Q. Mucius Scaevola - Welche Funktion überträgt Cicero dieser Person im ersten Buch des Werks „De oratore“?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Rolle des Quintus Mucius Scaevola in Ciceros „de oratore“
2.1. Biographische Hintergründe
2.2. Darstellung in den Zwischengesprächen
2.2.1. Einführung in Ort, Zeit und Personen (24-29)
2.2.2. Gespräch zwischen Crassus und Scaevola (74-79)
2.2.3. Erstes Zwischengespräch (96-112)
2.2.4. Zweites Zwischengespräch (160-165)
2.2.5. Drittes Zwischengespräch (204-209a)
2.2.6. Schlussgespräch des ersten Buches (262b-265)
2.3. Die Rede des Q. Mucius Scaevola
2.3.1. Gliederung der Rede und inhaltliche Kurzzusammenfassung
2.3.2. Interpretation

3. Fazit

4. Literatur

1. Einleitung

Ciceros „De oratore“, die erste seiner großen literarischen Arbeiten, entstand wohl im Jahr 55 v. Chr. [1], nach der weitgehenden politischen Isolierung Ciceros. Das Werk widmet sich einem Thema, dem Cicero selbst lebenslang verpflichtet war: der Redekunst.

Ciceros „De oratore“ ist als Dialog abgefasst mit verschiedenen „Personen der Zeitgeschichte oder der jüngeren Vergangenheit, die eine besondere Beziehung zu seinem Gegenstand besaßen.“ [2] Die Dialogform ermöglicht es Cicero widerstreitende Meinungen darzustellen, indem er sie den unterschiedlichen Charakteren zuschreibt und sie durch die Stimmen seiner Gesprächsteilnehmer verkünden kann. Dass Cicero bei der Wahl der Personen und bei der Darstellung derselben eine bestimmte Intention verfolgte und die Auswahl nicht zufällig erfolgte, wird unterstellt. Es eröffnet sich jedoch die Frage, warum Cicero die einzelnen Personen in seinen Dialog einarbeitete und welche Bedeutung sie für das Werk haben.

In der vorliegenden Arbeit soll nun untersucht werden, welche Rolle Cicero dem Quintus Mucius Scaevola in seinem literarischen Werk „De oratore“ zugedacht hat. Welche Funktion, welche Rolle überträgt Cicero dem Q. Mucius Scaevola? Dazu sollen nach einer kurzen Beschreibung der historischen Person die Zwischengespräche des ersten Buches darauf untersucht werden, wie Cicero Q. Mucius Scaevola darstellt und welche Charakterzüge er ihm zuteilt. Vorsichtige Interpretationen sollen die Frage der Arbeit – welche Rolle Scaevola in Ciceros „De oratore“ spielt – beantworten helfen. Anhand der Rede, die Q. Mucius Scaevola in „De oratore“ hält, soll die Bedeutung der Persönlichkeit Q. Mucius Scaevola für „De oratore“ und damit seine Rolle in dem Buch abschließend herausgearbeitet werden. Dabei werden sowohl bei der Analyse der Zwischengespräche, als auch bei der Untersuchung der Rede, lediglich die für die Darstellung der Person Q. Mucius wichtigsten Punkte beachtet und interpretiert. Aufgrund des Umfanges des ersten Buches können nicht alle Aspekte gleichermaßen detailliert einbezogen werden.

Da die Arbeit im Wesentlichen auf eigenen Untersuchungen der entsprechenden Textstellen beruht, wird als Literaturgrundlage vor allem der Kommentar von Leeman verwendet. Als Textgrundlage die Ausgabe von K. F. Kumaniecki hinzugezogen. [3]

2. Die Rolle des Quintus Mucius Scaevola in Ciceros „De oratore“

2.1. Biographische Hintergründe

Quintus Mucius Scaevola wurde vermutlich 170 v. Chr. geboren und starb 87 v. Chr. während des Bürgerkrieges zwischen Marius und Sulla. [4]

Er galt als herausragender Jurist und war zudem von 129 an Augur, was ihm auch den in vielen Quellen genannten Beinamen einbrachte, auch damit es nicht zu einer Verwechslung mit seinem Verwandten Q. Mucius Scaevola Pontifex kommt. Im Jahr 120 wurde Q. Mucius Praetor und verwaltete Asia. Während dieser Zeit hat er wohl auch in Athen und Rhodos die Rhetoren- und Philosophenschulen besucht. Zurück in Rom wurde er wegen Erpressung von T. Albucius angeklagt [5], jedoch freigesprochen. Das Amt des Konsuls bekleidete er im Jahr 117. Danach widmete er sich hauptsächlich der Rechtsberatung, erteilte aber nur responsa, also Rechtsgutachten und veröffentlichte keine eigenen Schriften.

