Die Intermedialität von Brechts Theaterkonzeption


Seminararbeit, 2006

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Wegbereiter und Einflüsse
2.1 Gesellschaftspolitische und ökonomische Ausgangssituation
2.2 Politische Grundhaltung
2.3 Dramaturgisch-ästhetische Vorbilder

3 Brechts Theaterästhetik
3.1 Lehrstücke
3.1.1 Begrifflichkeit
3.1.2 Entwicklung
3.1.3 Anwendung im Rundfunk
3.2 Episches Theater
3.2.1 Begrifflichkeit
3.2.2 Entwicklung
3.2.3 Anwendung in Rundfunk und Film

4 Brechts Medienprogrammatik
4.1 Rundfunk
4.2 Fotografie und Film

5 Zusammenfassung

6 Quellenverzeichnis:

1 Einführung

Die Geschichte des Theaters spielt bei der generellen Betrachtung von Mediengeschichte oft nur eine untergeordnete Rolle.

Das mag zum Einen daran liegen, dass die Theaterwissenschaft (bzw. Literaturwissenschaft) diese Funktion bereits übernimmt oder aber auch zum Anderen, dass dem Theater und seiner Geschichte bei der Entwicklung der Medien ihre einflussreiche Position abgesprochen wird.

Doch gerade im Bereich der Dramaturgie fußt alles aus Bereich Film, Fernsehen und Rundfunk auf den Darstellungsweisen des Theaters.

Wenn es hier nun um eine Theatergeschichte eingebettet in die Mediengeschichte gehen soll, ist natürlich eingangs erwähnenswert, dass es in diesem Rahmen unmöglich ist, das Theater von seinen Anfängen in der Antike bishin zum heutigen Regietheater zu umreißen. Daher wird ein Aspekt der Theatergeschichte gewählt und sein Einfluss auf die Medien und die Beeinflussung dieser auf die Theatergeschichte dargestellt.

Das epische Theater von Bertold Brecht eignet sich für diese Betrachtung besonders, da bei seinen ästhetischen Konzepten die Wechselseitigkeit von Medien und Theater paradigmatisch vorliegen.
Brecht verwendete nicht nur alle möglichen Versatzstücke von zeitgenössischen Medien in seinen Aufführungen, seine theoretischen Schriften haben ihrerseits auch die Struktur der Medien beeinflusst.

Besonders sei hier auf die Filmdramaturgie verwiesen, die vor allem durch das epische Theater von ihren aristotelischen Erzählstrukturen abwich.

Einsteigend mit einem Überblick über die Einflüsse Brechts, nicht nur politischer (vor allem Karl Marx), sondern auch dramaturgischer Art, besonders Erwin Piscator und sein Agitprop-Theater, werden auch die gesellschaftlichen und ökonomischen Voraussetzungen angerissen, die grundlegend für die Entwicklung des epischen Theaters waren.

Anschließend wird der Bogen zu einer umfassenden Ausführung zu Bertolt Brechts theaterästehtischen Konzeptionen (wobei der Fokus selbstverständlich mehr auf dem epischen Drama, als den Lehrstücken liegt), seine Begrifflichkeit, Entwicklung und Anwendung, geschlagen und schließt mit deren intermedialer Struktur vorwiegend im Bereich Hörfunk und Film.

Bertolt Brecht war nicht nur Regisseur am Berliner Theater, sondern auch Schriftsteller für Hörspiele und fertigte im Zuge dessen theoretische Überlegungen dazu an.

2 Wegbereiter und Einflüsse

2.1 Gesellschaftspolitische und ökonomische Ausgangssituation

In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts herrschte auf vielen Bereichen eine ambivalente Grundstimmung vor: In der Kunst, wie in der Politik, im sozialen Bereich wie in der Wirtschaft. Brecht erlebte als Mittzwanziger in der Weimarer Republik den „... Wandel des Literaturbegriffs ... seine Versachlichung und Operationalisierung“ (Kaes, Anton 1998, S. 298) mit.

