Jakobs Kampf am Jabbok

Exegese von Genesis 32,23-33


Seminararbeit, 2001

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

§1 Textkritik

§2 Arbeitsübersetzung

§3 Textanalyse
1. Textoberflächenstruktur
1.1 Lautebene
1.2 Wortebene
1.3 Satzebene (s.a. Anhang)
1.4 Textebene
2. Texttiefenstruktur
2.1 Wortebene
2.2 Satzebene
2.3 Textebene

§4 Literarkritik
1. Abgrenzung des Textes
2. Kontextanalyse
3. Einheitlichkeit des Textes
4. Fazit

§5 Gattungsbestimmung
1. Gattungskritik
1.1 Zur ethnologischen Ätiologie
1.2 Zur etymologischen Ätiologie
1.3 Zur kultischen Ätiologie
2. Sitz im Leben (SiL)

§6 Tradition
1. Das Motiv „Namensgebung“
2. Das Motiv „Theophanie“
3. Das Motiv „Sieg des Unterlegenen“
4. Das Motiv „Segen“
5. Exodus–Tradition?

§7 Überlieferungsgeschichte
1. Die mündliche Überlieferung
1.2 Problem: Engel oder Mann? (zu 4a)
1.2 Problem: Engel oder Dämon? (zu 4b)
1.3 Problem: Kann etwas Göttliches sich „böse“ und „menschlich“ verhalten? (5b)
1.4 Fazit
2. Die schriftliche Überlieferung

§8 Interpretation
1. Versexegese
2. Resultative Übersetzung
3. Ausblick

§9 Literaturverzeichnis
1. Quellen:
2. Hilfsmittel
3. Sekundärliteratur

Anhang

§1 Textkritik

Beim Abschreiben des Urtextes, der uns nicht mehr erhalten ist, haben sich Abschreibfehler, evtl. auch Interpretationen des Abschreibers „eingeschlichen“. Mittels der Textkritik soll der Urtext wieder rekonstruiert werden, da die Exegese anhand des Urtextes sinnvoller ist als anhand einer fehlerhaften Kopie. Textkritik bleibt aber Interpretationssache, die im Idealfall zu wahrscheinlich richtigen Ergebnissen kommt, keinesfalls aber zu unbedingt richtigen. Insgesamt gibt es in der Jabbok–Perikope fünf Textstellen, zu denen auch Abweichungen von der Lesart bezeugt sind:

23a „הואבלילה“: Im Gegensatz zum Masoretischen Text (MT) steht im Samaritanus „ההואבלילה“. Diese Lesart wird auch in der jüdischen Auslegetradition vertreten (Seb.). „ההואבלילה“ findet sich auch in Gen 32,14; 32,22. Nach rein äußeren Kriterien wäre die Lesart des MTes zu belassen, weil dieser ein höheres Gewicht hat als der Sam. und die Sebir. Freilich ist das undeterminierteהואungewöhnlich, zudem es unmittelbar zuvor in V.14 und V.22 determiniert verwendet wird. Immerhin kommt aber die Verbindung „הוא בלילה“ viermal im MT vor (Gen 19,33; 30,16; 32,23; 1Sam 19,10). Vermutlich hat der Schreiber des Samaritanus 23a absichtlich an V.14 und V.22 angeglichen. Natürlich ist auch eine Haplographie denkbar. Die „lectio difficilior“ ist jedenfalls die Lesart des MT. Deswegen ist der MT nach den inneren Kriterien die ursprüngliche Lesart. 23b „יבק“: Nur der Samaritanus bietet hierfür „היבק“. Der MT ist zu belassen, weil dieser ein eindeutig höheres Gewicht als der Samaritanus hat.

24a „את־אשר־לו“: Eine hebräische Handschrift und der Samaritanus lesen anstatt dessen „את־כל־אשר־לו“, die meisten Übersetzungen folgen demgemäß. Nach äußeren Kriterien lässt sich aufgrund der vielen gewichtigen Zeugen, die gegen den MT stehen, kein klares Urteil fällen. Im Zweifelsfalle gilt aber die „lectio brevior“ für die wahrscheinlichere Lesart. Das „כל“ ist wohl eine erklärende Hinzufügung. 24b [kein Silluq]: Viele andere hebräische Handschriften bieten den vor dem Soph Passuq erwarteten Silluq. Da das Fehlen oder Vorhandensein dieses Akzentes keinen Einfluss auf den Konsonantenbestand hat, entfallt hierfür die Textkritik.

31a „פניאל“: Sowohl der Samaritanus als auch Symmachus, die Peschitta und Vulgata lesen hier „פנואל“. Nach rein äußeren Kriterien wäre wohl für den MT zu plädieren. Aber die Lesart des MT ist vermutlich durch einen Schreibfehler entstanden (zu bedenken ist, dass das handschriftlicheיdemוziemlich ähnlich ist). Dafür spricht auch, dass im gesamten MT „פנואל“ acht Mal vorkommt, „פניאל“ hingegen nur einmal.1

§2 Arbeitsübersetzung

Ziel der Arbeitsübersetzung ist, eine möglichst wortgetreue Übersetzung zu bieten. Deswegen verfährt sie konkordant, d.h. eine hebräische Wortwurzel wird stets einem deutschen Wort zugeordnet. Wörter, die eingeklammert sind, stehen nicht im hebräischen Text.