Q. Mucius lebte in einem Jahrhundert, das insgesamt geprägt war durch die Annäherung der griechischen und der römischen Kultur. Er war selbst durch seinen Schwiegervater C. Laelius (ca. 190 – 129 v. Chr.) verbunden mit dem Scipionenkreis. Scipio Aemilianus wiederum pflegte engen Kontakt zu Panaitios von Rhodos (ca. 180 – 100 v. Chr.), der „den Römern den Zugang zu einer Philosophie mit neuen Perspektiven, auch für das politische Leben, erschlossen hat.“ [6] Seine Schrift „Vom Staat“, die uns nur aus Ciceros „De re publica“ und „De officiis“ erhalten ist, hat das Denken der führenden Männer in Rom beeinflusst. Wohl schon während der berühmten Philosophengesandtschaft im Jahr 155 v. Chr. hat Q. Mucius in Rom die Vertreter der drei großen Philosophenschulen gehört und fühlte sich – sicher auch durch den Kontakt zum Scipionenkreis und damit auch zum Vertreter der mittleren Stoa, Panaitios – am ehesten der Stoa verbunden.

Als sein Schüler kann neben seinem Schwiegersohn L. Licinius Crassus auch Cicero genannt werden. Als junger Mann wurde er zusammen mit seinem Bruder Quintus „bei einigen der kultiviertesten Adligen eingeführt, vor allem bei den beiden herausragenden Rednern der Zeit, Lucius Licinius Crassus und Marcus Antonius, ferner beim Augur Quintus Mucius Scaevola und beim gleichnamigen Sohn seines Vetters, dem Pontifex Scaevola. Diese beiden waren die führenden Autoritäten im Zivil- bzw. Sakralrecht.“ [7] So nahm Cicero an den Rechtsauskünften und -beratungen des da schon hochbetagten Q. Mucius teil. Zahlreiche Details aus dessen Leben bewahrte uns Cicero daher aus eigener Erinnerung in seinen Schriften, vor allem in „De oratore“, in „De re publica“ und in „Laelius“.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Q. Mucius Scaevola ein Mann des öffentlichen, d.h. auch politischen Lebens, war. Seine juristischen Fachkenntnisse sowie ein grundlegendes philosophisches Interesse, dabei vor allem an der Stoa, kennzeichnen seine Person und machen ihn – unter anderem für Cicero – bedingt auch durch sein hohes Alter zu einer Autorität.

2.2. Darstellung in den Zwischengesprächen

2.2.1. Einführung in Ort, Zeit und Personen (24-29)

Die Person des Q. Mucius Scaevola wird, wie alle anderen für das erste Buch wichtigen Akteure, direkt nach dem Proömium eingeführt. Cicero habe, so heißt es in Abschnitt 24, davon gehört, dass L. Crassus sich zur Zeit des Konsulats des Philippus, während der römischen Festspiele zu Ehren der drei kapitolinischen Gottheiten, auf sein Landgut bei Tusculum zurückgezogen habe. Daraus ergibt sich eine Datierung des Gesprächs auf zwei Septembertage im Jahr 91.

« ... venisse eodem, socer eius qui fuerat, Q. Mucius dicebatur et M. Antoniu, homo

et consiliorum in re publica socius et summa cum Crasso familiaritate coniunctus. » [8]

Cicero nennt Q. Mucius zusammen mit M. Antonius. Cicero beschriebt Q. Mucius lediglich näher, indem er das Verwandtschaftsverhältnis zu L. Crassus als Schwiegervater benennt, während M. Antonius als politischer Gefährte und Freund des L. Crassus eingeführt wird. Im Folgenden werden die zwei jungen Männer C. Cotta und P. Sulpicius – beides laut Cicero Anwärter für das Amt des Volkstribun, also Männer, denen eine politische Karriere noch bevorstand - eingeführt.