Vor allem die Ausweitung der neuen Medien Film und Radio, deren Entwicklung zu einem Massenmedium und daraus folgendem „... Prestigeverlust des traditionellen Theaters“ (Ebd. S. 294) führten zu einer Krise des Theaters. Auch Brecht war sich dieser Theaterkrise bewusst, sah diese aber weniger in der Konkurrenz zwischen den Medien, „...sondern allein in der Zeitfremdheit des Spielplans“ (Ebd. S. 294).

Diese Publikumskrise war für Brecht „...auslösende[s] Moment“ (Ebd. S.296), systematisch ein Theater zu entwerfen, welches den zeitgenössischen Geist widerspiegelt.

Im wirtschaftlichem Bereich, vor allem in der Industrie Amerikas erkannte Brecht dass „[d]iese Dinge .. nicht dramatisch in unserem Sinne [seien], sie könnten nur noch berichtend, episch wiedergegeben werden.“ (Kaes, Anton 1998, S. 296).

Im Zuge der Recherchearbeit zu einem Stück brauchte der junge Dramaturg Hintergrundinformationen über die Weizenbörse Chicagos; doch niemand konnte ihm die Vorgänge an der Börse hinreichend erklären. Das Drama wurde nicht geschrieben -diese Erfahrung aber gab den Ausschlag, dass Brecht sich mit ökonomischen und soziologischen Studien beschäftigte und die Theorien des epischen Dramas (wie er es damals noch nannte) konkretisierte. „Für ihn fungierte die Soziologie außerdem als Wissenschaft, die den Untergang des alten Dramas bestätigen und die Notwendigkeit eines neuen nachweisen sollte.“ (Hecht, Werner 1966, S. 53)

Für die Konstruktion seines Theatermodells bediente Brecht sich der marxistischen Theorie, welche ihm die „...präzise Formulierung der Fragen [ermöglicht], deren Überprüfung sein Theater übernehmen soll.“ (Fischer-Lichte, Erika 1999, S. 222) Somit soll der nächste Wegbereiter durchleuchtet werden: Brechts Affinität zum Marxismus.

2.2 Politische Grundhaltung

Erst Mitte der 20er Jahre kristallisierte sich in Brecht eine eindeutige politische Haltung heraus. Doch schon vor 1926 richtete sich seine „...diffus antibürgerliche Grundhaltung ... gegen die bürgerliche Gesellschaft selbst als auch gegen das bürgerliche Drama und den bürgerlichen Theaterbetrieb“ (Eckhardt, Juliane 1983, S. 13).

Im Zuge der Recherchearbeit zu Joe Fleischhacker befasste sich Brecht 1926 das erste Mal mit Marx‘ Theorien. Die daraus resultierende Vorstellung, dass „das Individuum nicht mehr isoliert und als autonomes Subjekt auf[gefasst werden könnte], sondern .. in den Prozeß der Gesellschaftlichkeit eingeordnet [werden muss]“ (Schumacher, Ernst 1975, S. 131) schlug sich auch in seiner Theaterkonzeption nieder: „Als ich ‚Das Kapital‘ von Marx las, verstand ich meine Stücke. [...D]ieser Marx war der einzige Zuschauer für meine Stücke [...], es war Anschauungsmaterial für ihn.“ (Brecht, Bertolt 1964, S. 195)

Brechts Ziel war fortan „...ein Theater der sozialistischen, klassenlosen Gesellschaft zu begründen.“ (Müller, Inez 1993, S. 67).

Aus der anfänglichen Beschäftigung mit soziologischen Studien entwickelte sich eine Beschäftigung mit dem Marxismus, die in der „...Wendung zum Marxismus“ (Eckhardt, Juliane 1983, S. 13) gipfelte.

Die „...marxistisch orientierte[] Parteilichkeit des epischen Theaters“ (Eckhardt, Juliane 1983, S. 4) zeigt sich inhaltlich in der Darstellung von Arbeitern und deren Milieus und auch formal, in der Verwendung von Klassenkampf-Liedern.

