Lernsoftware in der Förderung von Lese- und Rechtschreibschwäche: Versuch einer psycholinguistischen Reflexion


Examensarbeit, 2003

122 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhalt

1 EINLEITUNG

2 GESPROCHENE UND GESCHRIEBENE SPRACHE
2.1 DAS VERHÄLTNIS VON GESPROCHENER UND GESCHRIEBENER SPRACHE
2.2 NICHT-PHONOLOGISCHE UND PHONOLOGISCHE SCHRIFTSYSTEME
2.3 DIE DEUTSCHE SPRACHE UND IHRE VERSCHRIFTUNGSPRINZIPIEN
2.4 SCHLUSSBEMERKUNG

3 KOGNITIVE MODELLE ZUR SCHRIFTSPRACHVERARBEITUNG
3.1 VORBEMERKUNG
3.2 DAS LOGOGENMODELL VON MORTON
3.3 DAS INTERAKTIVE MODELL DES WORTERKENNENS
3.4. GEMEINSAMES MODELL FÜR DAS LESEN UND SCHREIBEN
3.4.1 Vorbemerkung
3.4.2 Lesen
3.4.3 Schreiben
3.5 ZUR BEDEUTUNG DES ARBEITSGEDÄCHTNISSES
3.6 SCHLUSSBEMERKUNG

4 ENTWICKLUNGSMODELLE DES SCHRIFTSPRACHERWERBS
4.1 VORBEMERKUNG
4.2 DAS SECHSPHASENMODELL DES LESEN- UND SCHREIBENLERNENS NACH FRITH
4.3 DER ANSATZ VON EHRI
4.4 DAS ORTHOGRAPHIC FRAMEWORK MODEL
4.5 SCHLUSSBEMERKUNG

5 DIE PHONOLOGISCHE BEWUSSTHEIT
5.1 VORBEMERKUNG
5.2 DEFINITIONEN
5.3 ROLLE DER PHONOLOGISCHEN BEWUSSTHEIT BEIM SCHRIFTSPRACHERWERB
5.4 SCHLUSSBEMERKUNG

6 STÖRUNGEN DES LESENS UND SCHREIBENS
6.1 DEFINITIONEN
6.2 BETRACHTUNG VON STÖRUNGEN AUF BASIS DER VORGESTELLTEN THEORIEN UND MODELLE
6.2.1 Visuell-perzeptuelle Aspekte
6.2.2 Phonologische Verarbeitungsschw ä chen
6.2.3 Schwierigkeiten bei der Ausnutzung von Informationen hinsichtlichorthographischer Regelm äß igkeiten, Morphemaufbau und Silbenunterteilung
6.3 ERKLÄRUNG DER LESERECHTSCHREIBSCHWÄCHE ANHAND DES ENTWICKLUNGSMODELLS DES SCHRIFTSPRACHERWERBS VON FRITH
6.4 LESE-RECHTSCHREIBSCHWÄCHE IM KONTEXT DES PROZESSMODELLS
6.5 IMPLIKATIONEN FÜR DIE BETRACHTUNG VON LERNSOFTWARE

7 VERSUCH DER PSYCHOLINGUISTISCHEN REFLEXION AUSGEWÄHLTER LERNSOFTWARE
7.1 VORBEMERKUNG
7.2 CESAR LESEN 1.0 - ZUR UNTERSTÜTZUNG DER LEGASTHENIE-THERAPIE
7.2.1 Vorbemerkung
7.2.2 Beschreibung und psycholinguistische Betrachtung
7.2.3 Zusammenfassende Bemerkung zur CD-ROM CESAR LESEN
7.3 DUDEN-LERNSOFTWARE ICH LERNE LESEN 1&2
7.3.1 Vorbemerkung
7.3.2 Beschreibung und psycholinguistische Betrachtung
7.3.3 Zusammenfassende Bemerkung zur Duden-Lernsoftware Ich lerneLesen 1&2
7.4 DIE SOFTWARE „LESE-ZEILE“

8 SCHLUSS

LITERATUR

ERKLÄRUNG

1 Einleitung

In den letzten Jahren sind Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten bei Kindern im Grundschulalter in zunehmendem Maße als Problem identifiziert worden. Eine Aussage über die Häufigkeit zu treffen ist ohne Bezugnahme auf operationalisierte Kriterien schwierig. Man geht jedoch davon aus, dass ca. 10-15% der deutschen Grundschulkinder deutliche Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben.1

Bedenkt man, dass z.B. die Stadt Heidelberg die Folgekosten von Therapie- und Fördermaßnahmen für lese- und rechtschreibschwache Kinder kaum noch tragen kann und deshalb verstärkt bereits in Kindergarten und Vorschule auf Präventionsmaßnahmen setzt, wird die Tragweite des Problems Lese- und Rechtschreibschwäche bei Kindern bewusst.2

Seit einigen Jahren greifen Lehrer und Therapeuten als Ergänzung zu konventionellen Fördermaßnahmen im Rahmen der Gruppen- oder Einzelförderung vermehrt auf Lernsoftware zum Lesen und Schreiben zurück. Auch die Eltern sind bemüht, durch den Einsatz dieser Programme ihre möglicherweise betroffenen Kinder zu fördern, bzw. die Software als Präventivmaßnahme einzusetzen.

Dementsprechend unübersichtlich ist der Markt für diese Programme inzwischen geworden und die Grundlagen, auf denen die dort angebotenen Übungen basieren, ebenso wie deren Qualität oder Erfolgsgarantie, bleiben oft fragwürdig.3

Auf der Seite der Forschung hat die Psycholinguistik in jüngerer Zeit ihre Erkenntnisse und Modelle zum Lesen und Schreiben, zum Schriftspracherwerb und somit auch zur Ermittlung von Ursachen für Lese-Rechtschreibschwäche stetig erweitert.

Die Frage nach der tatsächlichen Wirksamkeit solcher Fördersoftware kann im Rahmen dieser Arbeit zwar nicht geklärt werden, vielmehr unternimmt sie den Versuch, drei exemplarisch ausgesuchte Software-Programme auf Basis dieser psycholinguistischen Erkenntnisse zu beleuchten, um deren theoretisches Fundament abzuklopfen.

Dazu werden zunächst relevante kognitive und die Entwicklung des Schriftspracherwerbs betreffende Modelle und Theorien vorgestellt. Der theoretische Teil schließt mit dem wichtigen Aspekt der phonologischen Bewusstheit ab. Danach werden Störungen des Lesens und Rechtschreibens anhand der behandelten Theorien diskutiert und Implikationen für die Betrachtung von Fördersoftware unter psycholinguistischen Gesichtspunkten abgeleitet. Im dritten Teil der Arbeit wird die Lernsoftware CESAR LESEN 1.0 im Detail sowie zum Vergleich dazu zwei weitere Programme vorgestellt und auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse kritisch beleuchtet.

Die einschlägigen psycholinguistischen Modelle und Theorien und auch die untersuchte Software legen ein ungleich größeres Gewicht auf den Aspekt des Lesens als auf den des Schreibens. Dieser Gewichtung folgt auch die vorliegende Arbeit. Eine spezifische Beschäftigung mit der Rechtschreibschwäche würde den Rahmen der Arbeit sprengen.

