Das touristische Potential Rwandas


Magisterarbeit, 2006

349 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Material und Methoden

3. Tourismus
3.1. Allgemeine Betrachtungen
3.1.1. Das touristische Angebot im Urlaubsland
3.1.2. Die Nachfrage im Quellgebiet
3.2. Tourismus in Entwicklungsländern
3.2.1. Begriffsdefinition und Merkmale von Entwicklungsländern
3.2.2. Vor-und Nachteile für Touristen
3.2.3. Auswirkungen im Reiseland
3.2.4. Ökotourismus als neue Form des Reisens

4. Landeskundliche Einführung unter Berücksichtigung des touristischen Potentials
4.1. Physisch-geographischer Überblick
4.1.1. Geographische Lage und Größe
4.1.2. Landschaftsformen
4.1.3. Klima
4.1.4. Vegetation
4.2. Anthropogeographischer Überblick
4.2.1. Bevölkerung
4.2.2. Geschichte
4.2.3. Wirtschaft
4.2.4. Historische Entwicklung des Tourismus

5. Natur- und Kulturdenkmäler
5.1. Der Forêt de Nyungwe
5.1.1. Einführung
5.1.2. Geschichtlicher Überblick
5.1.3. Besonderheiten der Flora und Fauna
5.1.4. Touristische Angebote
5.1.5. Touristische Frequentierung
5.1.6. Projekte in Planung
5.1.7. Kritische Betrachtung des touristischen Angebots
5.2. Akagera-Nationalpark
5.2.1. Einführung
5.2.2. Geschichtlicher Überblick
5.2.3. Besonderheiten der Flora und Fauna
5.2.4. Touristische Angebote
5.2.5. Derzeitige touristische Nutzung
5.2.6. Ausblick in zukünftige Projekte
5.2.7. Kritische Betrachtung des touristischen Angebots
5.3. Der Parc National des Volcans
5.3.1. Einführung
5.3.2. Geschichtlicher Überblick
5.3.3. Besonderheiten der Flora und Fauna
5.3.4. Touristisches Angebote
5.3.5. Touristische Frequentierung
5.3.6. Ausblick in zukünftige Projekte
5.3.7. Kritische Betrachtung des touristischen Angebots
5.4. Der Kivu-See
5.4.1. Naturräumliche Beschreibung
5.4.2. Sehenswürdigkeiten
5.4.3. Das Erholungspotential des Kivu-Sees
5.4.4. Kritische Betrachtung des touristischen Angebots
5.5. Weitere Natur- und Kulturdenkmäler
5.5.1. Die heißen Quellen von Bugarama und die Rusizifalls
5.5.2. Ibuhanga-Wald bei Ruhengeri
5.5.3. Höhlen bei Ruhengeri
5.5.4. Die Rusumo-Falls
5.5.5. Das Nationalmuseum in Butare
5.5.6. Der Königspalast in Nyanza
5.5.7. Die Genozid-Gedenkstätten
5.5.8. Das traditionelle Leben in Rwanda
5.5.9. Die Hauptstadt Kigali

6. Die touristische Infrastruktur
6.1. Beherbergungs- und Verpflegungsbetriebe
6.1.1. Beherbergungsbetriebe
6.1.2. Verpflegungsbetriebe
6.2. Transportwesen
6.2.1. Straßen
6.2.2. Lufttransport
6.2.3. Eisenbahn
6.2.4. Schifffahrtswege
6.3. Reiseveranstalter
6.4. Probleme in der touristischen Infrastruktur
6.4.1. Probleme bei der Unterkunft/ Verpflegung
6.4.2. Probleme im Transportwesen
6.4.3. Fehlender Service in Rwanda

7. Nachfrageseitige Betrachtung
7.1. Auswertung der Umfrage
7.1.1. Die Altersstruktur der befragten Personen
7.1.2. „Kennst Du/ kennen Sie das Land Rwanda?“
7.1.3. „Warst Du/ waren Sie schon mal in Rwanda?“
7.1.4. „Woher kennst Du/ kennen Sie das Land Rwanda?“
7.1.5. „Wo liegt Rwanda?“
7.1.6. „Was fällt Dir/ Ihnen zu Rwanda ein?“
7.1.7. Könntest Du/ könnten Sie sich vorstellen in Rwanda Urlaub zu machen?“
7.2. Zusammenfassen der Ergebnisse
7.3. Ausgewählte Befragung von Rwanda-Reisenden

8. Zusammenführen von Angebot und Nachfrage
8.1. Marktbetrachtung
8.2. Der heimische Markt
8.3. Der internationale Markt
8.4. Lösungsmöglichkeiten

9. Zusammenfassung

10. Danksagung

11. Literatur

12. Benutzte Internetseiten

13. Abkürzungen

Anhang: Übersicht der Hotels

1. Einführung

In dieser Arbeit soll das touristische Potential Rwandas untersucht werden. Um die Wahrnehmung von Rwanda als Reiseland auf dem internationalen Markt zu testen hat die Autorin die Begriffe „Ruanda“ und „Tourismus“ in die Suchmaschine „Google“ eingegeben und die Anzahl der Ergebnisse mit denen der Nachbarländer verglichen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Anzahl der Ergebnisse bei „Google“ am 10.3.2006

Bei Eingabe der deutschen Begriffe liegt Rwanda mit nur 364.000 Ergebnissen an vorletzter Stelle, nur Burundi erzielte noch weniger Treffer. Kenia als etabliertes Reiseland hat dagegen fast dreimal soviele Treffer zu verzeichnen. Bei Eingabe von „Rwanda“ und „Tourism“ schneidet das Land mit mehr als 6 Mio. Treffern im Vergleich zu den anderen Ländern ähnlich schlecht ab. Kenia hat fast die doppelte Menge an Ergebnissen.

Auch auf speziellere Suchanfragen kamen häufig verwunderliche Antworten. Bei der Website http://www.tourismworld.de/suche.php3 fand die Autorin bei der Suche nach Ruanda: „Keine Einträge gefunden“. Bei http://www.sunsearch.de/cgi/suchen.cgi?query=ruanda kam: „Ihre Suchanfrage „Ruanda“ ergab 0 Kategorie (n) und 1 Link (s). In der Rheinischen Landesbibliothek ergab die Anfrage nach „Ruanda“ und „Tourismus“: „Es wurden keine Treffer gefunden. Bitte überprüfen Sie Ihre Eingabe.“ Bei der „Google“- Recherche nach Mietwagen in Rwanda bekam die Autorin sogar die Rückfrage: „Meinten Sie Mietwagen Kanada “.

Allgemein scheint Rwanda derzeit als touristisches Ziel nahezu unbekannt zu sein. Die vorliegende Arbeit betrachtet daher die beiden Faktoren Angebot (vor Ort) und Nachfrage (im Quellgebiet) und führt diese nach dem wirtschaftswissenschaftlichen Modell der Marktbildung zusammen.

Nach der Vorstellung des Themas „Das touristische Potential Rwandas“ wird in die theoretischen Grundlagen des Tourismus eingeführt und Angebote von und das Nachfrageverhalten nach touristischen Leistungen vorgestellt. Im zweiten Teil dieses Kapitels wird speziell der Tourismus in Entwicklungsländern betrachtet. Das Reisen von Einwohnern der Industrieländer in Regionen der sogenannten Dritten Welt birgt sowohl für Reisende als auch für die Gastländer einige Vor- und Nachteile.

Im 4. Kapitel wird das Land Rwanda vorgestellt. Begonnen wird mit einem physisch-geographischen Überblick über geographische Lage, Oberflächenformen, Klima und Vegetation. Weitergeführt wird die Landeskunde mit einer anthropogeographischen Übersicht zur Bevölkerungsentwicklung, Geschichte, Wirtschaft und zur historischen Entwicklung des Tourismus in Rwanda.

Im fünften Kapitel werden die bedeutendsten Natur- und Kulturdenkmäler Rwandas vorgestellt. Mit dem Forêt de Nyungwe, dem Akagera-Nationalpark und dem Parc des Volcans hat Rwanda drei Naturreservate. Einen Überblick über deren Frequentierung in den letzten Jahren geben die Auswertungen der Besucherstatistiken, welche der Autorin zur Verfügung standen. Neben den Nationalparks hat Rwanda noch weitere Naturdenkmäler, wie z. B. den Kivu-See, die Heiße Quelle von Bugarama und den Ibuhanga-Wald bei Ruhengeri. Abschließend werden in diesem Kapitel die Kulturdenkmäler Rwandas vorgestellt, sowie die Hauptstadt Kigali mit ihren Sehenswürdigkeiten.

Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit der touristischen Infrastruktur vor Ort, wie z. B. Beherbergungsbetriebe, Transportwesen und einige nationale und internationale Reiseveranstalter. Abgeschlossen wird das Kapitel mit den vorgefundenen Problemen, die sich beim Angebot ergaben.

Während die Angebotsseite recht einfach zu definieren war, gab es auf der im 7. Kapitel bearbeiteten Nachfrageseite Schwierigkeiten bei der Datenerhebung. Um Aussagen über eine potentielle Nachfrage treffen zu können, hat die Autorin eine soziologische Studie in Form einer Umfrage durchgeführt und das Urteil der Befragten über einen möglichen Urlaub in diesem ostafrikanischen Land eingeholt. Darüber hinaus erfolgte eine weitere, aufwendigere Befragung von Personen, die sich schon in Rwanda aufgehalten haben.

Im letzten Kapitel wird das Angebot an touristischen Leistungen vor Ort mit der vorhandenen Nachfrage zusammengebracht. Dabei fällt auf, daß es einen funktionierenden Markt gibt. Einen großen Anteil der Nachfrager nach touristischen Angeboten vor Ort wird von Rwandern und Residenten gestellt. Der Anteil der ausländischen Touristen ist dagegen gering. Der Binnenmarkt funktioniert, doch der ausländische Tourismus ist nur mangelhaft entwickelt. Die Autorin diskutiert die möglichen Ursachen und gibt Lösungsvorschläge.

2. Material und Methoden

Die Autorin bereiste das Land Rwanda in den Jahren 2002, 2003, 2004 und 2005. Während dieser Reisen wurden alle Nationalparks, sowie weitere Natur- und Kulturdenkmäler besucht.

Die vom Office Rwandais du Tourisme et des Parcs Nationaux (ORTPN) geführten Besucherstatistiken für alle drei Nationalparks waren die Grundlage für die Auswertung der vorliegenden Arbeit.

In den Jahren 2004 und 2005 wurde ein Großteil der Beherbergungsbetriebe im Land mit Hilfe eines Fragebogens statistisch erfaßt. Weiterhin wurden alle Busunternehmen, Reiseveranstalter und Fluglinien in Kigali aufgesucht und befragt.

Um Aussagen über eine potentielle Nachfrage in Deutschland treffen zu können, hat die Autorin in den Jahren 2003 bis 2005 eine weitere Umfrage durchgeführt. Dabei wurden von 248 Personen Informationen eingeholt, was sie über Rwanda wissen, woher sie es wissen und ob sie sich einen Urlaub in diesem ostafrikanischen Land vorstellen können.

Darüber hinaus erfolgte eine weitere, aufwendigere Befragung von neun Personen, die sich schon in Rwanda aufgehalten haben. Die Anzahl der befragten Personen erlaubte keine statistische Auswertung. Der Fragebogen befindet sich im Anhang.

Alle Eintritts- und Übernachtungspreise wurden z. T. in rwandischen Franc (FRW) und z. T. in US$ angegeben. Dabei entsprechen 685 FRW ca. 1 €, (laut Wechselkurs vom 9.8.2005), der wiederum in den Anfangsmonaten des Jahres 2006 um 1,20 US$ schwankte (Wikipedia 2006 a; Realtime Devisenkurse 2006 a).

Alle Fotos stammen von der Autorin, soweit nicht anders gekennzeichnet. Ebenso wurden alle Grafiken von der Autorin selbst erstellt, soweit sie nicht anderweitig beschriftet sind.

3. Tourismus

Der Begriff Tourismus umfaßt den nationalen und internationalen Reiseverkehr.

Laut Definition von World Trade Organisation (WTO) und anderen inter-nationalen Organisationen beschreibt er Aktivitäten von Personen, die sich mehr als 24 Stunden und weniger als ein Jahr außerhalb ihrer gewohnten Umgebung aufhalten und deren ausgeübte Tätigkeit vor Ort nicht vergütet wird. Die bedeutendste Reisekategorie ist mit zwei Dritteln die Urlaubsreise (Opaschowski 2002 S. 21 ff.).

Die Autorin beginnt im Kapitel 3.1. mit einer allgemeinen Einführung in den Tourismus. Dabei wird unter 3.1.1. das touristische Angebot am Urlaubsort vorgestellt. Für die Nachfrage unter 3.1.2. sind für diese Arbeit vor allem tourismuspsychologische Faktoren wie Motivationen und Motive von Touristen relevant und die Entscheidungsgründe für ein spezielles Urlaubsland.

Im Kapitel 3.2. betrachtet die Autorin speziell den Tourismus in Entwicklungsländern. Dieser weist einige Besonderheiten, besonders bei den Auswirkungen vor Ort auf.

3.1. Allgemeine Betrachtungen

3.1.1. Das touristische Angebot im Urlaubsland

Jedes Land hat verschiedene, auch für den Tourismus relevante Ausstattungsfaktoren.

Für viele Besucher haben die natürlichen Ausstattungsfaktoren am Urlaubsort eine überragende Bedeutung. Dazu zählen die natürlichen Merkmale eines Raumes, wie die physisch-geographischen Aspekte Oberflächengestalt, Landschaftsformen, Klima, Tierwelt, Vegetation, Wasser, alle Naturdenkmäler und eine saubere Umwelt (Wolf, Jurczek 1986 S. 44 ff.).

Ebenfalls von Bedeutung sind die infrastrukturellen Ausstattungsfaktoren. An deren erster Stelle stehen sämtliche Beherbungsbetriebe und das Transport-wesen mit allen Verkehrsmitteln. Weiterhin gehören jegliche Sport- und Freizeit-einrichtungen, Gastronomie, Bibliotheken und Spielplätze dazu (Wolf, Jurczek 1986 S. 51 ff).

Die soziokulturellen Ausstattungsfaktoren beinhalten alle Kulturdenkmäler eines Landes. Dazu gehören die Museen, aber auch traditionelle Techniken und Handwerk. Ebenfalls zur Sozioökonomie gehören ökonomische, politische und psychologische Faktoren des Urlaubsgebietes. Sie treffen Aussagen über das private und öffentliche Investitionsverhalten und über die Einstellung von Politik und Bevölkerung zum Fremdenverkehr (Wolf, Jurczek 1986 S. 57 ff.).

3.1.2. Die Nachfrage im Quellgebiet

Der Urlauber ist Konsument und Nachfrager nach touristischen Angeboten. In seine Motive und Motivationen gehen Prozesse des allgemeines Werte- und des sozialen Wandels mit ein. Reisemotive werden durch verschiedene, z. B. generative und sozioökonomische Merkmale beeinflußt. Für diese Arbeit sind vor allem die tourismuspsychologischen Faktoren interessant. So werden Urlaubsmotivationen und –motive vorgestellt und die Entscheidungsfindung des Touristen bezüglich eines speziellen Urlaubsortes.

- Urlaubsmotivation und Urlaubsmotive

Unter Motivation versteht man die zu einer Handlung führenden aktuellen Faktoren und Prozesse. Sie ist kurzfristig und situationsabhängig. Motive dagegen sind Unterschiede in den individuellen Ansprüchen, die sich im Laufe der Entwicklung herausgebildet haben (Heckhausen 1974 S. 143).

Tourismuspsychologisch werden zwei verschiedene Kategorien von Motivationen unterscheiden. Dabei handelt es sich um idealtypische Urlaubstypologien. Die individuellen Bedürfnisse überschneiden sich in der Realität.

Die erste ist die Konträrhaltung. Dabei dominieren beim Urlauber die „weg von“ oder „raus aus“ („push“) Verhaltensmuster. Deren vorrangiges Ziel ist das Verlassen der Alltagsroutine und der gewohnten Umgebung und das Entfliehen aus auferlegten Ordnungen und Regeln. Der Urlaub wird als Gegenstück zur Arbeit gesehen und dient der reinen Erholung und dem Müßiggang. Damit verbunden ist ein scheinbarer Freiheitszuwachs mit weniger Zwängen. Allerdings entsprechen die Verhaltensweisen oft alltagsanalogen Verhaltensnormen, wie z. B. der täglich zur exakt gleichen Uhrzeit stattfindende Gang zum Buffett. (Opaschowski 2002 S. 88 f.; Wolf, Jurczek 1986 S. 75). Bei dieser Motivation ist das Urlaubsziel eher von untergeordneter Bedeutung.

Die zweite Form der Urlaubserwartung ist die Komplementärhaltung. Hier suchen Urlauber ergänzende Beschäftigungen zum Alltag und erwarten ein Höchstmaß an individuellen Entfaltungsmöglichkeiten. Es dominieren die „hin zu“ („pull“) Verhaltensmuster (Opaschowski 2002 S. 90 f.; Wolf, Jurczek 1986 S. 75). Beim Vorherrschen der Komplementärhaltung hat der Reisende bestimmte Vorstellungen von und Erwartungen an seinen Urlaubsort.