2.3 Dramaturgisch-ästhetische Vorbilder

Brecht selbst konstatiert 1935/36 über die Vorläufer seiner Konzeption:

„In stilistischer Hinsicht ist das epische Theater nichts besonders Neues. Mit seinem Ausstellungscharakter und seiner Betonung des Artistischen ist es dem uralten asiatischen Theater verwandt. Lehrhafte Tendenzen zeigte sowohl das mittelalterliche Mysterienspiel als auch das klassische spanische und das Jesuitentheater.“ (Bertolt Brecht 2005, S. 198)

Der Germanist Ulrich Weisstein fügt 30 Jahre später hinzu, dass sich Präzedenzfälle und Analogien im indischen Drama, mittelalterlichen Mysterienspiel und Lehrstück, im Elisabethanischen Theater, in den Gleichnisstücken der deutschen Reformation, im barocken Welttheater sowie im chinesischen und japanischen Drama finden (Vgl. Weisstein, Ulrich 1966, S. 36).

Und schon einige Jahre vorher –in einem Radiointerview mit Jhering und Sternberg– lässt Bertolt Brecht verlauten, dass „...die Versuche, episches Drama herzustellen .. schon viel früher dagewesen [sind]. [...] Die Anfänge des Naturalismus waren die Anfänge des epischen Dramas in Europa.“ (Ebd. S. 74).

Im Zuge der Entwicklung der antiexpressionistischen Dramaturgie in den 20er Jahren, die auf „...das heroisch-tragische Individuum“ (Kaes, Anton 1998 S. 298) verzichtete, entwickelten sich kleine „...proletarisch-revolutionäre[] Arbeiter- und Laienbühnen“ (Ebd. S. 292.), welche kleine dramaturgische Szenen wiedergaben, die die aktuellen Missstände der Gesellschaft verdeutlichen sollten. Diese Agitprop-Gruppen „versuchten die Analyse der Klassenlage, wie sie von der Kommunistischen Partei gegeben wurde, szenisch-konkret zu gestalten.“ (Hecht, Werner 1966, S.78). Schon dort bestanden die kurzen Aufführungen aus Rezitationen, Songs und Ansprachen.

Jedoch das einflussreichste Theater der damaligen Zeit war das Dokumentartheater von Erwin Piscator, welches den von geschichtlichen, sozialen und politischen Mächten determinierten Menschen zum Thema hatte.

Wie Brecht wollte er kein Illusionstheater mehr auf die Bühne bringen, sondern den Zuschauern die authentische Wirklichkeit mittels faktisch-dokumentarischen Materials aufzeigen. Diese Anti-Kunst wollte aufklären und politische Meinungen agitativ beeinflussen, sein Theater verstand sich „...als Glied in der Front der Klassenkampfbewegung“ (Wannemacher, Klaus 2004, S. 1).

Piscator, der auch Mitbegründer des proletarischen Theaters Berlin war, hatte den Anspruch, dass „Theater als gesellschaftliche Kunst gesellschaftliche Leitvorstellungen formulieren und erkennbare Wirkungen produzieren müsse.“ (Ebd. S. 2). Er war es, der in den 20er Jahren „...Inszenierungstechniken des epischen Theaters [entwickelte]“. (Ebd. S. 43), wozu vor allem die Verwendung von damals neuartigen Medien gehörte. Diese sollten gesellschaftliche Prozesse dem Zuschauer leichter verständlich machen.

Diese ‚epischen Medien‘ umfassten Projektionen von Texten und Bildern auf Stoffe, Leinwände oder auf das gesamte Bühnenbild, die Verwendung des Mediums Film, Schrifttafeln aber Piscator bediente sich auch „...konventionell illudierender Bühneneffekte wie etwa Rauchschwaden .. oder setzte Requisiten wie Automobile und lebende Tiere .. ein.“ (Ebd. S. 249).

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Intermedialität von Brechts Theaterkonzeption
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft)
Veranstaltung
Mediengeschichte
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V120391
ISBN (eBook)
9783640241804
ISBN (Buch)
9783640245406
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Intermedialität, Brechts, Theaterkonzeption, Mediengeschichte
Arbeit zitieren
Ulrike Pilz (Autor:in), 2006, Die Intermedialität von Brechts Theaterkonzeption, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120391

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