2 Gesprochene und geschriebene Sprache

2.1 Das Verhältnis von gesprochener und geschriebener Sprache

Der Schriftspracherwerb wird als sekundärer Erwerbsprozess betrachtet, der auf einer Lautsprache basiert, deren wesentliche Elemente bereits entwickelt und stabilisiert sind. Der Erwerb der Schriftsprache folgt also ontogenetisch dem Lautspracherwerb. (ANDRESEN 1985, 18)

Nicht nur hinsichtlich des individuellen Erwerbs sondern auch kulturhistorisch betrachtet war der Mensch zur Lautsprache fähig, bevor er sich der Schriftsprache zu bedienen begann. Der Mensch hatte vor etwa 40.000 Jahren die voll artikulierte Lautsprache entwickelt und vor ca. 35.000 Jahren begonnenen, Gegenstände bildhaft abzubilden. (LUDWIG 1994, 48) Hinweise auf eine erstmalige konventionalisierte Verwendung von schriftlichen Symbolen reichen bis in das Jahr 3500 v. Chr. zurück. (CRYSTAL 1995, 196)

Zwischen gesprochener und geschriebener Sprache bestehen wesentliche Unterschiede.

Betrachtet man sprachliche Kommunikation im Sinne Watzlawicks (WATZLAWICK, BEAVIN & JACKSON 1985, 56), so weist diese sowohl einen Inhalts- als auch einen Beziehungsaspekt auf. Während der Inhaltsaspekt gewissermaßen Daten vermittelt, liefert der Beziehungsaspekt Informationen darüber, wie diese Daten zu verstehen sind. Unterstützend wirken hierbei außerdem Mimik, Gesten sowie die prosodische Gliederung der Mitteilung. Da diese Elemente im Falle der Schriftsprache nicht zur Verfügung stehen, muss hier explizit auf relevante Bedingungen des Kontextes eingegangen werden, prosodische Gliederungsmerkmale müssen beispielsweise mit Interpunktionen kenntlich gemacht werden. Außerdem trägt der Schreibende größere Verantwortung für den Inhalt seiner Mitteilung. Weil schriftliche Sprachverwendung primär monologisch abläuft und der Rezipient i. d. R. nicht anwesend ist, also auch gegebenenfalls nicht nachfragen kann, muss viel gründlicher durchdacht werden, welche Informationen der Lesende für eine gelungene Kommunikation benötigt.

Im Gegensatz zur mündlichen Kommunikation, die relativ spontan geschieht, ist dieses Durchdenken beim Schreiben viel eher gegeben. Der Lesende seinerseits kann die Aufnahme des Geschriebenen steuern, indem er z. B. einen Text schnell überfliegt oder aber gründlich und mehrmals durchliest. Ein weiterer Unterschied zwischen Schrift und mündlicher Sprache besteht darin, dass beim Schreiben die formelle Korrektheit der Mitteilung einen weitaus größerem Stellenwert besitzt.

2.2 Nicht-phonologische und phonologische Schriftsysteme

Bei frühen Schriftsystem handelt es sich um so genannte nicht-phonologische Systeme. Im Gegensatz zu phonologischen Schriftsystemen ist hier keine klare Beziehung zwischen den Schriftsymbolen und den Lauten der entsprechenden Sprache zu erkennen. Beispiele für nicht-phonologische Schriftsysteme sind Piktogramme, alte ägyptische Hieroglyphen oder Ideogramme4.

Bei phonologischen Schriftsystemen beziehen sich schriftsprachliche Einheiten direkt auf Einheiten der Lautsprache. Bei so genannten Silbenschriften repräsentiert ein Graphem eine Silbe (i. d. R. ein Konsonant-Vokal-Paar). Ein Beispiel für eine moderne Form der Silbenschrift ist das japanische Katakana. (CRYSTAL 1995, 201)

Die Entwicklung der ersten Alphabetschriften begann wahrscheinlich um 1700 v. Chr. in Palästina und Syrien. Aus ihnen entwickelten sich das hebräische, arabische und phönizische Alphabet, welches wiederum um 1000 v. Chr. die Grundlage für das griechische Alphabet bildete. Aus diesem gingen nun das lateinische bzw. die westlichen Schriftsysteme, also auch das deutsche Schriftsystem, hervor. (CRYSTAL 1995, 202)

Gleitman & Rozin (1973, 1977) und Rozin & Gleitman (1977) versuchen aus der phylogenetischen Analyse heraus Rückschlüsse auf bestimmte schriftsprachliche Eigenschaften zu ziehen, die für manche Kinder Probleme darstellen könnten. So fällt Kindern im Einschulungsalter die Einsicht in piktographische und logographische5 Prinzipien verhältnismäßig leicht, während das Verstehen von Graphem-Phonem-Korrespondenzen, wie sie in alphabetischen Schriftsystemen zu erlernen sind, eine größere Hürde darstellt.

(Gleitman & Rozin [1973, 1977] und Rozin & Gleitman [1977] in WALTER 1996, 60- 61)

2.3 Die deutsche Sprache und ihre Verschriftungsprinzipien

Grundlegendes Prinzip bei Alphabetschriften wie dem Deutschen ist das phonematische Prinzip. Es besagt, dass jedes Phonem durch ein einzelnes Graphem repräsentiert wird. Mit Phonem bezeichnet man das kleinste bedeutungsunterscheidende lautsprachliche Element einer Sprache, mit Graphem das mit einem Phonem korrespondierende schriftsprachliche Segment. Grapheme können dabei entweder aus einem Buchstaben oder aus einer Buchstabengruppe bestehen, z. B. repräsentiert <SCH>, den Laut /[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]/. Da die deutsche Sprache ca. 40 Phoneme, das Alphabet aber insgesamt nur 30 Zeichen enthält, ist eine eins-zu- eins Zuordnung dieser Elemente aber nicht durchgängig gegeben. (KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA 1995, 10)

Die Beziehungen zwischen laut- und schriftsprachlichen Elementen nennt man beim Schreibvorgang Phonem-Graphem-Korrespondenz (PGK), weil jedem Phonem ein Graphem zugeordnet wird. Im umgekehrten Fall des Lesens spricht man von der Graphem-Phonem-Korrespondenz (GPK).

Dabei ist zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger PGK bzw. GPK zu unterscheiden, wobei hier meistens Segmente eines Wortes und nicht das Wort als Ganzes betroffen sind.

Beispiel für eine unregelmäßige PGK ist /klaon/, welches man nach regelmäßiger PGK „Klaun“ schreiben müsste, tatsächlich aber Clown schreibt. Das Wort Jeep würde man gemäß regelmäßiger GPK /ie:p/ aussprechen, da es sich aber um ein

Wort mit unregelmäßiger GPK handelt, wird es /di:p/ ausgesprochen.

Bezüglich der regelmäßigen PGK/GPK wird außerdem zwischen kontext-sensitiven und kontextfreien Regeln unterschieden. Bei kontextsensitiven Regeln hängt die Zuordnung von Phonem zu Graphem bzw. von Graphemen zu Phonem vom Kontext, also beispielsweise benachbarten Graphemen, ab (z. B. Schal/Schall).

Erschwerend für den Lernenden kommt hinzu, dass PGK- und GPK-Regeln dabei nicht immer kongruent sind. Manche Wörter sind bezüglich der GPK regelmäßig, bezüglich der PGK unregelmäßig oder sogar ambig (ein Phonem/Graphem kann durch mehrere Grapheme/Phoneme realisiert werden) oder umgekehrt.