Die Motive unterliegen einer stetigen Veränderung, die dem allgemeinen Wertewandel und dem sozialen Wandel folgt (Wolf, Jurczek 1986 S. 76). Zusätzlich ändert sich die Hierarchie der Urlaubsmotive mit Alter und z. B. Familienstatus (Opaschowski 2002 S. 96).

In den letzten Jahrzehnten ist aus dem Haupturlaubsgrund Erholung ein mehrdimensionales Motivationsbündel geworden. Dabei dominieren:

- die Suche nach Ruhe
- die Sehnsucht nach Sonne
- der gewünschte Kontrast von Zuhause
- das Erleben von Natur
- Ausleben von mehr Freiheit und Spontaneität
- das Knüpfen von neuen Kontakten
- Spaß haben
- Komfort genießen
- mehr Bildung und Kultur
- Aktivität (Opaschowski 2002 S. 91 ff.)
- Wahl des Urlaubslandes

Touristen achten bei der Wahl ihres Urlaubslandes nicht mehr ausschließlich auf die natürlichen und infrastrukturellen Ausstattungsfaktoren. An Bedeutung gewinnt die touristische Qualität, die so subjektive Maßstäbe wie „Lebens-qualität“ oder „Atmosphäre“ einschließt (Opaschowski 2002 S. 222 ff.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Kriterien deutscher Touristen bei der Auswahl ihres Urlaubszieles (BAT Freizeit-institut 2005 a)

Die nebenstehende Ab-bildung zeigt die Kriterien deutscher Touristen 2005 bei der Auswahl ihres Urlaubszieles.

Der wichtigste Punkt ist demnach das gute Preis-Leistungsverhältnis, das sich knapp 70 % aller Befragten in ihrem Urlaubsland wünschen. Weiterhin sind schöne Landschaften, Gastfreundschaft, Bade- und Ausflugsmöglichkeiten u. a. relevant (BAT Freizeit-institut 2005 a).

Diese Kriterien sind nicht ohne Einschränkung auf Reisen in Entwicklungs-länder übertragbar. Dort wäre sicher der Wunsch nach Sicherheit und Sauberkeit in der Liste weiter oben angesiedelt.

Die Tourismusindustrie steuert zusätzlich durch Werbekampagnen die Einführung neuer Urlaubsländer. So kam es Mitte der neunziger Jahre zu einem Boom von Reisen in die Dominikanische Republik, der in erster Linie durch einen niedrigen Preis ausgelöst wurde.

Weiterhin unterliegt die Auswahl von Urlaubsländern auch wechselnden Modetrends. Die Verfilmung des Lebens von Dian Fossey initiierte z. B. einen kleinen Reiseverkehr in das bis dahin unbekannte Rwanda. Aktuell wäre der Film „Madagaskar“ zu erwähnen, der die Anzahl der Reisen auf die gleichnamige Insel erhöht.

An der ersten Stelle der Entscheidungskette beim Touristen steht die Wahl eines bestimmten Urlaubslandes. Erst danach wird über die Art des Urlaubs oder bestimmte Reiseelemente entschieden. Dementsprechend werden erst allgemeine Informationsquellen bemüht, wie Freunde und Bekannte, Reise-büros, Reiseberichte im Fernsehen, in den Printmedien oder Reisekataloge. Bei der Suche nach spezifischen Informationen für die konkrete Reiseplanung werden spezielle Reiseführer oder bei Fremdenverkehrsvereinen bestellte Prospekte konsultiert oder wieder Ratschläge von Freunden und Bekannten eingeholt (Wolf, Jurczek 1986 S. 77 f).

Das Internet gewinnt für beide Phasen der Informationsfindung immer mehr an Bedeutung. So stellen bedeutende Touristendestinationen Informationsportale ins Internet. Als gelungenes Beispiel soll die Homepage vom thailändischen Fremdenverkehrsamt in Frankfurt angeführt werden. Sie bietet für potentielle Urlauber eine optimale Reisevorbereitung. Neben der Landeskunde werden touristische Attraktionen, kulturelle und sportliche Aktivitäten, sowie ein aktueller Veranstaltungskalender vorgestellt. Außerdem werden viele Karten, sowie Fotos vom Land geboten. Bus-, Flug- und Zugfahrpläne sind auf die Homepage verlinkt. Hotellisten finden sich ebenfalls, z. T. sind sie direkt online anfrag- und buchbar. Abgerundet wird das Angebot mit der Möglichkeit der Bestellung von Broschüren oder persönlichen Anfragen (Thailandtourismus 2006 a).

3.2. Tourismus in Entwicklungsländern

In den sechziger Jahren nahm der internationale Tourismus stark zu, der Fremdenverkehr wuchs zu einem der wichtigsten Zweige des Weltwirtschaftssystems. Dabei stiegen die touristischen Deviseneinnahmen stärker als der Wert des internationalen Warenhandels. Laut Angaben der World Travel Organisation von 1993 stellten touristische Dienstleistungen 15 % des Wertes aller internationalen Dienstleistungen (Vorlaufer 1996 S. 8).

Aufgrund der großen wirtschaftlichen Bedeutung versuchten die Entwicklungsländer an dieser Entwicklung teilzuhaben, was in den achtziger und neunziger Jahren von Erfolg gekrönt wurde. Von 1988 bis 1994 stieg die Zahl der Touristenankünfte in den „Developing Countries“ um 50 % auf knapp 150 Millionen. Diese Zahlen können aber nicht darüber hinweg täuschen, daß sich ein Großteil aller Reisen zwischen Industrieländern vollzieht (Vorlaufer 1996 S. 8 ff.).

Ein wichtiges Quellgebiet für den Fremdenverkehr in Entwicklungsländer ist Deutschland. In den achtziger Jahren verdoppelte sich die Zahl der Reisenden auf knapp 3,5 Millionen, damit war 1990 jeder vierte Entwicklungsländer-Tourist ein Deutscher. Das Potential ist als noch höher einzuschätzen. 1992 konnten sich 18,5 % der West- und 11,7 % der Ostdeutschen vorstellen, einen Urlaub innerhalb der nächsten drei Jahre in einem der „Developing Countries“ zu verbringen (Vorlaufer 1996 S. 11).

Seit den sechziger Jahren werden mit wechselnden Schwerpunkten und Positionen die Vor- und Nachteile von Tourismus in Entwicklungsländern diskutiert. Nach einer Definition des Begriffes „Entwicklungsland“ wird die Autorin mögliche Vor- und Nachteile des Fremdenverkehrs für die Anbieter und Konsumenten der touristischen Leistungen zusammentragen.

3.2.1. Begriffsdefinition und Merkmale von Entwicklungsländern

Es fehlt z. Z. eine einheitliche Definition für den Begriff „Entwicklungsland“. Charakteristisch ist die vorherrschende Armut im Land. Es finden sich aber noch weitere, in jeder Region unterschiedlich ausgeprägte Merkmale, die ein Entwicklungsland beschreiben (Thießen 1993 S. 5 ff.):

1. Bevölkerungsdruck
2. einseitige Produktionsstruktur
3. geringe landwirtschaftliche Produktivität
4. ungenügende Industrialisierung
5. niedriges Pro-Kopf-Einkommen
6. unzureichende Infrastruktur
7. hohe Analphabetenquote
8. niedriger Energieverbrauch
9. Unterernährung
10. schnelle Verstädterung

Nach diesen Kriterien ist Rwanda eindeutig ein Entwicklungsland. Daran ändert auch die relativ gut ausgebaute Infrastruktur nichts. Daneben ist aufgrund der rwandischen Sozialstruktur auch eine schnelle Verstädterung (Punkt 10) nicht zu erwarten.

3.2.2. Vor-und Nachteile für Touristen

Für Touristen ergeben sich durch das Reisen in einem Entwicklungsland bestimmte Vorteile, er hat aber auch diverse Risiken zu tragen.

Vorteile der Reisen in Entwicklungsländer:

1. attraktive natürliche Ausstattungsfaktoren

Entwicklungsländer haben bestimmte für Touristen interessante natürliche Ausstattungsfaktoren, wie das Klima und ökologisch intakte, unberührte Landschaften (Vorlaufer 1996 S. 1).

2. soziokulturelle Ausstattung

Die soziokulturelle Ausstattung eines Entwicklungslandes ist mit einer fremden Kultur und Völkern konkurrenzlos zu entwickelten Industriestaaten (Vorlaufer 1996 S. 1).

