Staseis in Athen im Zusammenhang mit den Usurpationen des Peisistratos


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

23 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

1. Die chronologische Darstellung der Usurpationen des Peisistratos
1.1. Die erste Usurpation
1.1.1. Die Stasissituation 561/560 in Athen
1.1.2. Der Weg zur ersten Machtübernahme
1.1.3. Besetzung der Akropolis
1.2. Die zweite Usurpation
1.2.1. Das Bündnis des Megakles und Peisistratos
1.2.2. Vertreibung aus Athen
1.3. Die dritte Usurpation
1.3.1. Exil in Eretria
1.3.2. Die Rückkehr zur Macht
1.3.3. Sicherung der Tyrannis
1.3.4. Quellenvergleich

2. Die Mechanik des Stasisgeschehens
2.1. Gruppenkonstellationen
2.2. Gegenstände und Zielorientierungen
2.3. Ebenen der Auseinandersetzung
2.4. Rolle von Verbannung und Verbannten
2.5. Rolle der auswärtigen Hilfe
2.6. mögliche Auflösung der Konfliktsituation

Schlussbetrachtungen

„ Peisistratos ausgreifendes Streben war weit erhaben über kleinliche Eigensucht

und entfernt von allem Übermut (vgl. Aristot. Ath. Pol. 16,8) ; es diente derjenigen

Idee, welche dem Griechen als die höchste galt, der Vaterstadt.“[1]

Zu diesem Urteil kam Fritz Schachermeyr über Peisistratos, der Mann, der nach zwei mißlungenen Usurpationen seine Vaterstadt Athen gewaltsam als Tyrann einnehmen konnte.

Zeitgenössische Quellen berichten über diese Vorfälle nichts, was daran lag, dass es zu Lebzeiten des Peisistratos[2] noch keine Geschichtsschreibung gab. Nur in mündlicher Tradition wurden die Geschehnisse über ungefähr drei Generationen weitergetragen.[3]

Herodot aus Halikarnassos, der erste Geschichtsschreiber überhaupt, daher auch von Cicero als pater historiae bezeichnet[4], lebte von ca. 490-425 v.Chr. , also ein Jahrhundert nach Peisistratos. Als erster Geschichtsschreiber beschäftigte er sich ausführlich mit den Usurpationen des Peisistratos in den Exkursen I 59-64 und V 55-94.

Die Erzählung ist in Herodots Werk ein Exkurs im Rahmen der Kroisosgeschichte (Hdt. I 26-94). König Kroisos hält nach einem mächtigen Bundesgenossen für seinen geplanten Feldzug gegen Kyros Ausschau und will sich zwischen den beiden mächtigsten Bundesgenossen Sparta und Athen entscheiden. Seine Wahl fällt schließlich auf Sparta und in den folgenden Exkursen gibt er die Begründung für Sparta ( Hdt. I 65-68) und gegen Athen ( I 59-64) .

Des weiteren hat sich auch Aristoteles ( ca. 384 – 322 v. Chr.) in seinem Werk „Der Staat der Athener“ (Athenaion politeia) in den Exkursen 13.4. –17.2. mit Peisistratos befaßt. Jedoch ist diese Quelle mit etwas mehr Abstand zu sehen, da diese nicht mehr wie bei Herodot auf mündlicher Überlieferung basiert, sondern bereits auf sekundärer Literatur, worauf aber im Verlauf der Ausführungen noch näher eingegangen werden soll. Aufgabe dieser Hausarbeit soll es sein, im ersten Teil die Chronologie der Usurpationen aufzuzeigen. Inwiefern unterschieden sich die drei Usurpationen und mit

welchen Mitteln gelang es Peisistratos schließlich doch, die Macht in Athen an sich zu reißen und Tyrann zu werden? Der zweite Hauptteil der Arbeit hat die Überschrift „ Die Mechanik des Stasisgeschehens“. Hier soll näher auf die Zusammensetzung und das Zusammenspiel der verschiedenen Gruppen und auf Fragen eingegangen werden, die die Ziele der Führer betreffen oder auch auf welchen Ebenen die Auseinandersetzungen stattfanden. Welche Rolle spielten Aspekte wie Verbannung, Verbannte oder auswärtige Hilfe für die Erlangung der Tyrannis für Peisistratos? Im Mittelpunkt dieser Klärungen stehen die Quellen von Herodot (I 59-64) und Aristoteles ( Ath.pol. 13,4 – 17,2).

1. Die chronologische Darstellung der Usurpationen des Peisistratos

1.1. Die erste Usurpation

1.1.1. Die Stasissituation 561/560 in Athen

Herodot berichtet am Beginn seines Exkurses von den beängstigenden Vorzeichen vor der Geburt des Peisistratos ( vgl. Hdt. I 59), die seinem Vater Hippokrates widerfahren waren. Von Chilon aus Lakedaimon bekommt er nach einem Orakel den Rat, keine Kinder zu zeugen und wenn er bereits welche hätte, solle er sich von ihnen lossagen. Den Spruch ignoriert Hippokrates und ihm wird sein Sohn Peisistratos geboren.

