From gloom to glam is more Ziggy than Iggy

Marilyn Mansons wundersame Reise durch die Welt der zwei Geschlechter


Seminararbeit, 2002

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Androgyne
2.1 Platon über kugelige Mannweiber und Weibmänner
2.2 Mansons Vorbilder

3 Von Glam, Pailletten und Plateausohlen
3.1 Triptychon, das Werk des Marilyn Manson
3.2 The Long Hard Road Out Of Hell
3.2.1 Das Video
3.3 The Dope Show
3.3.1 Das Video

4. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungen

Anhang: Screenshots und Texte

The Long Hard Road Out Of Hell, USA 1997, Matthew Rolston

The Long Hard Road Out Of Hell

The Dope Show, USA 1998, R: Paul Hunter

The Dope Show

1 Einleitung

Nur wenigen Zeitgenossen wurde dermaßen viel Aufmerksamkeit zuteil wie Marilyn Manson. Die Menschen lassen sich regelrecht in zwei Gruppen teilen, in die, die ihn lieben und die, die ihn hassen. Dazwischen gibt es nicht viel.

Der Name ist Programm. Manson (eigentlich Brian Warner) benennt sich nicht nur zweigeschlechtlich, er gibt sich auch sonst gerne in der Öffentlichkeit androgyn.

Alle Bandnamen sind zusammengesetzt aus dem einer amerikanischen Pop-Ikone, zumeist weibliche Schönheiten wie Marilyn Monroe oder Twiggy, und einem brutalen Serienkiller, wie Charles Manson oder Ramirez.

Er spielt mit den Geschlechtergrenzen, wo er nur kann. Mit jedem Album, das er und seine Band herausbringen, wechselt er seine Identität oder besser sein äußeres Erscheinungsbild, mit dem er sich dann völlig identifiziert. Es sagt von sich selbst, dass er alle zehn Minuten eine andere Person ist.

Alles bei Marilyn Manson ist Inszenierung, ist gewollt, ist Kunst. Die Band ist nicht nur für die Musik da und um den Rest kümmern sich dann Plattenfirma und Management, nein, Marilyn Manson bestimmt alles selbst, bis zu einem gewissen Grad natürlich. Er kümmert sich um die Videos, um die Promotion und um alles, was über seine Person geredet wird. Wer oder was ist Marilyn Manson? Ist er nun Marilyn oder Manson?

Fast täglich gibt es neue Versuche seinem Geheimnis auf die Schliche zu kommen, neue Interpretationen und Definitionen, Skandale und Gerüchte, Erklärungsversuche und psychologische Gutachten. Doch das bringt rein gar nichts, außer der weisen Erkenntnis: Erwarte das Unerwartete.

2 Das Androgyne

Unter „Androgynie“, verstehen wir die Vereinigung von männlichen (andro) und weiblichen (gyn) Körpermerkmalen und Wesenszügen in einer Person. Je nach Situation kann sich ein androgyner Mensch eher weiblich oder eher männlich verhalten.

Wobei Geschlecht nicht etwas ist, das man hat oder nicht oder was man ist, sondern Geschlecht ist etwas, das man tut. Männliche und weibliche Verhaltensweisen sind Rollen, die uns in einem jahrtausende währenden Prozess anerzogen worden sind. Philosophisch gesehen ist es ein uraltes Sehnsuchtssymbol des Menschen nach der ursprünglichen, verloren gegangenen Einheit und Harmonie mit dem Kosmos.

2.1 Platon über kugelige Mannweiber und Weibmänner

In seinem philosophischem Dialog „Das Gastmahl“ versuchte bereits Platon (427 – 347 v. Chr.) zu klären, was es mit der „Androgynie“ auf sich hat.

Dabei teilte er die Menschen in zunächst drei Geschlechter ein, das weibliche, das männliche und eines, das beide anderen in sich vereinte. Die Gestalt jener Menschen beschrieb Platon als rund, vierhändig und -beinig mit zwei Gesichtern auf nur einem Kopf mit vier Ohren und zwei Schamteilen ... Sie waren sehr stark und wollten sich mit den Göttern messen. Doch die Götter durchschnitten sie in zwei Teile, weshalb nun jeder von uns ein Gegenstück eines Menschen ist. Und jeder von uns sucht ewig nach diesem Gegenstück.