3. Expansion des internationalen Flugverkehr

Durch die Expansion des internationalen Flugverkehr wurden mehr Direktflüge aus den Quellgebieten geschaffen, welche die Reisezeit verkürzen. Mit der Erfindung von großräumigen, leistungsfähigeren und preisgünstigeren Lang-streckenflugzeugen konnte der Tourismus weiter expandieren, der Preis für den Konsument sank. Weiterhin wurden auch periphere Touristenregionen in den internationalen Flugverkehr mit eingeschlossen und konnten touristisch erschlossen werden (Vorlaufer 1996 S. 33 ff.).

4. günstiges Preis-Leistungsverhältnis

Die Attraktivität eines Urlaubslandes steigt mit einem günstigen Preis-Leistungsverhältnis. Die Anreisekosten setzen sich aus Flugzeit und ein-gesetzten Kapazitäten auf der Strecke zusammen. Da der Flugmarkt Über-kapazitäten zu verzeichnen hat, sinken Flugpreise tendenziell (Vorlaufer 1996 S. 37).

Entwicklungsländer haben mit ihren oft niedrigen Lebenshaltungskosten und ihrer häufig instabilen („weichen“) Währung einen weiteren Standortvorteil. Wegen dem häufig unausgeglichenem Verhältnis von touristischem Angebot und Nachfrage, einhergehend mit viel Konkurrenz vor Ort und einer großen Marktmacht der Reisekonzerne dominieren niedrige Preise. Auch eine staat- liche Niedrigpreispolitik , wie z. B. in Kenia in den achtziger Jahren kann das (für den Touristen) gute Preis-Leistungs-Verhältnis bedingen (Vorlaufer 1996 S. 38 ff.).

5. Exklusivität des Reiseziels

Einige Touristen versuchen, sich durch Reisen in ein Entwicklungsland vom „Pauschaltourist“ zu distanzieren und genießen das höhere Ansehen vor Ort. Constantin Henry Phipps, der Marquis von Normanby stellte schon 1825 fest:

„Gewiss reisen Engländer nicht, um andere Engländer zu treffen; aber diese Antipathie, die einen vor den Landsleuten zurückschrecken läßt, bedarf noch genauerer Erklärung. Und das ist diese: Wir alle reisen aus Eitelkeit, um in diesem oder jenem Ort zu sein und gewesen zu sein, daher kommt die Eifersucht auf diejenigen, die das Erlebnis mit uns teilen und daher unsere Ehre schmälern.“ (Payer 2001 a)

Nachteile der Reisen in Entwicklungsländer:

1. Zunahme von Kriminalität

Aufgrund einer Verelendung im Zielland kann es zur Erhöhung der Kriminalität kommen. Wenn diese sich gegen Touristen richtet, wird sich das negativ auf die Nachfrage auswirken (Vorlaufer 1996 S. 41 f.).

2. medizinische Versorgung

Ein großes Problem für Touristen ist die fehlende oder ungenügende medizi-nische Versorgung im Notfall, generelle mangelnde Hygiene und das u. U. belastende tropische Bioklima. Auch das mögliche Auftreten von tropischen Krankheiten, z. B. Malaria, Gelbfieber oder Billharziose läßt die Nachfrage nach Reisen in Entwicklungsländer sinken. Weitere negative Folgen sind die Furcht vor Magen-Darm-Erkrankungen und die Ausbreitung von AIDS (Vorlaufer 1996 S. 42).

3. Naturkatastrophen

Vermehrte Hurrikane und Wirbelstürme in tropischen Ländern oder andere Naturkatastrophen, wie z. B. Vulkanausbrüche oder der Tsunami in Südost-asien haben eine große Negativwirkung. So gering die Wahrscheinlichkeit ist, persönlich davon betroffen zu sein: potentielle Besucher fürchten sich vor einer Wiederholung der Katastrophen (Vorlaufer 1996 S. 40 f.).

4. politische Instabilität

Auftretende militärische Konflikte in einer Region und die darausfolgenden politischen Unsicherheiten senken die Nachfrage nach touristischen Leistungen. Dagegen werden die politischen Verhältnisse in einem Urlaubsland von Besuchern weitgehend ignoriert. Menschenrechtsverletzungen, fehlende Rechtsstaatlichkeit, Diktatur oder politische Unterdrückungen vor Ort schränken die touristische Nachfrage nicht ein (Vorlaufer 1996 S. 41).

3.2.3. Auswirkungen im Reiseland

In diesem Kapitel werden die verschiedenen möglichen Effekte des Reisens für die Entwicklungsländer vorgestellt:

1. Veränderung der Raumwirtschaftsordnung

Durch Tourismus kann es zum Abbau räumlicher Disparitäten kommen. Oft werden aufgrund der natürlichen Standortfaktoren periphere, wenig erschlossene Gebiete mit fehlenden Alternativnutzungen (z. B. Küsten) für den Fremdenverkehr ausgebaut. W. Christaller erkannte diesen Zusammenhang in der „Theorie der Peripherie“. Im Gegensatz zur übrigen Raumwirtschafts-ordnung, nach der Anbieter von Gütern zu zentralen Orten streben, wollen die Anbieter von touristischen Leistungen zur Peripherie. Sowohl die Anbieter suchen größtmöglichen Abstand zur nächsten Konkurrenz, als auch die Nachfrager begeben sich eher auf die Suche nach Einsamkeit und Ruhe und versuchen, den Abstand zu anderen Touristen zu maximieren (von Böventer 1989 S. 29 f.; Vorlaufer 1996 S. 171 ff.; Thießen 1993 S. 21).

2. wirtschaftliche Effekte

Die Deviseneinnahmen des bereisten Landes steigen mit den Touristenzahlen, die Leistungsbilanz der Entwicklungsländer und ihr Schuldendienst kann sich verbessern. Für Staaten ohne eigene natürliche Ressourcen bietet der Tourismus oft die einzige Möglichkeit, Devisen einzunehmen und damit am internationalen Wirtschaftskreislauf zu partizipieren. Die Reisedevisenbilanz ist (oft gegenläufig zur Handelsbilanz) positiv. Als positiv zu bewerten ist der Deviseneffekt nur dann, wenn die für den Tourismus getätigten Ausgaben die Einnahmen nicht überschreiten. Die sogenannte „Sickerrate“ entspricht dem Anteil an den touristischen Deviseneinnahmen, der zur Finanzierung von Dienst- oder Zinsleistungen wieder ins Ausland zurückfließt. Diese kann z. B. durch den Einsatz traditioneller Baumaterialien oder durch die Produktion aller für den Tourismus notwendigen Nahrungsmittel und Gütern gesenkt werden. Durch die Einnahmen von Steuern und Gebühren aus touristischen Leistungen wird zusätzlich der Staatshaushalt erhöht, die Ausgaben für Investitionen können steigen (BMZ 1993 S. 30 f.; Vorlaufer 1996 S. 132; Thießen 1993 S. 18).

Im Land werden Arbeitsplätze geschaffen. Der Tourismus ist ein relativ arbeitsintensiver Wirtschaftszweig, was zu Beschäftigungseffekten vor allem im Dienstleistungsbereich führen kann. Empirische Untersuchungen zum Thema kamen zu unterschiedlichen quantitativen Ergebnissen. Wichtig sind nicht nur die absoluten Zahlen der geschaffenen Arbeitsplätze, sondern deren Qualität und Sicherheit, ob eine ganzjährige Beschäftigung gewährleistet ist und ob auch die höherqualifizierten Stellen mit Einheimischen besetzt werden. Zusammenfassend ist festzustellen, daß Arbeitslosigkeit durch Tourismus gesenkt wird. Allgemeine Aussagen über Qualität der Beschäftigung, Höhe des Einkommen und indirekte Beschäftigungseffekte auf andere Zulieferbranchen lassen sich nicht treffen (BMZ 1993 S. 31 f.; Vorlaufer 1996 S. 139 ff.; Thießen 1993 S. 19 f).

Tourismus löst direkte und indirekte Wachstumsimpulse auf andere Wirtschaftsbereiche aus. So wird durch Investitionen im touristischen Bereich am Anfang vor allem die Nachfrage in der Bauwirtschaft gestärkt, später auch im Transportwesen, in der Vergnügungsindustrie und bei der Produktion von Nahrungsmitteln. Ein Nachteil sind Verknappung oder Verteuerung von Gütern für die einheimische Bevölkerung durch die erhöhte Nachfrage (BMZ 1993 S. 32).

