Zu Robert Menasse: "Selige Zeiten, brüchige Welt"


Magisterarbeit, 2008

76 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Quellen des schriftstellerischen Motivs
2.1. Vom Sohn eines Fußballprofis zum Schriftsteller

3. Trilogie der Entgeisterung
3.1. Kurzer Überblick & Einordnung

4. „Selige Zeiten, brüchige Welt“ - Ein umgekehrter Entwicklungsroman
4.1. Zum Begriff „Rückentwicklungsroman“
4.2. Menasses Intention einen umgekehrten Entwicklungsroman zu schreiben

5. Exkurs
5.1. Das Gestaltungsprinzip „Hegel“
5.2. Hegelianische Einflüsse und der Bezug zum Roman

6. Leo Singers Leben - Ein Rückschritt in Etappen
6.1. Einführung mit kurzer Begriffserläuterung des Verbs „Scheitern“
6.2. Leos Verlorenes Paradies
6.3. Exkurs: Quellen von Leos Identität: Vater, Mutter und Onkel Zé
6.4. Leos Bekanntschaft mit Judith
6.5. Exkurs: Leo Singers Essays und ihre Verbindung zu Georg Lukács
6.6. Ein Umschwung setzt ein - Die Italienreise
6.7. Die Rückkehr nach Brasilien
6.8. Leos zündende Idee
6.9. Die Beziehung zu Judith scheitert
6.10. Leo erhält eine Bar-Professur

7. Visualisierte Rückentwicklung
7.1. Einführung und Erläuterungen zum Diagramm
7.2. Das Diagramm: Etappen des Scheiterns
7.3. Legende
7.4. Die Bilanz

8. Literaturverzeichnis
8.1. Primärliteratur
8.2. Primärliteratur weiterer Autoren
8.3. Interviews
8.4. Sekundärliteratur
8.5. Nachschlagewerke und Lexika

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Robert Menasses Roman „Selige Zeiten, brüchige Welt“, 1994 auf dem Buchmarkt erschienen, ist der zweite Teil seiner Romantrilogie „Trilogie der Entgeisterung“. Wie auch in den anderen Teilen der Romanabfolge (Erster Teil: „Sinnliche Gewissheit“ (1988); Dritter Teil: „Schubumkehr“ (1995) und als Nach-Schrift die Geschichte des verschwindenden Wissens, die "Phänomenologie der Entgeisterung" (1995)) wird die Philosophie Friedrich Hegels auf den Kopf gestellt. Sie wird am explizitesten von Menasses Hauptfigur Leo Singer umgedreht und weitergedacht. Dessen Lebens-Ziel ist es, die Philosophie ganz zu Ende zu denken. Doch er scheitert menschlich an seinem Vorhaben - denn im Laufe seiner Entwicklung regrediert er bis ins Stadium des Kindseins zurück, anstatt zum Absoluten Wissen zu gelangen. Seiner Lebensmaxime: „Das Leben ist nichts - das Werk ist alles, das Leben ist lauter Zufall und das Werk ist die Notwendigkeit selbst“[1], bleibt er jedoch treu, so treu, dass sein Leben erstarrt und unter seinem Anspruch so gut wie begraben wird. Er produziert Gefühle und Zustände, um arbeiten zu können - er konstruiert seine Identität, um überleben zu können. Doch er scheitert - bleibt erfolglos im Sinne geistiger Reife, trotz materiellem Erfolg. Im Verlauf der folgenden Kapitel wird dieses, wie hier scheinbar auch paradox anmutende Phänomen des Scheiterns untersucht. Vorweg jedoch liegt der Fokus auf dem Schriftsteller Robert Menasse. Die für diese Arbeit wichtigsten Stationen seines Lebens werden kurz aufgezeigt und mit Hilfe von ausgewählten Interviews belegt.

Im Anschluss daran wird seine Trilogie näher betrachtet, um den zu untersuchenden Roman einordnen zu können. In Folge dieser Einordnung geht es um die Gattungsmerkmale des „Rückentwicklungsroman“, der dem Entwicklungsroman beziehungsweise dem Bildungsroman angelehnt ist. Mit Hilfe von Definitionsansätzen soll der Gattungs-Begriff verständlich gemacht werden und das Scheitern des Romanhelden am Beispiel von Robert Menasses Buch nachvollziehbar machen. Die Gründe des Autors für die Umkehrung einer Romangattung werden als Abschluss der Erläuterungen geliefert. Aufgrund der vielen Hegel-Bezüge im Verlauf der Geschichte folgt ein Exkurs über seine Philosophie. Dabei wird aufgezeigt, wie der Romancier Worte des Philosophen montiert und ironisiert. Der Hauptteil der Arbeit befasst sich mit den verschiedenen Etappen des Scheiterns der Figur Leo Singer. Hier werden anhand von Textpassagen regressive Züge, sowie andere Auffälligkeiten, die der Untersuchung dienen, näher betrachtet und bewertet. Abschließend werden die Bewertungen in einem Diagramm verbildlicht.

2. Quellen des schriftstellerischen Motivs

2.1. Vom Sohn eines Fußballprofis zum Schriftsteller

Robert Menasse wurde am 21. Juni 1954 in Wien geboren - er gehört der Nachkriegsgeneration an. Seine jüdischen Eltern wurden zum Schutz vor dem Nationalsozialismus nach Großbritannien gebracht und kehrten erst nach dem Krieg in ihre Heimat Österreich zurück. Sein Vater, Hans Menasse war ein berühmter Fußballspieler im österreichischen Nationalteam - seine Mutter gilt als Realitätenvermittlerin, von der man sonst wenig erfährt.[2] Laut eigenen Aussagen Robert Menasses, war ihm sein Vater lange Zeit ein Vorbild. Er versuchte in dessen Fußstapfen zu gehen und trat der Jugendmannschaft des WAC bei, bald aber merkte er, dass es dort immer nur zu Vergleichen mit den Leistungen seines Vaters kam. Er verließ den Club und schlug einen anderen Weg ein, der ihn letztendlich zu seiner wahren Bestimmung führte:

Ich habe irgendwann einmal bemerkt, mein größtes Talent ist das Geschichtenschreiben. Ich bin ein geborener Geschichtenerzähler, ich sage das einfach als Faktum.[3]

Seine schulische Ausbildung verbringt er im Bundeskonvikt als Internatszögling, wo er mit berühmten Schriftstellern und Erzählern in Berührung kommt, die ihn zwar stille, dafür aber treue Mentoren mit wegweisender Funktion werden:

Als ich begonnen hab, bewußt Literatur zu lesen, so mit sechszehn, siebzehn Jahren, habe ich alles mögliche geliebt, mit anderen Worten: ich hab zunächst die Vielfalt geliebt. Mich haben zum Beispiel Jandl-Gedichte augenblicklich begeistert. […] der frühe Bernhard allerdings auch, obwohl das ganz anders war. Aber ich hab eben sehr früh das Gefühl bekommen, daß die österreichische Literatur besonders vielfältig ist und einen subversiven Witz hat. […] Ich hab mit diesen Texten immer das Gefühl einer rasch herstellbaren Intimität gehabt. Zum Beispiel die frühen Handke-Texte, die waren spielerisch und doch ernst. Das waren geniale Texte für einen lesesüchtigen Gymnasiasten: Ich konnte das Gefühl wachsender literarischer Bildung haben, und trotzdem hat es Spaß gemacht.[4]

Nach Zwölf Jahren Internat schließt er seine schulische Laufbahn mit der Matura am Landstrasser Gymnasium ab und kommt aus einer Not heraus mit der Philosophie Georg Friedrich Hegels in Kontakt:

[…] als ich dann herauskam, habe ich vom „Leben“, wie man sagt, nichts gewußt. Ich habe mich daher ununterbrochen sozial falsch verhalten, weil die Erfahrungen aus dem Internat nicht eins zu eins übertragbar sind auf ein Verhalten draußen. […] Bei mir hat das jedenfalls die bis heute fortwirkende fixe Idee bewirkt: Ich muß das soziale Leben erst verstehen, dann ist es sicherlich die beste Lösung, das Ganze zu verstehen. So bin ich auf Hegel gekommen, darum war ich von Hegel so verführbar: Weil er der Philosoph war, der sich nicht mit Einzelheiten aufgehalten hat, sondern dem es um das Ganze ging. Zugleich war er mir auch sehr schnell vertraut. Hegel ging es um die Totalität, und die einzige Erfahrung, die ich vom Internat her wirklich mitbrachte, war die mit einem totalitären System, wie es ein Internat, eine geschlossene Anstalt, eben auch ist.[5]

Das Internat in dem er viele Jahre verbrachte, hatte etwas „Lagerhaftes“, verriet er Herlinde Koelbl in einem Interview.[6] Mit dreißig anderen Schülern lag er nachts - die Betten eng nebeneinander gestellt - im Schlafsaal. Oft wurde er von seinen Mitschülern verprügelt, konnte sich nicht wehren, sondern musste den Schmerz über sich ergehen lassen. Diese physische Gewalt demütigte ihn zutiefst, verriet er Herlinde Koelbl. Zwar verbrachte er auch Wochenenden bei seinen Eltern, doch ein wirkliches Gefühl des Beheimatet-Seins konnte sich daraus nicht entwickeln. Dieses Defizit, so schmerzhaft es für Menasse damals war, hielt jedoch auch etwas Positives für ihn bereit - es trieb ihn zum Schreiben an.[7]

Im Wintersemester 1972/73 beginnt er sein Studium an der Universität Wien, wo er Philosophie, Geschichte und Deutsche Philologie, später auch eine Zeit lang Politik, Romanistik und klassische Philologie studiert. Er absolviert außerdem zwei Semester außerhalb Wiens in Messina und Salzburg. Während seiner Studienzeit veröffentlicht Robert Menasse seine erste Erzählung „Nägelbeißen“ in der Zeitschrift „neue wege“[8] und gründet die Zeitschrift „Zentralorgan herumstreunender Germanisten“ bei der er zwei Jahre redaktionell tätig ist. Seine ersten Schreibversuche als Romanautor gehen in die Zeit von 1975 bis 1980 zurück, wo er an „Kopfwehmut“ arbeitet, einem Gesellschaftsroman des Wiens der 1970er Jahre, den er jedoch bis heute nicht beendet hat. 1980 promoviert er mit der Arbeit „Der Typus des 'Außenseiters' im Literaturbetrieb (am Beispiel Hermann Schürrer)“.[9] Anschließend geht er für sechs Jahre nach Brasilien, wo er zunächst als Lektor für Österreichische Literatur, später als Gastdozent am Institut für Literaturtheorie der Universität São Paulo lehrt. Der Aufbruch nach Südamerika war auch ein Grund, weshalb er sein in Wien begonnenes Romanprojekt fürs Erste unterbrochen hatte. In Brasilien erarbeitet sich der heutige Schriftsteller ein solides Karrierefundament als Akademiker:

Ich hatte die einzige Vorlesung, wo sich nicht nur Studenten, sondern auch andere Professoren hineinsetzten. Ich dachte plötzlich: Mit diesem Monopol kann ich hier vertrotteln, ich kann Alkoholiker werden, dennoch hier sehr gut leben und am Ende hochgeachtet in Pension gehen, und dafür muß ich nichts anderes leisten, als zweimal in der Woche irgend etwas über „Aufheben im Hegelschen Sinn“ zu raunen - ein schauderhafter Gedanke.[10]

Zwar gibt es für den Akademiker Menasse in Brasilien keine größeren Herausforderungen - dafür belebt der Ortswechsel umso mehr die Seite des Schriftstellers in ihm. Der Aufenthalt in Südamerika entfacht bei ihm den als verloren geglaubten Schreib-Impuls, um an sein Romanprojekt erneut anknüpfen und es vollenden zu können. Es war die Art des Geschichten Erzählens, die ihm in Österreich scheinbar nur noch politisch oder experimentell möglich erschien[11] und sein Schreiben ausbremste - währenddessen sich in Südamerika innerhalb der latein-amerikanischen Literatur ganz neue Dimensionen des Erzählens eröffneten.[12] Über sein Romanprojekt von damals und die Tücken des Schreibens erzählt er Ernst Grohotolsky in einem Interview:

Ich hab immer die Autoren beneidet, die intuitiv - so wie die Seidenraupe ihre Seide spinnt - jung, früh-genialisch, ohne alle diese Skrupel, Probleme und Reflexionen, den großen, ästhetisch geglückten, sinnlichen Text mehr oder weniger herausspeien. Der ist also sozusagen plötzlich da, und sie sind als Autoren vollendet. Ich hab dieses Glücksgefühl nie kennengelernt. Ich hab das Geschriebene immer so gelesen, als wäre ich ein harter, analytisch-kritischer Literaturprofessor, der überall die Schwachstellen und wunden Punkte identifizieren muß. Ich hab also offensichtlich einen sehr reflexiven Zug in meinem Leben.[13]

Trotzdem lässt er sich inspirieren, um über sich hinauswachsen zu können: Er liest Bücher von Alejo Carpentier, ein Vertreter des „neuen Realismus“, der vor allem durch seine Art Romane zu schreiben Einfluss auf Menasse ausübt. Seine Vorgehensweise beim Romaneschreiben ist eine der Faktoren, die dem Schriftsteller von den blockierenden österreichischen Schreibtrends der 70er befreit und seine Kreativität wieder zum fließen bringt. Nebenbei arbeitet Menasse auch als Übersetzer von lateinamerikanischer Literatur - „Das Fest“ von Ivan Ângelo wurde von ihm ins Deutsche übertragen.[14]

