Zu Georg Trakls "Grodek"


Hausarbeit, 2008

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Georg Trakl - Grodek

II. Einleitung

III. Interpretation

IV. Schlussbemerkung

V. Textgrundlage

VI. Literaturnachweis

I. Georg Trakl - Grodek

Grodek [1]

2. Fassung

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder

Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen

Und blauen Seen, darüber die Sonne

Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht

5 Sterbende Krieger, die wilde Klage

Ihrer zerbrochenen Münder.

Doch stille sammelt im Weidengrund

Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt

Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;

10 Alle Straße münden in schwarze Verwesung.

Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen [Hain,]

Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden

Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;

Und leise tönen im Rohr die dunklen Flöten des Herbstes.

15 O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre [Schmerz,]

Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger

Die ungeborenen Enkel.

II. Einleitung

Dass Georg Trakls Kriegsgedicht Grodek sehr viele Motive der Trakl’schen Lyrik aufweist, ja diese in genau jener Art in sich konzentriert, die für das Schaffen Trakls typisch war, soll Gegenstand dieser Untersuchung sein, wobei ein Schwerpunkt auf den literarischen wie bildnerisch-künstlerischen Begriff „Hain“ gelegt wird, denn daran und an weiteren Merkmalen lässt sich deuten, inwieweit Intertextualität für die Dichtung Trakls relevant ist. Dass Trakl einschlägige Definitionen für bestimmte Begriffe aufgreift, ohne dabei das Expressionistische seiner Werke zu vernachlässigen, im Gegenteil, in dem er Motive zueinander in Beziehung setzt, die – auf den ersten Blick – keinerlei spezielle Implikation aufweisen, so wird bei der Einbeziehung anderer Werke Trakls sowie von Werken der Antike, die Teil der humanistischen Bildung zu Lebzeiten Trakls waren, nach und nach eine schlüssige Verbindung hergestellt, wobei „sich der Zugang zu ihr unerhört schwierig [gestaltet]. [2]

III. Interpretation

Das vorliegende Gedicht von Georg Trakl entstand im galizischen - titelgebenden - Grodek (heute: Ukraine) zwischen dem 25. und 27. Oktober 1914. [3] Trakl erholte sich im dortigen Lazarett von einem Nervenzusammenbruch, den er während der Ausübung seines Dienstes als Sanitätsoffizier, für den er sich als Freiwilliger gemeldet hatte, bei der alleinigen Betreuung von 90 Schwerverwundeten [4], erlitt.

In seiner Funktion als Sanitätsoffizier erlebte er unmittelbar die Leiden des Ersten (industrialisierten) Weltkrieges, welcher, mit Granaten, Mörsern, „Maschinengewehr und Giftgas geführt, nie gekannte Grausamkeit erreichte.“ [5]

Grodek folgt keinem regelmäßigem Versmaß, sondern einem freien Rhythmus. Diese Hypothese soll im Folgenden verdeutlicht werden.

Schon die ersten zwei Verse können dafür herangezogen werden: Beide Verse beinhalten zwar vier Hebungen und beginnen mit einem Auftakt, doch, während im ersten Vers dem Auftakt ein Jambus folgt und daraufhin zwei Trochäen, folgen dem Auftakt im zweiten Vers sofort zwei Trochäen und dann erst ein Jambus. Neben dem unterschiedlichen Metrum ist zudem zu beachten, dass das Gedicht nicht durchgehend aus vierhebigen Versen konstruiert ist, sondern auch aus dreihebigen (V.6, 12) und sechshebigen Versen (z.B. V.12). Diese kurzen Erläuterungen reichen schon aus, um deutlich zu zeigen, dass das Gedicht metrisch nicht regelmäßig aufgebaut ist. Ähnlich unregelmäßig bzw. nicht vorhanden ist das Reimschema: Nur bei ein paar wenigen Versen ist es überhaupt möglich, sie aufeinander zu reimen (z.B. V.1 und V.6), wobei auch dann noch fraglich ist, inwieweit sie bewusst als Reim konzipiert sind. Viel mehr ist anzunehmen, dass es sich um einen bewussten Verzicht auf ein Reimschema und ein regelmäßiges Metrum handelt. Denn gerade durch das Wegfallen der ordnenden und harmonisierenden Größen, Reim und Metrum, wird die Aussage des Gedichtes und das beschriebene Leid noch deutlicher. Dass die Ordnung und Harmonie, die „heile Welt“, durch den Krieg zerstört wurde, wird - ohne die inhaltlichen oder anderen stilistischen Mittel des Gedichtes in Betracht zu ziehen-, somit schon auf der reinen Versebene des Gedichtes deutlich.

