Im Anfang war die Poesie

Friedrich Schlegels frühromantische Kunstanschauung im Kontext von Goethes Wilhelm Meister


Seminararbeit, 2008

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist Romantik?
2.1 Schlegels Ästhetik der Frühromantik
2.2. Das Schlegelsche Konzept einer progressiven Universalpoesie
2.3. Kernbegriffe
2.4. Der Roman als literarische Gattung der Moderne

3. Goethes Wilhelm Meister

4. Ende

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Auch wenn Safranski das Ende der „große[n] Epoche der Romantik“ in den 20er Jahren des 19.Jahrhunderts sieht,[1] ist noch fast zweihundert Jahre später zumindest im alltäglichen Sprachgebrauch eine geradezu inflationäre Verwendung des Begriffes „Romantik“ und der zugehörigen Wortfamilie zu beobachten – was wird nicht alles als „romantisch“ bezeichnet. Safranski unterscheidet daher mit Recht zwischen Romantik als Epoche und als Geisteshaltung, wobei Letztere für ihn in der Bezeichnung „das Romantische“ benannt ist, das „in der Epoche der Romantik [seinen] vollkommenen Ausdruck“ gefunden habe.[2]

Doch was eigentlich ist Romantik? Eine erschöpfende Antwort auf diese Frage kann auf den folgenden Seiten kaum gelingen. Es soll allerdings der Versuch unternommen werden, ein wenig unter die Oberfläche popularsprachlicher Verwendungen des Begriffs zu gelangen, indem exemplarisch einige Texte der frühen Romantik in Augenschein genommen werden, in denen nach Pikulik „bereits der gesamte Bestand an Ideen, Tendenzen, Formen, Verfahren und Motiven begründet wird […], auf dem auch die spätere Romantik beruht.“[3] Die im Folgenden vorgenommene Auswahl beschränkt sich im Wesentlichen auf theoretische Abhandlungen Friedrich Schlegels, des jüngeren der Gebrüder Schlegel, von denen es bei Fromm heißt: „Wenn man von der deutschen Frühromantik spricht, dann ist man verpflichtet, zumindest die Namen Friedrich und August Wilhelm von Schlegel […] zu nennen.“[4] Ausführungen des Letzteren, den man bisweilen ebenso wie seinen Bruder „zu den theoretischen Köpfen“ der Frühromantik gerechnet hat,[5] können bei den hier vorgenommenen Untersuchungen nur in sehr begrenztem Maße berücksichtigt werden. Aber auch von den zu Rate gezogenen Aufzeichnungen Friedrich Schlegels ist zu sagen, dass es in keiner Weise um eine umfassende Darstellung von dessen komplexer Ästhetik und Philosophie mitsamt den für deren Herausbildung bedeutsamen vielfältigen Einflüssen gehen kann. Lediglich einige beispielhafte Äußerungen sind aufgeführt und erörtert.

Die Schlussteil der Arbeit ansatzweise behandelte Rezeption von Goethes Wilhelm Meister gestattet zusätzliche Einblicke in die ästhetischen Auffassungen Friedrich Schlegels und soll zur Veranschaulichung von dessen Poesiebegriffes einen weiteren Impuls für ein Verständnis (früh)romantischer Kunstanschauung liefern.

2. Was ist Romantik?

„Classisch ist das Gesunde, romantisch das Kranke“, heißt es beim späten Goethe.[6] „Romantisieren“ bedeutet für Novalis, dem „Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein“ zu geben[7] – Worte, in denen Safranski einen Hinweis auf eine „untergründige Beziehung“ der Romantik zur Religion entdeckt. An gleicher Stelle beschreibt er diese als eine der „seit zweihundert Jahren nicht abreißenden Suchbewegungen, die der entzauberten Welt der Säkularisierung etwas entgegensetzen wollen“ und gelangt zu der Überzeugung: „Romantik ist neben vielem, was sie sonst noch ist, auch eine Fortsetzung der Religion mit ästhetischen Mitteln.“[8]

Auch Heine hat in einem berühmt gewordenen Beitrag die religiöse Dimension der Romantik betont und auf ihre Verbindung zum Christentum hingewiesen, indem er „die romantische Schule“ als „die Wiedererweckung der Poesie des Mittelalters“ bezeichnete, die eine „Passionsblume“ gewesen sei, dem „Blute Christi entsprossen.“[9] Diese Poesie unterscheidet er von der „klassischen“ der „Griechen und Römer“, bei denen die „plastische Abbildung“ im Mittelpunkt künstlerischen Interesses gestanden habe, in dem Sinne, dass das Dargestellte auch das Gemeinte war, während die romantische Kunst eine zusätzliche, eine „esoterische Bedeutung“ enthalte. Heine fasst das folgendermaßen zusammen: „Die klassische Kunst hatte nur das Endliche darzustellen […]. Die romantische Kunst hatte das Unendliche und lauter spiritualistische Beziehungen darzustellen oder vielmehr anzudeuten“.[10]

