Die Umsetzung der handlungsorientierten Didaktik im Rollenspiel Anspruchsgruppen von Juliane Böhm und Jens Siemon


Hausarbeit, 2002

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die genetische Erkenntnistheorie als Grundlage der Handlungsorientierung
2.1 Die Grundintention der genetischen Erkenntnistheorie Piagets
2.2 Denken als aktiver Interaktionsprozeß
2.3 Die zentrale Bedeutung der Handlung für die Erkenntnis

3. Die Grundsätze der handlungsorientierten Didaktik und deren Verwirklichung im Rollenspiel Anspruchsgruppen
3.1 Definition wichtiger Begriffe der handlungsorientierten Didaktik Aeblis
3.1.1 Der Unterschied zwischen Tätigkeit und Handlung
3.1.2 Die Dimensionen von Tätigkeiten im Unterricht
3.2 Die lerntheoretischen Grundannahmen Aeblis
3.2.1 Pragmatismus
3.2.2 Konstruktivismus
3.2.3 Das reflexive Subjekt

4. Die Auswirkungen handlungsorientierter Didaktik auf den Unterricht
4.1 Vom stofforientierten zum kompetenzorientierten Unterricht
4.2. Die Kompetenzorientierung im Rollenspiel Anspruchsgruppen
4.3 Handlungskompetenz als Ziel handlungsorientierten Unterrichts und die Folgen für die Unterrichtsgestaltung
4.4 Die Auswirkungen auf die Unterrichtsinhalte: Das Bereitstellen von Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten
4.4.1 Die Ebene der sozial – kommunikativen und inhaltlichen Erfahrungen
4.4.2 Die Ebene der individuellen Erfahrungen der Schüler
4.4.3 Die Ebene des Reflexions- und Systematisierungsniveaus

5. Ergebnisse und Perspektiven

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Gegenwärtig ist eine intensive Diskussion um Reformansätze im deutschen Bildungswesen im Gange. Nach Auffassung von Dubs geht es darum, den überwiegend darbietenden, atomisierenden und zum Teil lebensfremden Unterricht zu überwinden.[1] Dieser führt oft zu einer nicht anwendungsbereiten Ansammlung von Faktenwissen. Mit neuen Unterrichtskonzepten soll gewährleistet werden, daß sich die Lernenden besser an veränderliche Umwelt- und Lebensbedingungen anpassen können. Dies wird in der postmodernen Zeit zur unabdingbaren Grundanforderung an jeden einzelnen. Das Wissen muß so vermittelt werden, daß es jederzeit in verschiedenen Kontexten anwendbar ist. Diese Anforderungen sollen im Konzept des handlungsorientierten Unterrichts, welches im Fokus der Diskussion um die Reformbemühungen steht, verwirklicht werden. Eine mögliche handlungsorientierte Aktionsform im Unterricht ist das Rollenspiel.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das von Juliane Böhm und Jens Siemon entwickelte Rollenspiel Anspruchsgruppen innerhalb des Modellunternehmens A&S GmbH. Es soll untersucht werden, inwieweit die Grundsätze des handlungsorientierten Lehrens und Lernens in diesem Rollenspiel berücksichtigt werden. Weiterhin wird am Beispiel des Rollenspiels gezeigt, wie sich die handlungstheoretischen Grundlagen auf die konkrete Unterrichtssituation auswirken. Dabei soll deutlich werden, welch gravierende Veränderungen eine umfassende Umsetzung handlungstheoretischer Konzepte im Unterricht bewirken können. Die Fokussierung der Arbeit auf diese Problembereiche resultiert aus zwei Erkenntnissen: Erstens ist es für ein Rollenspiel, welches sich noch in der Entwicklungsphase befindet, besonders wichtig, laufend die Umsetzung der theoretischen Grundlagen zu kontrollieren. Zweitens ist es unerläßlich, einen Schwerpunkt der Analyse auf die praktische Umsetzung zu legen. Der Erkenntnisfortschritt der handlungsorientierten Didaktik bliebe ohne praktische Umsetzung wirkungslos.

Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Den Ausgangspunkt bildet eine Darstellung der Schwerpunkte der genetischen Erkenntnistheorie Piagets als erkenntnistheoretische Grundlage des Konzepts der Handlungsorientierung. Diese müssen zuerst betrachtet werden, weil sich daraus weitreichende Konsequenzen für die abzuleitenden lerntheoretischen Konzepte ergeben. Es folgt eine Betrachtung der lerntheoretischen Grundannahmen Aeblis, welche auf der genetischen Erkenntnistheorie aufbauen und für die Handlungsorientierung von zentraler Bedeutung sind. Es wird analysiert, in welcher Weise sie im Rollenspiel Anspruchsgruppen berücksichtigt werden. Ziel der Arbeit ist es, ausgehend von Aeblis handlungstheoretischen Erkenntnissen, Verbesserungsvorschläge für das Rollenspiel zu generieren. Abschließend wird vor dem lerntheoretischen Hintergrund auf die praktischen Implikationen des Konzeptes hinsichtlich der Unterrichtsgestaltung eingegangen.

Der Begriff der Handlungsorientierung, soll basierend auf Aebli, dergestalt verstanden werden, daß sich Denken, Wissen und Können aus dem praktischen Handeln und der Wahrnehmung heraus entwickeln und daß Denken und Wissen sich wiederum im praktischen Handeln zu bewähren haben.[2]

2. Grundlagen der genetischen Erkenntnistheorie als Basis der Handlungsorientierung

2.1 Die Grundintention der genetischen Erkenntnistheorie Piagets

Eine Analyse handlungsorientierter Lernkonzepte kann ohne die Betrachtung der erkenntnistheoretischen Grundlagen nicht erfolgreich sein. Basis der Handlungsorientierung ist die genetische Erkenntnistheorie Piagets. Die Theorie versucht die Genese der

Erkenntnis nachzuvollziehen und zu erklären. „Die genetische Erkenntnistheorie versucht, Erkennen, insbesondere wissenschaftliches Erkennen, durch seine Geschichte, seine Soziogenese und vor allem die psychologischen Ursprünge der Begriffe und Operationen, auf denen es beruht, zu erklären.“[3] Es wird deutlich, daß ein grundlegender Perspektivenwechsel stattfindet. Im Gegensatz zu früheren Erkenntnistheorien, welche den Erkenntnisstand analysierten, tritt die Analyse des Erkenntnisprozesses in den Vordergrund. Anstelle einer statischen Betrachtung tritt eine dynamische Sichtweise. Erst dadurch kann die Handlung, als ebenfalls dynamischer Prozeß, ins Blickfeld der erkenntnistheoretischen Forschung geraten.

2.2 Denken als aktiver Interaktionsprozeß

Durch die prozedurale Sichtweise der genetischen Erkenntnistheorie müssen epistemologische Begriffe neu definiert werden: „Erkennen heißt, Realität an Transformationssysteme zu assimilieren. Erkennen heißt, Realität zu transformieren, um zu verstehen, wie ein bestimmter Zustand zustande kommt.“[4] An der Kennzeichnung der Erkenntnis als Transformationsvorgang wird eine Grundaussage der Theorie Piagets deutlich: Die Transformation der Realität erfordert ein aktiv tätiges Subjekt. Denken wird als aktives Erkennen aufgefaßt.[5] Durch diesen Gesichtspunkt befindet sich die genetische Erkenntnistheorie „im Gegensatz zur Abbildtheorie der Erkenntnis, die Erkenntnis als ein passiv empfangenes Abbild der Realität auffaßt.“6 Das aktive Subjekt interagiert mit seiner Umwelt. Ist ein Problem aus der Umwelt nicht mit den bestehenden kognitiven Strukturen zu bewältigen, muß sich der Organismus anpassen. Anpassung kann nach Piaget auf zweierlei Art und Weise erfolgen: Einmal kann das Individuum seine Wahrnehmung an die vorhandenen Strukturen anpassen, was als Assimilation bezeichnet wird. Zum anderen können die Strukturen selbst verändert werden. Dies bezeichnet Piaget als Akkommodation.7 Im Verlauf dieses Erkenntnisprozesses werden die kognitiven Strukturen des Subjektes und die Realität immer adäquater.

2.3 Die zentrale Bedeutung der Handlung für die Erkenntnis

Als wesentliche Aussagen der genetischen Erkenntnistheorie wurden bisher die Aktivität des Subjektes beim Erkenntnisvorgang und die Interaktivität von Subjekt und Umwelt hervorgehoben. Es wurde weiterhin gezeigt, wie die kognitiven Strukturen des Subjektes und die wahrgenommene Realität immer adäquater werden. Darauf aufbauend wird in diesem Abschnitt der Zusammenhang von Erkenntnis und Handlung verdeutlicht.

