Aspekte des Unheimlichen, Fantastischen und Wunderbaren in Gustavo Adolfo Becquers "Leyenda Creed en Dios"


Seminararbeit, 2003

20 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Eine Nacherzählung

3. Gliederung, Komposition und Stil

4. Erzähler, Erzählverhalten und Erzählweisen

5. Das Unheimliche, Fantastische und Wunderbare in Creed en Dios
5.1. Theoretische Grundlagen zum Unheimlichen, Fantastischen und Wunderbaren
5.2. Das Unheimliche, Fantastische und Wunderbare am Beispiel der Leyenda Creed en Dios

6. Gesamtbetrachtung

Bibliografie

1. Einführung:

Bécquer wurde zu seinen Lebzeiten nicht als Dichter, sondern als Maler bewertet. Seine schriftstellerischen Hauptwerke erschienen erst postum. Dazu gehören neben den Rimas - einer Sammlung von 76 postromantischen Gedichten, meist Liebeslyrik, aber auch versehen mit anderen Themen, wie Dichter, Inspiration, Einsamkeit, Melancholie – vor allem die Leyendas en prosa – spukhaft-romantische Prosalegenden. Einige davon wurden zwischen dem 7.November 1861 und dem 17.April 1862 bereits einzeln und in Teilen in dem Journal „El Contemporaneo“, deren Redakteur Bécquer selbst war, unter der Rubrik Vermischtes veröffentlicht. Creed en Dios erschien am 23., 25. und 27. Februar 1862 wie alle anderen in diesem Blatt erschienenen Leyendas anonym. Sie ist eine der letzten in diesem Zeitraum in der Zeitschrift erschienenen Geschichten des Autors.[1]

Bécquers Leyenda Creed en Dios soll hier als Beispiel analysiert werden, um darzulegen, dass die vielen verschiedenen Erzählungen nicht nur einfache, schaurige Märchen sind, sondern komplexe Geschichten mit legendenhaften Zügen. Es soll aufgezeigt werden, dass der Autor die romantischen Themen, die zu seiner Zeit bereits altmodisch zu werden begannen, vor allem dank seiner besonderen Erzähltechnik, aber auch mit Hilfe der Komposition und Sprache der Erzählung, wiederbelebt hat. Da die Leyendas vor allem von ihrer Stimmung leben und weniger von ihrer Handlung, steht im Mittelpunkt der Untersuchung die Frage der Einordnung der Leyenda in das Unheimliche, Fantastische oder Wunderbare. Grundlage der Begrifflichkeiten stellt hier Tzvetan Todorovs „Einführung in die fantastische Literatur“ dar.

Zunächst erfolgt eine kurze Nacherzählung von Creed en Dios, um in die Arbeit einzuführen. Im Anschluss folgt ein Abschnitt, der der Gliederung, der Komposition und dem Stil der Leyenda gewidmet ist. Ziel ist es, aufzuzeigen, wie es Bécquer mit Hilfe des Aufbaus der Leyenda gelingt, das Interesse des Lesers zu gewinnen und zu halten. Es folgt dann die Untersuchung der Erzähler, der Erzählweisen, des Erzählverhaltens und ihrer Wirkung. Schließlich bietet sich der Kern der Analyse dar. Dabei sollen die verschiedenen Facetten des Unheimlichen, Fantastischen und Wunderbaren in Creed en Dios entdeckt und dargestellt werden. Um eine einheitliche Orientierung der Begrifflichkeiten zu besitzen, geht der Analyse am Text eine allgemeine Definition der Grundgedanken nach Tzvetan Todorov voran. Abschließend erfolgt eine Gesamtbetrachtung, in dem die Ergebnisse der einzelnen Abschnitte zusammengetragen und ihr gemeinsames Wirken in Creed en Dios dargelegt werden soll.

