"Die GRÜNEN - Eine postmaterialistische Partei"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Ursprung, Entstehung und Theorie „postmaterialistischer“ Parteien
2.1 Postmaterialismus
2.2 Neue Soziale Bewegungen
2.3 Eine Definition „Grüner“ Parteien

3. „Die Grünen“ in der BRD
3.1 Gründung und Anfänge
3.2 Fundis vs. Realos
3.3 Regierungsbeteiligung 1998-2005
3.4 Gegenwart & Zukunft

4. Im Vergleich dazu: The Green Party in Großbritannien
4.1 The Green Party
4.2 Ungleiche Bedingungen in UK / BRD

5. Fazit

1. Einleitung

„ W ir sind die grundlegende Alternative “

Präambel der Satzung der Bundespartei Die Grünen, Gründungsparteitag 12./13.1. 1980, Karlsruhe, Abs. 1

Die Partei, die man in Deutschland unter dem Namen „Die Grünen“ (bzw. seit 1992 Bündnis 90/DIE GRÜNEN, hier im Folgenden kurz die Grünen genannt) kennt, hat eine turbulente Geburt, einen rasanten Aufstieg, heftige innere Konflikte und damit einhergehende einschneidende Veränderungen hinter sich. Ihre Wurzeln im postmaterialistischen Wertewandel (und den daraus entstehenden Neuen Sozialen Bewegungen) liefern Aufschluss über die soziokulturelle Entwicklung, die politische Kultur und die Gesellschaft an sich in der BRD der letzten Jahrzehnte. Bis heute bleiben Die Grünen ein Forschungsgegenstand, der weit mehr zu erzählen weiß als pure Parteienchronik, und dessen weitere Entwicklung spannend bleibt.

Diese Arbeit soll also nicht nur die Genese und Geschichte der Grünen in Deutschland skizzieren, sondern dies auch immer in Hinblick auf spezifische Faktoren und Gegebenheiten tun, die sich hierzulande als besonders fruchtbar für eine postmaterialistische Partei zeigen. Eine Analyse der Wahlergebnisse und des Wählerpotenzials der Grünen soll zeigen, welche Zukunft die Partei erwarten könnte. Der Fall der britischen „The Green Party“ wiederum liefert einige konkrete Hinweise, warum gerade in Deutschland eine Erfolgsgeschichte wie die der Grünen möglich war bzw. inwieweit in Großbritannien die Voraussetzungen weniger günstig lagen.

So soll ein möglichst genaues Bild einer Partei entstehen, die, wie diese Arbeit zeigen wird, gestern und heute als Vertreterin des Postmaterialismus und damit als gelungene Institutionalisierung von politischer Veränderung gelten kann.

2. Ursprung, Entstehung und Theorie „postmaterialistischer“ Parteien

Ein kultureller Wertewandel, daraus entstehende bundesweite Bewegungen und letztlich der Wille, neue Politikziele in einer Partei umzusetzen – so entstanden die Grünen. Klein/Falter betonen neben den Neuen Sozialen Bewegungen die Studentenbewegung mit ihrem Höhepunkt 1967/1968, diese soll hier jedoch nicht weiter erläutert werden.1

2.1 Postmaterialismus

Das Phänomen eines Wertewandels von einem materialistisch geprägten Wertekanon hin zu einem „postmaterialistischen“, also einer Verschiebung von Prioritäten und Einstellungen innerhalb der Bevölkerung auf Individualebene, bildet die zentrale These der Arbeit des Soziologen Ronald Inglehart.

Inglehart stützt sich in seiner Arbeit u.a. auf die Mangelhypothese Maslows, der mit der so genannten „Bedürfnispyramide“ eine Hierarchie von menschlichen Bedürfnissen erstellt, die nacheinander befriedigt werden wollen. Demnach wendet sich der Mensch, nachdem er seine grundlegenden existenziell-physischen Bedürfnisse befriedigt hat, „höheren“ Zielen zu.

In einem ersten Schritt benennt Inglehart bestimmte Veränderungen auf der „Systemebene“2: Wirtschaftliche und technologische Entwicklung erlauben die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse für einen wachsenden Teil der Bevölkerung, eine charakteristisch-negative Kohortenerfahrung fehlt (kein „totaler Krieg“ in der letzten Generation), das Bildungsniveau steigt kontinuierlich, die Massenkommunikation und mit ihr die Massenmedien breiten sich aus und die geographische Mobilität des einzelnen wächst. Dies führt zu Veränderungen auf der Individualebene, auf der sich bestimmte Werte und Fähigkeiten ändern: Nach Maslows Mangelhypothese wächst also die Betonung der Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Achtung und Selbstverwirklichung. Des Weiteren sieht Inglehart eine „Kognitive Mobilisierung“ und damit ein wachsendes Partizipationspotenzial in der Bevölkerung, welches proportional zu verbesserter wirtschaftlicher Lage und Bildung wächst, bei gleichzeitig sinkender Parteibindung.3 Diese stößt wiederum Entwicklungen auf der Systemebene an: Andere politische Anliegen und eine andere soziale Basis politischer Konflikte, weg von klassendefinierten Konfliktlinien mit materialistischer Tendenz hin zu klassenübergreifenden Fragen des „Lebensstils“. Die Legitimität des Nationalstaates nimmt ab, während über-nationale Bindungen zunehmen, so wie das Wesen der politischen Partizipation sich verändert: ein Eliten-gelenktes politisches Engagement weicht einem Eliten-lenkendem Engagement.

