Die Bedeutung von Guanxi in der chinesischen Gesellschaft


Essay, 2005

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1 EINLEITUNG

2 DEFINITION
2.1 WAS BEDEUTET „GUANXI“?
2.1.1 Warum war und ist „Guanxi“ wichtig?
2.1.2 Die Bedeutung der Familie
2.2 „MIANZI“ UND SEINE BEDEUTUNG
2.3 „RENQING“

3 DIE BEDEUTUNG VON GUANXI
3.1 IN DER WIRTSCHAFT
3.1.1 Aufbau von „Guanxi“
3.1.2 Positive Seiten von „Guanxi-Netzwerken“
3.1.3 Negative Aspekte von „Guanxi“
3.1.4 Die Funktion von Vermittlern
3.2 IN DER GESELLSCHAFT

4 FAZIT

5 LITERATURVERZEICHNIS

1 Einleitung

In der vorliegenden Hausarbeit werde ich untersuchen, welche Rolle “Guanxi” in der chinesischen Gesellschaft einnimmt. Dabei werde ich ein besonderes Augenmerk auf die chinesische Wirtschaft richten und aufzeigen, weshalb „Guanxi“ einen bedeutenden Faktor für diese darstellt und es auch für ausländische Unternehmen und Unternehmer unerlässlich ist, sich mit „Guanxi“ auseinander zu setzen. Ohne Kenntnisse über chinesische Traditionen und chinesische Kultur – insbesondere über „Guanxi“ – ist es faktisch unmöglich in China Geschäfte zu initiieren, geschweige denn sie abzuwickeln.

Woher stammt diese Beziehungskultur, die viele Westler gern mit „Vitamin-B“ oder Bestechlichkeit verwechseln, was jedoch in keiner Weise dem System gerecht wird und in dieser Form auch nicht zutreffend ist. Vertrauen ist die Grundlage für Beziehungen und ohne ausreichendes Vertrauen wird man in China und dem erweiterten süd-ostasiatischem Raum weder im privaten noch im öffentlichen Bereich Erfolge erzielen können.

Wichtig ist, zu beachten, dass „Guanxi“ bereits seit vielen Jahrhunderten einen festen Bestandteil der chinesischen Kultur, des chinesischen Lebens und teilweise auch der Gesellschaften in den umliegenden Ländern, etwa in Singapur oder Malaysia[1], bildet. Um „Guanxi“ und seine Bedeutung verstehen zu können muss es aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und unter anderen mit den Mitteln der Netzwerkanalyse untersucht werden.

Zunächst muss man dazu die drei Begriffe „Guanxi“, „Mianzi“[2], sowie „Renqing“[3] näher abgrenzen und definieren. Danach wird „Guanxi“ in private beziehungsweise persönliche Aspekte und gesellschaftlich relevante Faktoren, sowie in geschäftliche beziehungsweise öffentliche Bereiche zerlegt. Abschließend werden die Ergebnisse im Fazit betrachtet und ein letztes Mal zusammengefasst.

2 Definition

2.1 Was bedeutet „Guanxi“?

Grundsätzlich steht „Guanxi“ im Chinesischen für jedwede Art von Beziehungen.[4] Gleichzeitig kann es jedoch ebenfalls für „die Tatsache der Interaktion zwischen den Dingen“ stehen, es kann als Verb für „betreffen oder beeinflussen“ verwendet werden oder in der Form „mei guanxi“, Einfluss oder Bedeutung für etwas bedeuten. In der vorliegenden Arbeit konzentriert sich die Beobachtung allein auf den Aspekt der Beziehungen.

Chinesen leben in einem System von konzentrischen Beziehungsnetzwerken, von deren Wirken in China kaum eine Entscheidung unbeeinflusst bleibt. Ein Individuum ist erst dann komplett, wenn es von den ihn umgebenden Beziehungen.[5] Diese Beziehungen basieren nicht auf Verbindungen zwischen Personengruppen oder Institutionen[6], sondern immer auf Beziehungen zwischen einzelnen Personen. Es kann sich dabei sowohl um direkte Beziehungen handeln, als auch um indirekte, die durch einen Dritten vermittelt werden. Bestehen zu einer anderen Person gute Beziehungen, können Kontakte zu weiteren Personen aus dessen Beziehungsgefüge geknüpft werden. Normalerweise wird ein Vermittler allerdings nur Personen miteinander bekannt machen, denen er vertraut, weil er mit seinem Gesicht[7] einsteht. Das Vertrauensverhältnis muss dann erst langfristig aufgebaut werden, beginnt jedoch auf einem höheren Niveau.

Das Beziehungsnetz wird unter Chinesen für Ausländer kaum bemerkbar eingesetzt. Beziehungen können daraus resultieren, dass zwei Personen im gleichen Dorf gewohnt oder an der gleichen Universität studiert haben. Man unterscheidet hierbei mehrere Typen von Beziehungen:

- Verwandtschaftsbeziehungen
- Freundschaftsbeziehungen
- Landsmannschaftliche Beziehungen
- Geschäftsbeziehungen

„Guanxi“ steht immer in einem Gegenseitigkeitsverhältnis und unterliegt dabei der Reziprozität. Wer eine Gefälligkeit erbittet, muss dafür irgendwann auch eine Gegenleistung erbringen. Dabei spielt die Zeit eine wichtige Rolle. Überdies müssen die Beziehungen ständig gepflegt werden.

2.1.1 Warum war und ist „Guanxi“ wichtig?

Das Konzept als solches ist alt, hat seine Wurzeln in den gesellschaftlichen Gepflogenheiten des alten China, wo wechselseitige Unterstützung und andere zentrale Prinzipien des sozialen Verkehrs längst bekannt waren und als Basis der gesamten zwischenmenschlichen Beziehungen dienten.

Ein weiterer Punkt ist der Konfuzianismus[8] und dessen Menschenbild, welcher die chinesische Gesellschaft und vor allem auch die Erziehung geprägt hat und noch heute beeinflusst. Der Mensch definiert sich in China über sein soziales Umfeld – seine Beziehungen – und über seine Stellung in der Gesellschaft. Daher war und ist es wichtig möglichst viele Beziehungen herzustellen und so ein dichtes Netzwerk zu knüpfen, was es dem Einzelnen erlaubt, seine soziale Stellung zu verbessern. Eine Möglichkeit hierzu stellte lange Zeit die Heirat dar, da man so auf die Ressourcen der anderen Familie zurückgreifen konnte.

Dieses Netzwerkdenken konnte sich über die Jahrhunderte so sehr in dem Denken der Chinesen verankern, da die Grundbedürfnisse der Menschen nie gesichert waren und selbst heute längst nicht vollkommen abgedeckt sind. Wenn ein Mensch seine „physiologischen Grundbedürfnisse“[9] nicht gesichert sieht, ist sein ganzes Streben auf die Befriedigung dieser ausgerichtet. An dieser Stelle treten Beziehungsnetzwerke in Erscheinung. Da China lange Zeit ein Agrarland war, bot es sich an, beispielsweise als Dorf die Kräfte zu bündeln und gemeinsam die Ernte des Einzelnen einzufahren, um so schneller und effektiver das Überleben aller zu sichern. An dem einen Tag wurde bei Bauer X gearbeitet, am nächsten Tag bei Bauer Y – hierbei gilt es als Selbstverständlich, dass Bauer X mithilft, um so die Gefälligkeit zurückzuzahlen.

Im modernen China leben zwar immer mehr Menschen in den Städten und arbeiten dort in der Industrie, dem Handwerk oder dem Dienstleistungssektor, jedoch verfügt China noch immer über kein ausreichendes Sozialsystem. Gleichzeitig ist der Rechtsstaat keine Selbstverständlichkeit und ein Rechtsschutz ist nicht garantiert.

Durch die Landflucht tritt die Dorfgemeinschaft immer mehr in den Hintergrund und die individuellen Beziehungen gewinnen vermehrt an Priorität. Man kann also behaupten, dass ein gutes, engmaschiges Beziehungsnetzwerk wichtiger denn je ist.

2.1.2 Die Bedeutung der Familie

Chinesen teilen ihr Umfeld sehr genau in unterschiedliche Kategorien ein und unterscheiden dabei Verwandte, Freunde oder Fremde. Um so den Grad des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigem Hilfe abschätzen zu können. Man unterscheidet hierbei zwischen Innen- und Außengruppe. Die Innengruppe fängt in der Familie an und umfasst ebenfalls die engen Freunde, denen man zu gegenseitiger Hilfe verpflichtet ist. Die Außengruppe wiederum umfasst alle Beziehungen, die nicht der Inneren Gruppe zuzuordnen sind.

Familie steht im Chinesischen auch für „Heim“ oder „Zuhause“ und dient als Keimzelle für die Gesellschaft. Im Einklang mit der konfuzianischen Lehre werden die Werte „jen“[10] und „shu“ als Grundsätze der Erziehung an die Kinder weitergegeben. Die Familie nimmt damit eine fundamentale Rolle in der chinesischen Gesellschaft ein, deren Wertschätzung sich auch an politischen oder allgemeinen Begrifflichkeiten fest machen lässt: Staatsfamilie[11], Staatsvater[12], Doktorvater beziehungsweise –Mutter oder Lehrschwestern[13] beziehungsweise – Brüder. Ein wichtiger Faktor innerhalb der Familie ist die gegenseitige Unterstützung, bei der sich die Großeltern um die Enkel kümmern, die Eltern um die Großeltern und später die Enkel um die Großeltern beziehungsweise ihre Eltern im Alter. Dieses Modell dient ebenfalls als Vorbild für das staatliche chinesische Sozialsystem.

[...]


[1] Bei den Staaten handelt es sich jeweils um Länder mit einer großen chinesischen Minorität, die oftmals die jeweilige Volkswirtschaft prägen.

[2] Gesicht; Übersetzung d. Autors.

[3] Wohlgefallen; Übersetzung d. Autors.

[4] Beziehungen; Übersetzung d. Autors.

[5] Vgl. Liu 2006.

[6] Vgl. Kuschker 1997.

[7] Worauf im nächsten Punkt näher eingegangen wird.

[8] Zentrales Anliegen des Konfuzianismus sind gute Führung, praxisbezogenes Wissen sowie angemessene gesellschaftliche Beziehungen. Der Konfuzianismus prägte die Lebenseinstellung der Chinesen sowie bestimmte Lebensmuster und gesellschaftliche Standardwerte und lieferte den Hintergrund für politische Theorien und Institutionen Chinas. In: Microsoft Encarta Enzyklopädie Professional 2005.

[9] Vgl. Beziehungspyramie nach Maslow.

[10] Kann als Liebe, Güte, Menschlichkeit oder Menschenliebe übersetzt werden.

[11] Als Synonym für den Staat.

[12] Als Synonym für den Gründer der Republik.

[13] Kommilitoninnen.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung von Guanxi in der chinesischen Gesellschaft
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Interkulturelle Wirtschaftskommunikation)
Veranstaltung
Networking in China
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
18
Katalognummer
V119823
ISBN (eBook)
9783640234158
ISBN (Buch)
9783640234462
Dateigröße
584 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Guanxi, Gesellschaft, Networking, China, Geschäftskontakte
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Patrick Krippendorf (Autor:in), 2005, Die Bedeutung von Guanxi in der chinesischen Gesellschaft , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119823

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