2. Eine Nacherzählung

In Creed en Dios[2] erfährt der Leser von einem traditionellen Geschichtenerzähler die „peregrina historia“[3] des Freiherrn Teobaldo von Montagut. Der Protagonist der Leyenda wird als Sohn der Gräfin von Montagut geboren. Seine Mutter stirbt bei der Geburt und der Vater nur ein paar Jahre später bei einem Überfall. Von diesem Moment an herrscht Teobaldo äußerst grausam und blasphemisch. Eines Tages als er wieder einmal auf Jagd ist, begegnet er einem Priester, der ihn zur Buße anhält. Er lehnt nicht nur ab, er will diesen Mann sogar töten. Aus dem Nichts erscheint ein Eber und Teobaldos Begierde auf die Jagd wird erneut geweckt. Er lässt ab und folgt dem Tier in den Wald. Nachdem er sein Gefolge verloren und sein Pferd zu Tode geritten hat, tritt aus einem Busch ein Knappe mit einem Rappen. Teobaldo übernimmt das außergewöhnliche Tier, um den Eber weiter zu verfolgen. Mit auffallender Schnelligkeit durchquert das Tier den Wald und andere Ebenen, um schließlich in den Himmel aufzusteigen. Er durchdringt die verschiedenen Bereiche der Himmelsspirale und erreicht schlussendlich das Gebiet Gottes. Der Freiherr wird abgeworfen und findet sich an dem Ort im Wald wieder, an dem sein Pferd verendet war. Er erklärt sich seine Reise mit einem Traum und begibt sich auf den Weg zum Schloss. Dabei durchquert er ein Dorf, in dem er nur als Märchengestalt bekannt ist. Er erreicht sein total zerfallenes Schloss und begegnet erneut einem Priester. Dieser berichtet ihm, dass sein ehemaliger Sitz nun ein Kloster und er seit über 120 Jahren verschollen sei. Nach einer langen Pause gibt Teobaldo daraufhin stammelnd zu, dass er ein Sünder sei und in die Religionsgemeinschaft eintreten möchte. Nachdem er dort eine unbekannte Zeit lang verbracht und dann irgendwann verstorben ist, wird auf seinem Grab eine Grabinschrift verewigt, die dieser Leyenda als ein Vorwort vorausgeht.

3. Gliederung, Komposition und Stil der Leyenda

Das Aufbauprinzip der Geschichte zeigt sich wie folgt: Die Leyenda wird mit einem vorangestellten Motto eröffnet. Es bildet einen ersten Rahmen um die gesamte Geschichte, der jedoch nicht offensichtlich am Ende geschlossen wird, sondern durch den Leser reflektiert werden sollte. Dieses Vorwort erhält außerdem keinerlei Kapitelbezeichnung. Anschließend öffnet sich mit dem ersten Kapitel ein weiterer Rahmen, der insgesamt fünf nummerierte Abschnitte umfasst, mit einem gewöhnlichen, volkstümlichen Erzähler. Auch dieser Rahmen schließt nicht die komplette Geschichte ein, er wird lediglich noch einmal im ersten Abschnitt der fantastisch- wunderbaren Reise aufgegriffen. Innerhalb dieses Rahmens, der Binnengeschichte, bietet sich dann das eigentliche Geschehen dar. Dieses kann wiederum in drei funktional verschiedene Abschnitte unterteilt werden; sie werden durch die Bezifferung der Kapitel voneinander abgegrenzt. Zunächst ereignet sich die elf Abschnitte umfassende unheimlich-fantastische Reise des Teobaldo; ihr folgt die fantastisch-wunderbare Reise, die sich mit den erneut von Anfang an beginnenden nächsten zehn Kapiteln anschließt – auch wenn gerade das Erste zur Rahmenerzählung gehört - und schließlich die Heimkehr des Protagonisten mit weiteren vier Abschnitten. Der Übergang zwischen den beiden Reisen ist wie bereits erwähnt der Moment, in dem die zweite Rahmenerzählung ihre Vollendung erfährt. Im Folgenden werden die verschiedenen Ebenen noch einmal genauer betrachtet.

Die Erzählsequenzen sind vor allem durch den Spannungsaufbau verknüpft. Er zeigt sich in einen typischen Spannungsbogen. Bécquer schafft hier den Einstieg in die Leyenda, indem er ihr ein Vorwort voranstellt – die Grabinschrift des Teobaldo -, das zugleich dem Ende dieser entspricht – der Protagonist ist tot und sein Grab erhält diese Inschrift-. Dieser Prolog gibt dem Leser noch vor Beginn eine Einführung in das Thema und zeigt im selben Moment das Resultat der Handlungen dieser. Das ist aber daher kein Bruch im Bogen, da in dieser Leyenda der Weg bis zu diesem Ergebnis und nicht zwingend das Ende selbst der entscheidende Fakt ist. Außerdem werden in diesem Moment entscheidende Fragen aufgeworfen, deren Auflösung der Leser im Folgenden erwartet. Wer genau ist dieser Freiherr? Was ist ihm zugestoßen? Warum soll der Leser an Gott glauben und ihn anrufen? und viele mehr. Die Rahmenerzählung mit dem traditionellen Geschichtenerzähler dient zum einen der Einführung in die Zeit des Mittelalters und des Ortes - Kloster und Umgebung - und verstärkt damit den Aufbau der Situation, zum anderen wirft der Erzähler weitere Fragen auf: Was hat es mit dem Kloster auf sich? Was macht das Grabmal so bedeutend, als dass davon erzählt werden muss? Und schließlich: Warum ist die Geschichte in den Augen des Erzählers wunderbar? In der Binnenerzählung wird im Kapitel I wird durch die Vision der Gräfin die Reichweite der Handlungen gegenüber dem Leser offenbart und in II noch weiter einführend aufgebaut, bis hin zu jenen ganz bestimmten Tag, an dem die gewohnte Jagd eine ungewöhnliche Wendung nimmt. Mit jeder Handlung im Mittelteil wird nun ganz gezielt die Spannung immer mehr erhöht, bis sich im letzten Kapitel überhaupt dem Adressaten ein geschlossenes Ende darstellt. Es ist ein vom Leser erwartetes Resultat, da das definitive Ende bereits im Motto vorausgeschickt wurde und daher die entgültige Handlungsentwicklung abzusehen war.

