Rechtsfragen beim Kauf von Kunstgegenständen


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2008

24 Seiten, Note: 13 Punkte


Leseprobe


Gliederung

A) Einführung

B) Gesetzliche Sachmängelgewährleistung beim Kunstkauf
I) Voraussetzungen
1) Echtheit des Werkes
a) Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 I 1 BGB
b) Beschaffenheit gemäß § 434 I 2 Nr. 1 und 2 BGB
2) Originalcharakter des Werkes
a) Voraussetzungen bei der Druckgraphik
aa) Eigenhändigkeit
bb) Handarbeit
cc) Ursprünglichkeit
b) Voraussetzungen bei der Plastik
3) Limitierte Editionen
4) Sonstige Mängel
II) Rechtsfolgen

C) Garantie und Haftungsbeschränkung beim Kunstkauf
I) Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie § 443 I BGB
II) Haftungsbeschränkung durch Individualvereinbarung
III) Haftungsbeschränkung durch AGB
1) Generelle Zulässigkeit
2) Wirksamkeitsvoraussetzungen im Einzelnen

D) Haftungsbesonderheiten bei der Kunstauktion
I) Der Versteigerer als Kommissionär
1) Anspruch aus Kaufvertrag
2) Anspruch aus Vertrag zu Gunsten Dritter
3) Anspruch durch Abtretung
4) Anspruch aus Drittschadensliquidation
5) Verpflichtung zur Weiterleitung der Mängelrüge
6) Verpflichtung zur Schadloshaltung des Käufers
7) Verpflichtung zur Rücknahme mangelhafter Kunstgegenstände
II) Der Versteigerer als Stellvertreter

E) Die Haftung des Kunstsachverständigen
I) Haftung gegenüber dem Auftraggeber
II) Haftung gegenüber Dritten

F) Zusammenfassung

A) Einführung

Der Kunsthandel unterlag im letzten Jahrhundert einem starken Wandel. Während noch bis Ende der 1950er Jahre vor allem Adel und wohlhabendes Bürgertum den Kunstmarkt beherrschten, entdeckten nach dem Zweiten Weltkrieg mit wachsendem Wohlstand völlig neue Käuferschichten diesen Markt für sich.[1] Mit der erhöhten Nachfrage stiegen gleichzeitig der Handel mit Fälschungen sowie die Zahl der unseriösen Kunsthändler. Heute ist es daher wichtiger denn je, den oft unerfahrenen Kunstkäufer vor eben diesen zu schützen.

Die nachfolgende Arbeit befasst sich mit den rechtlichen Besonderheiten beim Kauf von Kunstgegenständen. Neben der Problematik der Sachmängelgewährleistung werden rechtliche Fragestellungen hinsichtlich Garantieerklärungen und Haftungs-beschränkungen erörtert. Abschließend werden die Haftungsbesonderheiten bei Kunstauktionen betrachtet und auf die Haftung des Kunstsachverständigen für eine fehlerhafte Expertise eingegangen.

B) Gesetzliche Sachmängelgewährleistung beim Kunstkauf

Beim Kauf von Kunstgegenständen finden grundsätzlich die allgemeinen Regelungen über die Sachmängelgewährleistung nach den §§ 434 ff. BGB Anwendung. Die sich aus der Natur eines Kaufvertrages über ein Kunstwerk ergebenden besonderen Probleme und deren Rechtsfolgen sind hier zunächst Gegenstand der Betrachtung.

I) Voraussetzungen

Voraussetzung des Eingreifens der Sachmängelgewährleistungsrechte ist das Vorliegen eines Sachmangels bei Gefahrübergang. Zentral ist hierbei die Frage, wann einem Kunstgegenstand ein Mangel[2] anhaftet. Unter einem Mangel wird die nachteilige Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit der Sache verstanden.[3] Letztere richtet sich in erster Linie nach der Vereinbarung der Parteien, beim Fehlen einer solchen nach den Kriterien des § 434 I 1 Nr. 1 und 2 BGB.

