Die Wirtschaftsgeographie von Ruanda unter besonderer Berücksichtigung der sozioökonomischen Entwicklung nach 1994


Examensarbeit, 2008

97 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geographischer Überblick und soziodemographische Eckdaten der Republik Ruanda
2.1 Geographischer Überblick
2.1.1 Relief
2.1.2 Böden
2.1.3 Bodendegration und Bodenerosion
2.1.4 Vegetation
2.1.5 Klima
2.2 Soziodemographische Eckdaten
2.2.1 Bevölkerung
2.2.2 Verwaltung
2.2.3 Demographie

3. Der Genozid von 1994 und seine wirtschaftlichen Folgen
3.1 Der Genozid von 1994
3.2 Bodenrechte nach 1994

4. Entwicklung der ruandischen Wirtschaft seit 1994
4.1 Allgemeine wirtschaftliche Situation
4.2 Binnenwirtschaft
4.2.1 Entwicklung seit 1994
4.2.2 Zukünftig zu erwartende Entwicklung
4.3 Außenwirtschaft
4.3.1 Entwicklung nach 1994
4.3.2 Export vs. Import (Außenhandelsbilanz bzw. Handelsbilanz)
4.3.3 Export
4.3.4 Import
4.3.5 Zukünftig zu erwartende Entwicklung

5. Wirtschaftsgeographische Theorien mit Bezug auf Ruanda
5.1 Die „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung eines Raumes“ von Rostow
5.2 Die „Drei-Sektoren-Hypothese“ von Fourastie
5.3 Die Entwicklung der Wirtschaftssektoren von Ruanda seit 1994 mit Bezug auf die „Drei- Sektoren-Hypothese“ von Fourastie

6. Die Entwicklung der Wirtschaftssektoren von Ruanda nach 1994
6.1 Der Wirtschaftssektor Landwirtschaft
6.1.1 Agrarökologische Regionen in Ruanda
6.1.2 Kleinbäuerliche Siedlungsformen
6.1.3 Hauptanbauprodukte
6.1.4 Zukunftsträchtige Anbauprodukte
6.1.5 Viehhaltung
6.2 Der Wirtschaftssektor Industrie
6.3 Der Wirtschaftssektor Dienstleistungen

7. Entwicklung der größten Städte des Landes nach 1994

8. Schlussbetrachtung

9. Literaturverzeichnis
9.1 Quellen
9.2 Internetquellen

10. Verzeichnis der Abbildungen

1. EINLEITUNG

In dieser Examensarbeit soll die wirtschaftliche Lage der Republik Ruanda mit Hilfe von wirtschaftsgeographischen Betrachtungsweisen dargestellt werden.

Besondere Schwerpunkte liegen hierbei auf der Entwicklung der einzelnen Wirtschaftssektoren Landwirtschaft, Industrie und Dienstleistungen sowie auf einer getrennten Analyse des Ist-Zustandes von Binnen- und Außenwirtschaft mit anschließender Zukunftsprognose.

Um eine anschauliche Prognose erstellen zu können, werden bestimmte Theorien zur Erklärung wirtschaftsgeographischer Entwicklungen vorgestellt.

Diese Theorien gehen spezifisch auf die mikroökonomischen Zusammenhänge von verschiedenen Wirtschaftssektoren in einer Volkswirtschaft ein. Der Entwicklungsstand eines Entwicklungslandes wie Ruanda soll daran veranschaulicht werden.

Die Erhebung verlässlicher Daten zur ruandischen Volkswirtschaft gestaltete sich teilweise schwierig und führte mehrmals zu verschiedenen Ergebnissen.

Aus diesem Grund muss darauf hingewiesen werden, dass einzelne in den folgenden Kapiteln genannten Zahlen in anderen Quellen variieren können; eine zumindest tendenzielle Übereinstimmung ist jedoch in jedem Fall gegeben.

Sämtlicher Betrachtungen setzen im Jahr 1994 an, in dem Ruanda Schauplatz eines Völkermordes mit mehr als 800.000 Todesopfern und mehreren Millionen Vertriebenen (WORLD BANK COUNTRY STUDY 2004, S. 22) wurde, der die Wirtschaft des Landes fast völlig zum Erliegen brachte.