2.2 Mansons Vorbilder

Die ganze Musikwelt wartete 1998 gespannt auf den Nachfolger des düsteren „Antichrist Superstar“ und sollte mehr als überrascht werden.

Zurückgezogen schrieb er eine Hand voll großartiger Rocksongs, „tauschte das anrüchige Mieder und die obszönen Lackstiefel gegen Pailletten besetzte Overalls im Chic der Siebziger, wechselte Haarfarbe und Kontaktlinse, entdeckte im Glamrock den musikalischen Stein der Weisen und hinterließ so allseits offene Münder und anerkennende Fassungslosigkeit bei Freund wie Feind.“ (Krüger 1998: 21)

Immer wieder wird Marilyn Manson gefragt, wie er denn solch eine Geradwanderung vom düsteren Industrialrock zum Glamrock erklären kann. Und immer wieder gibt er zu verstehen, dass die Band nur zu ihren musikalischen Wurzeln zurückgekehrt ist.

Zu Mansons großen Vorbildern gehören David Bowie und T-Rex. „Von der Androgynie bis hin zu den Pailletten zieht Marilyn Manson die gleichen Register wie David Bowie. Er hat sich eine Kunstfigur erschaffen und auch er spielt das Verwirrspiel der Geschlechter, doch Marilyn Manson identifiziert sich inzwischen völlig mit seiner Kunstfigur“[1]: „Ich habe eigentlich nie eine wahre Trennlinie gezogen, seit ich die Figur vor sechs Jahren erschaffen habe. Manchmal habe ich das Gefühl, die Person, die ich vorher war, war nur eine Rolle, die ich spielen musste.“ (M. Manson im Interview, Tracks, Arte) Wenn die Fiktion über die Realität hinauswächst, ist das Glamrock.

3 Von Glam, Pailletten und Plateausohlen

Anfang der 70er Jahre machte Extravaganz Furore und Pailletten traten ihren Siegeszug an. Es war die Zeit in der die Hippies langweilig wurden und die britische Insel plötzlich von Federn und Glitzer überschwemmt wurde. Man wandte sich den wirklich wichtigen Problemen zu: „Wie geht man am besten mit seinem Ego um?“ Der Rock machte endlich wieder Angst.

Die alten 68er traten von der Bühne ab und machten einer Musik platz, die gleich mit eigenem Kleidungsstil daherkam, dem Glamrock.

Echte Glamrocker lebten nur von ihrem Image. David Bowie begriff als erster, dass man den Star erst spielen musste bevor man einer wurde. Er erfand für sich die Figur „Ziggy Stardust“, einen Außerirdischen, der auf die Erde kam um den Rock zu retten.

Der Erfolg brachte schon bald weitere Stars hervor, die noch eher Kunstfiguren glichen, wie Gary Glitter und Marc Bolan mit seiner Band T-Rex. Die Stars rissen nicht nur die Schranken zwischen den Geschlechtern nieder, sie spielten auch mit ihrer Androgynie. Eine zeitgemäße Antwort auf die Frage, ob man bisexuell sei, war: „Klar. Ich mag Jungs und Mädels gleich gern. Sie sind alle toll. Wo ist da der Unterschied?“ (Zitat aus dem Film „Velvet Goldmine“).

1977 hat der Glamrock seine provokative Kraft verloren, Bowie tötet Ziggy bei einem Abschiedskonzert, geht ins berliner Exil bis er als „Thin White Duke“ zurückkehrt. Marc Bolan stirbt im selben Jahr bei einem Autounfall und mit ihm der Glamrock.

Mit Künstlern wie Marilyn Manson wird der Glamrock im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert noch einmal wiederbelebt. Brian Molko, Sänger der Gruppe „Placebo“, sieht das so: „Wir bringen dem Rock den Starkult zurück. Das ist dringend nötig. Schon seit langem treten die Leute auf der Bühne in ihren Alltagsklamotten auf. Wenn man sie auf der Straße sieht, sehen sie aus wie jeder andere. Wir wollten schon immer eine Musik machen, die größer ist als das Leben. Wir sind so, wie ihr uns seht.“ (B. Molko, Tracks, Arte)