1987 kehrt Robert Menasse nach Wien zurück und debütiert 1988 mit seinem ersten Roman „Sinnliche Gewissheit“, dessen erster Teil noch in Brasilien entsteht. 1989 veröffentlicht er Gedichte in der Zeitschrift „Literatur und Kritik“.[15] Drei Jahre darauf folgt der Roman „Selige Zeiten, brüchige Welt“. Dass er auch als Essayist etwas zu erzählen hat, beweist er 1990 mit „Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik. Essays zum Österreichischen Geist.“[16]

Darauf folgt „Land ohne Eigenschaften. Essay zur österreichischen Identität“.[17] Menasses Heimatland und dessen Geschichte beziehungsweise der Umgang mit der Vergangenheit des Landes beschäftigen ihn immer wieder. So tauchen in seinen Romanen Figuren auf, deren Charaktere „typische“ österreichische Verhaltensmuster aufweisen oder er lässt sie in Situationen geraten, die direkte oder indirekte Bezüge zum Naziregime herstellen. Ganz prägnant fällt es in seiner „Trilogie der Entgeisterung“ auf - dort sind es zum Beispiel die Besucher der „Bar jeder Hoffnung“, die zur Hälfte österreichischer Abstammung sind. Der Name der Bar ist übrigens ein typisches Beispiel für Robert Menasses Hang zu Wortspielen. Aus rein phonetischer Perspektive kann [bar] in die „Bar jeder Hoffnung“ nämlich auch metaphorisch ein Ort für jede Hoffnung sein, an den Hoffnungsvolle hinkommen können oder Hoffnungslose, da dort alles ohne Hoffnung ist.

1995 publiziert er ein Essay-Bändchen mit dem Titel „Phänomenologie der Entgeisterung. Geschichte des verschwindenden Wissens“ bei Suhrkamp. Die Erstveröffentlichung[18] bringt der Autor bereits 1991 unter dem Pseudonym Leopold Joachim Singer unter die Menschen und verblüfft damit seine Romanleser, die Singer bereits aus „Sinnliche Gewissheit“ kennen. Der Essay ist der Romanfigur Judith Katz gewidmet - es ist Leo Singers Werk über die Philosophie, geschrieben von Robert Menasse. Lothar Köhn hat den Essay in seinem Aufsatz mit dem Titel „Hegel rückwärts“ gattungstechnisch eingeordnet:

Die Philosophie des Romanhelden als Philosophie des Autors in und neben dem Roman - man kennt das Modell, das hier wiederholt wird, von Hermann Broch. Aber man kennt auch die Vertauschung von Romanfigur und ihrem Autor seit der Romantik.[19]

Für weitere bibliografische Angaben über Robert Menasse soll an dieser Stelle auf Kathrin Krauses Buch „Robert Menasses ‚Trilogie Der Entgeisterung’“ aus dem Aisthesis Verlag von 2004 verwiesen werden, da eine ausführliche Auflistung seiner Werke im Rahmen dieses Kapitels nicht als notwendig erachtet wird.[20]

Im Gespräch mit Herlinde Koelbl gesteht er, dass seine Romanfiguren alle „autobiographisch“ sind, da er sie sonst nicht „denken, geschweige denn schreiben“ könnte. In Bezug auf „Selige Zeiten, brüchige Welt“ ist es - anders als zu erwarten - nicht der Philosoph Leo Singer, sondern Judith Katz, die er mit den meisten seiner Charakterzüge „ausgestattet“ hat.[21] Die Interviewerin wollte es noch etwas spezieller wissen und stellte ihm die Frage: „Und was sind sie?“ Robert Menasse antwortete:

Einer dieser Zocker, die nicht einfach nur Glücksspieler sind, sondern glauben, beim Glücksspiel das System finden zu können. Schreiben ist allerdings ein Spiel, das man nicht gewinnen kann. Aber es ist immerhin eine Produktion von Leben, das möglicherweise bleibt, wenn man das eigene kaputtmacht. Das ist der Traum: Das System zu finden, das System des Lebens. Und dann die „Bank“ zu sprengen, gegen die wir im Grunde alle leben.[22]

Das hört sich stark nach seiner Romanfigur Leo Singer an, den er nach Totalität streben lässt und immer wieder auf die Suche nach Zusammenhängen schickt. Sein Romanheld scheitert jedoch an seinen idealistischen Utopien - die Figur Judith, sein stärkstes „Alter Ego“ - oder auch das realistische Prinzip in „Selige Zeiten, brüchige Welt“, wird für Leos Werk geopfert. Was bleibt ist also ein fertiges philosophisches System - doch der Kampf gegen die „Bank“ ist noch nicht ausgefochten, weder für Robert Menasse, noch für Leo Singer.

3. Trilogie der Entgeisterung

3.1. Kurzer Überblick und Einordnung

Der folgende Abschnitt befasst sich mit der kurzen Einordnung der vier Bände und deren grobe Erzählstruktur. Von einer detaillierten Inhaltsangabe wird an dieser Stelle abgesehen, da der ereignisreiche Erzählgehalt den dafür vorgesehenen Rahmen sprengen würde. Im Gegensatz zu Hegel, dessen Gedankengebäude darin gipfelt, dass sich das menschliche Bewusstsein zum „allumfassenden“ Geist entwickelt, ist der Autor Menasse der Meinung, dass der Geist des Menschen sich in einer stetigen, regressiven Entwicklung befindet.[23] Bezieht man diese Bewegung auf die Hegelsche Philosophie, so geht der Geist so weit zurück, bis er die letzte Stufe - die sinnliche Gewissheit erreicht hat. Von dort aus nimmt der Mensch nur noch das wahr, was unmittelbar vor seinen Augen ist, die Welt zerfällt ihm in Einzelheiten. Die Trilogie beginnt, angelehnt an diese Vorstellung und mit Bezug zum ersten Kapitel der hegelschen „Phänomenologie des Geistes“, das den gleichnamigen Titel „Sinnliche Gewissheit“ trägt. Im Roman „Sinnliche Gewissheit“ wird dem Leser das Geschehen aus der Ich-Perspektive mitgeteilt. Hinter dem Erzähler verbirgt sich Roman Gilianian, er ist gebürtiger Wiener. Roman arbeitet als Germanistik-Dozent an der Universität in São Paulo. Sein Beruf befriedigt ihn nicht und er findet keinen Reiz am Erkunden des fremden Landes Brasilien. So füllt er sein Leben mit Besuchen der „Bar jeder Hoffnung" und verschiedenen Frauenbekanntschaften - immer auf der Suche nach dem Sinn hinter allem. Brasilien als Handlungsort steht dabei chiffriert für das Fremd-Sein an sich.[24] Trotz dieser Fremde ist Österreich im Verlauf des Buches immer präsent. So zieht die Stammbar des Romans, die „Bar jeder Hoffnung", von einem Österreicher geführt, auch fast nur Österreicher oder Halb-Österreicher an. Dort werden ihre Lebensgeschichten miteinander verwoben, so dass vor dem Hitlerregime geflüchtete Juden mit nach dem Krieg emigrierten Nazis in vermeintlichem Einklang leben und sogar zusammen Geschäfte machen. In der Bar relativiert Roman alkoholisiert seine Erfahrungen in Gesprächen mit Judith Katz, Leo Singer und anderen Gästen. Letztlich kommt er aber nie zu einer wahren Erkenntnis. Inspiriert von seinen Bekanntschaften beginnt er einen Rückentwicklungsroman zu schreiben, in dem er seine Erfahrungen mit seiner Umwelt zu sortieren versucht.