Außerdem können manche PGK/GPK-Regeln nur bei Berücksichtigung der internen morphologischen Wortstruktur regelgerecht realisiert werden.

Zwischen den verschiedenen Schriftsprachen, die sich des alphabetischen Systems bedienen, sind hinsichtlich der Korrespondenzen beträchtliche Unterschiede festzustellen. So gilt die deutsche Schriftsprache bezüglich ihrer Phonem-Graphem- Korrespondenz als relativ gemäßigt, während das Englische oder Französische verhältnismäßig unregelmäßige Korrespondenzen aufweisen. Anders ausgedrückt bildet das deutsche Schriftsystem den Phonembestand der deutsche Sprache eindeutiger ab, als es beispielsweise im Englischen der Fall ist. Nach Naumann (1989) können ca. 75 bis 90 Prozent der deutschen Wörter mit Hilfe von PhonemGraphem-Korrespondenzregeln eindeutig korrekt realisiert werden (Naumann [1989] in KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA [1995], 10).

Die Ansichten darüber, wie viele und welche Prinzipien bei der Rechtschreibung anzusetzen sind, differieren zwar, neben dem phonematischen Prinzip sind in vielen Darstellungen jedoch die folgenden Prinzipien zu finden (NERIUS 1987, 77):

Das morphematische Prinzip schränkt das phonematische Prinzip in seiner Wirksamkeit ein. Obwohl man z. B. in Wörtern wie Wälder oder Häuser /e/ bzw. /oi/ hört, so schreibt man doch <ä> und <äu>. Dieses Prinzip wurde eingeführt, um eine gewisse Konstanz des Kernmorphems auch bei unterschiedlicher Aussprache bei verschiedenen Flexionsformen zu gewährleisten.

Dieses in der deutschen Rechtschreibung überaus mächtige Prinzip wurde durch die Neuregelung von 1996 in seiner Wirksamkeit verstärkt.

Das historische Prinzip beschreibt, dass die Schreibweise von Wörtern tradiert wird, obwohl sich die Aussprache über die Zeit hinweg verändert hat. Beispielsweise wurden <St> und <Sp> am Wortanfang im Mittelhochdeutschen noch als /st/ und /sp/ ausgesprochen, während heute /[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]t/ und /[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]p/ üblich sind.

Das grammatische Prinzip besagt, dass so geschrieben werden soll, dass bestimmte grammatisch-syntaktische Merkmale erkennbar werden. Dieses Prinzip spiegelt sich z. B. im Bereich der Groß- und Kleinschreibung (z. B. Großschreibung von Substantiven) wieder.

Homophone Wörter, die sich in ihrer Bedeutung unterscheiden, werden schriftlich unterschiedlich realisiert, um eine bessere Verständlichkeit zu gewährleisten. Dieses Prinzip wird aber nicht konsistent angewendet, z.B. bei Wörtern wie Bank oder Ton.

2.4 Schlussbemerkung

Die komplexen Verschriftungsprinzipien des Deutschen können für Lernende zu Hürden werden. Unregelmäßigkeiten, beispielsweise bezüglich GPK/PGK, müssen abrufbar gespeichert sein, sonst kommt es zu Fehlleistungen. Doch auch in seiner regelmäßigen Anwendung macht unser Schriftsystem lese-rechtschreibschwachen Kindern zu schaffen. Die Psycholinguistik liefert mit ihren Theorien und Modellen beachtenswerte Erklärungen.

3 Kognitive Modelle zur Schriftsprachverarbeitung

3.1 Vorbemerkung

Während sich die traditionelle Legasthenieforschung lange Zeit auf die Beschreibung und Behandlung von isolierten Symptomen und Einzelphänomenen verlegte, betrachten die psycholinguistisch orientierten Ansätze der jüngeren Zeit die Lese- und Rechtschreibschwäche zunehmend im Kontext kognitiver Prozessmodelle der normalen Schriftsprachverarbeitung.

Lesen und Schreiben sind kognitive Prozesse. Da sich diese der direkten Beobachtung entziehen, sind in der kognitiven Neuropsychologie Theoriebildung und empirische Studien eng miteinander verknüpft.

Die Entwicklung psycholinguistischer Sprachverarbeitungsmodelle basiert auf Studien mit Patienten mit erworbenen hirnorganischen Funktionsstörungen. Somit wurde ein beträchtlicher Anteil des Wissens über das Funktionieren der normalen Schriftsprachverarbeitung aus Studien mit Patienten mit erworbenen Störungen der Schriftsprachverarbeitung gewonnen. (MARSHALL 1987, 23)

Nach DE BLESER, BAYER, LUZZATTI (1987, 119) führten Marshall und Newcombe (1973) in Ihrem Aufsatz Patterns of Paralexia das psycholinguistische Paradigma in die Erforschung erworbener Dyslexien ein und setzten so den methodologischen Standard für den neuen wissenschaftlichen Ansatz der kognitiven Neuropsychologie.

In Fallbeschreibungen von sechs Patienten, beobachteten Marshall und Newcombe (1973), dass diese in den seltensten Fällen überhaupt nicht in der Lage waren zu lesen. Vielmehr lasen die jeweils untersuchten Personen manche Wörter korrekt, während manche Wörter überhaupt nicht oder fehlerhaft gelesen wurden. Die Analyse und Klassifikation dieser Fehler mündete in der Annahme eines Zwei- Routen-Modells6 des normalen Lesens, dessen Komponenten im Falle einer neurologischen Schädigung selektiv betroffen sein können. (Marshall und Newcombe [1973] in DE BLESER, BAYER, LUZZATTI [1987, 119])

Dieser Aspekt findet sich in allen im Folgenden dargestellten Modellen wieder.

In jüngerer Zeit wurde die Frage gestellt, ob die Erkenntnisse die in der Arbeit mit hirngeschädigten Patienten gewonnen wurden, auch auf Personen mit einer entwicklungsbedingten, d. h. nicht auf eine erworbene Hirnschädigung zurückzuführende Lese- und Rechtschreibschwäche übertragbar sind. (CASTLES & COLTHEART 1996, 26)

Als Überlegungsgrundlage sollen hier deshalb einige einschlägige Modelle vorgestellt werden, anhand derer man Störungen von lese- und rechtschreibschwachen Kindern als Beeinträchtigung eines oder mehrerer Subsysteme innerhalb eines Gesamtsystems auffassen kann. Das Wissen über betroffene Subsysteme lässt Rückschlüsse auf eine gezieltere Förderung zu.

3.2 Das Logogenmodell von MORTON

Eines der frühesten und einflussreichsten Modelle der Wortverarbeitung ist das Logogenmodell von Morton, welches seit seiner Einführung im Jahr 1968 stetig weiterentwickelt wurde und dessen wesentliche Merkmale in vielen nachfolgenden Modellen zu finden sind. Auch liefert es den Rahmen, in dem Untersuchungen zum Lesen von Wörtern diskutiert werden. Mortons Ursprungsmodell war dabei für den Worterkennungsvorgang beim Lesen konzipiert, nachfolgende Modelle ermöglichten auch Vorstellungen über den Vorgang beim Rechtschreiben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Logogenmodell von MORTON aus FRITH (1986, 118)

Abbildung 1 zeigt eine bereits weiterentwickelte Form des Logogenmodells7. Morton nahm für dieses Modell das Konzept eines mentalen Lexikons an, bei dem er grundsätzlich zwischen dem Logogensystem und dem kognitiven System unterschied. MORTON (1986, 119) erklärt, dass die Wortbedeutungen im kognitiven System angesiedelt sind, welches seinerseits vom Logogensystem angesteuert wird. Im Logogensystem sind Wörter als Logogene mit ihren verschiedenen Eigenschaften, beispielsweise ihrer Schreibweise, repräsentiert.