Von besonderer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes sind die geographischen Rahmenbedingungen, da Ruanda wie die meisten Entwicklungsländer maßgeblich von der Landwirtschaft geprägt ist. Aus diesem Grund wird der Arbeit eine naturräumliche Kurzgliederung voraus gestellt um die Zusammenhänge zwischen den natürlichen Gegebenheiten und der Entwicklung der Wirtschaft von Ruanda deutlich zu machen.

2. GEOGRAPHISCHER ÜBERBLICK UND SOZIODEMOGRAPHISCHE ECKDATEN DER REPUBLIK RUANDA

2.1 Geographischer Überblick

Ruanda ist ein im östlichen Zentralafrika gelegener Binnenstaat, der „auf 1 bis 3 Grad südlicher Breite und 29 bis 31 Grad östlicher Länge auf der Ostflanke des zentralafrikanischen Ausläufers des Ostafrikanischen Grabens“ (KÖNIG, D. 1992, S. 23) liegt, welcher „die Savannen der Hochländer Ostafrikas von den Tieflandregenwäldern des Kongo-Beckens abgrenzt“. (KÖNIG, D. 1992, S. 23)

Auf einer Landesfläche von lediglich 26.338 Quadratkilometern leben circa 9,7 Millionen Einwohner1 (CIA WORLD FACTBOOK 2007).

Somit leben ungefähr 350 Einwohner auf einem Quadratkilometer2 (UNITED NATIONS DEVELOPMENT PROGRAMME 2007, S. 12). Regionale Bevölkerungsdichten von über 700 Einwohnern pro Quadratkilometer sind jedoch keine Seltenheit. Ruanda zählt infolgedessen zu einem der kleinsten und am dichtesten bevölkerten Staaten Afrikas (STACHE, N./DRECHSEL, P. 1997, S. 32).

Seine Entfernung zur pazifischen Küste beträgt ca. 1200 km; die Entfernung zur Atlantikküste beträgt etwa 2200 km. (KÖNIG, D. 1992, S. 23)

Das Land grenzt im Süden an Burundi, im Norden an Uganda, im Osten an Tansania und im Westen und Nordwesten an die Demokratische Republik Kongo (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Das Staatsgebiet der Republik Ruanda (Quelle: CIA WORLD FACTBOOK 2007)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Hauptstadt - und zugleich größte Stadt des Landes - ist Kigali mit etwa 1.000.000 Einwohnern, gefolgt von den Städten Gitarama, Butare, Ruhengeri und Gisenyi, deren Einwohnerzahlen jedoch unter 100.000 Einwohnern liegen (INWENT 2007, S. 1).

2.1.1 Relief/Oberflächenformen

Ruanda weist aufgrund seiner jungen Heraushebung auf der Ostflanke des Ostafrikanischen Riftsystems eine hohe Reliefenergie auf.

Abbildung 2: Oberflächenformen von Ruanda (Quelle: KÖNIG, D. 1992, S. 26)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Morphologisch lässt sich Ruanda daher in drei Großräume unterteilen (KÖNIG, D. 1992, S. 25):

- „das Ufer des Kivusees (1460 m ü.NN) bis auf nahezu 3000 m ü.NN aufragende Grabenrandgebirge im Westen, die Wasserscheide zwischen Zaire (Kongo) und Nil
- das 1500 bis 2000 m hohe zentrale Hügelland
- und die nach Osten hin sanft bis auf etwa 1200 m ü.NN abfallende östliche Plateauregion.“ (KÖNIG, D. 1992, S. 25)

Dem unruhigen Relief des zentralen Hochlandes („Hügelland“), das sich im ruandischen Zentralplateau befindet, verdankt das Land den Beinamen „Land der tausend Hügel“ (frz. Pays de Mille Collines).

Das „Hügelland“ ist charakterisiert durch bis zu 200 m hohe und ein bis zwei Kilometer breite „Hügel“ (vgl. Abb. 3).

Abbildung 3: Landschaftsquerschnitt durch Ruanda von Südwest nach Nordost (Quelle: WERLE O./ WEICHERT K.-H. 1987, S. 10)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Hügel sind durch konvexe Hangprofile mit stark geneigten Unterhängen gekennzeichnet, welche häufig mit deutlichem Knick in enge Täler übergehen (KÖNIG, D. 1992, S. 27). Im Südosten geht das Hügelland allmählich in das „Plateau von Bugesera“ über, dessen Rumpffläche von Seen und Sümpfen bedeckt ist (vgl. Abb. 4).