23a Und er stand auf in jener Nacht

23b und er nahm seine zwei Frauen und seine zwei Mägde und seine elf Kinder.

23c Und er überquerte die Überquerung des Jabboks.

24a Und er nahm sie

24b und er ließ sie den Bach überqueren

24c und er ließ das,

24d was er (besaß), überqueren.

25a Und es blieb Jakob für sich alleine zurück.

25b Und es rang2 ein Mann mit ihm bis zum Aufsteigen der Morgenröte.

26a Und er sah,

26b dass er ihm nicht überlegen war.

26c Und er berührte sein Hüftgelenk

26d und das Hüftgelenk Jakobs verrenkte sich während seines Ringens mit ihm.

27a Und er sagte:

27b „Entlasse mich,

27c denn die Morgenröte ist aufgestiegen.“

27d Und er sagte:

27e „Ich werde dich nicht entlassen, 27f außer wenn du mich gesegnet hast.“28a Und er sagte zu ihm:

28b „Was (ist) dein Name?“

28c Und er sagte:

28d „Jakob.“

29a Und er sagte:

29b „Nicht mehr Jakob wird man (zu) deinem Namen sagen,

29c sondern Israel,

29d denn du hast gekämpft3 mit Elohim4 und mit Menschen,

29e und du warst überlegen.“30a Und es fragte Jakob 30b und er sagte:

30c „Teile mir doch deinen Namen mit!“

30d Und er sagte:

30e „Warum fragst5 du denn nach meinem Namen?“

30f Und er segnete ihn dort.

31a Und es nannte Jakob den Namen des Ortes Pnuel,

31b „denn ich habe Elohim von Angesicht zu Angesicht gesehen,

31c und meine Seele wurde (ihm) entrissen.“

32a Und es ging ihm die Sonne auf,

32b als er (bei) Pnuel überquerte.

32c Und er (war) hinkend wegen seiner Hüfte.

33a Deshalb essen5 die Söhne Israels das Fleischstück nicht,

33b das über dem Hüftgelenk (ist),

33a bis zum heutigen Tag,

33c weil er das Hüftgelenk Jakobs an dem Fleischstück berührt hatte.

§3 Textanalyse

In der Textanalyse wird der Text als Ganzes betrachtet (synchrone Vorgehensweise). Mittels dreier Arbeitsschritte, nämlich „Textoberfläche“, „Texttiefenstruktur“ und „Pragmatik“6, soll ein erster Eindruck von diesem Text gewonnen werden. Dazu zählt auch das Erkennen von Textschwierigkeiten, auf die dann in den folgenden Paragraphen eingegangen werden soll.

1. Textoberflächenstruktur

1.1 Lautebene

Auffällige, den Text durchziehende Wortspiele, gibt es nicht. Erwähnenswert ist allenfalls die Verwendung von drei ähnlich lautenden Worten, nämlich ,אבק,יבקיעקב. Dabei ist V.26dבהאבקויעקבnoch am auffälligsten. Weiterhin kann man in V.26b ein Wortspiel erkennenלויכללאכי.

1.2 Wortebene

Einzig auffällig ist das gehäufte Auftreten der Partikelכיbzw.אםכי(V.26b, 27c, 27f, 29c, 29d, 31b, 33c). Dieses Phänomen kann für die Kohäsion des Textes sprechen.

1.3 Satzebene (s.a. Anhang)

39 von den 44 Teilsätzen sind Verbalsätze, 4 sind Nominalsätze und l ist ein Partizipialsatz. Die Verbalsätze stehen meistens im Narrativ (24), ansonsten im Perfekt (7), im Imperfekt (5) und im Imperativ (2).

Der Text lässt sich in zwei Erzählblöcke (V.23–26, V.32–33) und in einen Redeblock einteilen (V.27–31), der im wesentlichen nur durch ein hinführendesויאמרunterbrochen wird. In Erzählabschnitten dominiert erwartungsgemäß der Narrativ und in den Redeabschnitten die anderen Zeitformen. Auffällig ist der letzte Erzählblock (V.32–33), der diesem Schema nicht entspricht.

Fast alle Sätze sind Aussagesätze, die syndetisch aneinandergereiht sind. Zwei Aufforderungssätze (V.27b, 30c) und zwei Fragesätze (V.28b, 30e) befinden sich im Zentrum des Textes. Über den gesamten Text ab V.24d verteilt finden sich Nebensätze, v.a. Kausalsätze (V.26b, 27c, 29d, 31b, 33c). Von der Satzebene aus zu urteilen, scheint der Text kohäsiv zu sein. Er hat mit dem Redeblock, der seinerseits die Frage– und Aufforderungssätze enthält, eine Mitte.

