Amerikanismus und Fordismus bei Antonio Gramsci


Hausarbeit, 2008

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Gramsci und der westliche Marxismus
1.1 Zur Person Gramscis
1.2 Die Gefängnishefte
1.3 Das Gefängnisheft „Amerikanismus und Fordismus“

2. Zentrale Begrifflichkeiten und Annahmen
2.1 Amerikanismus
2.2 Fordimus und Taylorimsmus
2.3 Hegemonietheorie

3. Fordistische Produktion – fordisierte Menschen?
3.1 Einführung des Amerikanismus und Fordismus in Europa
3.2 Charakterisierung der Arbeit im rationalisierten Betrieb
3.3 Neue Anforderungen an die Menschen
3.4 Gramscis Einstellung zur Rationalisierung

4. Der Einfluss des Fordismus auf das revolutionäre Bewusstsein der Arbeiter
4.1 Die Problematik des Klassenbewusstseins
4.2 Freies Denken
4.3 Gramscis Theorie in der Praxis

5. Resümee

Literaturverzeichni s

Einleitung

Mit der Entfaltung des Kapitalismus veränderten sich sämtliche Bedingungen, die mit der Produktion von Gütern verbunden waren. Der Leidtragende dieser Veränderungen war und ist der Arbeiter. Er besaß nichts, als seine Arbeitskraft und war somit den Fabrikbesitzern, welche über die Produktionsmittel verfügten, ausgeliefert. Es entstand ein ungleiches Verhältnis, was schließlich gesamtgesellschaftliche Widersprüche verursachte. An dieser Stelle traten Karl Marx und Friedrich Engels auf den Plan, welche im Kommunistischen Manifest zur Beseitigung dieser Lage mittels einer revolutionären Massenbewegung der Arbeiter aufriefen. Doch dem Appell „Proletarier aller Länder vereinigt euch!” folgte kein weltweiter Umsturz. Nur in Russland kam es 1917 zur Revolution. Trotz dieser, global gesehenen, Niederlage, kam es zu einer Fortsetzung marxistischer Theorien. Diese Entwicklung ist bekannt geworden unter dem Begriff „westlicher Marxismu.

Die nachfolgende Arbeit widmet sich den Auswirkungen der modernen Produktionsweise auf den Arbeiter. Die Rationalisierung stellt neue Anforderungen an die Produktivkräfte, fordert überspitzt formuliert einen neuen Typ Mensch. Aus dieser Thematik ergeben sich Fragen, wie etwa: Welche Folgen ergeben sich daraus für die Persönlichkeit und Lebensbedingungen der Arbeiter und ihrer Familien? Kann ein von Automatismen geprägter Herstellungsprozess ein revolutionäres Bewusstsein erwecken? Auf diese Fragen sollen Antworten entwickelt werden. Als Primärliteratur dient das Gefängnisheft zur Thematik Amerikanismus und Fordismus von Antonio Gramsci. Die Entscheidung hierfür ergab sich aus der besonderen Rolle, welche Gramsci unter den Theoretikern des westlichen Marxismus einnimmt, denn durch seine führende Tätigkeit bei der Kommunistischen Partei Italiens (KPI) lag bei ihm „eine revolutionäre Einheit von Theorie und Praxis“[1] vor.

Zu Beginn steht die Stellung Gramscis innerhalb des westlichen Marxismus im Vordergrund. Danach werden die zentrale Begriffe Amerikanismus und Fordismus sowie Taylorismus erläutert. Es folgt eine Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Rationalisierung auf den Arbeiter. Das vorletzte Kapitel beschäftigt sich mit der Entwicklung eines revolutionären Bewusstseins. Die Arbeit schließt mit einem Resümee, welches die gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassen und nochmals kritisch betrachten wird.

