch der bis zu 0,90 Meter lange Meter lange Schwanz kommt, und eine Schulterhöhe von etwa 1 Meter. Das Gewicht der Löwenmännchen beträgt bis zu rund 190 Kilogramm.

Bei diesen erheblichen Maßunterschieden zwischen Höhlenlöwen und heutigen Löwen muss man eines bedenken: Säugetiere der gleichen Art werden zu den Kältegebieten hin größer. Denn große Körper haben eine verhältnismäßig kleinere wärmeabstrahlende Oberfläche als kleine Körper.

Nach Funden fossiler Skelettreste zu urteilen, dürften Höhlenlöwen mindestens etwa 5 bis 10 Prozent größer gewesen sein als heutige Löwen. Einige Autoren meinen, die Maße der Höhlenlöwen hätten sogar um ein Fünftel (Cajus G. Diedrich), Viertel (Helmut Hemmer), ein Drittel (Othenio Abel) oder die Hälfte (Internet) die von gegenwärtigen Löwen übertroffen.

Der deutsche Paläontologe Cajus G. Diedrich vermutet, dass die größten Höhlenlöwen Deutschlands in der Saale-Eiszeit (etwa 300.000 bis 127.000 Jahre) lebten. Die in der Eem-Warmzeit (etwa 127.000 bis 115.000 Jahre) und in der Würm-Eiszeit bzw. Weichsel-Eiszeit (etwa 115.000 bis 11.700 Jahre) existierenden Höhlenlöwen hätten deren Größe nicht mehr erreicht.

Aus einem klimatisch günstigen Abschnitt der norddeutschen Saale-Eiszeit stammen die Reste eines Höhlenlöwen-Skeletts aus dem Braunkohlen-Tagebau Neumark-Nord bei Frankleben im Geiseltal unweit von Merseburg in Sachsen-Anhalt. Das Skelett lag in der sandigen Uferzone eines Sees, wurde am 25. Juli 1996 von einem Bagger erfasst und von Peter Günther und einigen Arbeitern geborgen.

Nach Erkenntnissen des Berliner Paläontologen Karlheinz Fischer gehören die in Neumark-Nord verstreut vorgefundenen Knochen alle zu ein und demselben Skelett. Der Schädel des Höhlenlöwen war vom Bagger zertrümmert worden. Eine am rechten Oberkiefer sichtbare Knochenfraktur stammt aus jüngeren Jahren der Raubkatze und ist verheilt. Die geringe Größe der Kiefer könnte auf eine Höhlenlöwin hindeuten.

Der Höhlenlöwe von Neumark-Nord besaß kurze Backenzahnreihen, aber kräftige Reisszähne, wie sie bei modernen Löwen ausgebildet sind, erkannte Fischer. Außer einigen Schädelknochen fehlen auch größere Partien der Wirbelsäule, das Becken sowie Lenden- und Schwanzwirbel.

Das Höhlenlöwen-Skelett lag inmitten von zusammenhängenden Skelettresten von Waldelefanten. Zwischen den Skelettresten des Löwen befanden sich Fossilien vom Damhirsch und ein Element des Zungenbeinapparates eines Raubtieres. In Neumark-Nord sind bereits vorher einzelne Reste von Höhlenlöwen entdeckt worden. Das Höhlenlöwen-Skelett aus Neumark-Nord ist im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle/Saale zu sehen.

In die Eem-Warmzeit werden bestimmte Höhlenlöwen-Reste aus Baden-Württemberg (Gutenberg-Höhle bei Lenningen im Kreis Esslingen, Travertin-Steinbruch in Stuttgart-Untertürkheim), Niedersachsen (Einhornhöhle von Herzberg-Scharzfeld im Kreis Osterode), Thüringen (Burgtonna im Kreis Gotha, Weimar-Ehringsdorf, Weimar-Taubach) und Sachsen (Wiedemar-Rabutz) datiert.