Abbildung 4: Landschaftsquerschnitt durch Ruanda von Nordwest nach Südost (Quelle: WERLE O./ WEICHERT K.-H. 1987, S. 10)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Nordwesten des Landes befindet sich die „Virunga- Vulkankette“, deren kegelförmige Vulkane strombolianischen Typs sind. Mit einer Höhe von 3500 bis 4500 m ü. NN überragen sie das südlich vorgelagerte Lavafeld um 1400 bis 2200 m (KÖNIG, D. 1992, S. 28). Der Vulkan „Karasimbi“ (4519 m ü.NN) stellt die höchste Erhebung des Landes dar (CIA WORLD FACTBOOK 2007).

2.1.2 Böden

Die Böden in Ruanda weisen aufgrund der jeweiligen Nutzungsgeschichte innerhalb nur einer Hangposition unterschiedliche Böden auf.

Die Böden der Wasserscheide zwischen Zaire (Kongo) und Nil sind durch saure und häufig erodierte, nährstoffarme Ranker charakterisiert. Aufgrund der gemäßigten Temperaturen lassen sich im Oberboden Humusanreicherungen feststellen die teilweise ausgewaschen sind (KÖNIG, D. 1992, S. 39).

Am Ostufer des Kivusees, in weiten Teilen des Zentralplateaus als auch in Teilen des Hochlandes von Byamba finden sich humusreiche ferralistische Böden die ursprünglich durch eine hohe Fruchtbarkeit gekennzeichnet sind. Die Täler des Plateaus verdanken ihre Fruchtbarkeit einer Verfüllung mit kolluvialem Material. Die Böden im Süden des Zentralplateaus bestehen aus tiefgründig verwitterten Substraten, was dazu führt das sie häufig stark erodiert sind (KÖNIG, D. 1992, S. 39).

Das Gebiet der Virunga-Vulkane besteht aus mit Nährstoffen bedeckten Humusböden. Die geringe Mächtigkeit der Böden führt jedoch dazu, dass nur eine geringe Erosionsstabilität gegeben ist, die Hangrutschungen begünstigt (KÖNIG, D. 1992, S. 39).

Den trockenen Osten dominieren stark ausgewaschene ferralistische Böden.

2.1.3 Bodendegration und Bodenerosion

Die spezifischen Nachteile feuchttropischer Standorte (z.B. die schnelle Mineralisierung der Organischen Substanz und die geringe Nährstoffspeicherkapazität der Böden) führt dazu, dass der stark anthropogen geprägte Boden des Landes aufgrund von landwirtschaftlicher Übernutzung unter fortschreitender Bodendegration und Bodenerosion leidet.

Die Tatsache, dass sich die landwirtschaftlichen Anbauflächen oftmals an steilen Hängen - z.B. im Bereich der Virunga-Vulkane befinden - verschlechtert diese Bedingungen nochmals. In diesem Zusammenhang sei auch noch einmal an die hohe Reliefenergie Ruandas erinnert. Durch eine gezielte Nutzung des Bodens kann dem jedoch entgegen gewirkt werden. Besonders vorteilhaft ist hierbei das erhöhte Photosynthesepotential der Tropen, das eine hohe Biomasseproduktion pro Flächeneinheit ermöglicht (KÖNIG, D. 2001, S. 10).

Eine optimale Nutzung der knappen Anbaufläche können so genannte „Agroforstsysteme“ gewährleisten. Diese sind dem natürlichen Stockwerkbau der Regen- und Feuchtwälder nachempfunden. Nahrungskulturen und Sträucher werden nebeneinander auf ein und derselben Parzelle kultiviert (KÖNIG, D. 2001, S. 10).

Durch den dadurch auftretenden hohen Bodendeckungsgrad wird die Nutzung positiver Synergieeffekte zwischen Gehölzen und Nahrungskulturen ermöglicht. Dies führt dazu, dass eine weitere Degration benachbarter Waldstandorte durch Brennholzentnahme vermieden wird. Nährstoffverluste werden durch den Anbau in Mischkultur, Kompostwirtschaft und die Stallhaltung der Nutztiere minimiert. Die Gras- oder Buschbrache kann durch unterschiedliche Gründüngung ersetzt werden. Messungen des Oberflächenabflusses belegen, dass es im Ökologischen Landbau gelingt, die weitere Ressourcendegration aufzuhalten. Die Nährstoffverluste gehen bei dieser Art des Landbaus auf etwa 1% der Ausgangswerte zurück.