Im Falle des Lesens werden diese Logogene aktiviert, wenn aus dem visuellen Analysesystem ankommende Informationen, wie z. B. in einem Wort enthaltene Buchstaben, den individuellen Schwellenwert des jeweiligen Logogens übersteigen. Das Wort wird dann erkannt.

Dabei vermutet man einen Einfluss der Wortfrequenz auf den jeweiligen Schwellenwert, d. h. der Einfluss der Wortfrequenz auf das Erkennen von Wörtern wird auf Aktivierungen im Logogensystem zurückgeführt. Relativ hochfrequente Wörter hätten danach einen relativ niedrigen Schwellenwert und würden somit leichter aktiviert. (SEYMOUR 1987, 41)

Das Output Logogen System erhält Informationen sowohl vom kognitiven System als auch vom Input Logogen System, produziert einen phonologischen Code und leitet diesen an den Response Buffer weiter, der seinerseits im Sprachproduktionssystem mündet. (MORTON 1986, 119-120)

3.3 Das interaktive Modell des Worterkennens

Das interaktive Modell des Worterkennens von McClelland und Rummelhart (McClelland und Rumelhart[1981], Rumelhart und McClelland[1982] in KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA[1995], 16) bietet eine mögliche Erklärung für den so genannten Wortüberlegenheitseffekt, der besagt, dass Wörter in kürzerer Zeit wahrgenommen werden können, als dies bei einzelnen Buchstaben und zufälligen Buchstabenfolgen der Fall ist (ELLIS 1984, 20).

Man nimmt an dass visuelle Informationen im Gedächtnis in einen abstrakten, robusten Code übersetzt werden8. Dieser Übersetzungsprozess besteht dabei offenbar in einer Abbildung von Buchstabenfolgen auf bereits gespeicherte sprachliche Strukturen. Das Interaktive Modell ermöglicht interaktive Prozesse zwischen dem im Lexikon gespeicherten Wissen und dem beim Lesen vorgefundenen visuellen Reiz.

PERFETTI (1992, 147) bezeichnet dieses Modell dabei als stark, Mortons Logogenmodell dagegen als nur schwach interaktiv.

GÜNTHER (GÜNTHER H. 1988, 152) erläutert die im interaktiven Modell ablaufenden Prozesse anschaulich an folgendem Beispiel:

Wird der initiale Buchstabe <t> auf Grund der für ihn typischen Merkmale (z.B. langer senkrechter Strich) erkannt, so aktiviert er die Worteinheiten, die hinsichtlich Identität und Position passen (z.B. take). Andere Worteinheiten, die zuvor möglicherweise durch ein finales <e> aktiviert waren, aber kein initiales <t> aufweisen, werden gehemmt, u.s.w.

Dieser Verarbeitungsprozess wird als bottom up Prozess bezeichnet. Gleichzeitig läuft die Informationsverarbeitung in entgegengesetzter Richtung, also top-down ab, indem über noch unfertige Worteinheiten Hypothesen entstehen, die ihrerseits wiederum den bottom up Prozess beeinflussen. (KLICPERA & GASTEIGER- KLICPERA 1995, 17)

Nach GÜNTHER (GÜNTHER, H. 1988, 153) werden Buchstaben in Wörtern „von oben“ wesentlich stärker angeregt als dies beispielsweise bei Nichtwörtern der Fall ist. Obwohl für Pseudowörter kein lexikalischer Eintrag besteht, werden diese auf Grund ihrer orthographischen Wohlgeformtheit ähnlich gut erkannt wie Wörter.

Dieses Modell liefert eine wichtige Erklärung für die Tatsache, dass geübte Leser sehr geschickt die orthographischen Regelmäßigkeiten des Schriftsystems ausnutzen können. Diese Regelmäßigkeiten bestehen beispielsweise darin, dass gewisse Buchstaben mit unterschiedlicher Häufigkeit vorkommen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in bestimmten Positionen des Wortes auftauchen, oder in einer gewissen Häufigkeit aufeinander folgen. (KLICPERA & GASTEIGER- KLICPERA 1995, 25-26)

3.4. Gemeinsames Modell für das Lesen und Schreiben

3.4.1 Vorbemerkung

Nach SCHEERER-NEUMANN (1995, 155) sprechen Phänomene wie der Worthäufigkeits- und Wortüberlegenheitseffekt für ein Modell, in dem Worterkennung gewissermaßen als Vergleich mit gespeicherter wortspezifischer Information zu verstehen ist. Ein Wort kann also dann identifiziert werden, wenn es bekannt ist und seine visuellen Merkmale im Gedächtnis präsent sind.

Die Kenntnisse über die Wörter seiner Sprache sind im mentalen Lexikon9 eines Lesers abgespeichert. Diese Eintragungen enthalten Informationen über Schreibung, Aussprache und Bedeutung eines Wortes. Der Zugang erfolgt bei vertrauten Wörtern direkt und ohne Rekodierung.10

Verschiedene Befunde sprechen für einen zusätzlichen Verarbeitungsweg (eine zweite „Route“), wie er in der weiterentwickelten Form des Logogenmodells (Abb.1) dargestellt ist. Diese Route operiert auf Basis von Graphem-Phonem- Korrespondenzen. Das relativ problemlose Lesen von Pseudowörtern und unbekannten Wörtern, für die kein Eintrag im mentalen Lexikon vorhanden ist, kann durch eine Rekodierung von einzelnen Buchstaben oder Buchstabengruppen in eine phonologische Form erfolgen. (KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA 1995, 19)

Diese indirekte Route findet normalerweise auch bei der Verarbeitung unregelmäßiger Wörter Anwendung.

Für die Existenz dieses Verarbeitungsweges spricht außerdem die Beobachtung, dass Personen mit einer so genannten Oberflächendyslexie11 in der Lage sind, Pseudowörter und Wörter mit regelmäßiger Graphem-Phonem-Korrespondenz zu lesen, während sie unregelmäßige Wörter regularisieren. <CLOWN> würde gemäß angewendeter Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln als /klovn/ gelesen. SCHEERER-NEUMANN (1995, 155)

Die meisten kognitiven Modelle des Lesens beruhen auf der Grundannahme zweier Routen12, die im Folgenden genauer detailliert werden. Das Zwei-Routen-Modell lässt sich auch auf das Schreiben anwenden.

3.4.2 Lesen

Der Vorgang des Lesens (vgl. Abb. 2) beginnt mit der visuellen Analyse des geschriebenen Wortes. Dabei werden zum einen die Buchstaben eines geschriebenen Wortes bzw. eines Neologismus identifiziert, außerdem die Position eines einzelnen Buchstaben innerhalb des Wortes festgestellt und jene Buchstaben zusammengefasst, die wahrnehmungsmäßig zusammengehören, weil sie Teil desselben Wortes sind.

Gleichzeitig ist dieser Mechanismus des Buchstabenerkennens in der Lage, die verschiedenen Realisationsformen eines Graphems (Allographen) in einen weiterverarbeitbaren Code zu überführen (SEYMOUR 1986, 16)13.