Größere Teile von Höhlenlöwen-Skeletten aus der Eem-Warmzeit kamen im Travertin-Steinbruch Biedermann in Stuttgart-Untertürkheim ans Tageslicht. Im „Baumstammschlot S1“ im Unteren Travertin befanden sich Teile des Schädels, des Unterkiefers, Zähne und ein Schwanzwirbel eines jungen Höhlenlöwen. Im „Baumstammschlot S2“ – ebenfalls im Unteren Travertin – lagen Teile des Beckens und ein Fersenbein von einem Höhlenlöwen. Der Untere Travertin von Stuttgart-Untertürkheim enthält Eichenmischwald-Fossilien und dokumentiert ein wärmeres Klima.

In der „Steppennagerschicht“ des Steinbruchs Biedermann in Untertürkheim lagen große Teile des Skelettes eines Höhlenlöwen, aber nicht der Schädel. Die Steppennagerschicht mit Fossilien vom Pferdespringer (Allactaga jaculus) und Steppenlemming (Lagurus lagurus) markiert ein kühleres Klima und entstand später als der Untere Travertin.

Der Stuttgarter Paläontologe Fritz Berckhemer (1890–1954) vermutete, die im „Baumstammschlot S2“ geborgenen Fersenbeine vom Höhlenlöwen, Riesenhirsch und Reh könnten von der „Fersenbein-Sammlung“ eines Neandertalers stammen. Denn ein Fersenbein vom Riesenhirsch trug eine Reihe feiner Schnittspuren, wie sie entstehen, wenn man mit einem scharfen Gerät das Fleisch und die Sehnen von einem Knochen ablöst. Berckhemer hielt es für unwahrscheinlich, dass ein Tier die Fersenbeine in „Schlot 2“ verschleppt haben könnte. In „Schlot 3“ lagen eine Schneidespitze und ein Hohlkratzer sowie in „Schlot 4“ ein Bohrgerät. Diese Geräte konnten nur vom Menschen hineingebracht worden sein, womit auch für die Knochen in „Schlot 2“ keine andere Deutung möglich sei.

Relativ viele Höhlenlöwen-Reste kennt man aus der süddeutschen Würm-Eiszeit und der norddeutschen Weichsel-Eiszeit. Es liegen Funde aus Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg und Hamburg vor.

Aus der Würm-Eiszeit stammt ein 1975 von dem Fossiliensammler Bernard Bredow bei Siegsdorf (Kreis Traunstein) südlich des Chiemsees in Bayern entdecktes Höhlenlöwenmännchen. Dieses verfügte über eine Schulterhöhe von etwa 1,20 Metern und eine Kopfrumpflänge von etwa 2,10 Metern. Der Schädel dieses Höhlenlöwen ist etwa 38 Zentimeter lang.

Die Datierung des Siegsdorfer Höhlenlöwen-Skeletts mit der Radiocarbon-Methode ergab ein geologisches Alter von etwa 47.000 Jahren. Sie wurde von dem Mannheimer Geoarchäologen Wilfried Rosendahl (Reiss-Engelhorn-Museum) und Robert Darga, dem Leiter des Naturkunde- und Mammut-Museums Siegsdorf, veranlasst.

An einigen Knochen des Siegsdorfer Höhlenlöwen sind 1992 von Carin Gross deutliche Schnittspuren erkannt worden. Weitere Hinweise auf die Anwesenheit von Urmenschen – wie etwa Werkzeuge oder Waffen – fand man nicht.

Nach Ansicht von Wilfried Rosendahl haben Neandertaler (Homo sapiens neanderthalensis) den Kadaver des Siegsdorfer Höhlenlöwen ausgeweidet. Darauf weisen Schnittspuren auf der Innenseite einiger Rippen und der Beckenknochen hin. Vermutlich hat man Fleischstücke aus dem Kadaver herausgeschnitten und verzehrt. Weil Schnittspuren fehlen, die eindeutig das Enthäuten belegen könnten – zum Beispiel an der Außenseite der Rippen oder an den Fingergliedern (Phalangen) –, ist fraglich, ob diesem Höhlenlöwen das Fell über die Ohren gezogen wurde. Auch typische Skelettelemente, die beim Enthäuten fehlen würden – wie etwa die Krallen –, sind noch vorhanden. Es gibt aber auch Paläontologen, die bezweifeln, dass der Siegsdorfer Höhlenlöwe geschlachtet wurde.

