Die Irreführungsgefahr im Markenrecht


Seminararbeit, 2008

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

Literaturverzeichnis

A. Einleitung

B. Kernprobleme der Irreführungsgefahr
I. Wie ist das Verbraucherleitbild definiert?
1. Die Sichtweise des EuGH
a) Der Sachverhalt „ Gut – Springenheide “ und die Fragestellungen nach dem richtigen Verbraucherleidbild
b) Auswirkungen der „ Gut Springenheide “ - Entscheidung auf die Rechtsprechung zum Verbraucherleitbild
2. Der BGH nähert sich dem EuGH an
II. Die Identifizierung des richtigen Verbraucherleitbilds
1. Das Verbraucherleitbild aus der „ Elizabeth Emanuel “ – Entscheidung
2. Das Verbraucherleitbild aus der „ Nissan “ – Entscheidung
III. Wer trägt das Risiko der Irreführung?

C. Ergebnisse und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

Im Kern der Rs. „Elizabeth Emanuel“1 stand die Irreführungs- gefahr im Europäischen Markenrecht, einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs: Die renommierte englische Modedesignerin Elizabeth Emanuel, die u.a. das Brautkleid von Lady Diana entworfen hat, hatte ihren Namen als Marke2 eintragen lassen. Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten übertrug Frau Emanuel die eingetragene Marke und den mit ihr verbundenen Goodwill zusammen mit dem Geschäftsbetrieb der Herstellung der Waren auf ein anderes Unternehmen. Unter Berufung auf das angebliche Irreführungspotenzial,3 welches durch die Marke

„Elizabeth Emanuel“ hervorgerufen würde, legte Frau Emanuel gegen die Änderung der Marke Widerspruch ein. Des Weiteren beantragte sie den Verfall der Marke Elizabeth Emanuel. Im Wege der Vorabentscheidung hatte der EuGH nun zu entscheiden, ob die Marke „Elizabeth Emanuel“ das Publikum in die Irre führt.

Schließlich könnte ein erheblicher Teil der Kunden der unzu- treffenden Meinung sein, die Benutzung der Marke bedeute, dass Frau Emanuel weiterhin Einfluss am Design oder an der Kreation der Waren hat.4

Dieser Fall stellt ein Musterbeispiel für Mode, Marken und Märkte dar und bringt zum Ausdruck, wie aktuell und problematisch die Irreführungsgefahr der Verbraucher im Markenrecht ist. Fraglich ist jedoch, wann eine solche Irreführung für den Verbraucher gegeben ist und wonach der Maßstab zu setzen ist. Demnach wird im ersten Teil dieser Arbeit das Verbraucherleitbild näher erläutert. Dabei werden zwei Sichtweisen betrachtet: Zum einen das Verbraucherleitbild des EuGH, an Hand der „Gut – Springenheide Entscheidung“, und zum anderen das des BGH.

Mit Hilfe der „Elizabeth Emanuel“ und der „Nissan“ Entscheidung findet im zweiten Teil der Arbeit, die Identifizierung des richtigen Verbraucherleitbilds des EuGH statt.

Im dritten Teil wird die Frage, wer das Risiko der Irreführung trägt näher erläutert. Dabei werden auf der einen Seite die berechtigten Interessen des Publikums und auf der anderen die Interessen des Unternehmens, berücksichtigt.5

Zuletzt folgen die Zusammenfassung und der Ausblick auf die Irreführungsgefahr.

B. Kernprobleme der Irreführungsgefahr

Eine Irreführungsgefahr ist immer dann gegeben, wenn berechtigte Erwartungen eines Verbrauchers enttäuscht werden6. Demnach setzt sie voraus, dass die Marke eine „falsche Information“ enthält,

„die objektiv zur Irreführung geeignet ist“.7 Des Weiteren ist sie stets im Zusammenhang mit dem Produkt zu beurteilen, für das die Marke angemeldet ist.8 Daneben ist auf folgende Fragen einzugehen: Nach welchen Maßstäben werden die Verbraucher ausgewählt, die über eine Irreführung der Marktanbieter repräsentativ Auskunft geben? Wie ist die Irreführung zu ermitteln, die den Vorgaben dieses Maßstabs gerecht wird, sowie wer das Risiko der Irreführung trägt?