Vom visuellen Analysesystem gelangt die Information in das visuelle bzw. graphematische Eingangslexikon, welches die visuellen Repräsentationen von Wörtern enthält, die ein geübter Leser über die Zeit gesammelt hat. Dieses System ist vergleichbar mit den Input -Logogenen in Mortons Logogenmodell. TEMPLE (1997,178-179) bezeichnet das Eingangslexikon als Word Detectors wobei jedes Wort einen bestimmten Schwellenwert zur Aktivierung besitzt.

Vom visuellen Eingangslexikon sind nun zwei Wege zur Weiterverarbeitung möglich, über die semantisch-lexikalische Route und / oder die segmentale Route. Fraglich ist heute noch, ob diese Routen isoliert voneinander oder parallel arbeiten bzw. interagieren. (KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA 1995, 19)

Semantisch-lexikalische Route:

Wird das Wort im graphematischen Eingangslexikon14 als bekannt identifiziert, erfolgt danach die Weiterleitung zum semantischen System. Wird das Wort hier nicht erkannt, wird die segmentale Route genutzt.

Im semantischen System sind die Bedeutungen von Wörtern repräsentiert. Es ist vergleichbar dem kognitiven System in Mortons Logogenmodell. Ist im semantischen System die jeweilige Wortbedeutung aktiviert, erfolgt die Weiterverarbeitung im phonologischen Outputlexikon.

Im phonologischen Outputlexikon sind abstrakte lautliche Gestalten von Wörtern langzeitlich gespeichert, die beim Eintreffen eines Wortes jeweils aktiviert werden.

Im phonologischen Outputbuffer (Phonemniveau bei ELLIS&YOUNG [1991, 219]) werden dieser abstrakten lautlichen Gestalt eines Wortes hier gespeicherte distinkte Laute zugeordnet und das Wort bis zur endgültigen Aussprache im Sinne eines Zwischenspeichers (response buffer bei TEMPLE [1997, 178-179]) aufrechterhalten.15

Segmentale Route:

Ist für das zu erlesende Wort kein lexikalischer Eintrag vorhanden, so wird die segmentale bzw. indirekte Route gewählt. Hier erfolgt die Weiterleitung vom visuellen Analysesystem zu dem Subsystem, das Phoneme den entsprechenden Graphemen zuordnet. In MORTONs erweiterter Form des Logogenmodells wird diese Route Graphem-Phonem-Konversion genannt.

TEMPLE (1997, 182) unterteilt die segmentale Route in drei Schritte. Im Parser erfolgt die Segmentierung der Buchstabenkette in so genannte Chunks, also Grapheme bzw. Graphemgruppen. So wird eine Buchstabenkette wie <B/A/L/L> zu <B/A/LL> resegmentiert. Im Translator werden für jeden Chunk Übersetzungen gesucht, d. h. hier findet die eigentliche Graphem-Phonem-Korrespondenz statt. Im Blender erfolgt die Verschmelzung der Phoneme, danach wie bei der semantisch- lexikalischen Route die Weiterleitung zum phonologischen Outputbuffer. TEMPLE (1997, 182)

Möglicherweise findet das Blending, das Zusammenziehen, aber erst nach Zuordnung der tatsächlichen Laute im phonologischen Outputbuffer statt.

Die Bedeutungszuordnung erfolgt im Gegensatz zur semantisch-lexikalischen Route erst, nachdem das Wort laut gelesen wurde. Dann gelangt es über das auditive Analysesystem und Inputlexikon ins semantische System.

Da der normale Leser in der Lage ist, auch unbekannte Wörter, Fremdwörter und Neologismen innerlich „leise“ zu lesen und dem Gelesenen auch dessen, wenn vorhandene, Bedeutung entnehmen kann, ist eine Weiterleitung der aktivierten, aber nicht artikulierten Phonemfolgen zum auditiven Analysesystem möglich. Von dort führt der Weg über das auditive Inputlexikon zum semantischen System. (ELLIS & YOUNG 1997, 218)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Gemeinsames Modell des Lesens und Schreibens in Anlehnung an CHOLEWA (2002)

Nach ELLIS & YOUNG (1997, 220) ist die Benutzung der segmentalen Route beim geübten Leser der Ausnahmefall, der beim erstmaligen Lesen eines unbekannten Wortes eintritt, während Kinder, denen viele unbekannte Wörter begegnen, diese Route entsprechend häufiger einsetzen müssen.

3.4.3 Schreiben

Der Prozess des Schreibens ist analog zu dem des Lesens zu betrachten.

Ein phonologischer Stimulus gelangt in das auditiven Analysesystem, wo einzelne Sprachlaute aus dem Klangspektrum extrahiert werden. Dieses gelingt bei verschiedenen Akzentuierungen, Sprechgeschwindigkeiten und bis zu einem gewissen Niveau an Hintergrundgeräuschen (ELLIS & YOUNG 1997, 253). Erkennt das auditive Eingangslexikon bekannte Wörter, aktiviert es deren semantische Repräsentationen im semantischen System. Im graphematischen Outputlexikon sind die Buchstabenfolgen für bekannte Wörter abgespeichert.

Im graphematischen Outputbuffer, der mit einem Zwischenspeicher für Grapheminformationen zu vergleichen ist, erfolgt die Zuordnung von Allographen, danach die graphomotorische Realisierung.

Möglich ist, analog zur phonologischen Rekodierung beim Lesen, nach der auditiven Analyse auch die Weiterverarbeitung über Phonem-Graphem-Korrespondenzregeln.

Es wird neben der semantisch-lexikalischen Route außerdem die Existenz einer direkten lexikalischen Route angenommen, die das semantische System umgeht und eine unmittelbare Verbindung vom Input- zum Outputlexikon herstellt. Auf diese Weise wäre zu erklären, dass einige Patienten in der Lage sind, sowohl regelmäßige als auch unregelmäßige Wörter problemlos zu lesen, ohne aber deren Bedeutung zu verstehen. (ELLIS & YOUNG 1997, 231)

3.5 Zur Bedeutung des Arbeitsgedächtnisses

Die Fertigkeit, Laute und Lauteinheiten über eine kurze Zeit im Arbeitsgedächtnis präsent zu halten, ist besonders bedeutsam für Leseanfänger. Sie müssen beim Erlesen eines Wortes jeden Buchstaben in das korrespondierende Phonem umwandeln und diese Repräsentationen so lange im Arbeitsgedächtnis behalten, bis alle Laute des entsprechenden Wortes abgerufen und in der Synthese zusammengezogen werden können.

Außerdem muss bei einem nicht auf Anhieb erkannten Wort eventuell eine Reihe in Frage kommender Aussprachen von Buchstaben durchprobiert werden. Für diesen Vorgang ist das gute Funktionieren des Arbeitsgedächtnisses die wesentliche Voraussetzung. Das Kind muss in der Lage sein, lautliche Repräsentationen im Kurzzeitgedächtnis zu behalten. Auch beim Schreiben eines Wortes muss das Kind das Klangbild des gesamten Wortes im Arbeitsgedächtnis behalten und immer wieder Vergleiche zwischen Wortklang und Einzellauten bzw. zwischen Einzelbuchstaben und dem gesamten Wortbild herstellen. (BEE-GÖTSCHE 1992, 84).