Inglehart sieht also die westlichen Demokratien auf dem Weg von einer Gesellschaft, in der erst das Überleben und dann der soziale Status gesichert werden müssen, hin zu einer Gesellschaft, in dem der durch Wohlstand und Bildung „mängelfrei“ gewordene Einzelne an Selbstverwirklichung und der Umsetzung von abstrakten Idealen arbeiten kann.

Diesen Annahmen stellt Inglehart noch die Sozialisationshypothese zur Seite, nach der „individuelle Wertorientierungen im Kindes- und Jugendalter erworben werden und sich im Laufe der weiteren Persönlichkeitsentwicklung nur noch mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit verändern.“ (Falter/Klein 2003: 25.) Somit werden also die „alten“ Werte im Laufe eines intergenerationalen Wandels sukzessive durch neue Werte ersetzt, eine „stille Revolution“ macht die durch Klassenhierarchien (und daraus entstehende Konflikte) dominierte „Alte Politik“ überflüssig und begünstigt deren Überlagerung durch eine „Neue Politik“. Politische Forderungen wie Umweltschutz, Gleichberechtigung, Pazifismus und breite politische Partizipation erhalten Einzug in ehemals rein materialpolitische Diskurse. Die im nächsten Punkt beschriebenen Neuen Sozialen Bewegungen können als erste Manifestationen dieses Wertewandels gesehen werden.

Während also auf der Individualebene ein Trend zu erkennen ist, dass eine Neue Politik von immer mehr politisierten Menschen gefordert wird, finden sich diese immer weniger an die etablierten Parteien gebunden. „Der Aufstieg der bundesdeutschen Grünen beispielsweise“ (Inglehart 1989: 460.) ist für Inglehart eine konkrete Folge davon.

Auf die weitere Entwicklung Ingleharts Thesen von der sukzessiven Umwandlung der Materialisten (mit dem Zwischenstadium sog.

„Mischformen“) in Postmaterialisten bzw. ihrer Widerlegung durch neuere empirische Untersuchungen soll hier abgesehen bzw. in 3.4 zurück gekommen werden. Seine grundlegenden Annahmen, soweit sie für die Entstehung der Grünen relevant waren, gelten davon unbenommen.

2.2. Neue soziale Bewegungen

Einführend sei hier eine Definition des Terminus „Soziale Bewegung“ von Dieter Rucht gegeben, auf den diese Arbeit sich stützt:

„Eine soziale Bewegung ist ein auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mittels öffentlicher Proteste herbeiführen, verhindern oder rückgängig machen wollen.“4

Rucht nennt die Neuen Sozialen Bewegungen “ (...)ein raum-zeitlich eingrenzbares Phänomen, das mit der Phase des wohlfahrtstaatlichen Kapitalismus in den 1960er und 1970er Jahren entsteht (...).”5

Die hauptsächlichen Merkmale Neuer Sozialer Bewegungen sind das ambivalente Verhältnis zum Wohlfahrtsstaat der BRD in den 70ern, ein linkes, egalitäres, emanzipatorisches Politikverständnis, das Ideal der „Demokratie von unten“, welches eine elitefeindliche Grundhaltung widerspiegelt, der Bruch mit altlinken Politikvorstellungen und die lockere Netzwerkstruktur, die hauptsächlich aus Mitgliedern der neuen Mittelschicht besteht, welche sich weniger über eine formale Mitgliedschaft als über ein Zugehörigkeitsgefühl definierten. Ihre grundsätzliche Zielsetzungen gleichen sich: Eine Mobilisierung von Anhängern und Sympathisanten, das Erlangen öffentlicher Aufmerksamkeit und die allgemeine Protestorientierung stehen im Mittelpunkt aller Neuer Sozialer Bewegungen, unabhängig von ihren inhaltlichen Zielen.

In Abgrenzungen dazu kann man beispielsweise Gewerkschaften und ähnliche Verbände als quasi „alte“ soziale Bewegungen setzen. Sie weisen im Vergleich einen höheren Organisationsgrad, eine allgemeinere Programmatik und eine steilere Hierarchiestruktur auf. Als Beispiele für Neue Soziale Bewegungen sollen hier konkret die Umweltbewegung, die Frauenbewegung die Anti-Atomkraft(werke)- Bewegung und die Friedensbewegung genannt und letztere kurz erläutert werden6, da sich diese später in den Grünen organisierten und ihre Ziele vertreten sahen.

[...]


1 Klein/Falter 2003: 15 ff.

2 Vgl. hierzu Abbildung 0.1 in Inglehart 1989: 13.

3 Vgl. Inglehart 1989: 416 ff.

4 Rucht 1994b: 338.

5 Rucht 1994a: 153 f.

6 Vgl. für einen Einblick in die einzelnen NSB Falter/Klein: 22 ff.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
"Die GRÜNEN - Eine postmaterialistische Partei"
Hochschule
Universität Passau  (Lehrstuhl für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptsseminar "Institutionen im Kulturvergleich"
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V121418
ISBN (eBook)
9783640258291
Dateigröße
1153 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politik, Postmaterialismus, Grünen, Parteien, Soziale Bewegungen
Arbeit zitieren
Friedemann Karig (Autor:in), 2008, "Die GRÜNEN - Eine postmaterialistische Partei", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121418

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