Aktivitäten und Einflüsse von Gewerkschaften

Jüngste Entwicklungen


Seminararbeit, 2008

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Gewerkschaften in der Krise

2. Erosion des Flächentarifvertrages
2.1 Jüngste Entwicklungen
2.2 Ziele und taktisches Vorgehen

3. Mitgliederschwund
3.1 Jüngste Entwicklungen
3.2 Motive für eine (Nicht-) Mitgliedschaft
3.3 Einfluss von Betriebsräten auf die Mitgliedschaft
3.4 Ausweg aus der Mitgliederkrise

4. Reorganisation der Gewerkschaften
4.1 Änderungsbedarf bisheriger Modelle
4.2 Neue Strategien

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Gewerkschaftsdichte in Europa und den USA

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Tarifbindung in Deutschland 1998 und 2006

1. Gewerkschaften in der Krise

Gewerkschaften sind gemäß einer Definition von 1894 Vereinigungen von Arbeitern mit dem Ziel, die Konditionen des Arbeitslebens ihrer Mitglieder zu verbessern oder mindestens zu erhalten (vgl. Eaton 2000). Ihre ursprünglichen Ziele bestanden darin, Löhne und Arbeitsbedingungen durch kollektive Verhandlungen zu beeinflussen. Die Bedingungen, unter denen Gewerkschaften arbeiten, und somit auch die Ziele, die sie verfolgen, haben sich seit dem jedoch in großem Umfang geändert. Diesen Veränderungen liegen mehrere Ursachen zugrunde. Durch die rapide Abnahme von Transport- und Kommunikationskosten sowie die steigende Offenheit ausländischer Märkte nahm der globale Handel stark zu (vgl. Funk 2005). Diese Globalisierung führte vor allem in den Industrien, in denen die Gewerkschaften traditionell sehr stark waren, zu einer Intensivierung des Wettbewerbs, z.B. im Bereich Textilien, Stahl- und Metallbau sowie Schiffbau (vgl. Koch-Baumgarten 2006). Weiterhin nimmt die Arbeit im tertiären Sektor ständig zu, während die Beschäftigung im sekundären Sektor, in dem die Gewerkschaften verankert sind, zurückgeht. Diese Entwicklung ist u.a. auf Veränderungen in Produktionstechnologien sowie den Trend zum Outsourcing und damit zur Verkleinerung von Firmen zurückzuführen. Auch die Individualisierung der Lebensstile, die u.a. durch die zunehmende Beschäftigung von Frauen ausgelöst wurde, stellt für die Gewerkschaften ein Problem dar. Durch die Umstellung von Massenproduktion auf kundenspezifische Produkte wurden flexible Produktionssysteme und Arbeitszeiten geschaffen, welche zu einer Zunahme der atypischen Beschäftigung führten (vgl. Funk 2005). Diese strukturellen Veränderungen in der Ökonomie, zu denen auch die Alterung der Gesellschaft zählt, stellen eine Herausforderung für die Gewerkschaften dar, da sie zu großen internen Problemen führen können.

Diese Veränderungen hatten weitreichende Folgen für die Gewerkschaften. Sie führten zu Mitgliederverlusten und damit verbunden zu einer sinkenden Mobilisierungs-Kapazität sowie zu steigender Heterogenität der Erwerbsbevölkerung und somit auch der Mitglieder. Des Weiteren führten sie zu sinkender Effektivität kollektiver Verhandlungen (vgl. Annesley 2006). Die flexiblere Arbeitsgestaltung bedroht in hohem Maße die Gültigkeit von Flächentarifverträgen, da sich immer mehr Firmen diesen entziehen. Die Gewerkschaften befinden sich somit momentan in einer dreifachen Krise. Sie verlieren an gesellschaftlicher und politischer Akzeptanz, sodass ihre Handlungsmacht heute stark von den Mitgliedern abhängt. Der Mitgliederschwund verstärkt diese Legitimitätskrise zusätzlich und verursacht auch eine Finanzkrise durch die geringeren Einnahmen (vgl. Aust/Holst 2006).