Die Todesursache des Siegsdorfer Höhlenlöwen ist unbekannt. Man weiß nicht, ob er auf natürliche Weise am Wasserloch verendet ist oder ob er durch Neandertaler getötet wurde. Dieser für die Wissenschaft so aufschlussreiche Höhlenlöwen-Fund ist eine der Attraktionen im 1995 eröffneten Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf.

Einer der prächtigsten Schädelfunde eines Höhlenlöwen kam 1932 beim Bau der neuen Straße von Pegnitz nach Weidelwang (Oberfranken) in einer zerstörten Höhle zum Vorschein. Damals wurde durch Felssprengungen eine kleine Höhle freigelegt, deren Ablagerungen etliche fossile Knochenreste enthielten. Der Höhleninhalt wurde nach Auskunft der Straßenbauarbeiter überwiegend als Füllmaterial beim Festwalzen der Schotterlage verwendet. Über die Knochenfunde wurde der Bürgermeister von Pegnitz, Hans Gentner (1877–1953), informiert. Einige Tage später erfuhr auch der damals in Gießen tätige Paläontologe Florian Heller (1905–1978) von diesen Funden. Er unternahm sofort mit Vermessungs-Obersekretär Spöcker aus Fischbach bei Nürnberg eine Ortsbesichtigung. Dabei wurde der Schädel des Höhlenlöwen gefunden, den Spaziergänger in der nahe der Straße vorbeifließenden Pegnitz gewaschen, fotografiert und in der prallen Sonne liegengelassen hatten. Die teilweise zerstörte Höhle war weitgehend ausgeräumt. Mit Bürgermeister Gentner (nach dem die Höhle benannt wurde) vereinbarte Heller, dass noch alle anfallenden Funde ihm zur Begutachtung und wissenschaftlichen Bearbeitung überlassen werden sollten. Tatsächlich erhielt er bald eine große Kiste mit zahlreichen Knochenresten, die er sofort konservierte und grob sichtete. Durch andere Aufgaben wurde Heller immer wieder von der Untersuchung der ihm übersandten Knochenreste abgehalten, so dass die Veröffentlichung hierüber erst 1953 erschien. Der Großteil der Knochenreste stammte von Höhlenbären. Daneben kamen aber auch zwei Unterkieferäste einer Großkatze und zwei weitere Skelettelemente zum Vorschein, die nach Hellers Ansicht ziemlich sicher demselben Höhlenlöwen angehören, von dem der Schädel herrührt. Nach dem Tode Hellers erhielt das Paläontologische Institut der Universität Erlangen-Nürnberg dessen Sammlung, zu der auch der Höhlenlöwe von Weidelwang gehört. Die Gentner-Höhle kann heute nicht mehr besichtigt werden. Sie wurde nach Fertigstellung der Straßenbauarbeiten aus Sicherheitsgründen verschlossen.

Ungewöhnlich gut erhalten ist das Skelett eines Höhlenlöwen aus dem Mährischen Karst in Tschechien. Früher hieß es, dieses Skelett stamme aus der Slouper-Höhle bei Brno (Brünn), doch das gilt heute als falsch. Eine Abbildung von der Ausstellung dieses Fundes im Wiener Hofmuseum ist in dem Werk „Entwicklungsgeschichte der Natur“ (Band 2, 1886) von Wilhelm Bölsche (1861–1939) zu sehen.

Einen Eintrag ins „Guiness-Buch der Rekorde“ wert ist ein Höhlenlöwen-Skelett aus einer Höhle im Sauerland. Denn dieser von Cajus G. Diedrich untersuchte Fund stammt vom einzigen erst wenige Monate alten Jungtier eines Höhlenlöwen. Die Geschichte des kleinen Höhlenlöwen klingt fast unglaublich: Seine Reste wurden anfangs auf verschiedene Museen verstreut. Dann landete ein Teil im Müllcontainer, wo es durch einen aufmerksamen Paläontologen gerettet wurde. Außerdem fügte man drei Knochen von diesem Jungtier fälschlicherweise in das Skelett einer Höhlenhyäne, das Diedrich wieder demontieren ließ. Interessanterweise ist dies der einzige Löwenrest in einem sehr bedeutenden Hyänenhorst im Sauerland.