Die Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit bedarf allerdings noch weiterer Anstrengungen. Zum Ausgleich der langjährigen Nährstoffverluste sind mineralische Inputs (z.B. Gesteinsmehldüngung) nötig (KÖNIG, D. 2001, S. 10).

2.1.4 Vegetation

Obwohl das Land sehr klein ist und die natürliche Vegetation durch den Menschen weitgehend zerstört wurde, zeichnet es sich noch immer durch die Vielfalt der Landschaften und seine Biotopsysteme aus.

Diese sind vor allem in den Höhenlagen der Virunga- Vulkane, der Nil-Wasserscheide sowie in den drei Naturreservaten (Nebelwald-Nyungwe, Virunga-Vulkanpark, Akagera-Nationalpark) anzutreffen, in denen sich noch teilweise die ursprüngliche Flora des Landes wieder findet (INWENT 2007, S. 1).

Am Fuße der Virunga-Vulkane sind die Nebelwälder jedoch größtenteils in Kulturland umgewandelt worden, welches bis in die Bambusstufe hineinreicht.

Diese Vegetationsstufe reicht auf eine Höhe von circa 2800 m, wo sie bei etwa 3600 m durch lichte Wälder mit dichter Strauch- und Krautschicht abgelöst wird.

Diese beiden Vegetationsstufen bilden das Rückzugsgebiet der letzten Berggorillas (KÖNIG, D. 1992, S. 40).

Eine Frostschuttstufe ist nur noch in der Gipfellage des Vulkans „Karisimbi“ ausgebildet.

Im Südwesten des Naturreservates „Foret de Nyungwe“ (Nebelwald-Nyungwe) finden sich bis auf eine Höhe von 2300 m Reste des so genannten Nebelwaldes, welcher durch einen dreistöckigen Aufbau gekennzeichnet ist (KÖNIG, D. 1992, S. 40).

In der mittleren und oberen Nebelwaldstufe reduziert sich die Höhe der Bäume und epiphytische Flechten bestimmen das Bild dieser Wälder. Mit zunehmender Höhe sind immer häufiger Waldlichtungen anzutreffen. Dort stößt man immer häufiger auf Flachmoore, die die Nebelwälder unterbrechen (KÖNIG, D. 1992, S. 41).

Das Zentralplateau sowie die Fechtsavannen im Osten des Landes sind meist flächendeckend in anthropogenes Kulturland umgewandelt worden (KÖNIG, D. 1992, S. 40). Dort lassen sich nur noch einzelne Elemente der ursprünglichen Vegetation finden, die aufgrund ihrer kulturellen Bedeutung oder ihres Nutzwertes (Produktion von Brennholz, Viehfutter, Mulchmaterial etc.) von den Bauern toleriert werden.

Entlang der Straßen und Pisten, sowie angrenzend an die Ackerflächen bestimmt der bis zu 50 m hohe Eukalyptus das Bild der Kulturlandschaft (KÖNIG, D. 1992, S. 41).

Im Osten des Landes dominieren Baum- und Grassavannen das Landschaftsbild.

An den dortigen Seeufern und in großen Flächen der häufig überschwemmten Täler finden sich zumeist artenarme Papyrusgesellschaften, in denen das bis zu vier Meter hohe Sauergras bestandbildend auftritt (KÖNIG, D. 1992, S. 42).

2.1.5 Klima

Das durch die Verbindung zwischen Tropen- und Höhenlage gewährleistete gemäßigte Klima mit durchschnittlichen Jahrestemperaturen von 18-21 Grad Celsius (vgl. Abb. 5) hat dem Land den weiteren Beinamen „Land des ewigen Frühlings“ eingebracht, wobei die Tagesschwankungen der Temperaturen größer sind als die Schwankungen der Jahresamplitude (INWENT 2007, S. 1).

Bedingt durch die geographische Breitenlage, verteilen sich die Niederschläge auf zwei Regenzeiten.

Die große Regenzeit beginnt im Februar und endet im Juni. Die kleine Regenzeit findet von Oktober bis Dezember statt (vgl. Abb. 5).