Die Andenkenindustrie ist mit 10-15 % aller touristischen Devisen eine nach-gelagerte Branche, die ausschließlich durch den Tourismus begründet wird. Dabei werden lokale Ressourcen und traditionelle Kenntnisse für das Wirtschaftswachstum genutzt. Die zeitlich und räumliche Unabhängigkeit der Souvenirherstellung ermöglicht Beschäftigung auch außerhalb der Saison und der Touristenzentren (Vorlaufer 1996 S. 167 f.).

Der Staat hat eine wichtige Funktion bei der Erschließung peripherer Räume mit hohem touristischem Potential. Diese staatlich initiierten Wachstumsimpulse durch Investitionen in die Infrastruktur dienen vor allem dem Bau von Flug-häfen, Straßen oder Energieversorgungseinrichtungen und damit der Grundsteinlegung für Tourismus. Positive Effekte bewirkt das nur, wenn nicht nur wenige touristische Zentren davon profitieren, sondern das gesamte Land (BMZ 1993 S. 34; Thießen 1993 S. 22 f.; Vorlaufer 1996 S. 175).

Wenn Entwicklungsländer einseitig auf den Wirtschaftszweig Tourismus bauen und landwirtschaftliche und Industrieproduktion vernachlässigen, besteht das Problem der Schaffung von Monostrukturen. Damit kann ein nicht wünschenswertes Abhängigkeitsverhältnis der Entwicklungsländer vom Tourismus geschaffen werden (BMZ 1993 S. 33).

3. soziokulturelle Wirkungen

Experten diskutieren seit mehreren Jahrzehnten über die soziokulturellen Effekte im bereisten Land. Allgemein gültige Aussagen scheinen nicht möglich zu sein, da die Auswirkungen sowohl räumlich, zeitlich und auch individuell unterschiedlich wahrgenommen werden. Weiterhin existiert in vielen Entwicklungsländern ein vom Tourismus unabhängiger sozialer Wandel, der die Ursachenforschung für bestehende Probleme erschwert. Einige Argumente für oder gegen Tourismus in Entwicklungsländern werden im folgenden aufgeführt.

Durch Touristen kann das Wertesystem und die Sozialstruktur im bereisten Land verändert werden. Es kommt zu Modernisierungsprozessen, die Brüche im sozialen und kulturellen Gefüge zur Folge haben oder den Verlust der kulturellen Identität bewirken. Weiterhin treten Konflikte auf zwischen den Ansprüchen und Verhaltensweisen der Reisenden und den sozialen Standards und wirtschaftlichen Lebensbedingungen der Einheimischen.

Die touristische Erschließung von Regionen kann bei der lokalen Bevölkerung mit Enteignungen und dem Verlust der bisherigen Wirtschafts- und Lebensstruktur einhergehen.

Die sozialen Unterschiede zwischen den Beschäftigten im Tourismusgewerbe und denen in anderen Wirtschaftszweigen können vergrößert werden.

Bei den Einheimischen werden Bedürfnisse nach sozialem Aufstieg, Konsum und Prestige geweckt, die an der ökonomischen Realität scheitern. Dies führt zu Minderwertigkeitsgefühlen und Frustration, welche in Kriminalität und Fremdenfeindlichkeit umschlagen können.

Die interkulturellen Begegnungen im Zeichen der Völkerverständigung, die oft als Grund für den Tourismus in Entwicklungsländer vorgeschoben werden, sind kritisch zu betrachten. In den meisten Fällen sind Reisende und Bereiste aufgrund von Informationsdefiziten voller Klischees und Vorurteile und suchen i. d. R. nur Bestätigung für ihre Meinung.

Das Interesse der Reisenden an der Kultur des Landes kann sich als vorteilhaft für die Bereisten erweisen, wenn es einhergeht mit der Stärkung des Selbst-bewußtseins und der Erhaltung (oder Wiederbelebung) traditioneller Werte und Gebräuche. Zu negativen Auswirkungen kommt es bei der Kommerzialisierung des kulturellen Erbes, im schlimmsten Fall zu dessen totalem Ausverkauf (BMZ 1993 S. 34 ff.; Thießen 1993 S. 23 ff., S. 40 ff. ; Vorlaufer 1996 S. 201 ff.)

Einige Länder versuchen durch die räumliche und soziale Isolation der Reisenden die soziokulturellen Auswirkungen des Tourismus zu minimieren. Dies äußert sich z. B. in peripher gelegenen afrikanischen Lodges oder Ferienclubanlagen an „unberührten“ Stränden. Die Malediven betrieben eine strikte, auf dem Segregationsprinzip basierende Tourismuspolitik. Sie erschlossen ausschließlich unbesiedelte Inseln des Archipels für den Fremdenverkehr, nur im Tourismusgewerbe beschäftigte Einheimische dürfen sich hier aufhalten. Auf den 202 von Maledivern bewohnten Inseln ist das Errichten von Ferienanlagen verboten (Vorlaufer 1996 S. 206 ).

4. politische Effekte

In einigen Entwicklungsländern, z. B. Diktaturen mit Menschenrechts-verletzungen ist die politische Situation nicht den demokratischen Maßstäben der Reisenden entsprechend. Die negative Auswirkung des Reisens in diese Länder besteht im systemunterstützenden Deviseneffekt. Weiterhin wird eventuell ein unverdient gutes Image als Urlaubsland aufgebaut. Positiv kann sich Aufklärung und Bekanntmachung der Mißstände durch die Reisenden entwickeln (BMZ 1993 S. 38).

5. ökologische Wirkungen

Da die intakte Natur eine Grundlage für Fremdenverkehr darstellt, sind die ökologischen Auswirkungen durch Reisende in einem Gebiet bedeutsam (Vorlaufer 1996 S. 209). Sie können positiv oder negativ sein.

An erster Stelle sei hier die schlechte Energiebilanz der Flugreise genannt, die jeden Versuch der Nachhaltigkeit untergräbt (Vorlaufer 1996 S: 231 f.).

Der Bau von touristischen Infrastrukturen setzt einen Eingriff in das vorhandene Ökosystem voraus. Es müssen Landflächen erschlossen werden für Hotels oder Sportanlagen, die mit der Zerstörung der natürlichen Vegetation, Tierwelt und dem ursprünglichen Landschaftsbild einhergehen (BMZ 1993 S. 39).

Ein großes Problem in beinahe allen Entwicklungsländern ist die Müll-beseitigung und das Wasser- und Abwasserproblem. Der gewaltige Wasserverbrauch in Hotels kann zu Grundwasserspiegelsenkungen führen und eine unzureichende Versorgung der Einheimischen nach sich ziehen (BMZ 1993 S. 39).

Durch umweltunverträgliches Verhalten von Touristen kann es zur Zerstörung von Landschaften und Gewässern kommen, sowie Vegetationsdegradation und Irritationen in der Tierwelt. Dieses Problem verschärft sich, wenn es zur touristischen Übernutzung durch eine ökologisch ungünstige zeitliche und räumliche Verteilung der Besucher kommt. Souvenirs aus Tierprodukten können die Tierwelt schädigen (BMZ 1993 S. 40; Vorlaufer 1996 S. 223 f.).

Erst durch die Erkenntnis, daß sich die Einrichtungen von Schutzgebieten und Nationalparks mit Arten- und Naturschutz nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch rechnen kann, wurden manche Ökosysteme und Landschaften geschützt. So sind die ersten Nationalparks in Ostafrika ausschließlich zum Schutz der Arten eingerichtet worden. Die touristische Nutzung erfolgte erst sehr viel später (Vorlaufer 1996 S. 213).

Bei der Einrichtung von Schutzgebieten entstehen häufig Landnutzungs-konflikte. So kommt es zu Nutzungsverboten der einheimischen Bevölkerung für Landwirtschaft, Viehhaltung, Fischerei, Holzeinschlag und Jagd, die oft mit einer Verelendung der Bevölkerung und verbotenen Landnahmen und Wildereien einhergehen. Darauf folgende Strafen mindern die Akzeptanz der Schutzgebiete bei der Bevölkerung. Nur wenn die Einnahmen aus dem Tourismus steigen und die Lokalbevölkerung daran partizipiert ist eine nach-haltige Erhaltung der Nationalparks möglich (Vorlaufer 1996 S. 218 ff.).

3.2.4. Ökotourismus als neue Form des Reisens

Das Jahr 2002 wurde von den Vereinten Nationen als „Internationales Jahr des Ökotourismus“ ausgerufen. Zwar kommt die Vorsilbe vom Begriff „Ökologie“, es handelt sich aber um eine rein ökonomische Aktivität. Aktuell fehlt eine klare, international gültige Definition und eindeutige Vorgaben, so daß „Ökotourismus“ oft als Deckmäntelchen für Werbekampagnen mißbraucht wird.