So beinhalten die ersten beiden Verse bereits Motive, die einerseits Trakl´sche „End- und Untergangsbilder“ (‚Abend’ und ‚Herbst’) [6] sind und andererseits das konventionelle Bild der „Waffen“, von denen „die herbstlichen Wälder [tönen]“ (V. 1f.). Auffallend ist hierbei, dass der ‚Abend’ bei Trakl gänzlich nicht-attributiv gebraucht wird. Auch wenn frei von näher erläuternden oder direkt, also in Form von Attributen, charakterisierenden Worten, ist dieser Begriff für Trakl jedoch nicht lediglich Tageszeit, sondern vielmehr Chiffre für eine schwermütige und todesnahe Stimmung. Das wird offensichtlich, sobald jene Begriffe näher untersucht werden, die in anderen Werken in Verbindung mit dem ‚Abend’ stehen. So heißt es im Gedicht Klage I: „Abend schlägt so tiefe Wunde“ [7] und bei Jahr findet sich folgender Bezug: „Ein Dunkles entzückt der Duft der Veilchen; | schwankende Ähren | Im Abend, Samen und die goldenen Schatten der Schwermut.“ [8] Wenn wir von der Thauerer´schen Interpretation bezüglich der „End- und Untergangsbilder“ ausgehend die Verse „Bläulich dämmert der Frühling; | unter saugenden | Bäumen | Wandert ein Dunkles in Abend und Untergang“ [9] aus dem Gedicht Siebengesang des Todes dahingehend interpretieren, dass der Abend eindeutig mit dem Begriff ‚Untergang’ in Verbindung gebracht, durch die Verwendung des „und“ nahezu gleichgesetzt wird, können wir auch voraussetzen, dass die dem ‚Abend’ beigeordneten Begriffe wie „Wunde“ und „Schwermut“ in ihrer Bedeutung eindeutig charakteristisch für Trakls literarischen Begriff vom ‚Abend’ sind. Ausgehend von diesem Ansatz setzt der Umschwung von der anfänglich als landschaftliches Idyll erscheinenden Szenerie der „herbstlichen Wälder“, der „goldnen Ebenen“ sowie der „blauen Seen“ zu der bedrohlich wirkenden Erscheinung einer „Sonne“, die „Düstrer hinrollt“ (V. 5) keineswegs unvermittelt ein, denn eine Untergangsstimmung ist, wie wir gesehen haben, bereits indiziert. Die ‚düstre Sonne’ in Grodek könnte metaphorisch für eine Sonnenfinsternis stehen, denn diese wird als Ankündigung von Unheil gesehen:

„[…] In der astrolog. Literatur sind bis in die Neuzeit die Finsternisse [Sonnen- und Mondfinsternisse, A.G.] Prodigien und Omina geblieben, die den Tod eines großen Mannes, Pest, Krieg u. a. bewirken […]“ [10]. Aber auch eine christlich-metaphorische Deutung ist möglich, denn das Geschehen mutet apokalyptisch an und somit könnte es ein Verweis auf Offb. 6, 12 sein: „Und ich sah, daß es das sechste Siegel auftat, und siehe, da ward ein großes Erdbeben, und die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack, und der Mond ward wie Blut […]“. Die folgende Personifikation der ‚Nacht’, die „[s]terbende Krieger, die wilde Klage | ihrer zerbrochenen Münder.“ (V. 5 f.)‚ umfängt’, kann sowohl als Todessymbol im Sinne von „Es hatten mich umfangen die Schmerzen des Todes, und die Bäche des Verderbens erschreckten mich.“ [11] und „Stricke des Todes hatten mich umfangen, und Ängste der Hölle hatten mich getroffen; ich kam in Jammer und Not.“ [12] gedeutet werden, sowie als „tröstende[] Instanz“ [13], da einerseits die „wilde Klage“ der ‚Krieger’ von der für die Nacht charakteristischen Ruhe bildhaft absorbiert wird, andererseits die „[s]terbenden Krieger“ durch das Dunkel der Nacht von dem sie umgebenden Leiden der anderen „Krieger“ auf visueller Ebene getrennt werden. Außerdem offenbaren die Stellen „tödliche Waffen“ (V. 2), „sterbende Krieger“ (V. 5) und „die wilde Klage | Ihrer zerbrochenen Münder“ (V.5 f.) die Auswirkungen des Krieges auf den Geisteszustand des damals 27-jährigen Dichters, welcher ohnmächtig ob der Gewalt und der daraus resultierenden Leiden der Soldaten zu sein scheint. Im Brief eines deutschen Soldaten ist beispielsweise Folgendes zu lesen:

„[…] Tagelange[s] Ausharren im Granatfeuer, wo man immer nur wartet, ob denn die nicht kommt, die einen verstümmelt oder zerschmettert. [Es] stöhnt […] ein Unteroffizier, dem eine Granate beide Beine und einen Arm zerschmetterte.“ [14]

[...]


[1] HKA I, „Grodek“ (2. Fassung), S. 167

[2] Pfisterer-Burger, 1983, S. 7

[3] Die Datierung folgt Weichselbaum, 1994, zit. nach: Thauerer, 2007, S. 326, Anm. 599

[4] Uni Karlsruhe http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/trakl.htm (15.08.2008);

vgl. auch Buck, 2001, S. 20

[5] Zolling, 2005, S. 83

[6] Thauerer, 2007, S. 327

[7] HKA I, S. 163, (Z. 6)

[8] ebd., S. 138, (Z. 4-5)

[9] ebd., S. 126, (Z. 2-3)

[10] Jürß, Fritz in: Irmscher, 1974, S. 517

[11] 2. Sam 22, 5

[12] Ps 166, 3

[13] Thauerer, 2007, S. 330

[14] Zolling, 2005, S. 83

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Zu Georg Trakls "Grodek"
Hochschule
Universität Bremen
Veranstaltung
Lyrik von Nietzsche bis Heym
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V120292
ISBN (eBook)
9783640241422
ISBN (Buch)
9783640245147
Dateigröße
402 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Georg, Trakls, Grodek, Lyrik, Nietzsche, Heym
Arbeit zitieren
Albert Gelver (Autor:in), 2008, Zu Georg Trakls "Grodek", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/120292

Kommentare

  • raf rafa am 24.12.2010

    Albert.Eto ia? papa iz Tashkenya...prishli svoi adres.1280454@mail.ru

Blick ins Buch
Titel: Zu Georg Trakls "Grodek"



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