Die Aufgabe, Informationen für die unmittelbare Verarbeitung zur Verfügung zu stellen, übernimmt das Arbeitsgedächtnis. Abbildung 3 zeigt das Modell des Arbeitsgedächtnisses nach BADDELEY, das sich aus drei wesentlichen Komponenten zusammensetzt, dem visuell-räumlichen Skizzenblock, der zentralen Exekutive und der phonologische Schleife (BADDELEY 1999, 49).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 aus BADDELEY (1999, 49)

Die zentrale Exekutive reguliert den Austausch von Informationen innerhalb des Arbeitsgedächtnisses. Sie verwaltet den Abruf von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis und kontrolliert und koordiniert zwei Subsysteme, die für die Verarbeitung und kurzfristige Verfügbarkeit von Informationen, die aus den verschiedenen Sinneskanälen eintreffen, verantwortlich sind.

Für die Verarbeitung sprachlicher Informationen und daher für den Leseprozess von besonderer Bedeutung ist die phonologische Schleife. Sie ist Teil des phonologischen Outputbuffers und besteht zum einen aus dem phonetischen16 Speicher (phonological store), der Informationen ca. 2 Sekunden speichern kann, und zum andern aus einem subvokalen artikulatorischen Kontrollprozess (subvocal rehearsal), der durch Wiederholungsstrategien den sprachlichen Code darüber hinaus verfügbar hält. (HASSELHORN, GRUBE, MÄHLER 2000, 168)

Über den Abruf phonologischer Codes aus dem Langzeitgedächtnis erfolgt hier der Zugriff auf die tatsächliche Aussprache und Betonung der Buchstaben, Zahlen und Wörter (HASSELHORN, TIFFIN-RICHARDS, WOERNER, BANASCHEWSKI, ROTHENBERGER 2000, 150).

3.6 Schlussbemerkung

Die in diesem Kapitel dargestellten Modelle haben eine wichtige Bedeutung für die Diagnostik und Förderung bei lese-rechtschreibschwachen Kindern. Auf Basis dieser Modelle können nähere Annahmen darüber formuliert werden, wo genau die Schwächen eines Kindes liegen könnten und welche Bereiche gezielt gefördert werden sollten.

4 Entwicklungsmodelle des Schriftspracherwerbs

4.1 Vorbemerkung

Neben den beim Lesen und Schreiben selbst ablaufenden kognitiven Prozessen darf bei einer psycholinguistischen Betrachtung ein weiterer Prozess nicht fehlen, nämlich der über mehrere Jahre hinweg ablaufende Erwerbsprozess des Lesens und Schreibens. Im Folgenden wird dazu eine Auswahl relevanter Entwicklungsmodelle beschrieben.

4.2 Das Sechsphasenmodell des Lesen- und Schreibenlernens nach FRITH

FRITH geht davon aus, dass zum Verständnis von Entwicklungsstörungen eine Theorie der normalen Entwicklung des Schriftspracherwerbs nötig ist. (FRITH 1985, 1986 220). FRITH entwickelte das dreiphasige Entwicklungsmodell von MARSH17 weiter, indem sie jede der drei Phasen nochmals unterteilte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 aus FRITH (1985, 311)

FRITHs (1985, 1986) Modell beginnt mit der logographischen Strategie auf der Stufe 1a18. Diese findet zunächst für das Lesen Anwendung und ermöglicht ein unmittelbares Wiedererkennen von bekannten Wörtern und Sätzen anhand hervorstechender visueller Merkmale (KÜSPERT 1997 53). Die Zuordnung einer phonologischen Repräsentation wird dabei als Folge der visuellen Identifikation angenommen. FRITH nimmt eine relative Unschärfe dieser internen Repräsentation an und geht davon aus, dass das Kind diese unvollkommene Repräsentation akzeptiert, wenn die für sein Gedächtnis wesentlichen Details vorhanden sind. Allerdings führt diese Lesestrategie zu fehlerhaften Ergebnissen, wenn ein unbekanntes Wort die gleichen visuellen Merkmale aufweist wie das bekannte Wort. Das Repräsentationssystem im Gedächtnis von Kindern ist dabei relativ unsystematisch aufgebaut, da sie uneinheitliche Merkmale verwenden, um sich Wörter zu merken (KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA 1995, 48).

Infolgedessen haben sie Schwierigkeiten damit, eine größere Anzahl von Wörtern wiederzuerkennen. I. d. R. sind Kinder bereits vor Schuleintritt in der Lage, einige Wörter zu lesen, beispielsweise ihren eigenen Namen, Aufschriften oder Reklamelogos. Allerdings bekommen Kinder Probleme beim Lesen solcher Reklamelogos, wenn deren charakteristische Merkmale fehlen. Dagegen bemerken sie unter Umständen nicht, wenn Einzelbuchstaben ausgetauscht oder die Reihenfolge umgestellt wurden. (KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA 1995, 47)

Ist die innere Repräsentation des Wortes detailreicher, kann die logographische Strategie zum Schreiben eingesetzt werden. Kinder können dann beispielsweise das Schriftbild ihres eigenen Namens aus dem Gedächtnis abrufen und schreiben. Regelmäßigkeit und Durchsichtigkeit der Graphem-Phonem-Korrespondenzen der jeweiligen Muttersprache haben einen beträchtlichen Einfluss auf die Leseentwicklung. Beim Erlernen einer eher unregelmäßigen, wie z. B. der englischen Schriftsprache spielen wortspezifische Kenntnisse in der logographischen Stufe eine weitaus größere Rolle als im Deutschen, das eine relativ gemäßigte Graphem-Phonem-Korrespondenz aufweist. Eine Rolle spielt außerdem, dass im deutschsprachigen Raum i. d. R. von Anfang an Buchstaben systematisch vorgestellt und Buchstaben-Laut-Zuordnungen frühzeitig geübt werden. (KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA 1995, 51)

Nach Ansicht mancher Autoren erfolgt der Übergang ins alphabetische Stadium erst, wenn die Kinder eine bestimmte Anzahl an Wörtern logographisch lesen können und auf Grund der wachsenden Anzahl bekannter Wörter die logographische Strategie nicht mehr ausreicht. (KLICPERA & GASTEIGERKLICPERA 1995, 52)

Auf der ersten Stufe des alphabetischen Stadiums steht das Schreiben im Vordergrund, das Lesen funktioniert zunächst noch auf Basis der logographischen Strategie (KÜSPERT 1997, 53). Das Kind lernt hier, gehörte Laute in Buchstaben zu übersetzen und ein Bewusstsein für die sequentielle Zusammensetzung gesprochener Wörter von links nach rechts zu entwickeln (FRITH 1986, 222). Ist die alphabetische Strategie genügend ausgebildet, kommt sie auf der zweiten Stufe des alphabetischen Stadiums auch beim Lesen zur Anwendung.

Im orthographischen Stadium sind die Kinder in der Lage, innere Repräsentationen von Buchstabenfolgen aufzubauen, Wörter können dann also direkt - ohne phonologische Rekodierung - erkannt werden. Orthographische Einheiten wie Morpheme, Silben oder häufig vorkommende Kombinationen von Buchstaben können erfasst und die entsprechenden Repräsentationen im orthographischen Lexikon, wo Buchstabenfolgen vertrauter Wörter mental gespeichert sind, aktiviert werden. FRITH betont die Unabhängigkeit dieser inneren Repräsentation von der visuellen Gestalt eines Wortes, welches gleichwohl an die Regelhaftigkeit von Buchstabenfolgen gebunden ist. Daher wird diese Strategie orthographisch genannt und nicht graphisch oder graphemisch (FRITH 1986, 223). Auf der ersten Stufe des orthographischen Stadiums steht die Anwendung beim Lesen im Vordergrund, danach wird sie auch beim Rechtschreiben angewandt (ROTH 1998, 37).