1. Gramsci und der westliche Marxismus

1.1 Zur Person Gramscis

Antonio Gramsci wurde 1891 auf der italienischen Insel Sardinien geboren und lebte bis 1937. Er war „(…) Historiker und Philosoph, Journalist, Literatur- und Kulturkritiker, Politiker, Parteiführer und Theoretiker der sozialistischen und kommunistischen Arbeiter-bewegung“[2] in Italien. Wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde, war Gramsci vor allem Politiker und nicht vorrangig Philosoph, wie es bei den meisten Theoretikern des westlichen Marxismus sonst die Regel war. Er gehörte, neben Georg Lukács und Karl Korsch, zu den wichtigsten Vertretern der Anfangsphase des westlichen Marxismus nach der russischen Revolution. Ingo Elbe beschreibt die Ausgangslage dieser Strömung folgendermaßen:

„Die Formation eines „westlichen Marxismus“ geht aus der Krise der sozialistischen Arbeiterbewegung im Gefolge des ersten Weltkrieges (Zerbrechen der II. Internationale an der Politik der „Vaterlandslandsverteidigung“, Scheitern der Revolution in Mittel- und Südeuropa, Entstehen faschistischer Kräfte usw.) hervor.“[3]

Gramsci war durch seine leitenden Tätigkeiten innerhalb der Turiner Fabrikräte und der KPI tief in der Arbeiterbewegung verwurzelt. Durch diese Tätigkeiten galt sein Interesse zentralen marxistischen Themen, wie etwa die „(…)Untersuchung der ökonomischen Bewegungsgesetze der kapitalistischen Produktionsweise, Analyse des bürgerlichen Staatsapparats, Strategien des zu seinem Sturz erforderlichen Klassenkampfes.“[4] Dies alles macht die besondere Stellung aus, welche Gramsci einnimmt. Andere, besonders spätere, Theoretiker des westlichen Marxismus hatten die eben angesprochenen Themen aus ihren Überlegungen ausgeklammert. In den nachfolgenden Generationen erfolgte ein Rückzug in universitäre Kreise, weit ab von den Arbeitern. Eine Verwissenschaftlichung trat ein, welche sich oft in elaborierten Texten niederschlug. Die Ursache für die allgemeine Ernüchterung war, dass es - entgegen der marxschen Prognose - in den entwickelten Industriestaaten des Westens nicht zu einer sozialistischen Revolution gekommen war. Stattdessen kam es zum Aufstieg der faschistischen Kräfte, welche die Marxisten bekämpften. Ihnen fiel auch Gramsci zum Opfer, er wurde 1926 für neun Jahre in Haft genommen. Die Bedingungen im Kerker machten ihm so schwer zu schaffen, dass er bald nach seiner Freilassung verstarb.[5] Trotz dieser Umstände war es ihm möglich während der Gefangenschaft seine theoretischen Überlegungen weiterzuführen und niederzuschreiben. Er bleibt in Erinnerung als ein bedeutender Denker des Marxismus, der aber seine ganz eigenen Vorstellungen hatte. Joseph A. Buttigieg hält dazu folgendes fest:

„Obwohl Gramsci überzeugter Marxist war, lehnt er die fundamentale Marxsche Theorie des Verhältnisses von Basis und Überbau ab; und obwohl sich Gramsci selbst als Kommunist bezeichnete, weichen seine Ansichten in so grundlegenden Fragen wie der Rolle der politischen Partei und des revolutionären Prozesses entschieden von der Auffassung Lenins ab.“[6]

Dieser Aspekt wird an späterer Stelle noch einmal aufgriffen werden.