Die Leyenda wird also diskontinuierlich erzählt. Wie bereits erwähnt erfolgt zunächst ein Vorgriff auf das Ende des Geschehen, welches selbst noch vor der Rahmenhandlungen verlaufen sein muss, da der Erzähler der Rahmenhandlung sonst nicht davon erzählen könnte. Die Geschichte innerhalb des Erzählerrahmens wird aber chronologisch wiedergegeben, nur ihr vermutetes spätere Ende nimmt - wie bereits erwähnt - als Vorgriff eine Motto-Stellung ein.

In der Zeitstruktur bedient sich Bécquer vor allem der Zeitraffung, der Zeitdeckung und dem Zeitsprung. Das Motto wird schon aufgrund seiner angedachten Wirkung, der Unmittelbarkeit gegenüber dem Leser, in zeitdeckender Art und Weise näher gebracht. Auch die Rahmenerzählung mit dem Geschichtenerzähler wird zeitdeckend wiedergegeben. Auch hier ist es die Unmittelbarkeit, die erschaffen werden soll, um den Leser zu fesseln und die Leyenda erlebbarer zu gestalten. Die Binnengeschichte hingegen wechselt stetig zwischen einer Zeitraffung, bei der das Geschehen von Tagen, Wochen, Jahren beziehungsweise Jahrzehnten in komprimierter Form wiedergegeben wird und Zeitdeckung in Form von Mono- beziehungsweise Dialogen der Figuren der Gräfin, des Teobaldo und der zwei Priester. Neben der Raffung und Deckung nutzt der Autor das Phänomen des Zeitsprungs, das heißt der Ellipse, das er zwischen jedem Kapitel der Binnenerzählung einsetzt. Dabei wird der übersprungene Zeitabschnitt nicht genauer benannt. Insgesamt, beruft der Leser sich auf die Figur des zweiten Priesters, umfasst die gesamte Leyenda „cosa de ciento a ciento veinte años“[4]. Die Zeitsprünge lassen zum einen für das weitere Geschehen unbedeutende Handlungen aus, zum anderen kreieren sie für den Leser den Eindruck, dass gerade im Verlauf der Sequenzen im Himmel, viel Zeit rasch erzählt werden muss und deshalb einiges – nicht zwangsläufig unwichtiges - ausgelassen werden muss.

Bécquer nutzt in seiner Leyenda eine für heutige Zeit gehobene Stilebene, die jedoch, betrachtet der Leser seine Schaffenszeit, eher als normal zu deuten ist. Überdies gebraucht der Autor eine ausgewählte Sprache und Stilfiguren wie Bilder und Vergleiche. Eindrückliche Beispiele sind Vergleiche wie “oyó mugir el trueno a sus pies como muge el océano agotando la roca desde cuya cima le contemplaba el atónito peregrino“[5] oder „y vio al arcángel blanco como la nieve“[6] und sehr viele mehr oder Bilder wie „nadaba en aquel océano de vapores caliginosos y encendidos“[7] „[arcángeles,] cabalgando sobre las nubes“[8], die dank ihrer Einbringung eine anregende und phantasievolle Wirkung entfalten. Es sind aber vor allem auch Adjektive, die die verwendete Sprache malerischer, bildhafter werden lassen und die jeweilige Stimmung unterstützen.[9]

[...]


[1] Vgl.: Franzbach, Martin; Geschichte der spanischen Literatur im Überblick, Stuttgart: Reclam, 1993, S.216f.

[2] Alianza Editorial (Hg.): Gustavo Adolfo Bécquer. Leyendas, Madrid, 1998.

[3] Ebd., S. 167.

[4] Ebd., S. 180.

[5] Ebd., S. 174.

[6] Ebd., S. 174.

[7] Ebd., S. 174.

[8] Ebd., S. 174.

[9] Vgl. Stanzel, Franz K.: Theorie des Erzählens, Göttingen, 5. unveränd. Auflage, 1991.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Aspekte des Unheimlichen, Fantastischen und Wunderbaren in Gustavo Adolfo Becquers "Leyenda Creed en Dios"
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Philosophisches Institut)
Veranstaltung
PS Gustavo Adolfo Bécquer: Leyendas - phantastische Erzählungen der spanischen Romantik
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V12136
ISBN (eBook)
9783638181006
ISBN (Buch)
9783638787482
Dateigröße
538 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Becquer, Leyenda
Arbeit zitieren
M.A. Sina Neumann (Autor:in), 2003, Aspekte des Unheimlichen, Fantastischen und Wunderbaren in Gustavo Adolfo Becquers "Leyenda Creed en Dios", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12136

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