In seinem Werk „Lebensbilder aus der Tierwelt der Vorzeit“ (1921) erwähnte der österreichische Paläontologe Othenio Abel (1875–1946) ein in der Tischoferhöhle bei Kufstein in Tirol entdecktes Höhlenlöwen-Skelett. Diesen Fund deutete der Münchner Paläontologe Max Schlosser (1854–1933) als den Rest eines Eindringlings, der von den diese Höhle bewohnenden Höhlenbären überfallen und zerrissen worden sei.

In seinem Buch „Die vorzeitlichen Säugetiere“ (1914) zeigte Othenio Abel den prächtigen Schädel eines Höhlenlöwen aus der Höhle von Mars bei Vence (Meeralpen) in Frankreich. Der Pariser Paläontologe Marcellin Boule (1861–1942) beschrieb diesen Fund als Löwen, während Jules René Bourguignat (1829–1892) ihn als Tiger verkannte.

Die ältesten Löwenspuren Europas wurden 1992 auf der Baustelle für ein Nachklärbecken der Emscher-Kläranlage Bottrop-Welheim von dem Paläontologen Martin Walders entdeckt und ausgegraben. Die etwa zehn Meter lange Fährte stammt von einem Höhlenlöwen aus der Würm-Eiszeit und entstand vor schätzungsweise etwa 42.000 bis 35.000 Jahren. Sie wird aus 32 Pfotenabdrücken gebildet und von Wildpferd- und Wisentspuren gekreuzt. Aus der Schrittlänge der Fährte konnte die Laufgeschwindigkeit des Höhlenlöwen rekonstruiert werden. Demnach hat diese Raubkatze in ruhigem Lauf ihre Pfotenabdrücke hinterlassen. Es lag also keine unmittelbare Jagdsituation vor. Ein etwa 35 Quadratmeter großer Ausschnitt der Fährtenfläche ist im Museum für Ur- und Ortsgeschichte (Quadrat Bottrop) zu bewundern.

In Bottrop-Welheim sind auf einer Fläche von insgesamt ca. 150 Quadratmetern etwa 600 Trittsiegel von Tieren entdeckt worden. Etwa die Hälfte davon ließ sich zu rund 30 Fährten zusammenstellen. Davon stammen 16 Fährten vom Rentier, zwei von einem großen Rind, zehn von Huftieren (darunter zwei von Wildpferden), eine Fährte vom erwähnten Höhlenlöwen und eine vom Wolf. Auch ein Wasservogel hat Fußabdrücke erzeugt.

In oberpleistozänen Ablagerungen des Rheins von Hessenaue (Kreis Groß-Gerau) in Südhessen kam das Schienbein eines Höhlenlöwen zum Vorschein, an dem sich eine interessante Krankheitsgeschichte ablesen lässt. Trotz einer schweren Entzündung des Knochenmarks, die diese Raubkatze vorübergehend jagdunfähig machte, ist das Schienbein verheilt. Demnach muss dieser Höhlenlöwe noch längere Zeit mit dieser Behinderung überlebt haben. Er wurde von Artgenossen an der Beute geduldet oder mit Futter versorgt. Demnach könnte der Höhlenlöwe wie heutige Löwen ein Rudeltier gewesen sein. Über das aufschlussreiche Schienbein von Hessenaue berichteten 1987 der Bonner Paläontologe Wighart von Koenigswald und der Frankfurter Mediziner Erich Schmitt.

Figuren von Höhlenlöwen, die aus Mammut-Elfenbein geschnitzt waren – wie die etwa 32.000 Jahre alten Funde aus der Vogelherdhöhle auf der Schwäbischen Alb – sowie Darstellungen von Löwen in französischen Höhlen können als Hinweis dafür betrachtet werden, dass die eiszeitlichen Jäger diese Raubkatzen sehr gut kannten. Einem Jäger hat womöglich ein Löwen-Eckzahn, der beim Zigeunerfels bei Sigmaringen (Baden-Württemberg) geborgen wurde, sogar als Amulett gedient.