1.2 Die Gefängnishefte

Während seiner Haft verfasste Gramsci seine Gefängnishefte. Diese äußerst umfangreichen Aufzeichnungen entstanden von Beginn des Jahres 1929 bis zur Jahresmitte 1935. Er verwendete für diese Schriften parallel verschiedene Hefte, sodass sich an mehreren Stellen Gedanken zu gleichen Themen finden.[7] „Auf Grund der Gefängniszensur bediente er sich einer Tarnsprache (…).“[8] So bezeichnete er etwa den Marxismus als Philosophie der Praxis.[9] Die Gefängnishefte gleichen eher Notizen und haben nur wenig gemein mit wissenschaftlichen Arbeiten. Diese Niederschriften

„(…) zeigen deutlich die enge Verbindung zwischen Gramscis theoretischen Fragestellungen und seinen praktischen und strategischen Überlegungen als führendes Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens (…)“.[10]

In den Gefängnisheften wird das politische Ziel Gramscis, „(…) die Schaffung eines sozialistischen Italiens vermittels einer proletarischen Revolution (…)“[11], deutlich. Er schätzte die russische Revolution als gelungenes Beispiel für die Etablierung eines sozialisti­schen Staates ein. Aber er erkannte auch, dass die ursprünglichen marxistischen Ideen so modifiziert werden müssten, damit sie für die aktuelle politische und ökonomische Lage brauchbar würden.[12] In seinen Schriften setzte er sich mit dem Einfluss des Kapitalismus auf die Gesellschaft auseinander.

1.3 Das Gefängnisheft „Amerikanismus und Fordismus“

Im Folgenden wollen wir uns auf das Heft zum Amerikanismus und Fordismus konzentrieren. In dieser Schrift analysiert Gramsci die Konsequenzen der neuen Produktionsmethoden, welche aus den USA stammen. Ihm geht es dabei auch „um eine Ideologiekritik vom Standpunkt der betroffenen ArbeiterInnen aus.“[13] Im Mittelpunkt stehen die radikalen Anforderungen, welche fortan an die Arbeiter gestellt werden. Ihn interessieren also ins-besondere die Folgen, welche sich außerhalb der ökonomischen Institutionen ergeben.[14] Es stellt sich die Frage, durch welche Formen des Zwangs und der Gewalt es gelingt, Menschen für die Rationalisierung umzuformen. Die Umstellung auf die moderne Produktion bringt eine gesellschaftliche Umwälzung mit sich. Gramsci bezeichnet diesen Prozess als „passive Revolution“, weil die Veränderungen zwar von der Fabrik ausgehen, aber nicht von den Arbeitern selbst initiiert würden. Diese gesellschaftlichen Umgestaltungen sah er als unab-wendbare Konsequenz an, damit die Produktivkräfte ein Umfeld vorfinden würden, welches sie befähigt die Fließbandtätigkeit dauerhaft auszuüben.[15] Das Augenmerk legte er dabei immer auf die Anwendbarkeit der Rationalisierung in Italien. Dort war man zum Fortschritt gewillt, da das Land selbst kaum über ökonomisch verwertbare Ressourcen verfügte. Die Italiener hatten auf breiter gesellschaftlicher Basis erkannt, dass „(…) die einzige Möglichkeit des Fortschritts in einer radikalen Industrialisierung (…)“[16] lag.

2. Zentrale Begrifflichkeiten und Annahmen

2.1 Amerikanismus

Der Begriff des „Amerikanismus“ kam auf, als die USA ihre ökonomische Vorreiterrolle im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einnahm. Diese Position sollte fortan ausgeweitet werden. Einen Höhepunkt markierte die Einführung der seriellen Fließbandproduktion durch Henry Ford im Jahre 1913.[17] Amerika wies den Weg in die Zukunft und so wurde der „Amerikan-ismus“ eine „Metapher für Rationalisierung, Produktivität, Innovation und Fortschritt“.[18] Gramsci war der erste marxistische Theoretiker, welcher

„einen kohärenten Begriff des Amerikanismus entwickelte und diesen auf eine Theorie der Kapitalakkumulation bezog. (…) Amerikanismus bezieht sich bei Gramsci auf unterschiedliche Grade der „Fordisierung“ kapitalistischer Gesellschaftsformationen.“[19]

[...]


[1] Perry Anderson (1978): Über den westlichen Marxismus, Frankfurt a. M.: Syndikat. S.72.