I. Wie ist das Verbraucherleitbild definiert?

Das Verbraucherleitbild, bei der Irreführungsgefahr im Markenrecht, wird nach unterschiedlichen Wertungsmaßstäben bestimmt. Keßler / Micklitz präsentieren die unterschiedlichen Verbraucherleitbilder einiger EG – Mitgliedstaaten.9 In dieser Arbeit werden zwei Perspektiven näher betrachtet: Auf der einen Seite wird das Verbraucherleitbild des EuGH, dieser geht eindeutig von einer normativen Bestimmung der Irreführungsgefahr aus und auf der anderen Seite das Verbraucherleitbild des BGH, der die Irreführungsgefahr eher (wie bspw. § 127 I, IV Nr. 1 MarkenG)10 empirisch 11 bestimmt, wobei dem europäischen Recht ein An- wendungsvorrang vor dem nationalen Recht eingeräumt wird.12

Diese ungleichen Sichtweisen führen dazu, dass der gleiche Sachverhalt unterschiedlich zu beurteilen ist.13

1. Die Sichtweise des EuGH

Die Sichtweise des EuGHs, über das Verbraucherleitbild, wird insbesondere in dem Urteil vom 18.07.1998 „Gut-Springenheide-6- Korn-Eier“14 dargelegt. In der Tat hat der EuGH mit diesem Urteil die eigene Rechtsprechung, deutlicher als bisher15, spezifiziert.

a) Der Sachverhalt „ Gut – Springenheide “ und die Fragestellungen nach dem richtigen Verbraucherleitbild

In dieser fundamentalen Entscheidung vom 16.07.1998 hat der EuGH noch expliziter auf das Verbraucherleitbild abgestellt.

Anliegend hatte dieser im Ausgangsverfahren zu entscheiden, ob die Bezeichnung „6-Korn-Eier“ für den Verbraucher irreführend sei, wenn der hochwertige Futteranteil aus den sechs, zur Fütterung verwandten, Getreidearten nur zu 60% der Futtermischung beträgt: Die Gut – Springenheide verkauft unter der Bezeichnung „6-Korn – 10 frische Eier“ Eier in Fertigpackungen, denen jeweils ein Ein- legezettel beigefügt ist. Auf diesem Zettel werden die, sich aus dieser Ernährung ergebenden Qualitäten der Eier hervorgehoben.

Die Lebensmittelüberwachungsstelle beanstandet dabei die

Bezeichnung „6-Korn-Eier“ sowie das Beifügen der Einlegezettel, da diese dazu geeignet seien den Käufer irrezuführen.16 Demnach kam es zu einem Rechtsstreit zwischen der Gut – Springenheide GmbH und der zuständigen Lebensmittelüberwachungsstelle.

Das VG Münster gab dabei der Lebensmittelüberwachungsstelle Recht, da die Bezeichnung und die Angaben auf dem Einlegezettel gegen das Irreführungsverbot des §17 I des LMBG17 verstoßen.

Daraufhin legte die Klägerin gegen dieses Urteil Revision beim BVerwG ein, mit der Begründung: Die Bezeichnung und der Einlegezettel seien unbedingt erforderliche Verbraucher- informationen.

Das BVerwG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH drei Fragen zur Vorabentscheidung vor. Beurteilungsgrundlage war dabei die Vorschrift, dass zusätzlich zu den erforderlichen Angaben auf Eierpackungen weitere werbewirksame Angaben erlaubt sind, „sofern diese Angaben sowie ihre Aufmachung nicht geeignet sind, den Käufer irrezuführen“.18

Unter anderem legte das BVerwG dem EuGH die Frage vor, ob für die Bewertung der Irreführungsgefahr die tatsächliche Erwartung der angesprochenen Verbraucher zu ermitteln sei, oder ob allein der juristisch zu interpretierende Käuferbegriff als Maßstab zugrunde liege. Dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, ob ein Sachverständigengutachten eingeholt oder möglicherweise eine Verbraucherbefragung in Auftrag gegeben werden darf,19 um beurteilen zu können, ob eine Werbeaussage die Verbraucher tatsächlich irreführen kann. Darüber hinaus legte das BVerwG die Frage vor, ob die Auffassung des aufgeklärten Durchschnittsverbrauchers oder die des flüchtigen Verbrauchers maßgeblich sei. Demnach wird eine Konkretisierung des Begriffs des Verbrauchers erwartet und somit eine mögliche Grundlagen- entscheidung über das Verbraucherleitbild getroffen. Des Weiteren musste der EuGH zu folgender Frage Stellung nehmen und zwar, ob sich der Anteil prozentual festlegen lässt, der erforderlich ist, um eine maßgebliche Verbrauchererwartung zu begründen, konkret ob weiterhin bei 10-15% des tatsächlichen Fehlverständnisses die Irreführung bejaht wird.20

Die im nächsten Abschnitt näher erläuterte Grundlagenentscheid- ung bzgl. des Verbraucherleidbilds hat das bis dato gültige, empirische Verbraucherleitbild des BGH in Frage gestellt und zu einem Wandel der Sichtweise, bei der Auslegung der Irreführungs- gefahr, beigetragen.21

b) Auswirkungen der „ Gut Springenheide “ - Entscheidung auf die Rechtsprechung zum Verbraucherleitbild