Eiszeitliche Darstellungen von Jägern und Sammlern präsentieren Höhlenlöwen immer ohne Mähne, was darauf hindeutet, dass männliche Tiere im Gegensatz zu ihren heutigen afrikanischen und indischen Verwandten mähnenlos waren. Vielleicht wurden auf den Höhlenbildern aber nur weibliche Tiere abgebildet. Das Fell scheint nach diesen Bildern einfarbig gewesen zu sein. Außerdem ist oft die für Löwen typische Schwanzquaste erkennbar.

Sogar während der Kaltzeiten des Eiszeitalters drangen die Höhlenlöwen weit nach Norden vor. Im Nordosten Asiens entstand als weitere Rasse der Ostsibirische Höhlenlöwe oder Beringia-Höhlenlöwe (Panthera leo vereshchagini), dessen Unterart nach dem verdienstvollen russischen Forscher Nikolai K. Vereshchagin aus St. Petersburg benannt ist.

Als der Meeresspiegel während einer Kaltzeit wieder einmal sank, konnten Höhlenlöwen und andere Tiere aus Asien (Sibirien) über die Landbrücke Beringia und die trockengefallene Bering-Landbrücke auch Nordamerika (Alaska) erreichen. Von dort aus wanderten sie vermutlich weiter nach Süden und entwickelten sich allmählich zu Amerikanischen Höhlenlöwen bzw. Amerikanischen Löwen (Panthera leo atrox).

Nach gegenwärtigem Wissensstand verschwand der Ostsibirische Höhlenlöwe gegen Ende der letzten großen Vereisungsphase der süddeutschen Würm-Eiszeit bzw. der norddeutschen Weichsel-Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren. Der Europäische Höhlenlöwe starb vermutlich etwa gleichzeitig aus. Löwen konnten sich aber möglicherweise auf der Balkanhalbinsel bis weit in die Nacheiszeit behaupten. Bei diesen Raubkatzen vom Balkan ist aber unklar, ob sie wirklich zur Unterart des Höhlenlöwen zählten.

Das Verschwinden der Löwen in Amerika, Asien und Europa wurde vermutlich dadurch bewirkt, dass ihre Beutetiere ausstarben. Zum Ende des Eiszeitalters wuchsen da, wo vorher Graslandschaft war, wieder die Wälder. Das Aussterben oder Abwandern der an Futternot leidenden Steppenhuftiere könnte den großen Raubkatzen die Nahrungsbasis entzogen haben. Es ist aber nicht völlig auszuschließen, dass die oberpleistozänen Höhlenlöwen in Deutschland die letzte Kaltphase in der Würm-Eiszeit nicht überlebten. Denn aus kühlen Abschnitten des Eiszeitalters kennt man nur wenig Löwenüberreste.

Nach dem Ende des Eiszeitalters nahm der Löwenbestand rasch ab, nachdem sich diese Tiere zuvor geradezu explosionsartig ausgebreitet hatten.

Im Buch „Deutschland in der Urzeit“ (1986) von Ernst Probst heißt es, als die Jäger in der Jungsteinzeit zu Ackerbau und Viehzucht übergegangen seien, wäre der Löwe zum Nahrungskonkurrenten des Menschen geworden. Die letzten europäischen Löwen hätten im antiken Griechenland gelebt. Davon zeugten nicht nur die Sage von der Tötung des Nemeischen Löwen durch den Halbgott Herkules, sondern auch Funde und Darstellungen von Löwen auf Kunstgegenständen und Waffen der Bronzezeit, der Zeit der homerischen Helden.

Der Amerikanische Höhlenlöwe

Panthera leo atrox

Ein Zeitgenosse des Europäischen Höhlenlöwen war der Amerikanische Höhlenlöwe (Panthera leo atrox), der im Eiszeitalter vor etwa 100.000 bis 10.000 Jahren in Nord- und Südamerika lebte. Er geht mit dem Ostsibirischen Höhlenlöwen (Panthera leo vereshchagini), der auch Beringia-Höhlenlöwe genannt wird, wahrscheinlich auf einen gemeinsamen Vorfahren im sibirischen Raum zurück.