1.4 Textebene

Dieser Text hat keine textgliedernden Elemente, wenn man vom ויאמרals textgliederndes Element absieht. Eine Gliederung des Textes ist eher durch die Phorik gegeben:

1. Zu Beginn des Textes (V.23a/b) treten zwei unbestimmte Größen auf. Dies ist zum einen die Familie Jakobs, die im gesamten Text keine nähere Bestimmung erfährt, dies ist zum anderen ein „Er“ (V.23a), wobei die Unbestimmtheit des „Er“ eigentlich schon in V.23b aufgegeben wird (wer kann „er“ anders sein als „Jakob“, wenn „er“ zwei Frauen, zwei Mägde und elf Kinder hat?), auf jeden Fall in V.25a.
2. In V.25b wird eine unbekannte Größe (איש) eingeführt. In V.26a–c ist eine genaue Zuordnung der handelnden Personen unmöglich. Zur Auflösung dieser Unbestimmtheit kommt es in V.26d durch die Renominalisierung von Jakob.
3. Auch in V.27a–28c gibt es einen „starken Zug nach unten“ durch die völlige Unbestimmtheit. Diese Kataphorik wird noch durch den Aufforderungssatz (V.27b) und den Fragesatz (V.28b) verstärkt. In V.28d kommt es zur Auflösung der Unbestimmtheit durch die Renominalisierung von Jakob.
4. V.29d ist durch die Einführung der unbestimmten Größe „אלהים“ kataphorisch und durch die „אנשים“, die über den vorliegenden Text rückverweisen, zugleich anaphorisch. Ob die „אלהים“ mit dem „איש“ gleichgesetzt werden können, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.
5. V.30 beginnt mit der Renominalisierung Jakobs. Mit dem Aufforderungssatz (V.30c) und dem Fragesatz (V.30e) gibt es kataphorische Elemente, wobei in der Nicht–Beantwortung der Frage (V.30f) ein gewisser Bruch liegt.
6. V.31 beginnt ebenfalls mit der Renominalisierung Jakobs. Zu V.31b gibt es einen Bruch; vom Erzähltext wird ohne Überleitung in direkte Rede übergewechselt.
7. In V.33a werden die Israeliten als handelnde Größe unversehens eingeführt. Das ist v.a. deswegen ein drastischer Bruch, weil es ja zu Jakobs Zeiten gar keine Israeliten gab.

[...]


1 Gerhard von Rad entscheidet sich für die Schreibweise des MT mit folgender Begründung: „Die beiden Namensformen Pnuel und Pniel differieren nur unwesentlich in der archaischen Nominalendung; die letztere ist in V.31 verwendet, weil sie das Wortspiel mit dem in der Sprache des Erzählers gebräuchlichen Wort für Angesicht (panim) deutlicher hervortreten läßt. “ (G. v. Rad, Genesis, 282 [Hervorhebung durch den Autor])

2 ist ein Hapaxlegomenon, d.h., die Wortbedeutung kann ausgehend vom Biblisch–Hebräischen nicht mit Sicherheit geklärt werden. Ausgehend vom Neuhebräischen würdeאבק „zerstäuben“ bedeuten. Eine Verwandtschaft mitחבק(vgl. auch syr.ܚܒܩ,ܥܒܩ) – „umarmen“ ist denkbar. In der LXX und Vulg. wirdאבקmit „ringen“ wiedergegeben (παλαίω, luctor). Dem wird die AÜ folgen.

3 ist ein Hapaxlegomenon. In Hos 12,4 kommt zwarשרהauch vor, aber eben nur als Zitat von Gen 32,29. Von daher ist seine Bedeutung eigentlich unklar. Allerdings verschafft ein Blick in געחברשית(S. 195) Klarheit: Hiernach istשרהmit dem geläufigenגשש(Hitpolel) „miteinander ringen“ identisch. In der AÜ werde ichשרהmit „kämpfen“ wiedergeben, um eine Verwechslung mitאבקzu vermeiden.

4 kann sowohl Gott als auch göttliches Wesen bedeuten (vgl. Gesenius). Was nun gemeint ist, ist aus der vorliegenden Perikope nicht ersichtlich. Deswegen die Wiedergabe: „Elohim“.

5 hier wird PK mit Präsens wiedergegeben.

6 Der letzte Arbeitsschritt entfällt, da der Autograph dieser Perikope den Leser nicht direkt anspricht.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Jakobs Kampf am Jabbok
Untertitel
Exegese von Genesis 32,23-33
Hochschule
Augustana-Hochschule Neuendettelsau
Veranstaltung
Altestamentliches Proseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
28
Katalognummer
V121346
ISBN (eBook)
9783640260911
Dateigröße
906 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Genesis 32, Exegese, Biblische Theologie, Jabbok
Arbeit zitieren
Diplom-Theologe Alexander Rahm (Autor:in), 2001, Jakobs Kampf am Jabbok, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121346

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