4.3 Der Ansatz von EHRI

EHRI entwickelte getrennte Stufenmodelle für den Erwerb des Lesens und Rechtschreibens, wobei sie vier Phasen in der Entwicklung des so genannten Sichtwortlernens, der automatisierten und schnellen Worterkennung, annimmt.

In der prä-alphabetischen Phase des Sichtwortlernens benutzen die Kinder visuelle Hinweise, z.B. den Kreis am Anfang des Wortes Opa, als Schlüssel, um Bedeutung oder Aussprache eines geschriebenen Wortes zu dekodieren (visual cue reading).

(EHRI 1991b, 124) Die Kinder nutzen in dieser Phase noch keine GraphemPhonem-Verbindungen.

Der Übergang zur partiell alphabetischen Phase des Sichtwortlernens erfolgt, wenn die Kinder die Buchstaben nicht nur als visuelle sondern auch als phonetische Hinweisreize erkannt haben. I. d. R. bestehen diese Hinweisreize aus den Beziehungen zwischen den Buchstaben bzw. deren korrespondierenden Lauten am Anfang und Ende eines Wortes. Für diese Strategien benötigen die Kinder also ein rudimentäres Wissen über Graphem-Phonem-Korrespondenzen. Dieses, an phonetischen Hinweisreizen orientierte Vorgehen nennt Ehri phonetic cue reading. (EHRI 1991b, 126)

In der voll entwickelten alphabetischen Phase des Sichtwortlernens ist das Kind in der Lage, das Prinzip der Graphem-Phonem-Korrespondenz zu durchschauen und vollständige Verbindungen zwischen allen Buchstaben im Wort und den korrespondierenden Lauten herzustellen, so dass auch unbekannte Wörter über Synthese gelesen werden können.

In der gefestigten alphabetischen Phase, die nach EHRI in der zweiten Klasse beginnt, können häufig vorkommende Buchstabensequenzen direkt mit der entsprechend gespeicherten Phonem-Sequenz verbunden werden (cipher reading), wodurch neue Wörter schneller dekodiert und in den Sichtwortschatz übernommen werden können. (EHRI 1991b, 132-133)

Den Rechtschreiberwerb beschreibt EHRI als dreistufigen Prozess (EHRI 1991a, 67-70 )

In der semiphonetischen Stufe, d. h. im Vorschulalter und zu Beginn der ersten Klasse, benutzen Kinder ihre Buchstabenkenntnis, um Wörter zu schreiben. Weil die Kinder die Wörter akustisch noch nicht in alle Einzellaute zerlegen können, ist diese Schreibung noch relativ unvollständig.

Auf der phonetischen Stufe gelingt die Segmentierung einzelner Phoneme besser und die Kinder beginnen, jedem gehörten Laut einen entsprechenden Buchstaben zuzuordnen.

Auf der morphemischen Stufe, die nach Ehri etwa in der Mitte des zweiten Schuljahres beginnt, beruht das Schreiben nicht mehr nur auf Phonemen sondern auch auf Morphemen. Die Kinder sind zunehmend besser in der Lage, die Schreibweise von Wörtern im Gedächtnis abzuspeichern und orthographische Regeln zu beachten.

EHRI weist auf die Bedeutung des Schreibenlernens für den Leseerwerb und umgekehrt hin. Sie geht davon aus, dass Schreibtraining das Lesenlernen unterstützt, da das Kind dabei eine Anzahl von Wörtern im Gedächtnis speichert. Im umgekehrten Fall fördert der Aufbau des Sichtwortschatzes beim Lesenlernen das Schreiben der Wörter.

EHRI (1991a, 71) weist auf weitere Strategien hin, mit denen Wörter gelesen werden können. Zum einen die Strategien des phonologischen Rekodierens, weiterhin als fortgeschrittene Strategie das Dekodieren ganzer

Buchstabensequenzen oder die Strategie der Analogie. Bei dieser Strategie erkennt der Lesende die Ähnlichkeit der Schreibung eines neuen Wortes mit einem bereits bekannten, abgespeicherten Wort (z. B. Haus in Analogie zu Maus).

4.4 Das Orthographic Framework Model

Dieser Ansatz unterscheidet sich von den übrigen Modellen in diesem Kapitel, da die Annahme einer linear-stufenweisen Entwicklung der Schriftsprache und die übliche Aufteilung in die auf den jeweiligen Stufen dominierenden segmentalen und ganzwortbezogenen Verarbeitungswege hier so nicht zu finden ist. Stattdessen wird in diesem Modell davon ausgegangen, dass sich in der Schriftsprachentwicklung das graphematische Inputlexikon aus einem zweidimensionalen orthographischen Rahmen aufbaut. (SEYMOUR, BUNCE & EVANS 1992, 229)

Eine Dimension enthält die Onsets (initiale Konsonanten /b/ oder Konsonantencluster /bl/), die zweite Dimension enthält Reime ( /a/ oder /au/). Dabei ordnet das Kind diesen in seiner Sprache vorkommenden Lautgruppen die entsprechenden Graphemgruppen zu (z. B. /b/-<B> , /bl/- <BL>).

In diesem Rahmen können dann aus den Silbenkonstituenten bei entsprechender Aktivierung Silben bzw. Silbenstrukturen erzeugt werden. Die Silbenstrukturen sind dabei am Beginn auf einer einfachen Ebene angesiedelt (z. B. ohne Konsonantencluster), wobei sich die Komplexität der Silbenstrukturen sukzessive steigert.

Allerdings muss im Falle von Unregelmäßigkeiten und Ambiguitäten auch in diesem Modell auf ganzheitlich gespeichertes lexikalisches Wissen zurückgegriffen werden. (CHOLEWA 2002)

4.5 Schlussbemerkung

In den meisten Modellen des Schriftspracherwerbs wird ein Erwerbsprozess beschrieben, der in Stufen abläuft. Den Entwicklungsstufen werden jeweils unterschiedliche Lese- und Schreibstrategien zugeordnet. Wie die allgemeine kognitiven Entwicklung verläuft auch der Schriftspracherwerb nicht kontinuierlich sondern in Schüben, längeren Plateaus und sogar rückläufigen Tendenzen (FRITH 1986, 220-221). Störungen des Schriftspracherwerbs können dabei als Probleme beim Übergang von einer Stufe zur nächsten aufgefasst werden. Dabei geben diese Modelle aber keine Hinweise dazu, wie die Fähigkeiten, die zum Erwerb vonnöten sind, erworben werden, sie bleiben rein deskriptiv. (KÜSPERT 1997, 61)

In der Regel weisen die Modelle - in unterschiedlicher Ausprägung - eine logographische, alphabetische und orthographische Stufe auf. Gemeinsam ist ihnen außerdem, dass den Kindern bereits vor dem Schuleintrittsalter wesentliche Vorerfahrungen zugesprochen werden.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Annahme einer logographischen Stufe, die verstärkt aus der angloamerikanischen Forschung kommt, nicht ohne weiteres auf den deutschsprachigen Raum übertragbar ist, weil das deutsche Schriftsprachsystem im Vergleich zum englischen wesentlich lautgetreuer und die Einsicht in die Korrespondenzprinzipien für deutschsprachige Kinder deshalb einfacher ist.