1) Echtheit des Werkes

Der wahrscheinlich schwerwiegendste Mangel, der einem Kunstwerk anhaften kann, ist die Unechtheit. Diese führt unstreitig zur Anwendung der Vorschriften über die Sachmängelgewährleistung[4]. Nach allgemeiner Definition ist ein Kunstwerk unecht, wenn es nicht von einem bestimmten Urheber oder aus einer bestimmten Stilepoche stammt.[5] Maßgeblich ist immer die Vereinbarung der Parteien. Wird zum Beispiel ein Kaufvertrag über ein Ölgemälde von van Gogh geschlossen, stellt sich aber später heraus, dass dieses in Wahrheit nicht von dem berühmten Maler stammt, so gilt das Werk als unecht. Wird hingegen ein Kunstwerk von einem Kunstfälscher nachgemalt und anschließend ganz offen als Fälschung verkauft, so handelt es sich nicht um ein unechtes Werk. Der Hersteller begeht jedoch meist eine Urheberrechtsverletzung.[6] Unecht ist damit streng genommen nie das Kunstwerk an sich, sondern allein dessen Zuordnung.[7]

Werden an einem Kunstgegenstand Restaurierungen vorgenommen, kann es fraglich sein, ob das Werk noch dem ursprünglichen Urheber zuzuordnen ist. Durch so genannte unechte Restaurierungen soll das Kunstwerk dem jeweiligen Zeitgeschmack angepasst. Hierdurch kann ein echtes Werk zu einem Unechten werden. Fraglich ist insbesondere, inwieweit der Charakter eines Werkes verändert werden darf, damit es als unecht zu qualifizieren ist.[8]

Bevor ein Verkäufer wegen der Unechtheit eines Werkes in Anspruch genommen werden kann, ist zu prüfen, ob dessen Echtheit überhaupt Vertragsgegenstand geworden ist. Die Beantwortung dieser Frage bereitet nicht selten erhebliche Schwierigkeiten.

a) Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 I 1 BGB

Am einfachsten ist die Rechtslage, wenn eine ausdrückliche Vereinbarung beider Parteien über die Beschaffenheit der Sache im Sinne des § 434 I 1 BGB vorliegt. Die Echtheit eines Werkes kann aber auch durch schlüssiges Verhalten Gegenstand des Vertrages werden.[9]

Hier ist jedoch die Abgrenzung zum bloßen Spekulationsgeschäft vorzunehmen, bei dem der Käufer lediglich hofft, ein echtes Kunstwerk zu erwerben, dies aber nicht Inhalt des Vertrages wird. Diese erfolgt durch Auslegung der Willenserklärungen unter Zuhilfenahme verschiedener Anhaltspunkte.[10] Solche sind insbesondere der vereinbarte Kaufpreis sowie das Signum des Künstlers. So hat schon das Reichsgericht in der bekannten Thoma-Entscheidung von einem hohen Kaufpreis auf die vertraglich vereinbarte Echtheit eines Ölgemäldes geschlossen.[11] Ebenso belege das eigenhändige Signum eines Künstlers die Echtheit des mit ihm versehenen Werkes.[12] Etwas anderes gilt allerdings, wenn das Werk lediglich mit einem Monogramm versehen ist. Solange dies nicht zweifelsfrei einem bestimmten Künstler zugeordnet werden kann, wie es beispielsweise bei H.M. für Henri Matisse der Fall ist, bedarf es zur Annahme einer Urhebervereinbarung weiterer Umstände.[13]

Zusätzliche Anhaltspunkte können Kataloge, Bestellscheine, und Zeitungsannoncen sein.[14] Werden diese von den Parteien bei den Vertragsverhandlungen stillschweigend zu Grunde gelegt und die Beschaffenheit der Sache nicht noch einmal näher erörtert, so werden sie Gegenstand des Vertrages.[15]

Auch das Alter eines Kunstwerkes ist von großer Relevanz. Teilweise wird vertreten, dass bei Werken alter Meister generell ein Spekulationsgeschäft vorläge, da über die Zuordnung dieser Werke zu einem bestimmten Urheber keine absolute Sicherheit bestehen könne. Bei zeitgenössischen Kunstwerken hingegen könne eine Fälschung sehr viel leichter durch den Künstler selbst oder dessen Nachfahren aufgedeckt werden.[16] Diese Ansicht verkennt jedoch, dass die Zuschreibung eines Werkes an Hand objektiv nachprüfbarer wissenschaftlicher Methoden wie chemischen Farbanalysen und Röntgenuntersuchungen erfolgt. Des Weiteren ist nicht klar, wo genau die zeitliche Grenze zwischen alter und zeitgenössischer Kunst gezogen werden soll.[17] Angemessener erscheint hier der Vorschlag Goepferts,[18] Kunstwerke in bestimmte Kategorien einzuteilen, bei denen die Bestimmung des Urhebers sehr schwierig ist. Als Beispiele nennt er unsignierte mittelalterliche Handzeichnungen und Werke niederländischer Künstler des 17. Jahrhunderts. Hier soll im Zweifel lediglich das Werk einer bestimmten Stilepoche, nicht jedoch eines bestimmten Urhebers geschuldet sein.[19]