Ökotourismus meint in erster Linie den schonenden Umgang mit der Natur in der Natur und respektvolles Benehmen gegenüber der indigenen Bevölkerung. Die Kommission für Nachhaltige Entwicklung formulierte im Jahre 2002 Minimalanforderungen, nach der alle lokalen Akteure umfassend vorinformiert, gleichberechtigt und effektiv an Entwicklungen des Tourismus beteiligt werden sollen, auch mit der Möglichkeit der Ablehnung desselbigen (Backes 2003 S. 10 f.; Mund 2003 S.86 f.).

Weiterhin wurde Ökotourismus als Finanzierungsquelle für Naturschutzprojekte entdeckt. Demnach erhielten unberührte Natur und einmalige Biotope erstmalig einen monetären Wert (Backes 2003 S. 12; Vorlaufer 1996 S. 225; Mund 2003 S. 86).

Umweltsicherung mit Natur- und Artenschutz ist Voraussetzung für Fremdenverkehr. Einzelwirtschaftliche Entscheidungen fallen aber selten zugunsten von Umweltmaßnahmen aus, da ein funktionierender Markt bei Umweltgütern fehlt. Deswegen müssen verschiedene Maßnahmen zur Erreichung des Ziels durchgeführt werden. Dies können Vorgaben, Gesetze und Planungen von Staaten oder internationalen Organisationen sein, die ein effizientes Umwelt-management ermöglichen. Weiterhin sollte die Landbevölkerung über die Vorteile der Erhaltung der Umwelt aufgeklärt werden und ökonomische Anreize zum Erhalt ihrer Naturräume bekommen. Auch die Nachfrager nach touristischen Leistungen sollten ausgiebiger über umwelt- und sozialverträgliche Formen des Reisens reflektieren (Vorlaufer 1996 S. 211 f.; Mund 2003 S. 86).

Ein neuer Trend ist eine von Touristen gewünschte Exklusivität. Diese kann sowohl auf Landschaften bezogen werden als auch auf das Alltagsleben der indigenen Bevölkerung. Aus „Sightseeing“ wird „Liveseeing“. Damit kommt es zu einer kritisch zu betrachtenden, massenhaften Herstellung von individuellen Begegnungsangeboten (Backes 2003 S. 14 f.).

Nur wenige Reiseanbieter agieren ernsthaft ökotouristisch. Dabei handelt es sich meist um kleinere Initiativen, die direkt mit den Kommunen vor Ort zusammenarbeiten. Häufiger wird versucht, mit dem Gütesiegel „Öko“ einfacher, das schlechte Gewissen der touristischen Nachfrager beruhigend und teurer zu verkaufen, ohne das Angebot entsprechend anzupassen. Deshalb gibt es noch kein einheitliches System der Auszeichnung von touristischen Produkten, sondern eine Vielzahl von Label („Blaue Flaggen“, „Grüne Palme“ etc.), die für Konsumenten keine Entscheidungshilfe darstellen (Friedl 2002 S. 24; Backes 2003 S. 13 f.). Ein solches Auszeichnungssystem touristischer Produkte gäbe objektivere Vergleichskriterien, um die ökologische und soziale Verträglichkeit von Reisen in entsprechende Gebiete beurteilen zu können.

Die schlechte Ökobilanz der Flugreise ist ein nicht lösbares Problem im Ferntourismus. Verzicht auf das Flugzeug und die Nutzung anderer, umwelt-freundlicherer Verkehrsmittel wie Bahn und Schiffe für die Anreise scheint nicht durchsetzbar. Selbst Touristen, die sich selbst als „umweltbewußt“ bezeichnen, möchten auf den Zeitvorteil einer Anreise im Flugzeug nicht verzichten.

Um natürliche Ressourcen, wie z. B. Wasser zu schonen, müßten sich Reisende sehr einschränken. Da Urlaubszeit aber eher geprägt ist von einem Mehr an Konsum als von Verzicht, bleibt dies ein unerfüllbarer Anspruch.

Trotz dieser insgesamt kritischen Bewertungen hat der Reisende vor Ort die Möglichkeit, sich ökologisch und sozial verträglich zu verhalten. Dies bedarf einer umfassenden und zeitintensiven Vorbereitung auf das Urlaubsland. Bei einer gebuchten Pauschalreise sollte der Tourist auf einen verantwortungs-bewußten Reiseveranstalter setzen, der kleine Reisegruppen hat, ökologische Transportmittel bucht, seinen Gästen umfassende Reiseinformationen und seinen Geschäftspartnern vor Ort langfristige Verträge mit fairer Bezahlung bietet und lokale Projekte unterstützt (Friedl 2002 S. 26 f.).

Bei einer Individualreise liegen alle Entscheidungen beim Touristen selbst. Er sollte kleinere Hotels, die aus einheimischen Materialien gebaut sind und regionale Nahrungsmittel und Getränke anbieten, bevorzugen (Friedl 2002 S. 75 f.). Öffentlicher Nahverkehr ist ökologisch vertretbarer als Individual-verkehr (Friedl 2002 S. 31 f.).

Zusammenfassend ist festzustellen, daß auf dem Gebiet des Ökotourismus die Probleme bekannt, die Ziele und Ansprüche groß sind und deren Durchsetzung schwierig ist.

4. Landeskundliche Einführung unter Berücksichtigung des touristischen Potentials

4.1. Physisch-geographischer Überblick

4.1.1. Geographische Lage und Größe

Rwanda ist mit 26.338 km² eines der kleinsten Länder Afrikas. Begrenzt wird es im Norden von Uganda, im Osten von Tansania, im Süden von Burundi und im Westen vom Kongo. Aufgrund seiner Höhe zwischen 900 m und 4.500 m über NN und der geographischen Lage auf 1° 04’ bis 2° 51’ südlicher Breite spricht man von einem tropischen Hochland mit Binnenlage. Die Entfernungen zu den umliegenden Ozeanen betragen 1.200 km bis zum Indischen Ozean, 2.200 km bis zum Atlantischen Ozean, 3.650 km bis zum Mittelmeer und 3.750 km bis zum Kap Agulhas.

Die Binnenlage des Landes bietet nicht die optimalen Voraussetzungen für einen steigenden Tourismus, da für viele Erholungsuchende die Nähe zum Meer von Vorteil ist. Mit einer Einwohnerzahl von 320 Einwohner/ km² (CIA-Worldfactbook a) gilt Rwanda als eines der am dichtest besiedelten Länder dieser Erde. Damit laufen die Bedürfnisse der Einheimischen, die aufgrund ihrer Tradition und Kultur die Landschaft überformen und zersiedeln, entgegen denen der Touristen, die gerne mehr „unberührte Natur“ erleben wollen (Sirven, Gotanegre, Prioul 1974 S. 7; König 1992 S. 23).

4.1.2. Landschaftsformen

Die rezenten Landschaftsformen unterliegen seit dem Präkambrium vor allem der Abtragung. Im Tertiär gab es zusätzlich taphrogenetische Hebungsprozesse mit Vulkanismus. Daraus entstanden unterschiedliche Oberflächenformen, die man in fünf verschiedene Landschaftseinheiten unterteilen kann.

Rwandas vielfältige und abwechslungsreiche Landschaft ermöglicht ver-schiedene Urlaubsformen wie Bildungs- oder Erholungsurlaub, Studienreise oder Aktivurlaub mit Bergwandern, Mountainbiking oder Wassersport.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Naturräumliche Gliederung Rwandas

(nach Prioul, Sirven 1981, verändert)

- Die Virunga Vulkane

Am Ende des Tertiärs und im frühen Quartär (Pliozän/ Pleistozän) war die Hauptaktivität der im Norden Rwandas liegenden Virunga Vulkane. Mit dem Absinken des zentralafrikanischen Grabens brach eine uralte tektonische Störungslinie quer zum Grabenbruch wieder auf, an deren Spaltenkreuzung es zur Ausbildung von kegelförmigen Vulkanen strombolianischen Typs kam.

Im Osten liegen der Muhabura (4.127 m ), der Gahinga (3.474 m) und der Sabinyo (3.634 m), weiter westlich schließen sich Visoke (3.711 m), Karisimbi (4.507 m) und auf kongolesischer Seite der Mikeno (4.437 m), der Nyiragongo (3.470 m) und der Nyamuragira (3.058 m) an.