Piaget postuliert, daß am Ausgangspunkt kindlicher Erkenntnis kein Subjekt, welches sich der eigenen Existenz und Aktivität bewußt ist, existiert. Ebensowenig existieren Objekte, die als solche wahrgenommen werden.8 Die Frage ist: Wo hat, wenn dem so ist, die Erkenntnis ihren Ursprung ? Piaget schlußfolgert: „Wenn wir auf ein Objekt einwirken, können wir auch das Einwirken selbst, ... , [als Quelle der Erkenntnis – Anm. d. Verf.] in Betracht ziehen, da die Transformation im Geiste ausgeführt werden kann. Nach dieser Hypothese ist das, wovon abstrahiert wird, nicht das Objekt auf das eingewirkt wird, sondern das einwirkende Handeln.“9 Der genetischen Erkenntnistheorie folgend hat die Erkenntnis also ihren Ursprung im Handeln des Subjekts.

Auf dieser Annahme basiert das lerntheoretische Konzept der Handlungsorientierung. Das Lernen der Schüler soll das konkrete Handeln, die direkte, aktive Auseinander-setzung mit dem Problem oder dem Gegenstand zum Ausgangspunkt haben. Durch den ständigen Rückgriff auf diesen Ursprung des Erkenntnisprozesses wird der Lernerfolg positiv beeinflußt.

3. Die Grundsätze der handlungsorientierten Didaktik und deren Verwirklichung im Rollenspiel Anspruchsgruppen

Im folgenden werden die grundlegenden lerntheoretischen Annahmen Aeblis erläutert, welche als Basis für die didaktische Umsetzung der genetischen Erkenntnistheorie Piagets aufgefaßt werden. Zunächst müssen jedoch, um begriffliche Unschärfe in der Darstellung zu vermeiden, grundlegende Begriffe, so wie sie Aebli versteht, definiert werden.

3.1 Definition wichtiger Begriffe der handlungsorientierten Didaktik Aeblis

3.1.1 Der Unterschied zwischen Tätigkeit und Handlung

Der Unterschied zwischen Tätigkeit und Handlung besteht im Grade der Bewußtheit des Gesamtziels. Aebli grenzt wie folgt ab: „Eine Handlung hat ein Ziel, dessen sich der Handelnde deutlich bewußt ist und auf das er alle Einzelschritte bewußt hinordnet. Auch eine Tätigkeit hat ihr Ziel. Aber dieses ist dem Tätigen häufig nur teilweise oder gar nicht bewußt.“10 Aebli räumt allerdings ein, daß die Grenze zwischen Tätigkeit und Handlung durchaus fließend ist.11

[...]


[1] Vgl. Dubs, Mehr Klarheit für die Unterrichtspraxis, 2001, S. 1.

[2] Vgl. Aebli, Das Ordnen des Tuns, 1980, S. 13 ff.

[3] Piaget, Genetische Erkenntnistheorie, 1981, S. 7.

[4] Piaget, Genetische Erkenntnistheorie, 1981, S. 22.

[5] Vgl. Piaget, Genetische Erkenntnistheorie, 1981, S. 97.

6 Piaget, Genetische Erkenntnistheorie, 1981, S. 22.

7 Vgl. Piaget, Genetische Erkenntnistheorie, 1981, S. 96 f.

8 Vgl. Piaget, Aufbau der Wirklichkeit beim Kinde, 1974, 31 f. .

9 Piaget, Genetische Erkenntnistheorie, 1981, S. 23 f. .

10 Aebli, Grundlagen des Lehrens, 1997, S. 21.

11 Vgl. Aebli, Grundlagen des Lehrens, S. 21

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Umsetzung der handlungsorientierten Didaktik im Rollenspiel Anspruchsgruppen von Juliane Böhm und Jens Siemon
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Lehrstuhl Wirtschaftspädagogik)
Veranstaltung
Komplexe Lehr - Lern - Arrangements
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V12153
ISBN (eBook)
9783638181099
Dateigröße
520 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Handlungsorientierung, Aebli, Piaget, Rollenspiel, Didaktik
Arbeit zitieren
Sebastian Kunerth (Autor:in), 2002, Die Umsetzung der handlungsorientierten Didaktik im Rollenspiel Anspruchsgruppen von Juliane Böhm und Jens Siemon, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12153

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