Diese Kurzgeschichte ist von Herodot auf Peisistratos zugeschnitten, wie der ganze Exkurs und dient eigentlich nur der Steigerung innerhalb dieser Erzählung. Auch ist es bei den griechischen Geschichtsschreibern ein probates Mittel, am Anfang der Erzählung mit unheilvollen Zeichen zu beginnen, was beim Leser eine gewisse Erwartungshaltung erzeugen soll.

Zu der Kindheit und Jugend des späteren Tyrannen äußert sich Herodot gar nicht, sondern er geht gleich zu der Stasissituation in Athen um 561/560 über.

Er berichtet, dass die Bürger der Ebene mit ihrem Anführer Lykurgos und die Bewohner der Küste unter Megakles miteinander im Streit lagen (vgl. Hdt. I 59,7). Peisistratos seinerseits gründete eine dritte Partei und wurde Führer der Bewohner jenseits der Berge. Aristoteles ( vgl. Ath.pol. 13,4) stellt diese Situation allerdings anders dar. Er geht bereits von drei bestehenden Stasisgruppierungen aus, sieht diese aber als Vertreter der verschiedenen Verfassungsordnungen: Megakles vertritt die gemäßigte Verfassung, Lykurgos die Oligarchie und Peisistratos als Vertreter der Demokratie. Zusätzlich erwähnt er aber auch die räumliche Zuordnung wie Herodot.

In der Forschung[5] besteht die einhellige Meinung, dass es sich bei der Verfassungsstruktur um eine spätere Konstruktion handelt und die Theorie aus der politischen Diskussion des vierten Jahrhunderts und der Theorien des Aristoteles entstammen.

Herodot betont seinerseits die Eigeninitiative von Peisistratos und macht deutlich, dass diese dritte Partei nur entsteht, weil Peisistratos bereits in Gedanken die Einzelherrschaft als Ziel verfolgte.(vgl. Hdt. I 59,7)

Aristoteles und Herodot sind sich in ihren Überlieferungen aber einig, dass es um 561/560 drei um die Vorherrschaft ringende Gruppierungen gab, wobei man davon ausgehen kann, dass es wohl noch mehr rivalisierende Führer gab, die in dieser primär geschilderten Situation nicht entscheidend involviert waren oder aufgrund der Kürze der Darstellung nicht erwähnt werden.

1.1.2. Der Weg zur ersten Machtübernahme

Nachdem Peisistratos Anhänger um sich scharen konnte, setzte er folgende Inszenierung in Gang (vgl. Hdt. I 59,7 und Ath. Pol 14,1): er verletzte sich selbst und seine Tiere und fuhr mit dem Wagen auf den Marktplatz, um dort den zusammenströmenden Massen in einer jammervollen Szene vorzugaukeln, dass er von seinen Feinden angegriffen worden sei, die ihm nach dem Leben trachteten.

Sinn dieser Aktion war es einerseits, bei den Leuten, die nicht zu seinen Anhängern gehörten, Mitleid zu erregen. Zu Gute mag ihm dabei auch gekommen sein, dass er sich bereits im Krieg gegen die Megarer einen Namen als Feldherr gemacht hatte, was ihn glaubwürdiger erschienen ließ.

Ein Anhänger von Peisistratos mit Namen Aristion stelle vor der Volksversammlung den Antrag, seinem Führer eine Leibwache zu seinem persönlichen Schutz zu stellen. Diese Information findet sich jedoch nur bei Aristoteles Ath.pol. 14,1, nicht bei Herodot. Es besteht die Möglichkeit, dass Herodot dieses Detail nicht erwähnt hat, weil es für ihn keine Bedeutung hatte. Doch ist fraglich, woher Aristoteles diese Information hatte, da ihm, im Gegensatz zu Herodot, keine mündliche Überlieferungen mehr zur Verfügung standen und er sich über andere Schriften orientieren mußte. Für den Gesamtzusammenhang spielt dieses Detail jedoch keine tragende Rolle.

Über die Zusammensetzung der Volksversammlung, die Peisistratos schlußendlich eine Leibgarde zugesprochen hatte (vgl. Hdt. I 59,8), herrscht in der Forschung keine Einigkeit. Während Welwei[6] und Berve[7] sich einig sind, dass die Anhänger von Peisistratos die Mehrheit in der Volksversammlung bildeten und er sich somit einer großen Unterstützung der Menschen in und um Athen gewiß sein konnte, da der überwiegende Teil der Bevölkerung, der die Möglichkeit hatte, an der Volksversammlung teilzunehmen, aus der näheren Umgebung stammen mußte.