[2] Harald Neubert (2001): Antonio Gramsci: Hegemonie - Zivilgesellschaft - Partei: eine Einführung. Hamburg: VSA-Verlag, S. 7.

[3] Ingo Elbe (2006): Zwischen Marx, Marxismus und Marxismen – Lesarten der Marxschen Theorie. In: Hoff, Jan et al. (Hrsg.): Das Kapital neu lesen. Beiträge zur radikalen Philosophie. Münster: Westfälisches Dampfboot, S. 11.

[4] Anderson (1978), S. 71.

[5] Vgl. ebd., S. 51- 101.

[6] Joseph A. Buttigieg (1993): Philologie und Politik. Zurück zum Test der „Gefängnishefte“ von Antonio Gramsci. In: Borek, Johanna/ Krondorfer, Birge/ Mende, Julius (Hrsg.): Kulturen des Widerstands. Texte zu Antonio Gramsci. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik, S. 210.

[7] Vgl. Neubert (2001), S. 18.

[8] Sabine Kebir (1991): Antonio Gramscis Zivilgesellschaft. Hamburg: VSA-Verlag, S. 35.

[9] Vgl. Neubert (2001), S. 48.

[10] Vgl. Buttigieg (1993), S. 184.

[11] Neubert (2001), S. 31.

[12] Bernd Röttger (1998): Gramsci und die Kritik des hegemonialen Neoliberalismus. Politische Re-Konstruktion des Marktes und neoliberlae Erweiterung des Staates. In: Uwe Hirschfeld: Gramsci-Perspektiven. Beiträge zur Gründungskonverenz des „Berliner Instituts für Kritische Theorie“ e.V. vom 18. bis 20. April 1997 im Jagtschloß Glienicke. Berlin, Hamburg: Argument Verlag, S. 134.

[13] Bernhard Walpen (1998): Zur Bedeutung André Philips für Gramsci oder Gott stellt als fordisierter Arbeiter die Tugenden serienmäßig her. In: Uwe Hirschfeld: Gramsci-Perspektiven. Beiträge zur Gründungskonverenz des „Berliner Instituts für Kritische Theorie“ e.V. vom 18. bis 20. April 1997 im Jagtschloß Glienicke. Berlin, Hamburg: Argument Verlag, S. 16.

[14] Vgl. Wolfgang Fritz Haug (2003): High-Tech-Kapitalismus. Analysen zur Produktionsweise, Arbeit, Sexualität, Krieg und Hegemonie. Hamburg: Argument, S. 30.

[15] Vgl. Kebir (1991), S. 108f.

[16] Ebd., S. 108.

[17] Vgl. Wolfgang Fritz Haug (Hrsg., 2001): Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus. 4.Band, Hamburg: Argument: S. 580-581.

[18] Wolfgang Fritz Haug (Hrsg., 2001): Historisch-kritisches Wörterbuch des Marxismus. 1.Band, Hamburg: Argument: S. 194.

[19] Ebd., S. 192.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Amerikanismus und Fordismus bei Antonio Gramsci
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Westlicher Marxismus
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V121330
ISBN (eBook)
9783640253883
ISBN (Buch)
9783640253920
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Dozent lobte die umfangreiche Einbeziehung von Fachliteratur und die ebenso umfassende Auseinandersetzung mit herrschenden Diskursen zur Problematik des Amerikanismus und Fordismus bei Gramsci. Die Erläuterung der neuartigen Situation des Arbeiters, in Folge der Änderungen innerhalb des Produkionsprozesses, wurde als besonders gelungen bewertet. Der Dozent hätte sich eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Begriff der "Hegemonie" bei Gramsci gewünscht.
Schlagworte
Amerikanismus, Fordismus, Antonio, Gramsci, Westlicher, Marxismus
Arbeit zitieren
Franziska Loth (Autor:in), 2008, Amerikanismus und Fordismus bei Antonio Gramsci, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121330

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