Schließlich können Sachverständigengutachten einen Anhaltspunkt bieten. Wird darin beispielsweise ein Werk einem bestimmten Urheber zugeordnet und distanziert sich der Verkäufer nicht vom Inhalt der Expertise, so wird dieser Vertragsgegenstand.[20]

b) Beschaffenheit gemäß § 434 I 2 Nr. 1 und 2 BGB

Liegt nun keine solche Vereinbarung der Parteien über den Vertragsgegenstand vor, so ist auf § 434 I 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB zurückzugreifen. Fraglich ist jedoch, wann sich ein Kunstgegenstand für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung beziehungsweise für die gewöhnliche Verwendung eignet. Ebenso wenig ist klar, welche Beschaffenheit bei Werken gleicher Art üblich ist und was überhaupt Werke gleicher Art bei Kunstgegenständen sind.

Das Reichsgericht[21] befand in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1926, dass der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch darin läge, „dass der Käufer sich in seiner Wohnung der Werke der anerkannten Meister erfreue und in den Kreisen der Kunstsachverständigen als der Besitzer bedeutender und wertvoller, höchst seltener Kunstwerke gelte.“ Diese Definition bestätigte das Reichsgericht in der Ruisdael- Entscheidung[22] in leicht modifizierter Art. Was aber ist nun, wenn der Käufer ein Kunsthändler ist, der mit dem Erwerb rein wirtschaftliche Interessen verbindet und den Kunstgegenstand lediglich als Wertträger betrachtet? Hier greift oben genannte Definition nicht mehr. Daher ist nicht allein auf ästhetische Motive sondern vielmehr auch auf den Wert des Werkes abzustellen. Ein Mangel liegt somit vor allem dann vor, wenn das Werk auf Grund seiner Unechtheit in seinem Verkaufs- oder Tauschwert nicht unerheblich gemindert ist.[23]

Es kann mitunter passieren, dass ein Kunstgegenstand auf Grund seiner Unechtheit wertvoller ist, als die nach dem Vertrag geschuldete Sache. Hier liegt nur dann ein Sachmangel vor, wenn es dem Käufer gerade auf den Urheber ankam, etwa weil er das Werk für eine spezialisierte Sammlung erwerben wollte.[24]

2) Originalcharakter des Werkes

Der Originalcharakter ist besonders bei der ars multiplicata, also bei Kunstwerken problematisch, die nicht nur einmal vorhanden sind, sondern von denen Vervielfältigungen existieren. Gemeint sind damit vor allem Druckgraphiken und Plastiken.[25] Eine Differenzierung zwischen individueller Kunst und industrieller Massenproduktion ist hier sehr schwierig geworden. Das liegt vor allem daran, dass bei der seriellen Kunst eine Vielzahl weitgehend identischer Kunstwerke unter Einsatz eines Zwischenträgers, wie zum Beispiel eines Druckstocks oder einer Form, hergestellt werden und zudem Dritte in erheblichem Maße am Entstehungsprozess beteiligt sind.[26] Hoch umstritten ist daher die Frage, wann ein Werk noch einem Künstler als Urheber zugerechnet werden kann und es sich somit um ein Original handelt.

Nach Meinung von Gramm[27] sei immer nur der jeweilige Zwischenträger als Original anzusehen. Das fertige Werk könne folglich nie Originalqualität haben. Dem ist jedoch zu widersprechen. Vielmehr ist der Druckstock oder die Gussform als Zwischenstadium auf dem Weg zum fertigen Kunstwerk zu betrachten, so wie es auch bei Skizzen und Entwürfen der Fall ist.[28] Der Künstler selbst sieht schließlich auch erst das fertige Werk als sein eigentliches Kunstwerk an, welches er am Ende dem Publikum präsentiert.