Abbildung 5: Klimadiagramm von Kigali 2006 (Quelle: KLIMADIAGRAMME 2007)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Regenzeiten werden durch eine Trockenperiode unterbrochen.

Die mittleren Jahrestemperaturen von Ruanda erstrecken sich von weniger als 15°C in den Höhenlagen oberhalb 2300m ü. NN über 17°C bis 20°C auf dem Zentralplateau bis zu 22°C im äußersten Osten des Landes (KÖNIG, D. 1992, S. 32).

Durch die ruandischen Klimastationen werden 120 bis 180 Regentage mit durchschnittlich 6 bis 10 mm Niederschlag verzeichnet. In jedem zweiten Jahr kommt es zu Verschiebungen der zeitlichen Abfolge der Regen- und Trockenzeiten (KÖNIG, D. 1992, S. 32), wodurch sich das Anbaujahr für die Bauern ebenfalls verschiebt.

Jedoch resultiert aus den beiden jährlichen Regenzeiten und den dazu gehörigen zwei Trockenzeiten die Tatsache, dass die kleinbäuerlichen Betriebe die Möglichkeit haben, zweimal pro Jahr zu ernten.

2.2 Soziodemographische Eckdaten

2.2.1 Bevölkerung

Die Bevölkerung von Ruanda setzt sich aus drei konkurrierenden ethnischen Gruppen zusammen (STACHE, N./DRECHSEL, P. 1997, S. 32):

- den Hutus (früher meist Ackerbauern),
- den Tutsis (traditionell Viehzüchter),
- und der ethnischen Minderheit der pygmoiden Twas.

Die durchschnittliche Lebenserwartung der ruandischen Bevölkerung lag 1999 bei 49 Jahren und hat sich bis heute nicht wesentlich erhöht. Dies lag und liegt vor allem an dem relativ hohen Prozentsatz der mit HIV infizierten Menschen. Im Jahr 2001 lag die Anzahl der infizierten Personen bei 11,1% der Gesamtbevölkerung, von denen 13% Frauen und 10,8% Männer sind. Auch die Kindersterblichkeit von 123 Kindern pro 1000 Geburten trägt zu der durchschnittlich niedrigen Lebenserwartung der Bevölkerung in Ruanda bei (CELESTIN, G. 2001, S. 15). Im selben Jahr lebten 64,1% der Bevölkerung unterhalb der monetären Armutsgrenze, davon 67,9% im ländlichen Bereich und 22,6% im städtischen Bereich.

Im Jahr 2000 lag die Einschulungsrate in die Primärstufe bei 72,1%, davon sind 43,7% Mädchen. Die Sekundärstufe besuchten jedoch nur 7% der Kinder, davon 41% Mädchen.

Der Anteil der ausgebildeten Lehrkräfte lag in der Primärstufe bei 53,2%, in der Sekundarstufe waren es nur 42,9%. Aus diesen Zahlen ergibt sich die niedrige Alphabetisierungsrate der Erwachsenen von nur 48,3%, wobei 45% davon wiederum Frauen waren3 (CELESTIN, G. 2001, S. 15).

Im Jahre 2007 bekannten sich etwa 56,5% Prozent der Bevölkerung zum römisch-katholischen Glauben, wohingegen ungefähr 26% dem protestantischen Glauben angehören.

Die restlichen Einwohner des Landes bekannten sich zu traditionellen afrikanischen Glaubensrichtungen.

Zum Islam bekannten sich etwa 4,6% Prozent der Bevölkerung4 (CIA WORLD FACTBOOK 2007).

2.2.2 Verwaltung

Am 1. Januar 2006 trat in Ruanda die regionale Verwaltungsreform in Kraft, als deren Grundlage die bereits 2001 eingeführte Kommunalreform gilt.

Durch die Dezentralisierung der Provinzen soll der Bevölkerung ein größeres Mitspracherecht bei der Entwicklung des Landes zugestanden werden.

Demnach wurden aus den vormals zwölf Provinzen fünf neue Provinzen gestaltet (vgl. Abb. 6). Die neuen Provinzen sind in nur 30 Distrikte (früher 106) und 500 Sektoren (früher 1545) unterteilt, um deren Möglichkeit zur Organisation und politischen Beteiligung zu erhöhen (INWENT 2007, S. 2).

In Abbildung 6 sind sowohl die neuen als auch die alten Provinzen veranschaulicht.