Der Amerikanische Höhlenlöwe tauchte in der Sangamon-Warmzeit erstmals südlich von Alaska in Amerika auf. Das Sangamon (Sangomonian) entspricht etwa der Eem-Warmzeit (ca. 127.000 bis 115.000 Jahre).

Während der Wisconsin-Eiszeit (etwa 80.000 bis 10.000 Jahre bedeckten zwei riesige Eisschilde bis vor etwa 20.000 Jahren fast die Hälfte von Nordamerika. Das Wisconsin (Wisconsinan) entspricht etwa der süddeutschen Würm-Eiszeit und der norddeutschen Weichsel-Eiszeit (etwa 115.000 bis 11.700 Jahre). Der Name dieser Eiszeit erinnert an den US-Bundesstaat Wisconsin, wo die Spuren der einstigen Vereisung besonders gut zu beobachten sind.

Als Eisschild oder Inlandeis bezeichnet man eine ausgedehnte, festes Land bedeckende Eismasse mit einer Fläche von reichlich 50.000 Quadratkilometern.

Von Nordosten aus erstreckte sich der kanadische Eisschild (auch Laurentischer Eisschild genannt) von der Arktis bis in die Mitte des nordamerikanischen Kontinents. Er bedeckte Kanada und weite Teile Nordamerikas. Seine südliche Grenze erreichte das Gebiet um New York City und Chicago und verlief entlang des Missouri nach Westen zu den nördlichen Ausläufern der Cypress Hills. Hinter diesen verband sich der kanadische Eisschild mit dem Kordilleren-Eisschild, der sich von den Gebirgsketten des Westens ausdehnte.

In der Wisconsin-Eiszeit gab es mehrere Warm- und Kaltzeiten, in denen es zu enormen Schwankungen des Meeresspiegels kam. Durch die Bindung der Niederschläge in Gletschern fiel der Meeresspiegel um bis zu 125 Meter. Dies hatte zur Folge, dass die Beringstraße von etwa 75.000 bis 45.000 Jahren sowie etwa von 25.000 bis 15.000 Jahren Festland war. Über die Beringbrücke – entlang der Kommandeursinseln (Russland) und der langgestreckten Alëuten (USA) – sowie über die mehr als 1500 Kilometer nördlich davon entfernte Landbrücke Beringia konnten Tiere und Menschen von Sibirien (Asien) nach Alaska (Nordamerika) und umgekehrt wandern.

Nördlich des kanadischen Eisschildes besiedelte zeitweise der Ostsibirische Höhlenlöwe (auch Beringia-Höhlenlöwe genannt) als eine relativ kleine Form die Mammutsteppe von Jakutien bis Alaska und zum Yukon in Kanada.

Gegen Ende der Wisconsin-Eiszeit gelangten Amerikanische Höhlenlöwen nach Florida, Mexiko und Peru (Talara). Zahlreiche Fossilien dieses Höhlenlöwen wurden in Kalifornien, Florida, Kansas, Nebraska, Texas und Süd Dakota (alle USA) entdeckt. Bekannte Fundorte sind Natchez (Mississippi), Rancho La Brea (Kalifornien) sowie Santa Fe und Ichetucknee (Florida).

Wie der Europäische Höhlenlöwe wird auch der Amerikanische Höhlenlöwe als Unterart des heutigen Löwen (Panthera leo) betrachtet. Er entwickelte sich vermutlich aus dem Eurasischen Höhlenlöwen, nachdem dieser während des Eiszeitalters die Landbrücke Beringia oder die Beringbrücke überquert hatte.

Der amerikanische Forscher Joseph Leidy (1823–1891) hat 1853 einen Unterkiefer aus Natchez (Missisippi) als Löwen (Felis atrox) beschrieben. Dies war die erste wissenschaftliche Beschreibung des Amerikanischen Höhlenlöwen (heute Panthera leo atrox), der in der Folgezeit von anderen Autoren unter verschiedenen wissenschaftlichen Namen beschrieben wurde. Heute noch wird diskutiert, ob der Amerikanische Höhlenlöwe eine Unterart (Panthera leo atrox) oder eine Art (Panthera atrox) ist.