Am ersten Abend war die aktuelle politische Lage Gegenstand der Gespräche zwischen den Männern. Cotta habe darüber berichtet, dass die drei Konsuln mit äußerster Voraussicht über den Staat und seine Situation gesprochen hätten:

« quo quidam in sermone multa divinitus a tribus illis consularibus Cotta deplorata et commemorata narrabat, ut nihil incidisset postea civitati mali quod non inpendere illi tanto ante vidissent. » [9]

Die drei Konsuln Q. Mucius Scaevola (Konsul im Jahr 117 v. Chr.), M. Antonius (Konsul im Jahr 99 v. Chr.) und L. Crassus (Konsul im Jahr 95 v. Chr.) werden gleichermaßen als erfahrene Politiker dargestellt, denen zudem die Sorge um die aktuellen politischen Geschehnisse gemein sind. Q. Mucius ist der älteste Gesprächsteilnehmer, er „repräsentiert als fast Siebzigjähriger die älteste Generation.“ [10]

Am Morgen des folgenden Tages treffen sich die Männer, nachdem sie sich ausgeruht haben, und es ist zuerst Q. Mucius, der zu reden beginnt:

« ‚cur non imitamur Crasse Socratem illum qui est in Phaedro Platonis ?[...]’ » [11]

Q. Mucius zieht den Vergleich zu Platons Phaidros, in dem Sokrates auf eine Platane aufmerksam gemacht wird, die als angenehmer Ort für das Gespräch angemessen erscheint. Wie bei Platon wird auch bei Cicero ein Bach erwähnt, der dem Ort zusätzliche Attraktivität verleiht. [12]

«Phaidros : Siehst du jene höchste Platane dort ?

Sokrates: Wie sollte ich nicht?[...]

Phaidros: Etwa eben hier? Angenehm wenigstens, rein und durchsichtig ist hier das Wässerchen [...]»

Auf die Parallelität zwischen Platon und Cicero, die auch in weiteren Stellen hervortritt [13] und Platons Funktion als Vorbild soll hier aufgrund des Themas der Arbeit nicht eingegangen werden. Interessant ist diese Stelle dennoch, da zum einen die Tatsache, dass Scaevola als erster zu sprechen beginnt, bedeutsam ist, weil daraus auf eine wesentliche Rolle im ersten Buch geschlossen werden könnte. Diese These muss aber im weiteren Verlauf geprüft werden. Zum anderen lässt sich aus dieser Aussage auf Scaevolas Bildung, die Kenntnis der griechischen Literatur, hier v.a. der Philosophie, schließen. Dass Cicero gerade ihn für die Anmerkung auswählt, könnte auf eine Charakterisierung Scaevolas als philosophisch interessierten Gesprächsteilnehmer schließen. Weitere Belege dafür müssen in den folgenden Abschnitten gesucht werden.

[...]


[1] Marcus Tullius Cicero. De oratore. Über den Redner. Lateinisch / Deutsch. Übers. u. hrsg. von H. Merklin, Stuttgart 1997 (3. Auflage), S. 23.

[2] Ebenda, S. 24.

[3] M. Tulli Ciceronis scripta quae manserunt omnia. Fasc. 3. de oratore, edidit K. F. Kumaniecki. Leipzig 1969.

[4] Für das ganze Kapitel vgl. Der neue Pauly ; Marcus Tullius Cicero. De oratore. Über den Redner. Lateinisch / Deutsch. Übers. u. hrsg. von H. Merklin, Stuttgart 1997 (3. Auflage), S. 28.

[5] Belegt auch in: De oratore: II, 281 und III, 171.

[6] Bengtson, H.: Römische Geschichte. Republik und Kaiserzeit bis 284 n. Chr. München 1995 (7. Auflage), S. 119.

[7] Habicht, Chr.: Cicero der Politiker. München 1990, S. 27.

[8] De oratore I, 24.

[9] De oratore I, 26.

[10] Marcus Tullius Cicero. De oratore libri tres. Kommentar von A. D. Leeman, H. Pinkster u.a., Band 1, Heidelberg 1981, S. 88.

[11] De oratore I, 28

[12] Platon. Werke. Band 5, Phaidros. Parmenides. Epistolai (Briefe). Hrsg. Von Gunther Eigler. Darmstadt 1990, S. 8-9.

[13] Marcus Tullius Cicero. De oratore libri tres. Kommentar von A. D. Leeman, H. Pinkster u.a., Band 1, Heidelberg 1981, S. 66.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Q. Mucius Scaevola - Welche Funktion überträgt Cicero dieser Person im ersten Buch des Werks „De oratore“?
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Hauptseminar "Cicero - De oratore"
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V120349
ISBN (eBook)
9783640241590
ISBN (Buch)
9783640245260
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mucius, Scaevola, Hauptseminar, Cicero
Arbeit zitieren
Franziska Rothmann (Autor:in), 2006, Q. Mucius Scaevola - Welche Funktion überträgt Cicero dieser Person im ersten Buch des Werks „De oratore“?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120349

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