Abbildung 6: Die vormals zwölf Provinzen und die fünf neu gestalteten Provinzen der Republik Ruanda (Quelle: INWENT 2007, S. 2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die neuen Provinzen sind nach den vier Himmelsrichtungen und der Hauptstadt (Kigali) des Landes benannt. Die genaue Gliederung lautet wie folgt (INWENT 2007, S. 2):

- Ostprovinz, mit Rwamagana als regionale Hauptstadt,
- Nordprovinz, mit Byumba als regionale Hauptstadt,
- Westprovinz, mit Kibuye als regionale Hauptstadt,
- Südprovinz, mit Nyanza als regionale Hauptstadt,
- und die Kigali-Provinz, mit Kigali als regionale Hauptstadt.

2.2.3 Demographie

Wie im folgenden Diagramm (vgl. Abb. 7) zu sehen ist, erfährt die Bevölkerungszahl von Ruanda im Jahre 1994 einen starken Rückgang. Die Bevölkerungszahl ging im Vergleich zum Vorjahr schlagartig um rund 1,8 Mio.

Menschen zurück. Der Grund hierfür ist der Genozid ab April 1994, bei dem mehr als 800.000 Menschen - rund 10% der damaligen Bevölkerung - in nur 100 Tagen ihr Leben verloren (WORLD BANK COUNTRY SRUDY 2004, S. 22).

Die mit diesem Ereignis verbundene Flüchtlingswelle ist ein weiterer Grund für den starken Rückgang der ruandischen Bevölkerungszahlen im Jahr 1994.

Der im Jahr 1997 beginnende starke Anstieg der Bevölkerung um rund 3,5 Mio. Menschen bis zum Jahr 2007 (vgl. Abb. 7) hängt damit zusammen, dass die ruandischen Flüchtlinge, die während des Völkermordes in die Nachbarländer geflohen sind, im Laufe der Jahre zu großen Teilen nach Ruanda zurückgekehrt sind.

Abbildung 7: (Quelle: COUNTRY REPORT 1997/ COUNTRY REPORT 1999-2002/ COUNTRY REPORT 2003-2008)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der starke Anstieg der städtischen Bevölkerung (in den letzten 15 Jahren von unter fünf auf rund 17% (INWENT 2007, S. 1) resultiert - wie der Anstieg der Bevölkerungszahl in den anderen Landesgebieten - ebenso aus den Flüchtlingswellen.

Eine weitere Ursache für die immer stärker anwachsende Bevölkerungszahl liegt in der natürlichen Bevölkerungsentwicklung von Ruanda begründet. Laut „United Nations Development Programme“ wächst die Bevölkerung von Ruanda jährlich um 3,5% (UNITED NATIONS DEVELOPMENT PROGRAMME 2007, S. 12). Die Geburtenrate der Republik lag im Jahre 2005 bei durchschnittlich 5,8 Kindern pro Familie (DEVELOPMENT EXPERIENCE CLEARINGHOUSE 2005, S. 3). Dies hat zur Folge, dass bis zum Jahr 2020 eine Einwohnerzahl von 16 Mio. Menschen erwartet wird, was eine große Herausforderung für die Entwicklung des Landes darstellt (CELESTIN, G. 2001, S. 13).

Abbildung 8: (Quelle: UNITED NATIONS CONFERENCE ON TRADE AND DEVELOPMENT 2006, S. 14)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bedingt durch den Genozid, die hohe Geburtenrate sowie die unübersehbaren Folgen der AIDS-Problematik in Schwarzafrika besteht die Bevölkerung in Ruanda fast zur Hälfte aus Kindern und Jugendlichen im Alter von 0-14 Jahren (vgl. Abb. 8), unter denen ein erheblicher Anteil an Waisen ohne elterliche Versorgung ist.

Da die meisten von ihnen über keine oder nur geringe Schulbildung verfügen (vgl. 2.2.1), werden sie auch im Erwachsenenalter kaum in der Lage sein, sich produktiv in den Wirtschaftsprozess einzufügen. Aus diesem Grund legt die ruandische Regierung in ihrem “Poverty Reduction Strategy Paper“ (PRSP) einen besonderen Schwerpunkt auf die Schulbildung. (WORLD BANK COUNTRY STUDY 2004, S. 22).