Dass es sich um einen Löwen handelte, war die erste und richtige, doch nicht die letzte Vermutung. Denn 1941 beschrieb der amerikanische Paläontologe George Gaylord Simpson (1902–1984) ein derartiges Skelett als das eines Riesenjaguars. Damit setzte er einen Irrtum in die Welt, der erst 1971 korrigiert wurde, als der russische Forscher Nikolai K. Vereshchagin und der Mainzer Zoologe Helmut Hemmer unabhängig voneinander zu dem Schluss kamen, dass diese „nordamerikanische Pantherkatze“ doch ein Löwe sei.

Die Amerikanischen Höhlenlöwen hatten eine Kopfrumpflänge von bis zu 2,50 Metern, zu denen noch ein mindestens 1,20 Meter langer Schwanz hinzugerechnet werden muss. Das ergab eine respektable Gesamtlänge von bis zu 3,70 Metern. Ein Vergleich mit Löwen, die von 1700 bis heute erlegt wurden, zeigt auf, dass diese allenfalls eine Gesamtlänge von etwa 3,25 Meter (Kapland) oder 3,33 Meter (Ostafrika) hatten. Doch das waren Rekordmaße und keine Durchschnittsgrößen.

Das maximale Gewicht männlicher Amerikanischer Höhlenlöwen wird auf bis zu 300 Kilogramm geschätzt. Weibliche Tiere sollen etwa 175 Kilogramm gewogen haben.

Die Zähne des Amerikanischen Höhlenlöwen ähneln stark denjenigen heutiger Löwen, aber sie waren merklich größer. Im Vergleich mit Löwen der Gegenwart wirken die Gliedmaßen Amerikanischer Höhlenlöwen graziler, weswegen diese Raubkatzen schneller als jetzige Afrikanische Löwen laufen konnten.

Im Vergleich zu ihrer Körpergröße besaßen Amerikanische Höhlenlöwen das größte Gehirn aller Löwen. Ihnen werden deswegen komplexe soziale Verhaltensweisen zugeschrieben.

Wie heutige Löwen soll auch der Amerikanische Höhlenlöwe ein einfarbiges Fell getragen haben. Ob die männlichen Tiere eine ebenso stattliche Mähne wie die meisten Löwen der Gegenwart besaßen, ist unbekannt. Höhlenmalereien des nahe verwandten Europäischen Höhlenlöwen in Frankreich zeigen diese Raubkatzen stets ohne Mähne.

In Schlechtwetterzeiten suchten die Amerikanischen Höhlenlöwen vermutlich in Höhlen und Felsspalten Schutz vor der Kälte. Womöglich haben sie ihr Lager in Höhlen – wie Sibirische Tiger – mit Gras oder Blättern gepolstert.

Die Amerikanischen Höhlenlöwen jagten vor allem Bisons, Hirsche, Wildpferde, Westkamele (Camelopus hesternus) und Buschochsen (Euceratherium). Möglicherweise erbeuteten sie gelegentlich auch Jungtiere von Mammuts (Mammuthus primigenius), Mastodonten und Präriemammuts (Mammuthus colombi).

Zu den Konkurrenten der Amerikanischen Höhlenlöwen rechnet man Säbelzahnkatzen, riesige Kurznasenbären (Arctodus simus) und wolfsähnliche Wildhunde (Canis dirus).

Der vor etwa 44.000 bis 14.000 Jahren in Nordamerika lebende Kurznasenbär oder Kurzschnauzenbär war vermutlich das größte Raubsäugetier des Eiszeitalters. Nach Skelettfunden zu schließen, erreichte er eine Schulterhöhe bis zu 1,80 Metern und aufgerichtet eine Höhe von etwa 3,40 Metern. Die größten Männchen wogen wahrscheinlich bis zu 1000 Kilogramm. Der Kurznasenbär hatte eine besonders kurze Schnauze und von allen Bären das am stärksten auf eine fleischfressende Lebensweise ausgerichtete Gebiss. Seine kräftigen Eckzähne ermöglichten ihm zusammen mit der enormen Kiefermuskulatur einen kräftigen Todesbiss.