Die Voraussetzungen des Originalcharakters der Druckgraphik variieren von denen der Plastik. Daher sollen beide im Folgenden getrennt untersucht werden. Zur Frage, wann ein Original vertraglich geschuldet ist, kann auf die Ausführungen über die Echtheit von Kunstgegenständen verwiesen werden.

[...]


[1] Extreme Ausprägung: http://www.zeit.de/2007/07/Aufmacher-Kunst.

[2] Nach altem Kaufrecht wurde zwischen Fehlern der Kaufsache und einer Zusicherung bestimmter Eigenschaften der Sache differenziert. Lediglich wenn letztere vorlag haftete der Verkäufer nicht nur auf Wandlung und Minderung, sondern auch auf Schadensersatz; dazu: Locher, S. 126 f.; Schack, S. 154, Rn. 379.

[3] Schack, S. 154, Rn 379.

[4] Löhr, in GRUR 1976, S. 411 (413); Schack, Kapitel 12 III, Rn 382; Westerholt/ Graupner, in NJW 1978, S. 794; OLG Frankfurt, in NJW 1982, S. 651.

[5] Goepfert, S. 27; Grunewald, in Erman, § 434, Rn 41; OLG Hamm, in NJW 1987, S. 1028; Thomsen, S. 28; BGHZ 63, S. 369 (371).

[6] Ebling/ Schulze, S. 161, Rn 22.

[7] Näher dazu: Schack, Kapitel 3 I, Rn 39.

[8] Goepfert, S. 42; Locher, S. 129; Schack, Kapitel 3 I, Rn 40.

[9] OLG Hamm, in NJW 1987, S. 1028.

[10] Goepfert, S. 37; Heinbuch, in NJW 1984, S. 15 (16 f.).

[11] Goepfert, S. 37 f; RGZ 114, S. 239 (240 f.).

[12] Goepfert, S. 38; Locher, S. 127; Westerholt/ Graupner, in NJW 1978, S. 794 (795); RGZ 114, S. 239 (242).

[13] Goepfert, S. 39.

[14] Goepfert, S. 40.

[15] Brox/ Walker, § 4 Rn 9; Heinbuch, in NJW 1984, S. 15 (21); OLG Frankfurt, in NJW 1982, S. 651 (652).

[16] Ebling/ Schulze, S. 162, Rn 23; Heinbuch, in NJW 1984, S. 15 (16); RGZ 114, S. 239 (242 f.); Das OLG München verneinte beim Kauf einer Cranach-Zeichnung einen Sachmangel, da die Herkunft nicht eindeutig festgestellt werden könne und der Käufer sich auf ein gewagtes Geschäft eingelassen habe: OLG München, SeuffA 90 (1909), Band 65.

[17] Goepfert, S. 41.

[18] Goepfert, S. 40.

[19] Goepfert, S. 40; so im Ergebnis auch: Locher, S. 127.

[20] Goepfert, S. 41 f; Wertenbruch, in NJW 2004, S. 1977 (1978).

[21] RGZ 115, S. 286 (287).

[22] RGZ 135, S. 339 (342); so auch: OLG Frankfurt, in NJW 1993, S. 1477.

[23] Goepfert, S. 36; Katz, S. 38 f; Schack, Kapitel 12 III, Rn 383; Westerholt/ Graupner, in NJW 1978, S. 794.

[24] OLG Frankfurt, in NJW 1982, S. 651; Westerholt/ Graupner, in NJW 1987, S. 794.

[25] Goepfert, S. 55 f.; Heinbuch, in NJW 1984, S. 15 (18).

[26] Goepfert, S. 55.

[27] Gramm, § 26, Rn 5; § 114, Rn 4.

[28] Goepfert, S. 56; im Ergebnis auch: Heinbuch, in NJW 1984, S. 15 (18).

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Rechtsfragen beim Kauf von Kunstgegenständen
Hochschule
Universität des Saarlandes
Veranstaltung
Seminararbeit im Kaufrecht
Note
13 Punkte
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V120948
ISBN (eBook)
9783640243792
ISBN (Buch)
9783640246854
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rechtsfragen, Kauf, Kunstgegenständen, Seminararbeit, Kaufrecht
Arbeit zitieren
Christin Müller (Autor:in), 2008, Rechtsfragen beim Kauf von Kunstgegenständen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120948

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