Loretana de Libero[8] vertritt die Meinung, dass die Volksversammlung nur zu einem geringen Teil aus Peisistratos Anhängern bestand, da er das Ziel verfolgte, durch das Erschwindeln der Leibwache und Erregung von Mitleid noch weitere Bürger an sich zu binden, doch scheint diese Variante eher unwahrscheinlich, da Peisistratos für seinen erhofften wachsenden Einfluß erst mal eine Basis benötigte, die durchaus auf einer Mehrheit in der Volksversammlung beruhen mußte, damit er seine Ziele durchsetzen konnte.

Wie bereits erwähnt, wurde dem künftigen Tyrannen eine persönliche Leibwache aus Keulenträgern zugesprochen, was bis dahin einzigartig war. Man kann davon ausgehen, dass er diese Leibgarde nicht zu seinem Schutz benötigte und er auch nicht im mindesten darauf angewiesen war, diese durch einen Beschluß der Volksversammlung zu bekommen. Wäre sein Leben wirklich in Gefahr gewesen, so hätte es in seinen Mitteln und seiner Macht gelegen, eine Leibgarde aus jungen Aristokraten um sich zu scharen. Jedoch muß an dieser Stelle auch beachtet werden, dass es scheinbar keine Unmöglichkeit war, dass Führer von anderen Anhängern angegriffen wurden und diese Geschichte dem Demos glaubhaft schien.

Der große Wert für Peisistratos lag in der Symbolik dieser Leibgarde. Die Keule ist die Waffe und das Symbol von Herakles, „eines Vorbildes aristokratischen Kämpfertums“[9], er umgibt sich symbolisch gesehen mit Halbgöttern. Der Effekt dürfte in Athen deutlich

gewesen sein: diese Garde war Demonstrationsmittel seiner Macht, mit dieser konnte er sich von den befeindeten Führern abheben, die nun keine von der Volksversammlung genehmigte Leibwache vorweisen konnten. De Libero bezeichnet dies auch sehr treffend als den „Gradmesser seiner Beliebtheit“ in Athen.[10]

[...]


[1] Schachermeyr,F., Peisistratos von Athen, in: Kinzl, K.H.(Hrsg.), Die ältere Tyrannis bis zu den Perserkriegen, Beiträge zur griechischen Tyrannis, Darmstadt 1979, S.97f.

[2] Die genauen Lebensdaten des Tyrannen Peisistratos können nicht zweifelsfrei benannt werden. Sicher hingegen ist, dass die erste Machtergreifung im Jahre 561/560 oder 560/559 stattgefunden hat und er im Jahre 528/527 gestorben ist. Vgl. ebenda, Seite 102.

[3] In der Forschung wird von drei Generationen ausgegangen, da angenommen wird, dass die Großeltern die Ereignisse noch den Enkelkindern erzählen, diese aber, da sie es selbst nicht erlebt haben, es nicht weitertragen und so viele Geschehnisse in Vergessenheit geraten oder eine legendenhafte Form annimmt, die vieles idealisiert oder stilisiert

[4] Schadewaldt, W., Die Anfänge der Geschichtsschreibung bei den Griechen: Herodot, Thukydides³, Frankfurt/Main 1990.

[5] Vergleich dazu:Stahl, M., Aristokraten und Tyrannen im archaischen Athen. Untersuchungen zur Überlieferung, zur Sozialstruktur und zur Entstehung des Staates, Stuttgart 1987, S.66. oder Welwei,K.W., Athen. Vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Großpolis, Darmstadt1992, S.222.

[6] Welwei, K.H., Athen. Vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Goßpolis, Darmstadt 1992, S.223.

[7] Berve, H., Die Tyrannis bei den Griechen, 2 Bde., München 1967,S.47.

[8] Libero, L. de, Die archaische Tyrannis, Stuttgart 1996, S.57.

[9] Stahl, M., Aristokraten und Tyrannen im archaischen Athen. Untersuchungen zur Überlieferung, zur Sozialstruktur und zur Entstehung des Staates, Stuttgart 1987, S.62.

[10] Libero, L. de, Die archaische Tyrannis, Stuttgart 1996, S. 57.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Staseis in Athen im Zusammenhang mit den Usurpationen des Peisistratos
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Bürgerkriege in der klassischen und archaischen Zeit Griechenlands
Note
1,5
Autor
Jahr
2001
Seiten
23
Katalognummer
V12089
ISBN (eBook)
9783638180733
ISBN (Buch)
9783638642224
Dateigröße
526 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Staseis, Athen, Zusammenhang, Usurpationen, Peisistratos, Bürgerkriege, Zeit, Griechenlands
Arbeit zitieren
Steffi Reitz (Autor:in), 2001, Staseis in Athen im Zusammenhang mit den Usurpationen des Peisistratos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12089

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