Heute könnte man keinen Entwicklungsroman mehr schreiben, dachte ich, - höchstens einen Rückentwicklungsroman. Ein Roman über den Rückschritt, ja, ein umgedrehter Entwicklungsroman, der am Beispiel eines Individuums zeigt, wie dessen Hoffnungen, Fähigkeiten, Talente, während er redlich strebend sich bemüht, dazu verurteilt sind zu verkümmern und - sofern er sie nicht vergißt - zu banalen, durchschnittlichen Idiosynkrasien werden, mit denen er einen Alltag meistert, oder auch nicht, der lediglich an Beliebigkeiten unendlich reich ist.[25]

Im zweiten Band der Trilogie wird von der Lebensgeschichte von Judith Katz und Leo Singer in überwiegend personalem Erzählverhalten, dennoch aber von einem auktorialen Erzähler bis in die Anfänge ihrer Kindheit berichtet. Waren sie im ersten Roman noch Nebenfiguren, sind sie in „Selige Zeiten, brüchige Welt“ Hauptcharaktere. Roman hingegen rutscht in den Hintergrund und erscheint nur am Rande. Es wird in der erzählten Zeit weiter zurückgegriffen als in „Sinnliche Gewissheit“, letztendlich aber überschneidet sich gegen Ende die erzählte Zeit der beiden Romane, so dass sich dem Leser ein neuer Blickwinkel ergibt, aus dem er die verschiedenen Figuren vollständiger betrachten kann. Die Handlungsorte sind zu Anfang Wien, später dann Brasilien, wobei Österreich auch hier immer wieder auftaucht, wie zum Beispiel in dem Lokal „Bar Esperança“, in dem Figuren aus dem ersten Buch wieder auftauchen. Auch hier lässt Menasse abermals österreichische Geschichte einfließen.

Im dritten Teil löst sich der traditionelle Erzählstil auf - der Erzähler selbst ist verschwunden. „Schubumkehr“ besteht nunmehr aus unterschiedlichen Erzähletappen, die durch verschiedene literarische Techniken ausgestaltet sind. In diesen Etappen spielt vorrangig Roman Gilanian wieder die Hauptrolle, der nach siebenjährigem Aufenthalt Brasilien verlässt und zurück in seine Heimat Österreich kommt. Im Wechsel der Erzählstränge werden unter anderem Romans Erlebnisse mit seiner Mutter beschrieben, die als Biobäuerin ein gesünderes Leben einzuschlagen versucht oder die Ereignisse im Handlungsort der Geschichte, Komprechts, in dem sie zusammen leben. Politik, wie die Grünen-Bewegung und Wendezeit 1989 aber auch esoterische Einflüsse wie Selbstfindungsstreben und Yogakult, sowie die damalige Arbeitslosenproblematik Österreichs zeichnen ein Spiegelbild der vergangenen Zeit und liefern Erzählstoff für den Roman. Alle drei Bände hängen inhaltlich wie auch formalästhetisch zusammen. Festzumachen ist dies zum Beispiel an den Charakteren, die in allen drei Romanen mit mehr oder weniger bedeutender Gewichtung auftreten sowie an den zeitgeistigen Hauptthemen, die immer wieder aufgegriffen werden. Inhalt dieser sind zum Beispiel Österreich und dessen Vergangenheit, Judentum und Faschismus sowie Beziehungsalltag und Selbstverwirklichung. Formalästhetisch betrachtet sind also alle drei Romane jeder für sich geschlossen. Trotzdem sind sie miteinander durch kleine Verweise und Symbole verbunden. Eine exemplarische Verbindung zwischen dem ersten und zweiten Roman besteht so im scheinbaren Selbstmord Judiths - ein Ereignis, um das sich viele Andeutungen reihen, die späterhin aufgelöst werden, denn was in „Sinnliche Gewissheit“ als zweifelhafter Tod nur angedeutet wurde, findet in „Selige Zeiten, brüchige Welt“ seine Bestätigung.

Für Menasse selbst soll die Trilogie „die Erzählung zeitgenössischer Bewußtseinsentwicklung sein“, so offenbart er es zumindest Ernst Grohotolsky in einem Interview:

Das Konzept war einfach dieser Dreischritt. Im ersten Roman muss es einen Ich-Erzähler geben, also einen, der glaubt, noch Ich sagen zu können. Im zweiten verschwindet er. Die Authentizität des individuellen Lebens verschwindet da sozusagen. Es gibt den auktorialen Erzähler, der diese Ich- Gewissheit nicht mehr zulässt. Und in Schubumkehr verschwindet auch der. Da gibt's überhaupt keinen Erzähler mehr, nur mehr die Videoaufnahme, die technische Reproduktion von Realität. Und die als zufällige. Also das Ich verschwindet im Allgemeinen und das Allgemeine verschwindet ganz. Das war der geplante Dreischritt für die Trilogie, und das konnte ich damals auch jederzeit literaturtheoretisch begründen.[26]

Menasse dreht mit diesem angedeuteten Prinzip den klassischen Bildungsroman um. Seiner Ansicht nach kann ein „zeitgenössischer Entwicklungsroman […] nur ein Rückentwicklungsroman sein“, daraus resultierte „die Grundidee, das Konzept der ganzen Trilogie, diese Rückentwicklung des Individuums zu zeigen - vom Ich zum Nichts“. [27] Zum letzten Teil seines Plans gehört die Vollendung und Veröffentlichung von Leo Singers Werk „Phänomenologie der Entgeisterung“ mit dem Untertitel „Geschichte des verschwindenden Wissens“. Sie lässt sich laut Andrea Gerk „wie das poetische Programm der Trilogie lesen“ und bringt die Geschichte um die drei Hauptfiguren erst richtig zum Schwingen. [28]

4. „Selige Zeiten, brüchige Welt“ - Ein umgekehrter Entwicklungsroman

4.1. Zum Begriff „Rückentwicklungsroman“

Um die Intention von Menasses Rückentwicklungsroman näher betrachten zu können, ergibt sich zunächst die Frage, was genau ist ein Entwicklungsroman bzw. was genau ist ein Bildungsroman.[29] Eine kurze Antwort auf den groben Inhalt dieses Romantypus liefert das Nachschlagewerk „Grundbegriffe der Literaturwissenschaft“. Dort heißt es, dass der Bildungsroman „die innere Entwicklung einer Figur in den Mittelpunkt stellt, die durch Lehrmeister und Konfrontationen mit der Realität […] allmählich ins Leben eingeweiht und anscheinend zu einem `charaktervollen, harmonischen Ganzen` ausgebildet wird, das mit Gott und der Welt in Einklang lebt.“[30]