Der Sabinyo ist als ältester Vulkan schon stark erodiert. Muhabura und Visoke haben jeweils einen Kratersee und der Karisimbi hat einige Nebenkrater und gelegentlichen Schneefall auf seinem Gipfel.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Virunga-Vulkane: Sabinyo, Gahinga und Muhabura

Die rwandischen Vulkane gelten als erloschen und beheimaten die einzig-artigen Berggorillas (Gorilla beringei). Im Gebirgsvorland findet sich auf fast 5.000 km² ein vielgestaltiges, abwechslungsreiches Relief mit kleinen Vulkankegeln, Kratern und pahoehoe-Lavaströmen, Aschen und Schlackenwülsten. Beim Ausfluß der Lava kam es häufig zu Gewässeraufstauungen, die z. B. den Ruhondo- und den Bulerasee entstehen ließen (Weichert, Werle 1987 S. 19 f.; König 1992 S. 28).

Die Virunga-Vulkane mit den Berggorillas gelten als die einzige rwandische Touristenattraktion von internationalem Rang. Das touristische Potential des Ruhondo- und Bulerasees als Ort der Erholung ist noch nicht ausreichend erkannt und deswegen weitgehend ungenutzt.

- Die Grabensenke und der Kivu-See

Die Grabensenke am Kivu-See entstand ebenfalls im Tertiär durch das Ein-sinken des zentralafrikanischen Grabens, was an dieser Stelle zu gewaltigen Höhendifferenzen von bis zu 1.500 m führte. Durch den im Norden stattfindenden Vulkanismus, dessen Laven und Lockermassen den Abfluß in Richtung Nil eindämmten, wurde der im Graben befindliche Kivu-See auf ca. 2.630 km² vergrößert. Der Seespiegel stieg an und setzte immer mehr Gebiete im Süden unter Wasser. Nachdem der niedrigste Punkt in Rwandas Südwesten komplett überstaut war, entwässert der Rusizi als „Überlauf“ den Kivu-See in Richtung Tanganjikasee und damit in den Kongo.

Durch die Flutung der Täler der Zuflüsse aus den beiden Grabenrandschwellen sind die zahlreichen Buchten und Einschnitte entstanden, die charakteristisch für die Kivu-See Landschaft sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Bucht des Kivu-Sees nahe Kibuye

(Foto: E. Fischer)

Die vielen Inseln, die eine Fläche von 290 km² einnehmen, gelten als Gipfel der im Graben abgesunkenen Schollen des ehemaligen Hochlandes.

Die Kivuzuflüsse entwässern kurz und mit starkem Gefälle über die West-abdachung der Grabenschwelle in den See und sind mit Sand, Kies und Schwebstoffen befrachtet (König 1992 S. 30). Die am Ufer vorherrschenden Strömungen ließen einen natürlichen Badestrand entstehen (Weichert, Werle 1987 S. 14).

Das touristische Potential des Kivu-Sees mit diesem Sandstrand ist als sehr hoch einzuschätzen. Die am See gelegenen Orte Gisenyi, Kibuye und Cyangugu waren in der Kolonialzeit schon einmal angesehene Erholungsorte. Die vielen kleinen Inseln werden noch bis auf wenige Ausnahmen kaum touristisch genutzt.

- Die Randschwelle des Zentralafrikanischen Grabens

Die durch taphrogenetische Prozesse im Tertiär entstandene, als „Crête Congo- Nil“ bezeichnete Gebirgsschwelle ist der östliche Grabenrand des zentral-afrikanischen Grabens. Er steigt von 1.460 m bis auf 2.900 m über NN an, ist 160 km lang und zwischen 20 km und 50 km breit. Er fungiert als Wasser-scheide zwischen Kongo und Nil, den beiden größten afrikanischen Fluß-systemen.

Die Westabdachung bietet mit ihren steilwandigen, bis zu 500 m tiefen Kerb-tälern eine extreme Landschaftsform. Die Ostabdachung dagegen wird durch die verkippte, stark zerschnittene ehemalige Rumpffläche gebildet, die sich in zahllose Hügel auflöst. Dies ergibt ein vollkommen andersartiges Landschaftsbild (Weichert, Werle 1987 S. 13 f.; König 1992 S. 30; Sirven, Gotanegre, Prioul 1974 S. 12 ff.) .

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Westabdachung der Grabensenke mit ihren steilwändigen Kerbtälern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: weite und sanfte Hügel der Ostabdachung

Touristisch interessant ist dieses Gebiet in erster Linie als Refugialraum für die letzten Bergnebelwälder in Rwanda, wie im Norden die Reste des Gishwati- Waldes und im Süden der Forêt de Nyungwe mit den Quellen des Akagera und damit des Nils.

- Das Zentralplateau

Das Zentralplateau bildete sich aus einer ehemaligen, wenig reliefierten Rumpffläche, die sich durch Abtragungsprozesse über dem präkambrischen, kristallinen Sockel entwickelte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: typische Landschaftsform des „Land der 1.000 Hügel“

Ab dem Tertiär begann diese sich zu heben, was zu einer stärkeren Erosion der Flüsse in die Tiefe führte. So entstanden zwischen den Flüssen unterschiedlich lange und breite Rücken und Riedel.

Diese Hügel mit i. d. R. konvexen Hangprofilen gehen in kolluvial verfüllte Täler über, die häufig versumpft sind.

Diese gut bewässerten, oft von Drainagegräben durchzogenen Marais werden von der Bevölkerung für landwirtschaftlichen Anbau genutzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Marais nahe Butare, welches u. a. zur Fischzucht genutzt wird

Das Zentralplateau wurde im Westen gehoben, steigt also von 1.500 m auf 2.000 m über NN an der Grabenrandschwelle an. Diese Hebung ging mit einem Zerbrechen des präkambrischen Sockels einher, dessen Falten und Brüche im heutigen Landschaftsbild z. T. noch an Flußverläufen oder Höhenzügen zu erkennen sind (Weichert, Werle 1987 S. 12 f.; Sirven, Gotanegre, Prioul 1974 S. 12 ff.; König 1992 S. 27).

Das Relief des Zentralplateaus gab dem „Land der 1.000 Hügel“ seinen Namen.

Zwar bietet die Landschaft für den Tourismus keine bedeutenden Natur-Denkmäler, charakterisiert aber wie keine andere das Land Rwanda mit seiner von Streusiedlungen durchzogenen Hügellandschaft.

- Die Plateauzone im Osten

Die von 1.500 m über NN bis 1.000 m über NN gekippte Plateaufläche im Osten Rwandas ist eine flachwellige, von Lateritkrusten, Seen und Sümpfen durch-zogene und von Quarzitrücken überragte Rumpffläche. Gebildet wird sie von präkambrischen Nord-Süd streichenden Schiefern und Quarziten und von Granitintrusionen. Diese Batholithe (z. B. von Bugesera, Zaza und Rusumu), kommen in Brüchen und Falten des Gesteins vor. Der mit knapp 2.500 km² größte ist der Pluton von Umutara.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Quarzite im Osten Rwandas

Schiefer, Quarzite und Granite waren über Hunderte von Jahrmillionen nur Verwitterung und Erosion ausgesetzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: aus Schiefern und Graniten herauspräparierte langgestreckte Hügel

Dabei wurden in den leichter ausräumbaren Schiefern und Graniten flache, langgestreckte Hügel herausprä-pariert, die in Nord-Süd-Richtung streichen.

Der härtere Quarzit bildet vielfach steilere Hügel und Rücken.

Besonders im Südosten an der Grenze zu Tansania finden sich die Quarzithügel vermehrt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Hügellandschaft im Südosten Rwandas

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: steile, unbewaldete Quarzithügel

Die flachwellige, von Lateritkrusten bedeckte Rumpflandschaft ist durchzogen von Savannen, Flüssen, Seen und Sümpfen. Es handelt sich hierbei um die Seen des Akagera-Flußsystemes und vom Nyabarongo geflutete flache Mulden. Diese entstanden ebenfalls durch eine Umkehr der Flußnetze mit der Hebung im Westen und dem Vulkanismus im Norden des Landes. Der Nyabarongo, der bis dahin in den Victoriasee entwässerte, wurde durch einen Lavastrom gezwungen, seinen Weg nach Südosten zu verlagern. Damit flutete er große Gebiete der Plateaulandschaft und bildete eine Vielzahl von Seen (Weichert, Werle 1987 S. 10 f.; Sirven, Gotanegre, Prioul 1974 S. 12; König 1992 S. 23 ff.; Beck 2004 S. 39 ff.).

Während die Savannenlandschaft des Akagera-Nationalparkes mit ihrer einzigartigen Vegetation und Tierwelt touristisch schon lange für z. B Safaris genutzt wird, ist das große Erholungspotential der vielen Seen noch unzureichend erkannt und wird kaum genutzt.