3.1 Triptychon, das Werk des Marilyn Manson

Drei Alben umfasst die Trilogie „Triptychon“ von Marilyn Manson. Drei Alben, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Vom rauen Industrialrock zum schrillen Glamrock und wieder zurück. Und mit jedem Album ändert sich die Figur „Marilyn Manson“ grundlegend. Angefangen als „Americas most hated“ selbsternannter Antichrist, schlüpft Manson danach in die Rolle des „Omega“, der wie ein außerirdisches Zwitterwesen mit seinen „Mechanical Animals“ daherstolziert und endet schließlich als geschlechtsloser „Mercury“. Eine chamäleonartige Mutation vom fleischgewordenen, blutverschmierten Antichristen in eine zeitgemäß schrill schillernde Marc Bolan-

Adaption.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Manson als Antichrist, wie man kennt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Bowie / Bolan lassen grüßen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Mercury

Obwohl sich die drei Figuren sehr voneinander unterscheiden, haben sie eines gemeinsam: ihre Androgynität.

3.2 The Long Hard Road Out Of Hell

So richtig angefangen hatte alles mit “Antichrist Superstar”, dem ersten Album der Trilogie. Manson spielte schon immer mit seiner Androgynität, trägt noch bis heute Mieder und Strapse auf der Bühne, doch damals hat er sich noch nicht so sehr mit seiner Kunstfigur identifiziert.

In den Videos der ausgekoppelten Singles des Albums spielte er nur zu gerne mit den Geschlechtergrenzen. Dies beschränkte sich jedoch zumeist nur auf sein Äußeres, was seinem Bühnenoutfit sehr nahe kam. Er mischte diese Erscheinung mit einer Brutalität und Härte, musikalisch wie auch visuell, so dass es nie Zweifel über die sexuelle Identität Mansons gab. Er war stets zu männlich um weiblich zu sein.

Doch dann kam das Video zu „The Long Hard Road Out Of Hell”, das nicht explizit zu “Antichrist Superstar” gehört. Es entstand für den Soundtrack zum Film „Spawn“, kann aber dennoch als Übergang zwischen den ersten beiden Alben der Trilogie und somit auch der dazugehörigen Kunstfiguren gesehen werden.

Jedes Album bei Manson erzählt eine Geschichte. Immer wieder betont er rückblickend, das er auf „Antichrist Superstar“ nur seine Kindheit verarbeitet hat und all die Wut und den Hass, den mit dieser Zeit verbindet. Deshalb ist das Album und auch die Videos dazu so ausgesprochen brutal und laut. Das Nachfolgealbum „Mechanical Animals“ ist jedoch ganz anders. Denn in der Zwischenzeit hat Manson alles Zurückliegende verarbeitet, und erfahren was Gefühle sind. Große Gefühle, die auch Liebe beinhalten.

„The Long Hard Road Out Of Hell” liegt genau dazwischen. Und auch wenn man aufmerksam dem Text folgt, kann man den Song leicht als Verbindung zwischen den beiden Alben und Figuren sehen: “I wanna live, I wanna love. But it´s a long hard road out of hell“.

3.2.1 Das Video

Das Video zu “The Long Hard Road Out Of Hell” entstand 1997. Matthew Rolston, der auch als erfolgreicher Modefotograf und Werbefilmer arbeitet, führte Regie. Er hat unter anderem auch Videos für Madonna, Garbage, David Bowie und Lenny Kravitz gemacht.

Das Video kann visuell in drei Teile geteilt werden, in denen Marilyn Manson wiederum auch seine Kunstfigur bzw. sein Aussehen ändert.

Eine jungfräuliche Gestalt begibt sich auf die Reise zu den Menschen. Als Einhorn nimmt man ihm alles was es hatte, seine Reinheit und Keuschheit. Von einer Gruppe von Menschen wird es kaltblütig hintergangen und in eine Falle gelockt. Sie verführen die unschuldige Gestalt auf hinterlistigste Art und Weise: Alle sehen auf den ersten Blick gleich aus, es scheint sich um eine einzige Person zu handeln. Das Wesen hat unwissend gesündigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Elisabeth I.

Zum einen sehen wir Manson als heilige Jungfrau Maria mit Dornenkrone. Blutüberströmt schaut er den Betrachter aus einem barocken Bilderrahmen an. Ein anderes Mal begegnet er uns als Königin oder Herrscherin in einem prunkvollen Gewand, wie man es zuletzt im elisabethanischen Zeitalter sah. Sowohl das Bild der Maria als auch das der Königin Elizabeth, sind Sinnbilder für das Reine, das Jungfräuliche.