In dieser Arbeit werden die Erosion des Flächentarifvertrages und der Mitgliederschwund sowie mögliche Strategien zur Revitalisierung behandelt. Dabei wird insbesondere auf das deutsche System der industriellen Beziehungen eingegangen. Charakteristisch für dieses ist das duale System der Interessenvertretung, bei welchem Betriebs- und Tarifpolitik getrennt werden. Die Gewerkschaften schließen auf überbetrieblicher Ebene mit Arbeitgeberverbänden oder auch einzelnen Arbeitgebern Tarifverträge ab. In den Betrieben vertreten Betriebsräte die Interessen der Arbeitnehmer und verhandeln detaillierte Arbeitsbedingungen mit dem Management. Weiterhin überwachen sie die Einhaltung der geschlossenen Tarifverträge. Sie sind an das Wohl des Betriebes gebunden und formal von den Gewerkschaften unabhängig. Gewerkschaften sind somit auf die Kooperation der Betriebsräte angewiesen, um auf betrieblicher Ebene Einfluss ausüben zu können (vgl. Aust/Holst 2006). Auf die internationalen Entwicklungen von Gewerkschaften wird im Rahmen dieser Arbeit nicht näher eingegangen.

2. Erosion des Flächentarifvertrages

Ein Flächentarifvertrag stellt gleiche Bedingungen für die Beschäftigten einer oder mehrer Branchen in einer Region her. An den Flächentarifvertrag sind jedoch nur die Arbeitgeber gebunden, die Mitglied in dem zuständigen Arbeitgeberverband sind, mit dem der Vertrag ausgehandelt wurde. Die Bedeutung des Flächentarifvertrages nimmt zunehmend ab. Auf die Gründe dafür und die Reaktionen der Gewerkschaften wir in diesem Kapitel genauer eingegangen.

2.1 Jüngste Entwicklungen

In den letzten Jahren hat vermehrt eine so genannte wilde Dezentralisierung stattgefunden, d.h. einzelne Unternehmen sind aus den Arbeitgeberverbänden ausgetreten und somit nicht mehr an die Flächentarifverträge gebunden, unterlaufen stillschweigend die Tarifverträge oder trennen einzelne Unternehmensbereiche ab um so formell die Branche zu wechseln und sich dem ursprünglichen Tarifstandard zu entziehen (vgl. Müller-Jentsch 2007). Dieses Phänomen tritt besonders bei klein- und mittelständischen Unternehmen auf, welche sich die Flächentarifverträge aufgrund von Kostennachteilen oft nicht leisten können und diese deshalb abbrechen. Bei kleinen Unternehmen gibt es nur selten Betriebsräte, über welche die Gewerkschaften Einfluss ausüben könnten. Ferner liegen diese Unternehmen nicht im Fokus von Gewerkschaften, da sie über zu wenig Mitarbeiter verfügen und sich Arbeitskämpfe deshalb nicht lohnen würden. Der Trend zur wilden Dezentralisierung ist ferner auch bei jüngeren und exportierenden Unternehmen zu beobachten. Die Belegschaft und eventuell vorhandene Betriebsräte werden hierbei oft mit der Drohung eines Arbeitsplatzabbaus unter Druck gesetzt. Sie sollen durch den Verzicht auf tarifvertragliche Leistungen zur Kostenentlastung des Unternehmens beitragen um als „Gegenleistung“ ein höheres Maß an Arbeitsplatzsicherheit zu erhalten. Zu den Motiven für den Verbandsaustritt zählen außerdem auch die Unzufriedenheit mit der Tarifpolitik und den Arbeitgeberverbänden (vgl. Mückenberger 1995). Neben den Verbandsaustritten ist auch das Nichteintreten neu gegründeter Unternehmen ein Problem. Diese haben nur wenige gemeinsam Interessen mit älteren und größeren Firmen und deshalb kaum einen Nutzen aus dem Beitritt zum Arbeitgeberverband (vgl. Kochan 2004).

Die Krise des Flächentarifvertrages ist in den neuen Bundesländern und in Metall-, Bau- und Druckindustrie am offensichtlichsten. In den neuen Bundesländern konzentrieren sich Unternehmen mehr auf kurzfristige Ziele da sie mehr um ihre Existenz zu kämpfen haben. Deshalb fühlen sich Betriebsräte eher für die Sicherung von Arbeitsplätzen als für die Verteidigung von Tarifnormen verantwortlich. In den neuen Bundesländern ist die Unterschreitung von Tarifnormen längst keine

Ausnahme mehr und es kommt häufig zu einem offenen Tarifbruch. Die deutschen Unternehmen fordern zunehmend, dass tarifliche Regelungen so gestaltet werden, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht beeinträchtigt sondern gefördert wird, dass die Gewerkschaften zur Sicherung und Förderung von Beschäftigung beitragen und mehr Freiraum für firmenspezifische Regelungen geben sollen (vgl. Siebel 1995). Der Flächentarifvertrag ist jedoch auch über seinen formalen Geltungsbereich hinaus wirksam, da sich ungefähr 40 Prozent der nicht- tarifgebundenen Unternehmen an ihm orientieren.