[...]


1 KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA (1995, 227-228)

2 http://www.ph-heidelberg.de/wp/schoeler/EVES_Nr1.pdf/

3 Einen Überblick über neue Medien im Unterricht versucht die Datenbank SODIS http://www.sodis.de/ zu geben. Hier im speziellen http://www.leu.bw.schule.de/allg/mmsoft/index.htm/ .

4 Piktogramme stellen die ältesten Schriftsysteme dar. Es handelt sich hierbei um eine relativ stark geregelte Form von bildlichen Darstellungsformen. Dies ist auch bei den ägyptischen Hieroglyphen der Fall. Phonologische Aspekte spielten hier noch keine Rolle. Moderne Formen der Piktographie findet man heute im Straßenverkehr in Form von Verkehrsschildern. Ideogramme stellen eine weiterentwickelte Form der Piktographie dar. Bedeutungen werden hierbei abstrakter und konventionalisierter dargestellt, so dass der Bezug auf den referierten Gegenstand nicht unmittelbar festzustellen ist. Dadurch kann die eigentliche Bedeutung ausgedehnt werden und bildlich nicht, bzw. schwer darstellbare Bezüge können somit erfasst werden. Logographische Zeichen, wie sie z. B. in der chinesischen Schrift benutzt werden, zeichnen sich durch ihre eindeutig konventionalisierte Darstellung aus. Die chinesische Schrift besteht hierbei aus Ideogrammen mit piktographischen Elementen, die wiederum durch semantische Komplemente ergänzt werden. Auch die wissenschaftliche Notation in der Logik und Mathematik bedient sich einer modernen Form der Logographie.

7 Im Gegensatz zu früheren Formen des Logogenmodells weist das in Abb. 1 beschriebene Modell eine Graphem- Phonem-Route auf, die Morton hinzufügte, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass auch Nichtwörter verarbeitet werden können.

8 REICHER (1969) bot in einer experimentellen Versuchsanordnung den Teilnehmern Stimuli in Form von Wörtern, Pseudowörtern und zufälligen Buchstabenfolgen an. Die Versuchspersonen sollten entscheiden, ob einer von zwei angebotenen Buchstaben an einer bestimmten Stelle innerhalb eines Wortes vorgekommen war. Der Wortüberlegenheitseffekt trat nur dann auf, wenn nach der Darbietung des Stimulus ein aus Buchstaben bestehender Maskierungsreiz gegeben wurde. Sowohl bei Wörtern als auch bei Pseudowörtern konnten dann signifikant schnellere Entscheidungszeiten erbracht werden, als dies bei zufälligen Buchstabenfolgen oder einzelnen Buchstaben der Fall war. Man nahm an, dass durch die Maskierung das visuelle Kurzzeitgedächtnis gewissermaßen überschrieben wird und der Stimulustyp, der in einen robusteren Code übersetzt wurde, im Gedächtnis also nicht mehr als reine visuelle Information gespeichert war, im Vorteil war. Offenbar funktioniert diese Übersetzung bei Wörtern und Pseudowörtern besser als bei Einzelbuchstaben oder zufälligen Buchstabenfolgen. (Reicher [1969] in KLICPERA & GASTEIGER-KLICPERA 1995, 14)

9 im Sinne des kognitiven Systems im Logogen-Modell

10 Besonders am Anfang der Leseentwicklung sind Kenntnisse über die Buchstaben-Laut Zuordnungen und die Fähigkeit, diese Kenntnisse beim Erlesen von neuen Wörtern einzusetzen, äußerst wichtig. Dieser Weg entspricht der im Prozessmodell (vgl. Kap. 3.4.2) dargestellten und weiter unten erklärten segmentalen Route. Er wird auch indirekter Zugang genannt, weil das Wort erst über das (innere) Aussprechen dem semantischen System zugänglich wird.

11 vgl. Kap. 6.4

12 Ein bekanntes Modell ist das Dual Route Model von Coltheart. (Coltheart 1978 in KLICPERA & GASTEIGERKLICPERA 1995, 18)

13 Der visuelle Prozessor besteht nach SEYMOUR & MACGREGOR (1984 51-52) aus drei Elementen, dem letter identity level, selection and transfer level und recognition level. Letzterer unterteilt sich in das logographische, bzw. orthographische Lexikon. Er unterscheidet sich dabei von dem bereits bestehenden pictorial processor, der für die Verarbeitung von bildhaftem Material zuständig ist. Auf dem letter identity level werden visuelle Merkmale, gedruckter oder handgeschriebener Darstellungen in Form von Buchstaben oder Buchstabengruppen erkannt und danach im selection and transfer level in einen abstrakten Code- abstract letter identities -überführt. Dieser Code spezifiziert zunächst Eigenschaften und Positionen von Buchstaben, danach werden diese codierten Daten in möglicherweise verschieden großen Einheiten wie Buchstaben, Buchstabencluster oder ganze Wörter zur Erkennung an das orthographische bzw. alphabetische Lexikon weitergeleitet, welches zum einen mit dem phonologischen Prozessor, zuständig für die Aktivierung von Phonemen, und über diesen auch mit dem semantischen System vernetzt ist, wo entsprechende Bedeutungen zugeordnet werden. (SEYMOUR & MACGREGOR 1984 51-52)

14 Annahmen über die Struktur des Lexikons in Kap. 3.5

15 Annahmen darüber, wie dieser Speicher strukturiert sein könnte, sind in Kapitel 3.5 zum Modell des Arbeitsgedächtnisses angeführt.

16 sic !

17 nähere Erläuterungen zum Modell von MARSH siehe MARSH, FRIEDMAN, WELCH & DESBERG (1981)

18 GÜNTHER (GÜNTHER, K.B. 1986 98-102) nimmt als erste Phase eine präliteral-symbolische Strategie an. Der Erwerb der geschriebenen Sprache beginnt nicht erst im Umgang mit Buchstaben, sondern schließt bereits an die sensumotorische Phase im Sinne Piagets an, wenn das Kind über Objektpermanenz verfügt und eine Loslösung vom konkreten Gegenstand möglich ist. Das Wiedererkennen von Gegenständen aus seiner Umgebung in Form bildlicher Darstellungen verlangt dabei ein hohes Maß an Abstraktionsfähigkeit und Symbolverständnis.

Ende der Leseprobe aus 122 Seiten

Details

Titel
Lernsoftware in der Förderung von Lese- und Rechtschreibschwäche: Versuch einer psycholinguistischen Reflexion
Hochschule
Pädagogische Hochschule Heidelberg  (Institut für Sonderpädagogik)
Note
1,5
Autor
Jahr
2003
Seiten
122
Katalognummer
V12087
ISBN (eBook)
9783638180726
Dateigröße
2233 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lernsoftware, Förderung, Lese-, Rechtschreibschwäche, Versuch, Reflexion
Arbeit zitieren
Rainer Böhm (Autor:in), 2003, Lernsoftware in der Förderung von Lese- und Rechtschreibschwäche: Versuch einer psycholinguistischen Reflexion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/12087

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