Der Begriffsname taucht bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Vorträgen und Abhandlungen des Dorpater Professors Karl von Morgenstern auf.[31] Jedoch stellt seine Arbeit über das „Wesen des Bildungsromans“ keine allgemeine Definition auf. Erst Wilhelm Dilthey[32] bringt den Terminus „Bildungsroman“ mit breiter Wirkung in Umlauf. Er befasst sich näher mit Goethes „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, dem wegweisenden Bildungsroman und findet dort als traditionsbildendes Muster „menschliche Ausbildung in verschiedenen Stufen, Gestalten, Lebensepochen“ dargestellt. Diltheys Beiträge erfreuen sich großer Aufmerksamkeit, da er sozial- und geistesgeschichtliche Entstehungsvoraussetzungen einbezieht und erstmals Zusammenhänge herstellt, die die Voraussetzung für eine brauchbare Verwendung des Begriffs „Bildungsroman“ in der deutschen Literaturgeschichte sind.

Im 20. Jahrhundert befasst sich der ungarische Philosoph und Literaturwissenschaftler Georg Lukács weiter damit auseinander, wobei er den Terminus „Erziehungsroman“ verwendet. Zu seiner größten Leistung gehört die begriffliche Präzisierung des Gattungsthemas - die Suche nach dem Lebenssinn, bei der „die Versöhnung des problematischen, vom erlebten Ideal geführten Individuums mit der konkreten, gesellschaftlichen Wirklichkeit" angestrebt wird - so wird er im Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft zitiert.[33]

4.2. Menasses Intention einen umgekehrten Entwicklungsroman zu schreiben

Robert Menasse dreht das Bildungsroman-Prinzip um und kreiert einen rückläufigen Entwicklungsroman. In einem Interview, ein Jahr nach der Erscheinung von „Selige Zeiten, brüchige Welt“, nennt Robert Menasse den Grund dafür:

Heute aber sehe ich nur Individuen, die mit deutlich sichtbaren Talenten beginnen, und dann aber durch ihre Erfahrungen im Leben der modernen Gesellschaften zunehmend eine Anlage nach der anderen, ein Talent nach dem anderen, eine Fähigkeit nach der anderen verlieren, bis sie verkümmerte Existenzen geworden sind. […] Deswegen sind meine Romane umgekehrte Entwicklungsromane, es sind Verkümmerungsromane. Nie sind heute die Menschen so vollendet wie am Anfang, am Ende sind sie immer entgeistert.[34]

Das Phänomen der Rückentwicklung durchdringt den Roman spürbar, es charakterisiert sozusagen alle Beteiligten. So ist das Hauptthema des Romans, das gleichzeitig Kernthema dieser Arbeit ist, das Scheitern des Helden Leo Singer, dessen Lebensaufgabe es ist, eine Abhandlung über das Verschwinden des Wissens zu verfassen. Diese Denkschrift verkörpert eine weitere Umkehrung - die Umkehrung der Hegelschen Philosophie. Anstatt „Phänomenologie des Geistes“ heißt es bei Singer folgendermaßen „Phänomenologie der Entgeisterung“.

Mit Hilfe von Bezügen zur Tradition des Bildungsromans macht Robert Menasse die Differenz zu seinem Buch sichtbar. So schreibt Leo einen Essay über Gottfried Kellers „Der grüne Heinrich“, um seiner Freundin Judith zu beweisen, dass er selbst, im Sinne Kellers, zum Romanhelden geworden ist:

Der grüne Heinrich war er selbst, das war klar. Und Judith war natürlich Judith. Die Koinzidenz, daß Heinrichs große unerfüllte Liebe ausgerechnet Judith hieß, war allzu verlockend. Andererseits hatten auch die anderen Frauengestalten im „Grünen Heinrich“ so deutliche Ähnlichkeiten zu Judith, in jeder erblickte Leo Judith, in Dorothea, zum Beispiel, oder Anna. […] Nicht verkneifen konnte sich Leo die Formulierung „renomierend-verschwenderische Neigungen“ des grünen Heinrich gegenüber Judith - wenn er nur daran dachte, was diese Reise nach Venedig alles in allem gekostet hatte -„und die darauf folgende erste moralische Entgleisung“, das war doch klar, kein Zweifel, das mußte Judith doch verstehen. Aber nun hatte alles seinen Sinn: „Als äußerlich wie innerlich Freigewordener kehrte Heinrich zur politischen Tätigkeit in die Heimat zurück.“ Und damit Judith verstand, worin seine eigene politische Tätigkeit nun zu bestehen hatte, flocht Leo an zentraler Stelle ein Hegel-Zitat ein, nur um zu zeigen: das ist meine wahre Bestimmung, meine gesellschaftlich sinnvolle und notwendige Tätigkeit, die Hegel-Arbeit, und das alles habe ich nur geschrieben, um meine Hegel-Arbeit wieder weiterschreiben zu können. (SZ, S. 125-126)

Der Essay entsteht aus der Not heraus, den im Zitat erwähnten Venedigurlaub zu verarbeiten, bei dem Leo nach einem Kanalsturz neu eingekleidet werden musste. Die neuen Kleider vermitteln ihm ein neues Lebensgefühl mit erfrischender Qualität. Wieder angekommen in Wien versucht er Zusammenhänge herzustellen, um sich und gleichfalls Judith die Ereignisse erklären zu können und davon Abstand zu gewinnen. Das Ergebnis ist jedoch ein verzerrtes (Selbst-)Bild, das ihm vorgaukelt, wie eine neue Lebensetappe beginnt, die ihn scheinbar reifen lässt. Leo fühlt sich durch diese neugewonnene Lebenserfahrung klüger - als „Freigewordener“.[35] Mit diesem Gefühl glaubt er Judith überwunden zu haben und seine Lebensaufgabe, die Abhandlung über Hegels Philosophie zu schreiben, erfüllen zu können. Der Leser weiß an dieser Stelle aber schon, dass dies eine weitere trotzige Täuschung ist, entsprungen aus der Unfähigkeit des Helden, kritisch zu reflektieren und sich seinen wirklichen Verpflichtungen zu stellen. Sein Ehrgeiz entspringt nämlich aus einem ambivalenten Gefühl heraus, das ihm an einem wirklichen Richtungswechsel hindert. Das diese Episode des Buches an das Muster des traditionellen Bildungsromans angelehnt ist, ist offensichtlich kein Zufall, sondern trägt zur Unterscheidung der zwei Gattungen bei. Hinzukommt, dass Robert Menasse die Worte des Literaturwissenschaftlers Georg Lukács über den „Grünen Heinrich“ zitiert, wenn er Leo schreiben lässt:

Als äußerlich wie innerlich Freigewordener kehrte Heinrich zur politischen Tätigkeit in die Heimat zurück.[36]

Lukács, der allein schon für die Klärung des Gattungsbegriffs „Bildungsroman“ viel geleistet hat, liefert für Menasse in anderen Wirkungsbereichen genauso fruchtbare Eingebungen, wie dieses Beispiel über den „Grünen Heinrich“ beweist. Er wird noch des Öfteren zur Sprache kommen.

An dieser Stelle jedoch noch einmal zurück zu dem Muster des Bildungsromans. Ein Wesensmerkmal dieser Gattung ist ein junger Held, der zu Beginn der Geschichte voller Talent, Ehrgeiz und Hoffnung versucht seinen Weg zu gehen - so ein Held ist Leo Singer. Konflikte mit den Eltern und seiner Umwelt, amouröse Abenteuer, Reiseerfahrungen und die Beschäftigung mit den Künsten beeinflussen ihn und geben ihm die Chance zu wachsen. Zudem zeichnet sich eine berufliche Laufbahn bei ihm ab. Am Anfang der Geschichte ist Leo noch Student, durch einen Schicksalsschlag wird er unfreiwillig zum Grundstücksmakler in Brasilien - kurze Zeit später bekommt er in São Paulo einen verlockenden Job als Privatgelehrter angeboten.

Der wesentliche Unterschied zur Bildungsromanfigur liegt im Verhalten. Menasses Held wendet sich dem Leben eher ab, denn versöhnlich zu. Es wirft ihn immer wieder zurück zu seinen alten Ansichten, als dass er einen Schritt nach vorne geht. Er ist gleichzeitig der Überzeugung, dass seine philosophische Arbeit nur auf diese Weise, der Lebensabgewandtheit, wachsen kann. Die Folge ist Isolation, die seine zwischenmenschlichen Beziehungen blockiert und ihn wiederum schwer belastet. Die Beendigung seiner Dissertation wird mit zunehmendem Alter schwerer - er entfernt sich mehr und mehr von seinem Ziel und seine Wahrnehmung entfremdet zusehends seine Umwelt - er selbst verkümmert zu einem rückradlosen „Barprofessor“. Der scheinbar einzige Ausweg für Leo aus diesem Dilemma zu entkommen, ist der Mord an seiner Freundin Judith, die über Jahre hinweg seine Theorien notiert und ihm so doch noch zu seinem Lebenswerk verhelfen könnte:

Sie mußte sterben, wenn sein Leben noch irgendeinen Sinn haben, wenn die Sinnlosigkeit seines bisherigen Lebens ausgelöscht und ungesühnt werden sollte. Und schließlich wollte Judith ja sterben. Lieber als mit ihm zu leben, wollte sie sich selbst zerstören. Und ihn verhöhnen, in Aufzeichnungen, die sein Scheitern dokumentieren. Aber er konnte seinem Leben den Sinn zurückgeben, das Gelingen, es war in diesem Scheitern enthalten, es mußte nur daraus befreit werden. (SZ, S. 366-367)

Zwar kann er mit Hilfe der Aufzeichnungen sein Werk vollenden, doch die Resonanz bleibt aus, somit ist sein Ziel erreicht und dennoch verfehlt, da seine jahrelangen Philosophien wirkungslos bleiben:

[…] wenn er Zeitungen las, fernsah, ins Kino ging, in Bars den Reden anderer Menschen zuhörte, dann bestätigte es ihm ununterbrochen, daß die Welt genau so war, wie er sie beschrieben hatte. Aber sie nahm es nicht zur Kenntnis. (SZ, S. 372)

Im selben Interview, das zu Anfang des Kapitels zitiert wurde, bezieht sich Robert Menasse ganz in sein Romanprinzip ein und stellt eine Verbindung zu seinem eigenen Leben her:

Ich nehme mich selbst da nicht aus: Niemand hat mich beachtet, als ich ein junges Genie war. Jetzt, da ich immer entgeisterter werde, bekomme ich immer mehr Anerkennung. Wenn ich ganz vertrottelt sein werde, bekomme ich sicher den Staatspreis.[37]

Tatsächlich erhält er 1998 den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik[38] - so schließt sich ein Kreis.

5. Exkurs

5.1. Das Gestaltungsprinzip „Hegel“

Eine wichtige Rolle hinsichtlich der formalen als auch der inhaltlichen Gestaltung des Romans spielt, wie schon erwähnt, die Philosophie Hegels. Allein der Titel der Romanabfolge „Trilogie der Entgeisterung“ verweist auf den Hegelianischen Begriff „Geist“ und deutet bereits eine kritische Auseinandersetzung mit dem Jenaer Philosophen an. Es ist also nur von Vorteil, die wichtigsten Aspekte der Hegelschen Philosophie etwas näher zu betrachten, da sie die Basis für die schriftstellerische Arbeit Robert Menasses bedeuten. Der Romancier beschäftigt sich vor allem mit drei Hegelianischen Theoremen: die Idee der Totalität, das teleologische Geschichtskonzept sowie die Phänomenologie, das heißt die Entwicklung des Bewusstseins an sich als Gegenwartsdiagnose.[39] Alle drei Aspekte werden mehrfach in seinem Text verwoben: zum einen in Form von Zitaten, die Leo Singer in seinen Vorträgen doziert, zum anderen als ausführliche Gedanken über Hegels Werk, die er dem Leser mitteilt, im Handlungsverlauf der Trilogie und letzten Endes als Subtext.

Im folgenden Kapitel soll ein Bezug zwischen der Hegelschen Philosophie mit dem Roman „Selige Zeiten, brüchige Welt“ hergestellt werden.

Als herkömmlicher Leser, so Robert Menasse, sei es aber nicht von Nöten Hegel-Kenner zu sein, um seine Botschaft verstehen zu können.[40]

5.2. Hegelianische Einflüsse und der Bezug zum Roman

Am 28.10.1807 erscheint im „Intelligenzblatt der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung“ eine Selbstanzeige Hegels, in der er seine Arbeit, „Die Phänomenologie des Geistes“, erklärt. Darin gibt der Philosoph an, dass er in seiner Arbeit aufzeigen werde, wo die „Philosophie auf ihrem jetzigen Standpunkte zu sein scheint“ - vor allem im Hinblick auf die Wissenschaften.[41] Für Hegel stellt die Philosophie ein System dar, das eine wichtige Grundlage für die Einordnung der Wissenschaften sei.[42] So schreibt er in der „Phänomenologie des Geistes“:

Die wahre Gestalt, in welcher die Wahrheit existiert, kann allein das wissenschaftliche System derselben sein. Daran mitzuarbeiten, daß die Philosophie der Form der Wissenschaft näherkomme - dem Ziele, ihren Namen der „Liebe zum Wissen“ ablegen zu können und „wirkliches Wissen“ zu sein -, ist es, was ich mir vorgesetzt.[43]

Unter jener Wissenschaftlichkeit versteht Hegel insbesondere die Arbeit mit Begriffen - darum kritisiert er die Romantiker, die die Anschaulichkeit der Begrifflichkeit vorziehen. Das Prinzip des „Geistes“, mit dem Hegel seine Philosophie entwickelt, steht im Zusammenhang mit der begrifflich arbeitenden Wissenschaft:

So ist die Wissenschaft, die Krone einer Welt des Geistes, nicht in ihrem Anfange vollendet. Der Anfang des neuen Geistes ist das Produkt einer weitläufigen Umwälzung von mannigfaltigen Bildungsformen, der Preis eines vielfach verschlungenen Weges und ebenso vielfacher Anstrengung und Bemühung. Er ist das aus der Sukzession wie aus seiner Ausdehnung in sich zurückgegangene Ganze, der gewordene einfache Begriff desselben.[44]

Die Wissenschaft gehört ins Gebiet des Geistes. Vereinfacht gesagt: Der Geist durchdringt das ganze Dasein, teilt es auf in Begriffe und ordnet diese so, dass sich in der Ordnung des Einzelnen das Ganze wieder findet. Im Begriff des „Ganzen“ spiegelt sich folglich die „Totalität“. In der Vorrede zur „Phänomenologie des Geistes“ erwähnt Hegel allerdings noch eine Duplizität, wenn vom „Ganzen“ und vom „Geist“ die Rede ist. Hegel beschreibt die Duplizität wie folgt:

Die lebendige Substanz ist ferner das Sein, welches in Wahrheit „Subjekt“ oder, was dasselbe heißt, welches in Wahrheit wirklich ist, nur insofern sie die Bewegung des Sichselbstsetzens oder die Vermittlung des Sichanderswerdens mit sich selbst ist. Sie ist als Subjekt die reine „einfache Negativität“, eben dadurch die Entzweiung des Einfachen; oder die entgegensetzende Verdopplung, welche wieder die Negation dieser gleichgültigen Verschiedenheit und ihres Gegensatzes ist: nur diese sich „wiederherstellende“ Gleichheit oder die Reflexion im Anderssein in sich selbst - nicht eine „ursprüngliche“ Einheit als solche oder „unmittelbare“ als solche - ist das Wahre. Es ist das Werden seiner selbst, der Kreis, der sein Ende als seinen Zweck voraussetzt und zum Anfange hat und nur durch die Ausführung und sein Ende wirklich ist.[45]

Hier offenbart sich Hegels dialektisches Vorgehen sehr deutlich. Auf der einen Seite steht die subjektive Vernunft und auf der anderen Seite jene Vernunft, die als die Vernunft anerkannt werden kann - im verständlichsten Fall ist das das Ich, dass sich als Ich begreifen kann. Doch durch diesen Vorgang stellt sich eine neue Einheit her, die nicht mehr ursprünglich und unmittelbar ist. In dieser Einheit muss das Wahre liegen - in ihr geht nichts verloren. Hegel sieht in der Kreisbewegung des zu sich selbst kommenden Geistes, die Möglichkeit, die Wahrheit an die Oberfläche bringen zu können. Während der Geist sich selbst total erfasst, wird ihm die Wahrheit, die er selbst ist, ersichtlich. Der Geist muss die Totalität des Wirklichen, also Subjekt und das vom Subjekt erfasste Objekt, in einer Verbindung vereinigen, dann kann er als absoluter Geist gelten und mittels der Philosophie dazu dienen, andere Wissenschaften im System aller Wissenschaften aufzunehmen. Hegels Dialektik unterstreicht immer wieder das Prozesshafte allen Erkennens, wie auch in einem der meist erwähnten Zitate aus der Vorrede zur „Phänomenologie des Geistes“ hervorgeht:

Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze aber ist nur das durch seine Entwicklung sich vollendende Wesen. Es ist von dem Absoluten zu sagen, daß es wesentlich „Resultat“, daß es erst am „Ende“ das ist, was es in Wahrheit ist; und hierin eben besteht seine Natur, Wirkliches, Subjekt oder Sichselbstwerden zu sein.[46]

Laut diesem Zitat ist die Totalität des Seins, das Ganze, nichts Bewegungsloses, sondern etwas sich Entwickelndes. Die Bewegung, die ihr innewohnt, ist, wie bereits erwähnt, eine Kreisbewegung, die den Anfang zum Ziel hat. Wenn sich im Ziel der Anfang findet, erst dann kann das Vorgefühl vom Ganzen eingefangen werden, derweil man vorher immer nur bruchstückhaft am Ganzen teilhat. Hier wird auch klar, dass umfassende Erkenntnis, Totalität, sich nur von einem Ende her entwickeln kann. Die Philosophie Hegels wird von solch einem Ende aus geschildert - ein Punkt, der die Totalität der Erkenntnis gewährleisten kann. Hegel definiert ihn als den „absoluten Geist“, den „Weltgeist“ oder einfach „Gott“.

Die Entwicklung, die die einzelnen Romanfiguren bei Menasse durchleben, geht, so scheint es zunächst, gerade auf dieses Streben nach Totalität zurück. Doch statt das Absolute zu finden, regredieren sie, statt ein Ganzes zu erkennen, machen sie nur falsche Zusammenhänge zwischen trivialen Einzelheiten aus.

Die Idee der Totalität wird auch gleich zu Beginn des Romans aufgegriffen, in der Figur von Kurt Walmen, der die Menschheit mit Hilfe eines Gewaltaktes auf seine zu-Ende-gedachte Philosophie aufmerksam machen will, um die Welt zu verbessern. Leos Totalitätskonzept ist genauso zum Scheitern verurteilt, wie das von Walmen.

[...]


[1] SZ, S. 67.

[2] Aus eigenen Aussagen des Autors entnommen.

[3] Aus einem Interview von Wolfgang Neuber: „Die seltsame Lust an falschen Zusammenhängen“. In: Dieter Stolz (Hrsg.): Die Welt scheint unverbesserlich. Zu Robert Menasses „Trilogie der Entgeisterung“. Frankfurt a. Main: Suhrkamp 1997, S. 294.

[4] Aus einem Interview von Ernst Grohotolsky: „Mit avanciertem Kunstanspruch erzählen“. In: Dieter Stolz (Hrsg.): Die Welt scheint unverbesserlich. Zu Robert Menasses „Trilogie der Entgeisterung“. Frankfurt a. Main: Suhrkamp 1997, S. 306-307.

[5] Ebd., S. 295.

[6] Vgl. Herlinde Koelbl: Im Schreiben zu Haus. Wie Schriftsteller zu Werke gehen. Fotografien und Gespräche. München: Knesebeck 1998, S. 77.

[7] Ebd., S. 77.

[8] Robert Menasse: Nägelbeißen. In: Neue Wege. Kulturzeitschrift junger Menschen 263 (1973), S. 9.

[9] Der Typus des „Außenseiters“ im Literaturbetrieb (am Beispiel Hermann Schürrer). Studien zum eigentümlichen Verhältnis von offiziösem Literaturbetrieb und literarischem underground im Österreich der Zweiten Republik. Wien 1980 (maschinenschriftlich).

[10] Aus einem Interview von Wolfgang Neuber: „Die seltsame Lust an falschen Zusammenhängen“, S. 293.

[11] Aus einem Interview von Ernst Grohotolsky: „Mit avanciertem Kunstanspruch erzählen“, S. 310-312.

[12] Kathrin Krause: Robert Menasses „Trilogie der Entgeisterung“. Ein Beitrag zur Theorie des Romans. Bielefeld: Aisthesis 2005, S. 53.

[13] Aus einem Interview mit Ernst Grohotolsky: Gespräch Robert Menasse. In: Kurt Bartsch und Verena Holler (Hrsg.): Robert Menasse. Graz/Wien: Droschl 2004, S. 10.

[14] Ivan Ângelo: Das Fest. Salzburg (u. a.): Residenz 1992.

[15] Robert Menasse: Kopfwehmut. Sieben Gedichte. In: Literatur und Kritik 24 (1989), H. 239-240, S. 431- 437.

[16] Robert Menasse: Die sozialpartnerschaftliche Ästhetik. Essays zum Österreichischen Geist. Wien: Sonderzahl 1990.

[17] Robert Menasse: Land ohne Eigenschaften. Essay zur österreichischen Identität. Wien: Sonderzahl 1992.

[18] Leopold Joachim Singer: Phänomenologie der Entgeisterung. Die Geschichte des verschwindenden Wissens. In: manuskripte 111 (1991), S. 91-110.

[19] Lothar Köhn: Hegel rückwärts. Zu neueren (literarischen) Denkformen bei Enzensberger, Menasse, Handke und Strauß. In: Rolf Jucker (Hrsg.) Zeitgenössische Utopieentwürfe in Literatur und Gesellschaft. Zur Kontroverse seit den achtziger Jahren. Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, Band 41. Amsterdam 1997, S. 220-221.

[20] Kathrin Krause: Robert Menasses „Trilogie der Entgeisterung“, S. 336-341.

[21] Siehe Herlinde Koelbl: Im Schreiben zu Haus, S. 75-76.

[22] Ebd., S. 78.

[23] Siehe Interview von Ernst Grohotolsky: „Mit avanciertem Kunstanspruch erzählen“, S. 313-314.

[24] Vgl. Hans Haider: Engel der Geschichte. In: Dieter Stolz (Hrsg.): Die Welt scheint unverbesserlich. Zu Robert Menasses „Trilogie der Entgeisterung“. Frankfurt a. M. 1997, S. 289.

[25] Robert Menasse: Sinnliche Gewissheit. Frankfurt a. Main: Suhrkamp 2001, S. 214-215.

[26] Aus einem Interview mit Ernst Grohotolsky: Gespräch Robert Menasse, S. 14.

[27] Ebd., S. 15.

[28] Andrea Gerk: Eine Geschichte des erinnerten Vergessens - Robert Menasses „Trilogie der Entgeisterung“. In: Dieter Stolz (Hrsg.): Die Welt scheint unverbesserlich. Zu Robert Menasses „Trilogie der Entgeisterung“. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1997, S. 39.

[29] Der Begriff „Entwicklungsroman“ steht lediglich als Oberbegriff von „Bildungs-“ und „Desillusionsroman“. Vgl. Jürgen Jacobs, [Art.] Bildungsroman. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hrsg. von Klaus Weimar. Band I: A - G. Berlin/New York 1997, S. 230.

[30] [Art.] Bildungsroman. In: Grundbegriffe der Literaturwissenschaft. Hrsg. von Heike Gfrereis. Stuttgart/Weimar: Metzler 1999, S. 24.

[31] Jürgen Jacobs; Markus Krause: Der deutsche Bildungsroman. Gattungsgeschichte vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. München: Beck 1989, S. 22.

[32] Wilhelm Dilthey: Leben Schleiermachers. Berlin: Reimer 1870, S. 282.

[33] Zitiert nach: Georg Lukács: Die Theorie des Romans. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über die Formen der großen Epik. 7. Auflage. Darmstadt: Luchterhand 1982, S. 135. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hrsg. von Klaus Weimar. Band I: A - G. Berlin/New York 1997, S. 232.

[34] Aus einem Interview von Wolfgang Neuber: „Die seltsame Lust an falschen Zusammenhängen.“, S. 297.

[35] SZ, S. 126.

[36] Georg Lukács verfasste 1939 einen Essay über Gottfried Keller. Vgl. Georg Lukács: Werke Bd. 7. Deutsche Literatur in zwei Jahrhunderten. Luchterhand 1964, S. 404.

[37] Aus einem Interview von Wolfgang Neuber: „Die seltsame Lust an falschen Zusammenhängen.“, S. 297.

[38] Eine weitere Auflistung von Auszeichnungen findet man bei: Verena Holler: Felder der Literatur. Eine literatursoziologische Studie am Beispiel von Robert Menasse. Frankfurt a. Main: Peter Lang 2003, S. 93-94.

[39] Vgl. Joachim Hagner: „Ein intellektuelles Kompromißvergnügen“? Hegels „Phänomenologie des Geistes“ in Robert Menasses Roman-Trilogie. In: Dieter Stolz: Die Welt scheint unverbesserlich. Zu Robert Menasses „Trilogie der Entgeisterung“. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1997, S. 234-251.

[40] Aus einem Interview von Wolfgang Neuber: „Die seltsame Lust an falschen Zusammenhängen“, S. 293- 294.

[41] Georg Friedrich Hegel: Selbstanzeige. In: Werke in zwanzig Bänden. Bd. 3. Frankfurt a. Main: Suhrkamp 1996, S. 593.

[42] Auch Leo Singer schreibt eine Selbstanzeige in einer Fachzeitschrift, in der er auf „Inhalt und Bedeutung“ seiner „Phänomenologie der Entgeisterung“ eingeht. Vgl. SZ, S. 372.

[43] Georg Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. In: Werke in zwanzig Bänden. Bd. 3. Frankfurt a. Main: Suhrkamp 1996, S. 14.

[44] Georg Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes, S. 19.

[45] Ebd., S. 23.

[46] G. F. Hegel: Phänomenologie des Geistes, S. 24.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Zu Robert Menasse: "Selige Zeiten, brüchige Welt"
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Note
2,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
76
Katalognummer
V119925
ISBN (eBook)
9783640236633
ISBN (Buch)
9783640238583
Dateigröße
1140 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Robert, Menasse, Selige, Zeiten, Welt, Romananalyse, Motiv des Scheiterns, Künstler ohne Werk, Rückentwicklungsroman, Hegel, Philosophie, Georg Lukács, Brasilien, Wien, Romantrilogie, Österreich, Sinnliche Gewissheit, Schubumkehr, Phänomenologie, Entgeisterung, Neuere Deutsche Literatur, Robert Menasse, österreichischer Schriftsteller, Germanistik
Arbeit zitieren
Linda Werner (Autor:in), 2008, Zu Robert Menasse: "Selige Zeiten, brüchige Welt", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119925

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