Die „Gut Springenheide“ – Entscheidung ist für die Erläuterung des Begriffs „Irreführungsgefahr“ von außerordentlicher Bedeutung, da durch diese Entscheidung der EuGH seine Recht- sprechung präzisiert und den, für die Irreführung bedeutsamen, Maßstab darlegt. Bei seiner Beurteilung der Frage, ob die betreffende Bezeichnung geeignet sei den Käufer irrezuführen, sei auf die mutmaßlichen Erwartungen eines „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnitts- verbraucher“22 abzustellen. Außerdem lehnt der EuGH, die empirische Feststellungsweise ab und bejaht eindeutig das normative Verbraucherleidbild.23 Da, für das nationale Gericht die Entscheidung des EuGH bindend ist,24 muss bei der Prüfung von Irreführungsgefahr auf den normativen Maßstab abgestellt werden. Seit dieser Entscheidung stellt der EuGH noch präziser auf das Verbraucherleitbild ab und geht dabei von einem Verbraucher aus,

„der sich über relevante Gesichtspunkte informiert, das Geschehen

aufmerksam zur Kenntnis nimmt und verständig würdigt“25 und nicht auf das faktische Verständnis des Verbrauchers abzielt.26

[...]


1 EuGH, Rs. C-259/04, Urt. Vom 30.03.2006, GRUR 2006, 416 (Elizabeth Emanuel).

2 Fezer, Markenrecht, 3. Aufl. 2001, Einl, Rdnr. 17; „ Eine Marke ist ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden“ (§ 3 I MarkenG).

3 Brömmelmeyer, WRP 2006, 1275.

4 Schlussanträge des Generalanwalts Damaso Ruiz-Jarabo Colomer vom 19.01.2006 in der Rs. C-259/04 (Elizabeth Emanuel).

5 Lücken / Stöckel, Handbuch Markenrecht 2003, S. 222.

6 Lücken / Stöckel, Handbuch Markenrecht 2003, S. 221.

7 Schlussanträge des Generalanwalts Colomer (Fn. 4), Rdnr. 57.

8 EuGH, Rs. C-299/99, Urt. vom 18.06.2002 (Philips), Rdnr. 59; EuGH, Rs. C-218/01, Urt. vom 12.02.2004, GRUR 2004, 428 (Henkel), Rdnr. 31.

9 Keßler / Micklitz WRP 2003, 923

10 Fezer, , Markenrecht, 3. Aufl. 2001, § 127 Rdnr. 3 - 8 sowie 18.

11 Sie wird grundsätzlich als an § 3 UWG angelehnt angesehen.

12 Arndt, Europarecht, 7. Auflage 2004, S. 106.

13 Scherer, WRP 1999, 993, 994.

14 EuGH, Rs. C- 210/96 vom 16.07.1990, WRP 1998, 848ff. (Gut – Springenheide).

15 Vgl. EuGH, Rs. C- 315/92 vom 02.02.194, WRP 1994, 380ff. (Clinique): Hierbei wird von einem „flüchtigen“ Verbraucher ausgegangen, der eine Ankündigung weder genau, vollständig noch kritisch zu würdigen im Stande ist, wobei die Irreführung nach Prozentsätzen gemessen wird; Vgl. EuGH, Rs. C- 470/93 vom 06.07.1995, WRP 1995, 677ff. (Mars): „Von verständigen Verbraucher kann erwartet werden, dass sie wissen, dass…“

16 Art. 10 II lit. e der Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 des Rates vom 26.06.1990

17 LMBG = Lebensmitte l- und Bedarfsgegenständegesetz.

18 Nach Art.10 II lit. e) der Verordnung (EWG) Nr. 1907/90 des Rates vom 26. 06.1990 über bestimmte Vermarktungsnormen für Eier. Die Auslegung der Verordnung ist nach Art. 177 I lit. b) EGV dem EuGH vorbehalten.

19 EuGH WRP 1998 , 848 (Gut – Springenheide) Rdnr. 35.

20 Scherer GRUR 2000, 273.

21 Scherer WRP 1999, 991.

22 EuGH WRP 1998, (Gut – Springenheide) Rdnr. 31.

23 EuGH WRP 1998, (Gut – Springenheide) Rdnr. 31.

24 Arndt , Europarecht, 7. Auflage 2004, S.74.

25 Scherer WRP 1999, 992.

26 „Weil dieser Maßstab des verständigen Verbrauchers erst seit etwa 2000 gilt,darf der Anmelder sich bei der Prognose einer Täuschungsgefahr seiner Marke nicht an alter Rs. orientieren, weil diese dort auf Grund des Leitbildes des flüchtigen Verbrauchers schnell bejaht wurde.“

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Irreführungsgefahr im Markenrecht
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Veranstaltung
Seminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V120748
ISBN (eBook)
9783640243280
ISBN (Buch)
9783640246465
Dateigröße
426 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Seiteneinteilung mit breitem Korrekturrand
Schlagworte
Irreführungsgefahr, Markenrecht, Seminar
Arbeit zitieren
Ilhana Hindija (Autor:in), 2008, Die Irreführungsgefahr im Markenrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120748

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