Grosse-Brockhoff hebt hervor, dass „[r]omantisch […] um die Jahrhundertwende zu einem viel bemühten Wort“ geworden war und zunächst „den romanischen Sprachraum mit seinen volkssprachlichen Schöpfungen“ bezeichnete, deren Schauplatz sich „in einer entrückten fernen Zeit und einer inzwischen versunkenen Welt“ befindet.[11] In der Folge sei „die ganze Welt des christlich abendländischen Mittelalters, das nach den Vorstellungen um 1800 erst mit Beginn der Aufklärung sein Ende gefunden hat“, als „romantisch“ begriffen worden. Adjektive wie „fantastisch“ und „unerhört“ wurden zu Synonymen für „romantisch“, da in den Romanen „erfundene, bisweilen unvorstellbare und unwahrscheinliche Stoffe“ behandelt werden. Friedrich Schlegel habe demnach einen „facettenreichen Sprachgebrauch“ vorgefunden,[12] das „Romantische“ sei zum „Leitbegriff“ zumindest seiner „mittleren Schaffenszeit“ geworden. Ein religiöser Unterton schwingt zweifellos auch in seinen Abfassungen dieser Periode mit. Hier scheint sich nicht nur die spätere Konversion zum Katholizismus bereits anzudeuten,[13] vielmehr entwickelt sich zugleich das Programm einer neu entstehenden Geisteshaltung, in der „das Wunderliche wieder selbstbewusst als das Wunderbare“ auftritt, der abnehmende „Glaube an die Transparenz und Kalkulierbarkeit der Welt“ seinen Niederschlag findet.[14] Diese neuen Auffassungen, in denen schon Zeitgenossen einen deutlichen Unterschied zur Weimarer Klassik erkennen, artikulieren sich zu einem wesentlichen Teil in den zwischen 1798 und 1800 erschienenen sechs Ausgaben der Athenäums-Fragmente, die als Manifeste der Frühromantik verstanden werden können, zu einer Zeit, da sich der Epochenbegriff „Romantik“ noch lange nicht etabliert hat, viele Jahre vor Heines oben zitierter Schrift aus dem Jahre 1836, die den Begriff der „romantischen Schule“ populär macht, als deren Begründer vor allem der Kreis um die Schlegels gilt.[15]

[...]


[1] Safranski, Rüdiger (2007): Romantik. Eine deutsche Affäre. München. S.233.

[2] Ebd.: 12.

[3] Pikulik, Lothar (1992): Frühromantik. Epoche, Werke, Wirkung. München. S.9.

[4] Fromm, Eberhard (1997): Deutsche Denker: Friedrich Schlegel – Ästhet der Romantik. In: Berlinische Monatsschrift, Heft 3. S.68.

[5] Vgl. ebd.: 68. Zur Problematik der Beurteilung und Einordnung der Brüder in ihrem Verhältnis zur Frühromantik vgl. auch Grosse-Brockhoff, Annelen (1981): Das Konzept des Klassischen bei Friedrich und August Wilhelm Schlegel. Köln u.a.. S.15.

[6] Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche.40 Bände in zwei Abteilungen. Hrsg. von Hendrik Birus u.a. Frankfurt/M. u.a., 1985ff. Zitiert als GFA. Hier GFA I, 13: 239.

[7] Uerlngs, Herbert (Hg.) (2000): Theorie der Romantik. Stuttgart. S.51f.

[8] Safranski 2007: 13.

[9] Vgl. Heinrich Heine: Historisch-kritische Gesamtausgabe der Werke. Hrsg. von Manfred Windfuhr. Hamburg, 1975ff. Zitiert als DA. Hier HDA 8: 126.

[10] HDA: 130f.

[11] Grosse-Brockhoff 1981: 98.

[12] Grosse-Brockhoff 1981: 98. Vgl. auch Friedrich Schlegel: Kritische Ausgabe. 35 Bände in 4 Abteilungen. Hrsg. v. Ernst Behler. Paderborn u.a. 1958ff. Zitiert als KFSA. Hier KFSA I, 2: LIIf.

[13] Allerdings scheint bis heute umstritten, ob Schlegels Konversion als folgerichtige Konsequenz seiner vorange- gangenen Arbeiten oder als Bruch mit diesen zu verstehen ist; vgl. dazu Peter, Klaus (1978): Friedrich Schlegel. Stuttgart. S.51.

[14] Vgl. Safranski 2007: 53.

[15] Peter 1978: 37.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Im Anfang war die Poesie
Untertitel
Friedrich Schlegels frühromantische Kunstanschauung im Kontext von Goethes Wilhelm Meister
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie)
Veranstaltung
Romantische Ästhetik
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
19
Katalognummer
V119495
ISBN (eBook)
9783640229222
ISBN (Buch)
9783640230792
Dateigröße
506 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anfang, Poesie, Romantische
Arbeit zitieren
Fritz Hubertus Vaziri (Autor:in), 2008, Im Anfang war die Poesie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119495

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