Die Economic and Social Development Strategy“ - als elementarer Teilbereich des PRSP - zielt darauf ab, jedem Kind zumindest einen Grundschulabschluss, bei entsprechender Eignung auch den Besuch einer weiterführenden Schule zu ermöglichen, um so in Zukunft den Bedarf an qualifizierten Arbeitnehmern abdecken zu können (WORLD BANK COUNTRY STUDY 2004, S. 16).

3. DER GENOZID VON 1994 UND SEINE WIRTSCHAFTLICHEN FOLGEN

3.1 Der Genozid von 1994

Ein Genozid „umfasst nach der Völkermordkonvention der UNO von 1948 (Artikel 2) Handlungen, die in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassistische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“ (HEINSOHN, G. 1999, S. 149).

Die Zerstörung soll durchgesetzt werden durch:

- „Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
- Verursachung von schweren körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
- vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
- Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
- gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe“ (HEINSOHN, G. 1999, S. 149).

Diese Definition trifft auch auf die Ereignisse zu die sich im April 1994 in Ruanda zutrugen.

Eigentliche Ursache hierfür waren die traditionellen sozialen Ungleichheiten zwischen Hutu- und Tutsi- Bevölkerung. Als die Dominanz der Tutsi-Minderheit von den deutschen und später den belgischen Kolonialherren noch gefördert wurde, kam es 1959-1961 zu einer Rebellion von Seiten der Hutu-Majorität5 gegen die unter belgischer Kolonialherrschaft bestehende Tutsi-Monarchie (STETTENHEIM, J. 1999, S. 215).

Nach der Rebellion (1962) wurde die Tutsi-Monarchie durch eine unabhängige Hutu-Regierung unter Präsident Kayibanda ersetzt (STETTENHEIM, J. 1999, S. 214), was zahlreiche Tutsi zur Flucht ins benachbarte Ausland veranlasste. Die Diskriminierung der im Land verbliebenen Tutsi nahm immer schärfere Formen an, insbesondere nachdem Ruanda 1973 nach einem unblutigen Putsch unter dem neuen Machthaber Juvenal Habyarimana faktisch zu einer Militärdiktatur geworden war (WIESE, B. 1997, S. 56). Im Oktober 1987 organisierten sich die Exil-Tutsi zur Rebellenarmee „Front Patriotique Rwandaise“ (FPR) die 1990 von Uganda nach Ruanda einmarschierte (STETTENHEIM, J. 1999, S. 215). Die Kämpfer der FPR setzten sich vornehmlich aus Familien der Altflüchtlinge in Uganda zusammen. Damit begann der Bürgerkrieg in Ruanda. Die militärische Schlagkraft dieser Allianz war so groß, dass es ihnen gelang, große Gebiete im Norden des Landes einzunehmen, so dass der damalige Hutu-Diktator J. Habyarimana gezwungen war, Friedensverhandlungen mit den Rebellen zu führen. Am 3. August 1993 wurde schließlich der Friedensvertrag von Arusha6 geschlossen. Der Vertrag sah die Errichtung eines Mehrparteiensystems und die Bildung einer Übergangsregierung unter Beteiligung von Hutus und Tutsis vor (WIESE, B. 1997, S. 56). Ebenso wurde die Integration der Kämpfer der FPR in die ruandische Armee gefordert (SOZIALWISSENSCHAFTEN UNI-HAMBURG 2003). Um die Sicherheit im Land zu gewährleisten, wurde eigens dafür die „United Nations Assistance Mission for Rwanda“ (UNAMIR) gegründet. Im November 1993 erreichten die ersten von insgesamt 2.500 UNAMIR-Soldaten das Land (SOZIALWISSENSCHAFTEN UNI-HAMBURG 2003). Für die radikalen Anhänger des Habyarimana-Regimes waren die Forderungen der FPR unannehmbar, so dass diese den schwelenden Rassenhass in Ruanda erneut verstärkten. Die Propaganda steigerte sich bis zur systematischen Planung eines Völkermordes durch die Erstellung von Todeslisten, Verteilung von Waffen und Aufruf zum Fremdenhass in den Medien, insbesondere im Radio (SOZIALWISSENSCHAFTEN UNI- HAMBURG 2003).

Am 6. April 1994 begann das Töten.