Vom Amerikanischen Höhlenlöwen wurden Skelettreste von schätzungsweise mehr als 80 Tieren aus den oberpleistozänen Asphaltsümpfen von Rancho La Brea im Stadtgebiet von Los Angeles entdeckt. Die so genannten „Rancho La Brea Tar Pits“ (spanisch: La Brea ist Teer, englisch: tar pits = Teergruben) sind eine Ansammlung von mit natürlichem Asphalt gefüllten Gruben unterschiedlicher Größe im Hancock Park inmitten der kalifornischen Großstadt Los Angeles.

Laut Online-Lexikon „Wikipedia“ ist Rancho La Brea „eine der an Fossilien reichsten Fundstellen aus dem Pleistozän oder Eiszeitalter“. Weiter heißt es: „Dieser Ort kann daher als eine Konzentratlagerstätte betrachtet werden, in der ein vollständiges Ökosystem aus der Zeit von 40.000 bis 10.000 Jahren konserviert worden ist.“ Bis heute hat man mehr als 100 Tonnen Fossilien, 1,5 Millionen Knochen und 2,5 Millionen Überreste aus den Teergruben geborgen, die für viele Tiere zur tückischen Falle geworden waren.

Zum Fundgut von Rancho La Brea gehören mehr als 60 Arten von Säugetieren. Darunter sind bis zu etwa vier Meter hohe „Kaisermammute“ (Mammuthus imperator), bis zu etwa 1,90 Meter große Riesenfaultiere (Paramylodon harlani), Säbelzahnkatzen (Smilodon fatalis), Amerikanische Höhlenlöwen, Puma, Jaguar, Rotluchs, wolfsähnliche Wildhunde (Canis dirus), Fische, Amphibien, Reptilien, Weichtiere, Insekten, Spinnen, Pflanzen sowie deren Pollen und Samen.

In Rancho La Brea sind männliche und weibliche Amerikanische Höhlenlöwen gleichmäßig im Fundgut vertreten. Das deutet darauf hin, dass diese Raubkatzen allein oder zu zweit jagten. Im Vergleich zu anderen Raubtieren sind verhältnismäßig wenig Höhlenlöwen in den Asphaltlöchern ums Leben gekommen. Deshalb spekuliert man, das könne an der Intelligenz und den Jagdmethoden dieser Höhlenlöwen gelegen haben.

Normalerweise gibt es in einer weitgehend ökologisch stabilen Lebensgemeinschaft immer mehr pflanzen- als fleischfressende Tierarten. In der fossilen Tierwelt von Rancho La Brea dagegen sind die Fleischfresser im Verhältnis zu den Pflanzenfressern so häufig, dass sich in einer lebenden Tierwelt kein natürliches Gleichgewicht hätte bilden können. Als Ursache dieser Diskrepanz gilt, dass die Pflanzenfresser bei der Suche nach Wasser oder beim zufälligen Vorbeikommen an den Asphaltlöchern dort – ähnlich wie in einem Moor – gefangen blieben. Steckten sie erst einmal im Asphalt fest, bildeten sie eine leichte Beute für Fleischfresser, die dann selbst in der tödlichen Falle starben.

Der natürliche Asphalt von Rancho La Brea wird auch Erdpech oder Bergteer genannt. Er stammt aus großen unterirdischen Vorkommen im Becken von Los Angeles und wurde von ersten europäischen Siedlern aus diesem Gebiet verwendet. Diese Pioniere haben Fossilfunde als Rinderknochen fehlgedeutet.

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Ende der Leseprobe aus 332 Seiten

Details

Titel
Höhlenlöwen
Untertitel
Raubkatzen im Eiszeitalter
Autor
Jahr
2009
Seiten
332
Katalognummer
V121607
ISBN (eBook)
9783640272594
ISBN (Buch)
9783640272631
Dateigröße
56596 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Neue Auflage 2014
Schlagworte
Höhlenlöwen, Eiszeitlöwen, Löwen, Raubkatzen, Großkatzen, Säbelzahnkatzen, Säbelzahntiger, Jaguare, Leoparden, Geparden, Panther, Mosbach-Löwe
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2009, Höhlenlöwen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121607

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