So zeigt sich Manson zu Beginn des Videos sündenfrei und unschuldig. Die Bilder werden von einem rot dominiert, das allerdings nicht so recht ins jungfräuliche Bild passt. Da rot nun mal die Farbe der Leidenschaft, die Liebe und auch des Blutes ist. Es ist auch die Farbe jenes Blutes, dass Maria vergossen hat obwohl sie schwanger war, und was ihr die Jungfräulichkeit attestierte.

Die jungfräulichen Bilder wechseln sich mit grünen Sequenzen ab, die entweder barocke Verkleidungen der Wände oder konservierte Föten zeigen, die einen durch das milchige Glas tot anschauen.

Manson erscheint uns außerdem als einhorniges Wesen, bekleidet mit einer gold- silbrigen Rüstung, die nur aus einem BH und dem Einhorn besteht. Das Einhorn, ursprünglich ein Fabelwesen, galt und gilt im christlichen Mythos als Symbol höchster Reinheit, Stärke und insbesondere der Keuschheit, und ist somit Attribut der christlichen Jungfrau Maria. Das weiße und scheue Einhorn findet nur im

Schoss einer Jungfrau Ruhe und Schlaf. Es wurde schon von dem griechischen Philosophen Aristoteles (384-322 v. Chr.) beschrieben. Aus dem Orient und der Antike gelangte es in das Christentum, wo das Horn die Einheit von Gottvater und Gottsohn und die

Jungfräulichkeit seiner Geburt symbolisiert. Noch immer werden dem Horn des Fabelwesens wundersame Heilkräfte zugeschrieben, aber gleichzeitig wird es von der Kirche sowohl als göttliches Geschöpf als auch als Teufelswesen angesehen.

Zusammen mit einem, nur mit Mieder bekleidetem, Mädchen steht der einhornige Manson zwischen Regalen mit konserviertem „Leben“.

Wir sehen Manson und das Mädchen in mehreren Momentaufnahmen, es gibt keine Bewegung im Bild, nur die Kamera fährt um die beiden herum. Zu sehen sind verschiedene Positionen, die vom Stil her Modeaufnahmen gleichen: Er würgt sie, sie berührt sein Horn und seine „weibliche“ Brust, plötzlich sind beide voneinander abgewandt. Die Jungfrau lockt also den einhornigen Manson zu sich, der somit seine Kraft und Stärke, Reinheit und Jungfräulichkeit verliert.

Die dritte Figur, in die sich Manson verwandelt, ist eine sehr weibliche Erscheinung in einem langen seidenen Kleid, die ebenso lange wie seiden glänzende Haare und lange blutrote Fingernägel hat. Er/sie rekelt sich auf einem Sofa in erotischen Posen oder gestikuliert auf höchst weibliche Art wild umher. Abwechselnd sehen wir ihn/sie bekleidet mit dem schwarzen Kleid oder unbekleidet bis auf schwarze Netzstümpfe. Das Verwirrspiel der Geschlechter ist fast perfekt. Der Zuschauer muss mehrmals genau hingucken um den ehemaligen „Antichristen“ zu erkennen.

[...]


[1] Glamrock Special der Musiksendung Tracks, Arte, 1998

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
From gloom to glam is more Ziggy than Iggy
Untertitel
Marilyn Mansons wundersame Reise durch die Welt der zwei Geschlechter
Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar  (Studiengang: Medienkultur)
Veranstaltung
Proseminar: "Cross-Dressing"
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
23
Katalognummer
V121513
ISBN (eBook)
9783640261963
ISBN (Buch)
9783640262014
Dateigröße
1245 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar des Dozenten: Eine hervorragend recherchierte Arbeit, die viele wichtige Hintergrundinformationen und interessante Interpretationsansätze liefert. Die Ausführungen zum Androgynie-Konzept hätten noch besser theoretisch fundiert werden können (neuere Gender-Theorie), hier arbeiten Sie leider nicht genau genug (auch wenn Ihre Hinweise auf alte philosophische Vorstellungen sehr gewinnbringend sind). Die Auswertung und Analyse der Videoclips ist überzeugend und gut gelungen, der Vergleich der beiden Clips mit ihren unterschiedlichen visuellen Inszenierungsstrategien hätte noch ...
Schlagworte
From, Ziggy, Iggy, Proseminar, Cross-Dressing
Arbeit zitieren
Dipl.Des. Antje Wolter (Autor:in), 2002, From gloom to glam is more Ziggy than Iggy, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121513

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: From gloom to glam is more Ziggy than Iggy



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden