Lesarten des "Doktor Faustus"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

27 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historischer Kontext und Entstehungsgeschichte

3 Inhaltliche Zusammenfassung des „Doktor Faustus“

4 Lesarten des „Doktor Faustus“
4.1 Das Deutschlandthema
4.2 Die Stellung der Kunst und die Bedeutung der Musik
4.3 Die Entwicklung der Faust-Figur
4.4 Der Einfluss von Friedrich Nietzsche
4.5 Die Auseinandersetzung mit theologischen Grundsätzen

5 Kritische Zusammenschau

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Thomas Mann ist einer der überragendsten Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts. Sein erster Roman „Buddenbrooks: Verfall einer Familie“ erschien 1901 und ist sein wohl populärstes Werk. Die Vielschichtigkeit des Romans findet sich im 1947 erschienen „Doktor Faustus“ wieder. Dieses Mammutwerk hat wie kein zweites eine überragende Masse von Sekundärliteratur hervorgerufen. Bis heute wird sein Altersroman vielseitig diskutiert. Die Anzahl der Lesarten ist immens. Unverkennbar ist „Doktor Faustus“ ein Künstlerroman. Manns Angst vor Schreibhemmungen sowie vor dem Künstler im Elfenbeinturm spiegelt sich im Leben von Adrian Leverkühn wieder. Des Weiteren ist es ein Roman der Musik. Man spricht von dem Versuch, Musik mit Worten wiederzugeben. Weitere Ansätze bilden unter anderem die Religion, der Mythos, die Gesellschaft Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Aktualität des Romans ist auch durch Manns Ansicht bedingt, dass die Ursachen für den Nationalsozialismus im rückwärtsgerichteten Verlauf der deutschen Geschichte liegen. Die Aufarbeitung dieses heiklen Themas dauert an. In der heutigen Politik wird die Diskussion um die politisch korrekte Handhabe im Umgang mit diesem Thema fast wöchentlich aktualisiert. Ein aktuelles Beispiel liefert die Rede von Günther Öttinger, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, beim Staatsakt zum Begräbnis von Hans Filburger. Ein anderer Grund für die Aktualität des Romans liegt in seiner Komplexität. Die Lesemöglichkeiten lassen sich wohl kaum ausschöpfen. Nach dem Erscheinen des Romans war dessen allgemeine Rezeption von einem publizistischen Streit geprägt, welcher sich zwischen den inneren Emigranten und den Exilanten abspielte. Letzteren wurde vorgeworfen, ihrer Heimat in schweren Zeiten den Rücken gekehrt zu haben. Ihnen wurde das Recht abgesprochen, über dieses Deutschland zu schreiben, da sie die gesellschaftspolitische Entwicklung und die damit verbundenen sozialen Veränderungen nicht im eigenen Land miterlebt hatten. Eine Erweiterung der Rezeption bewirkten die politischen Veränderungen von 1989/1990. „Es ist unausbleiblich, daß sich die Faschismuskritik und die Deutschland-Thematik des Doktor Faustus heute anders darstellen als vor der Beendigung des Kalten Krieges und der Rekonstitution Deutschlands als Nationalstaat.“[1] Die zweite große Erweiterung folgte nach den Veröffentlichungen von Manns Tagebüchern, Notizbüchern und Briefen.

Die Entwicklung der Rezeptionsgeschichte soll in der nachfolgenden Abhandlung keine weitere Rolle spielen. In der vorliegenden Arbeit wird ein Überblick von fünf dominanten Lesarten des Romans gegeben. Es handelt sich um das Deutschlandthema (im und um den Roman), die Stellung der Kunst, besonders die Bedeutung der Musik, das Faust-Motiv (sowie dessen Entwicklungsgeschichte), der Einfluss von Friedrich Nietzsche und schließlich um die Bedeutung theologischer Grundsätze im Roman. Die Beiträge stellen jeweils ein Beispiel in ihrer jeweiligen Lesart dar. Die Eckpfeiler ihres Inhalts werden zusammengefasst, wobei es nicht um eine detaillierte Wiedergabe geht, sondern darum, einen Überblick zu liefern. Kritik ist, wenn nötig direkt eingefügt. Eine kritische Zusammenschau aller Beiträge folgt im fünften Kapitel. Aus Gründen der Lesbarkeit des Literaturverzeichnis’, werden dort nicht die einzelnen Artikel aufgelistet, sondern die Angabe der Sammelbände. Wo sich die einzelnen Artikel befinden, ist über dem jeweiligen Beitrag angegeben. Vorerst wird ein Abriss über den Inhalt und die Entstehungsgeschichte des „Doktor Faustus“ geliefert.

2 Historischer Kontext und Entstehungsgeschichte

Aus Tagebuchnotizen kann man entnehmen, dass Thomas Mann bereits zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die Vorstellung hatte, eine Faust-Novelle zu schreiben. Es sollte sich um einen an Syphilis erkrankten Künstler handeln, welcher mit Hilfe des Teufels geniale Werke schafft und schließlich vom selben geholt wird. 1933 denkt Mann an den „Doktor Faustus“ als literarischen Abschluss seines Lebenswerkes.[2] Dies wurde keine Realität, denn dem Roman folgten die Erzählungen „Der Erwählte“ und „Die Betrogene“ sowie Arbeiten zum Roman „Felix Krull“. Doch kann man festhalten, dass „Doktor Faustus“ durchaus einen Abschlusscharakter hat. „Hier wird das Fazit eines Künstlerlebens gezogen, die ganze Mannsche Thematik von Künstler und Gesellschaft, Krankheit und Kreativität wieder durchgespielt und ein ‚radikales Bekenntnis’ abgelegt.“[3] Unterdessen Manns andere großen Werke während der Arbeit an ihnen wuchsen und sich vervollkommnten, wusste er dieses Mal genau, wie der Roman auszusehen hat. Er musste einen Überblick gewinnen, um den Verlauf der deutschen Geschichte zu zeichnen und zu deuten. Diese Thematik floss nach dem Verlauf der politischen Ereignisse notwendigerweise in die Faust-Konzeption ein. „Wo früher die Syphilis als Mittel zur Kunst ekelhaft extrem erscheinen konnte, ist sie als Metapher jetzt gerade gräßlich genug für die inzwischen eingetretene politische Verseuchung.“[4] Die Entstehungszeit des Romans beläuft sich auf Manns erste Exiljahre 1943-1947. Er und sein Erzähler Zeitblom blicken ins Chaos. Hinter ihnen liegt der erste verlorene Weltkrieg und die politische sowie wirtschaftliche Krise der Weimarer Republik und vor ihnen befinden sich die Trümmer des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkriegs. Somit kann man interpretieren, dass Leverkühns Teufelspakt jenem entspricht, den das deutsche Volk eingegangen ist.

Die Stadt, in der Adrian Leverkühn seine Schuljahre verbringt, ist der einzige fiktive Schauplatz im Roman. Mann siedelt Kaisersaschern im sächsisch-thüringischen Raum an. Die anderen Schauplätze sowie die Personen des Romans sind nach realen Vorbildern gezeichnet. Hier sei auf Manns Montagetechnik hingewiesen: Die Figuren entsprechen vorrangig einer Montage verschiedener realer Personen. Folglich sind diverse Versuche fehlgeschlagen, ganzheitliche Entsprechungen zu finden.

3 Inhaltliche Zusammenfassung des „Doktor Faustus“

In diesem Roman erzählt Dr. phil. Serenus Zeitblom, wie in der Überschrift angekündigt, die fiktive Biographie des Musikers und seines Freundes Adrian Leverkühn. Zeitblom wurde 1883 in Kaisersaschern an der Saale geboren. Er wandte sich dem Studium der klassischen Sprachen zu, bis er „in den bayrischen Schuldienst überging und fortan zu Freising [...] als Gymnasialprofessor, aber auch als Dozent an der theologischen Hochschule [sich einer] befriedigenden Tätigkeit erfreute“[5]. Zeitblom sowie sein Autor Thomas Mann setzen die Feder am 23. 05. 1943 an.

Leverkühn wird 1885 auf dem Bauernhof Buchel geboren und verbringt dort seine Kindheit. Beim Kanonsingen mit der Magd Hanne erfährt er erste Begegnungen mit der Musik. Adrian wird durch überdurchschnittliche Begabung und extreme Distanzierung zu seiner Umwelt charakterisiert. Selbst zu seinen Geschwistern, Georg und Ursel, hat er keine engere Beziehung. Die einzigen Ausnahmen werden Zeitblom und Rudolf Schwerdtfeger sein. Im Alter von zehn Jahren zieht Adrian nach Kaisersaschern zu seinem Onkel, Nikolaus Leverkühn, um das Gymnasium zu besuchen. „[E]s ist von der Stadt zu sagen, daß sie atmosphärisch wie schon in ihrem äußeren Bilde etwas stark Mittelalterliches bewahrt hatte.“[6] Dort pflegt Adrian seine einzige Freundschaft, jene mit Zeitblom. In dem Musikgeschäft des Onkels lernt er viele bekannte, aber auch seltene Musikinstrumente kennen. Der Organist Wendell Kretzschmar lehrt ihn das Orgelspiel sowie die Kompositionslehre. Das Theologiestudium in Halle bricht Adrian ab, um in Leipzig Musik zu studieren. Anschließend promoviert er. In Leipzig begegnet er scheinbar zufällig der Prostituierten Esmeralda und infiziert sich mit Syphilis. Während seines Italienaufenthaltes im Jahre 1906 begegnet er schließlich dem Teufel. Adrian werden 24 Jahre größtmögliche Schaffenskraft versprochen. Dafür verschreibt er dem Teufel seine Seele nach dem Tod und er muss zu Lebzeiten auf alle Liebe verzichten. Tatsächlich komponiert Adrian in den folgenden Jahren sensationelle Werke und gelangt zu Weltruhm. Durch Rudolf Schwerdtfeger, zu dem er eine homoerotische Beziehung hat, lässt Adrian Marie einen Heiratsantrag zukommen. Sie entscheidet sich jedoch für Rudolf und dieser wird von einer ehemaligen Geliebten, Ines Institoris, erschossen. Somit schlagen die ersten zwei Versuche Adrians liebende Beziehungen aufzubauen fehl. Besonders tragisch ist das Erlebnis mit seinem Neffen Nepomuk Schneidewein, Echo genannt. Zum ersten Mal erfährt er Gefühle, die dem eines Vaters gleichkommen. Diese unschuldige Liebe eines Kindes ist besonders. Doch Echo muss an einer Hirnhautentzündung sterben. Nach der Vorstellung seines größten Werkes „Doktor Fausti Weheklag“ bricht Leverkühn zusammen und sein geniales Leben endet. Die vom Teufel gesetzte Frist war abgelaufen. Die letzten zehn Jahre seines Lebens verbringt Adrian Leverkühn zunächst in einer Nervenheilanstalt, später wird er von seiner Mutter gepflegt.

4 Lesarten des „Doktor Faustus“

4.1 Das Deutschlandthema

Wißkirchen, Hans. „Verbotene Liebe: Das Deutschlandthema im Doktor Faustus“. „und was werden die Deutschen sagen??“: Thomas Manns Roman Doktor Faustus. Hg. Wißkirchen, Hans und Thomas Sprecher. 2. Aufl. Lübeck: Dräger, 1998. 179-207.

Nach dem Erscheinen des „Doktor Faustus“ folgte 1947/1948 eine Vielzahl von Kritiken aus Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. In den Auseinandersetzungen über den Roman spiegelt sich die damalige Debatte zwischen den inneren Emigranten und den Exilanten wider. Mann wurde vorgeworfen, die Geschehnisse in Deutschland nicht durchlitten zu haben, sondern sie sich von einem Platz unter der kalifornischen Sonne angeschaut zu haben. Da Mann die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, hieß es, er habe Deutschland den Rücken gekehrt. Dabei hat Mann oft betont, dass die Bande zwischen ihm und Deutschland unzerreißbar ist und dass seine Wurzeln eindeutig deutsch sind.

Im nächsten Abschnitt betrachtet Wißkirchen das Verhältnis des Literaten Mann zur Politik. Der Schriftsteller hat sich bis zum Ereignis des ersten Weltkriegs nie mit politischen Themen intensiv auseinandergesetzt. Nach diesem Krieg erschien sein Essay „Betrachtungen eines Unpolitischen“. Im „Zauberberg“ gestaltet er ein „Urmuster“[7] seiner Ablehnung gegenüber dem Faschismus. Bei dem Motiv der ‚verbotenen Liebe’ handelt es sich darum, dass Mann das was er liebte nicht lieben durfte, weil es von Faschisten vereinnahmt wurde. Dieses Motiv ist im „Doktor Faustus“ immer noch sehr aktuell (Wißkirchen verweist hier auf die Entstehungszeit von 1943 bis 1947). Es handelt sich um die „Tatsache, daß der Faschismus sich genau die Elemente der deutschen romantischen Sondertradition zu eigen gemacht hatte, auf der auch Thomas Manns Weltanschauung gründete“[8].

[...]


[1] Vaget, 13

[2] vgl. Reed, 294

[3] ebd., 294

[4] ebd., 298

[5] Mann, 15

[6] Mann, 48

[7] Wißkirchen, 184

[8] ebd., 185

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Lesarten des "Doktor Faustus"
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Unheimliche Nachbarschaften: Thomas Mann und Ernst Jünger
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
27
Katalognummer
V119741
ISBN (eBook)
9783640236466
ISBN (Buch)
9783640238477
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lesarten, Doktor, Faustus, Unheimliche, Nachbarschaften, Thomas, Mann, Ernst, Jünger
Arbeit zitieren
Christiane Rühlmann (Autor:in), 2007, Lesarten des "Doktor Faustus", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119741

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