4.1.3. Klima

Rwanda ist das „Land des ewigen Frühlings“ mit tropischem Hochlandklima mit milden Temperaturen und geringen Niederschlägen.

Das Klima in den Tropen wird als Tageszeitenklima betrachtet. Dies bezieht sich jedoch ausschließlich auf die Temperatur, nur einen der Klimafaktoren. Der jährliche Witterungsverlauf dagegen ist abhängig vom Sonnenstand, der die Lage der Innertropischen Konvergenzzone (ITC), einer äquatorialen Tiefdruckrinne bestimmt und damit die Niederschlagsmenge. Rwanda hat zwei Regen-und zwei Trockenzeiten ausgebildet, die zusätzlich reliefabhängig unterschiedlich stark ausgeprägt sind. So unterscheidet man vier großklimatische Regionen: im Osten die trockenheißen Tieflandzonen, in Zentralrwanda die gemäßigte Zone des Zentralen Hochlandes, im Westen die Regionen der Bergklimate und abschließend noch das Beckenklima des Kivu-See.

Mit steigender Höhe über NN und von Ost nach West nehmen die Nieder-schläge zu und die Temperatur ab. Beide Klimafaktoren sind zusätzlich von den lokalen Reliefgegebenheiten abhängig.

Die große Regenzeit (Itumba) entsteht durch den Südost-Passat Ende Februar, Anfang März, bei dem sich die ITC nach Norden verschiebt und mit östlichen Winden feuchte Luftmassen aus dem Indischen Ozean nach Ostafrika bringt. Ab Anfang Juli beginnt die große Trockenzeit (Icyi), bei der die ITC noch weiter nach Norden abwandert und Ostafrika unter den Einfluß der äquatorialen, trockenen Strömung gerät. Diese hält bis Ende September, Anfang Oktober an, im Osten des Landes länger als im Westen. Zu diesem Zeitpunkt wandert die ITC wieder Richtung Süden und östliche maritime Winde werden herangeführt, einhergehend mit einer kleinen Regenzeit von Oktober bis Dezember. Die Südlage der ITC bei ca. 15° südlicher Breite bringt wiederum die trockenen nordöstlichen Windströmungen aus den Hochdruckgebieten der Sahara und der Arabischen Halbinsel nach Ostafrika und somit eine kleine Trockenzeit von Ende Dezember bis Februar (Weichert, Werle 1987 S. 22 ff.; Hecklau 1989 S. 35 ff.; König 1992 S. 32 ff.) .

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 13: Akagera-Nationalpark in der Regenzeit (Foto: E. Fischer)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 14: Akagera-Nationalpark in der Trockenzeit (Foto: E. Fischer)

Die klimatischen Gegebenheiten in Rwanda wirken positiv auf eine ganzjährige touristische Nachfrage. Es gibt nur geringfügige saisonale Unterschiede, die vor allem beim Gorilla-Tourismus zu Überkapazitäten während der Trocken- und zur Nichtauslastung in der Regenzeit führen können. Dabei ist ein Besuch gerade in der Regenzeit reizvoll, da die Vegetation voll entwickelt und die Fernsicht weitaus besser ist als in der Trockenzeit.

Ein weitere Vorteil Rwandas ist die geringe geomedizinische Belastung durch die Lage im tropischen Hochland. Die Temperatur ist vergleichsweise gemäßigt und die Luftfeuchtigkeit (mit Ausnahme der Bergnebelwälder) nicht so hoch wie in tropischen Tiefländern. Damit fehlen fast alle klassischen Tropenkrankheiten (außer z. B. Malaria und Schlafkrankheit).

4.1.4. Vegetation

Die ursprüngliche Vegetation ist bis auf einige Reste nur noch in den Nationalparks erhalten. Sie müßte im Westen je nach Standort aus Transitionswäldern, Bergnebelwäldern, Flachmooren und mesophilen Wäldern bestehen. Im Osten des Landes würden die Baumsavannen überwiegen mit Galeriewäldern an Gewässern sowie Trockenwäldern (Fischer, Hinkel 1992 S. 29 ff.). In der Realität ist das Wald-Kulturlandschaftsverhältnis relativ ungünstig:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 15: Verhältnis der Nutz- und Naturflächen in Rwanda

(Daten: Afrika auf einen Blick 2006 a).

So nimmt der Wald nur noch wenig über 20 % der Fläche in Rwanda ein, während knapp die Hälfte für die Landwirtschaft und weitere 20 % für die Weidewirtschaft verbraucht werden. Die rest-lichen Flächen sind nicht näher definiert (Afrika auf einen Blick 2006 a).

Da diese Zahlen von 1994 stammen kann man von einer weiteren Reduzierung der Naturlandschaft ausgehen, wie im 5. Kapitel in Abb. 26 noch dargestellt wird. Der bestehende hohe Siedlungsdruck in Rwanda führte zu einer voll-kommen anthropogen überformten Landschaft (Schürmann 1990 S. 92).

Ausführlich wird auf die aktuelle, natürliche Vegetation bei der Vorstellung der einzelnen Nationalparks in den Kapiteln 5.1.3., 5.2.3. und 5.3.3. eingegangen.

Hier liegt auch das größte touristische Potential Rwandas. Diese in den Randgebieten der Ökumene gelegenen Naturlandschaften Forêt de Nyungwe, Akagera-Nationalpark und Parc des Volcans entwickeln sich rezent zu touristischen Magneten (Weichert, Werle 1987 S. 38).

4.2. Anthropogeographischer Überblick

4.2.1. Bevölkerung

- Bevölkerungsentwicklung

Eines der größten Probleme in Rwanda ist die Armut. Damit einher geht ein enormes Bevölkerungswachstum. Laut dem CIA- Worldfactbook leben aktuell 8.440.820 Einwohner auf 26.338 km² und die Bevölkerung wächst weiter um geschätzte 2,43 % im Jahre 2005. Dies ergibt 320 Einwohner/ km² (CIA- Worldfactbook 2005 a).[1] Die Urbanisierungsquote ist mit nur 7,74 % sehr gering (Welt in Zahlen 2006 a). Folgeprobleme sind z. B. Entwaldung, Land-degradations- und Erosionserscheinungen, die Versorgungsengpässe nach sich ziehen.

Wohin diese Probleme führen können, hat Thomas Robert Malthus 1798 im „Bevölkerungsgesetz“ beschrieben. Danach wächst die Bevölkerung exponen-tiell, die Produktion der Nahrungsmittel dagegen nur linear, was zu Hungers-nöten, Krisen und Kriegen führen kann (Geigant, Haslinger, Sobotka, Westphal 1994 S. 573 f.). Seine umstrittene Theorie wurde von Jared Diamond auf Rwanda übertragen. Er sieht den Bevölkerungdruck als eine Ursache für den Genozid (Diamond 2005 S. 389 ff.). Dafür dienten ihm Untersuchungen von Catherine André und Jean-Philippe Platteau (Namur 1996). Die beiden Wirtschaftswissenschaftler stellten in einer Langzeitstudie von 1988 bis 1993 fest, daß es regionale Unterschiede der Kriminalitätsraten in Rwanda gibt und diese mit der Bevölkerungsdichte steigen. Weiterhin stellten sie Unter-suchungen über die Landeigentumsverhältnisse in der Gemeinde Kanama an. Nach dem Genozid versuchten sie dort die Gesetzmäßigkeiten der Morde herauszufinden. Ungewöhnlicherweise lebte in diesem Gebiet nur ein Tutsi und sonst ausschließlich Hutu. Trotzdem wurden mindestens 5 % der Einwohner im Verlauf des Genozides umgebracht. Es scheint also, daß der Konflikt nicht primär ethnisch motiviert war, sondern Eigentumsumverteilungen ein große Rolle spielten.[2]

[...]


[1] In Deutschland leben nur 230 Einwohner/ km² (CIA Worldfactbook 2005 b).

[2] Die kompletten Ergebnisse der Untersuchung sind zu finden im: Journal of Economic Behavior & Organization, Volume 34, Issue 1: http://www.sciencedirect.com/science/article/B6V8F-3SX52G8-F/2/b27142d2f7e1934edce4a7868f8cc211, letzter Zugriff 22.12.2005

Ende der Leseprobe aus 349 Seiten

Details

Titel
Das touristische Potential Rwandas
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Fachbereich 3, Integrierte Naturwissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
349
Katalognummer
V121431
ISBN (eBook)
9783668710740
ISBN (Buch)
9783668710757
Dateigröße
14154 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ruanda, Reise, Urlaub, Entwicklungsland
Arbeit zitieren
M.A. Sylvia Enger (Autor:in), 2006, Das touristische Potential Rwandas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121431

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