2.2 Ziele und taktisches Vorgehen

Die Ziele der Gewerkschaften bestehen darin, eine weitere Erosion des Flächentarifvertrages zu verhindern, mehr Unternehmen zum Eintritt in die Arbeitgeberverbände zu motivieren und auch Tarifbindung bei Firmen zu erreichen, die nicht in den Arbeitgeberverbänden sind.

Seit Mitte der 80er Jahre haben die Gewerkschaften ihre tarifpolitische Praxis geändert. Bestimmte Regelungsfunktionen werden nun den Betriebsparteien übertragen oder auf überbetrieblicher Ebene werden bestimmte Konditionen definiert, unter denen von tariflichen Standards abgewichen werden kann. Dies geschieht durch Korridorlösungen, bei denen der Tarifvertrag einen Rahmen für die Arbeitsbedingungen vorgibt, durch Härtefallklauseln, gemäß welchen Betriebe in definierten wirtschaftlichen Härtefällen vom Tarifvertrag abweichen dürfen, durch Öffnungsklauseln, bei denen ergänzende Betriebsvereinbarungen möglich sind, sowie durch Kleinbetriebsklauseln für Betriebe mit 10 bis 50 Beschäftigten. Diese Verbetrieblichung der Arbeitsregulierung wird als kontrollierte Dezentralisierung bezeichnet (vgl. Müller-Jentsch 2007). Zu den inhaltlichen Regelungsbereichen solcher Klauseln gehören die Flexibilisierung der Arbeitszeit z.B. durch Teilzeitarbeit oder Altersteilzeit sowie Lohnkürzungen durch Härtefallklauseln unter Zugeständnissen wie temporäre Beschäftigungssicherheit. Weiterhin gehören dazu auch Abkommen zur Beschäftigungssicherung, d.h. zeitlich begrenzte Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich mit Beschäftigungsgarantie, sowie Abkommen zur Standortsicherung.

Heute weicht bereits jedes dritte Unternehmen legal vom Flächentarifvertrag ab. Das Aufgabenspektrum der Betriebsräte wurde dadurch deutlich erweitert und ihnen mehr tarifpolitische Kompetenz übertragen. Viele Betriebsräte werten das jedoch als Überforderung, zumal diese Gewichtsverlagerung der Regelungen die Gefahr der Erpressbarkeit des Betriebsrates birgt. Deshalb wollen sie auch nicht auf einen Flächentarifvertrag verzichten. Dem relativen Bedeutungszuwachs der Betriebsräte steht dennoch ein relativer Bedeutungsverlust der Gewerkschaften gegenüber, auch wenn der Tarifvertrag noch wichtige Rahmenbedingungen für die Arbeitsregulierung in den Betrieben vorgibt.

Als weitere Lösung für dieses Problem schließen die Gewerkschaften vermehrt Haustarifverträge mit einzelnen Unternehmen ab. In Deutschland hat sich die Zahl der Unternehmen mit solchen Verträgen von 1990 bis 2004 verdreifacht. In Ostdeutschland gibt es bereits mehr Haus- als Flächentarifverträge, was vor allem in der niedrigeren Verbandszugehörigkeit der ostdeutschen Unternehmen begründet liegt. Um jedoch einen Haustarifvertrag mit einem tarif- oder verbandsflüchtigen Unternehmen abschließen zu können, wird eine ausreichende Zahl an mobilisierungsfähigen Gewerkschaftsmitgliedern in dem Unternehmen benötigt, um notfalls streiken zu können.

Insgesamt ist die tarifvertragliche Deckungsrate seit 1998 gesunken und ist in den neuen Bundesländern geringer als in den alten. In Tabelle 1 wird diese Entwicklung mit Daten aus dem IAB- Betriebspanel von 2006 unterlegt.

Tabelle 1: Tarifbindung in Deutschland 1998 und 2006, Quelle: Müller-Jentsch 2007.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Aktivitäten und Einflüsse von Gewerkschaften
Untertitel
Jüngste Entwicklungen
Hochschule
Technische Universität Dresden
Veranstaltung
Internationaler Vergleich Industrieller Beziehungen
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V120710
ISBN (eBook)
9783640243020
ISBN (Buch)
9783640248094
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewerkschaften, Interessenvertretung
Arbeit zitieren
Mandy Rudolph (Autor:in), 2008, Aktivitäten und Einflüsse von Gewerkschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120710

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