Auslöser hierfür war der Abschuss eines Flugzeuges mit Habyarimana und Burundis neuem Präsidenten Ntaryamira an Bord, bei dem beide ums Leben kamen. (WIESE, B. 1997, S. 55). Damaligen Behauptungen zufolge sollten Tutsi- Rebellen diesen Anschlag verübt haben, jedoch ist dieser Vorfall bis dato unaufgeklärt (SOZIALWISSENSCHAFTEN UNI- HAMBURG 2003).

Noch in derselben Nacht wurden die zuvor geschmiedeten Pläne des Völkermordes an den Tutsi in die Tat umgesetzt. Das Ziel der Hutu-Dominierten Armee FAR und der paramilitärischen Jugendmilizen war es, sowohl die gesamte Tutsi-Minderheit als auch die oppositionellen Hutu zu vernichten. Durch Hetzpropaganda in den Medien erreichten die radikalen Hutu, dass sich große Teile der Zivilbevölkerung an der Verfolgung beteiligten. Von diesem Zeitpunkt an „muss man von einem „Abrechnungs- Blutrausch“ sprechen. Nicht nur Hutu ermordeten Tutsi, sondern auch Lehrer ihre Schüler, Priester ihre Gläubigen und Familienangehörige ihre Nächsten“ (WIESE, B. 1997, S. 55).

Bereits am 21. April 1994 wurden daraufhin große Teile der UNAMIR-Truppen aus Ruanda abgezogen. Lediglich 270 Soldaten blieben im Land (STETTENHEIM, J. 1999, S. 215). Nur so konnten sich die Übergriffe innerhalb kürzester Zeit zu einem Völkermord ausweiten.

In den folgenden 100 Tagen nach dem Flugzeugabschuss wurden mehr als 800.0007 Tutsi und oppositionelle Hutu - was damals ungefähr 10% der Gesamtbevölkerung ausmachte - systematisch getötet (WORLD BANK COUNTRY SRUDY 2004, S.

22). Erst der militärische Sieg der FPR im Juli 1994 unter ihrem Anführer Paul Kagame beendete das Morden (WIESE, B. 1997, S. 56).

Am 18.Juli 1994 erklärte die FPR den Bürgerkrieg für beendet (STETTENHEIM, J. 1999, S. 215).

Am 19. Juli 1994 ernannte die FPR den Hutu Pasteur Bizimungu (FPR) zum Staatspräsidenten und bestätigte Premierminister Faustin Twagiramungu, ebenfalls ein Hutu, in seinem Amt als Regierungschef; Vizepräsident und Verteidigungsminister wurde Paul Kagame (FPR) (SOZIALWISSENSCHAFTEN UNI-HAMBURG 2003), der seit April 2000 amtierendes Staatsoberhaupt von Ruanda ist. Nach der Machtübernahme der FPR flohen rund 2,5 Millionen meist radikale ruandische Hutu aus Angst vor Racheakten in die Nachbarländer (WIESE, B. 1997, S. 55). Davon flohen rund 1,2 Millionen nach Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo (vgl. Abb. 9).

[...]


1 Je nach Literaturangaben schwanken die Einwohnerzahlen für das Jahr 2007 zwischen 9,2 Mio. und rund 9,9 Mio. Einwohnern.

2 zum Vergleich: Im deutschen Bundesland Hessen leben circa 6 Mio. Einwohner auf 21.115 km²; das entspricht 289 EW/km² (STATISTISCHES BUNDESAMT 2006).

3 Stand 2001.

4 Stand 2007.

5 Rund 88% der damaligen ruandischen Bevölkerung (SOZIALWISSENSCHAFTEN UNI-HAMBURG 2003).

6 Stadt in Tansania (EMBASSY OF TANZANIA (1997-2008)).

7 Genaue Zahlen sind leider nicht bekannt; verschiedene Quellen besagen jedoch noch mehr als 1.000.000 Opfer.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Die Wirtschaftsgeographie von Ruanda unter besonderer Berücksichtigung der sozioökonomischen Entwicklung nach 1994
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
3,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
97
Katalognummer
V120967
ISBN (eBook)
9783640250462
ISBN (Buch)
9783640793808
Dateigröße
1853 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirtschaftsgeographie, Ruanda, Berücksichtigung, Entwicklung
Arbeit zitieren
Oliver Bartoschek (Autor:in), 2008, Die Wirtschaftsgeographie von Ruanda unter besonderer Berücksichtigung der sozioökonomischen Entwicklung nach 1994, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120967

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