Die G-8 im Bereich der Cooperative Threat Reduction

Ein Plausibilitätstest des Concert Equality Model


Magisterarbeit, 2006

115 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG
1.1 Hintergrund und Forschungsfrage
1.2 Vorgehensweise
1.3 Relevanz der Arbeit
1.3.1 Theoretische Relevanz
1.3.2 Praktische Relevanz

2 DIE G-8 ALS MODERNES INTERNATIONALES KONZERT: DAS MODELL DER CONCERT EQUALITY (WILLIAM WALLACE 1984, JOHN J. KIRTON 1989, 1993, 1997, 1998, 2004A, 2004C)
2.1 Das Konzept der Konzertpolitik in den Internationalen Beziehungen
2.2 Vorstellung des Concert Equality Model: Die G-8 als modernes internationales Konzert
2.2.1 Kollektiv dominante Machtressourcen und gleiche Machtressourcen im Inneren der Gruppe
2.2.2 Gemeinsame schockaktivierte Verwundbarkeit
2.2.3 Gemeinsame Prinzipien der Demokratie, der Markwirtschaft, der Freiheit des einzelnen und des sozialen Fortschritts
2.2.4 Beschränkter Teilnehmerkreis
2.2.5 Unmittelbare politische Kontrolle und politischer Rückhalt der Staats- und Regierungschefs

3 FORSCHUNGSDESIGN
3.1 Allgemeine Hypothese
3.2 Spezielle Hypothese
3.3 Operationalisierung der unabhängigen Variablen
3.3.1 Operationalisierung der kollektiv dominanten Macht-ressourcen und gleichen Machtressourcen im Inneren der Gruppe
3.3.2 Operationalisierung der gemeinsamen schockaktivierten Verwundbarkeit
3.3.3 Operationalisierung der gemeinsamen Prinzipien
3.3.4 Operationalisierung des beschränkten Teilnehmerkreises
3.3.5 Operationalisierung der unmittelbaren politischen Kontrolle und des politischen Rückhalts der Staats- und Regierungschefs
3.4 Operationalisierung der abhängigen Variablen
3.5 Fallauswahl und Methodik
3.6 Bestimmung der Werte der abhängigen Variablen: Niedrige und hohe decisional performance im Bereich CTR in den Fällen Okinawa 2000 und Kananaskis 2002
3.6.1 Der Weltwirtschaftsgipfel von Okinawa im Jahre 2000
3.6.2 Der Weltwirtschaftsgipfel von Kananaskis im Jahre 2002

4 FALLUNTERSUCHUNGEN
4.1 Cooperative Threat Reduction
4.2 Der Weltwirtschaftsgipfel von Okinawa 2000
4.2.1 Kollektiv dominante Machtressourcen und gleiche Machtressourcen im Inneren der Gruppe
4.2.2 Gemeinsame schockaktivierte Verwundbarkeit
4.2.3 Gemeinsame Prinzipien der Demokratie, Marktwirtschaft, der Freiheit des einzelnen und des sozialen Fortschritts
4.2.4 Beschränkter Teilnehmerkreis
4.2.5 Unmittelbare politische Kontrolle und politischer Rückhalt der Staats- und Regierungschefs
4.3 Der Weltwirtschaftsgipfel von Kananaskis 2002
4.3.1 Kollektiv dominante Machtressourcen und gleiche Machtressourcen im Inneren der Gruppe
4.3.2 Gemeinsame schockaktivierte Verwundbarkeit
4.3.3 Gemeinsame Prinzipien der Demokratie, Marktwirtschaft, der Freiheit des einzelnen und des sozialen Fortschritts
4.3.4 Beschränkter Teilnehmerkreis
4.3.5 Unmittelbare politische Kontrolle und politischer Rückhalt der Staats- und. Regierungschefs
4.4 Ergebnis der Kovarianzanalyse
4.4.1 Ergebnis der Kovarianzanalyse im Fall Okinawa 2000
4.4.2 Ergebnis der Kovarianzanalyse im Fall Kananaskis 2002

5 SCHLUSSBETRACHTUNG

6 ANHANG

7 LITERATURVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 01: Untersuchungsaufbau

Abbildung 02: Freiheitsindex der Gipfelteilnehmer (Okinawa 2000)

Abbildung 03: Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel von Okinawa

Abbildung 04: Staats- und Regierungschefs im Outreach von Okinawa 2000

Abbildung 05: Zeitplan des Gipfeltreffens von Okinawa 2000

Abbildung 06: Freiheitsindex der Gipfelteilnehmer (Kananaskis 2002).

Abbildung 07: Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel von Kananaskis

Abbildung 08: Staats- und Regierungschefs im Outreach von Kananaskis 2002

Abbildung 09: Zeitplan des Gipfeltreffens von Kananaskis 2002

Abbildung 10: Ergebnis der Kovarianzanalyse im Fall Okinawa 2000

Abbildung 11: Ergebnis der Kovarianzanalyse im Fall Kananaskis 2002

Abbildung 12: Mitgliederentwicklung der Weltwirtschaftsgipfel 1975 – 2005

Abbildung 13: Exportanteil der G-8 am Welthandel mit Gütern 2000 / 2002

Abbildung 14: Anteile der G-7 am weltweiten Bruttosozialprodukt 2000 / 2002

Abbildung 15: Weltmilitärausgaben 2000 / 2002

Abbildung 16: Bayne Grades (1975 – 2004)

1 Einleitung

1.1 Hintergrund und Forschungsfrage

Die G-8 (Gruppe der Acht) wird in der Überblicksdarstellung von Hajnal (1999: 1) als eine „ unorthodoxe internationale Institution “ eingeführt, die seit ihrer Gründung vor 30 Jahren bereits mehrere Namen getragen hat.[1] Es handelt sich bei dieser Institution im formellen Sinne nicht um eine internationale (Regierungs-)Organisation (Rittberger/Zangl 2003), sondern es liegt ein informeller Zusammenschluss von Staaten vor, dessen Handlungsspielraum sich zwischen dem politischen Willen seiner Mitglieder und denen durch das Völkerrecht als zulässig erachteten Mitteln bewegt (De Guttry 1994: 68).[2] Ihren Ursprung hat die G-8 in der sogenannten Library Group, den seit April 1973 auf Einladung des US-Finanzministers George Shultz stattfindenden informellen Treffen der Finanzminister Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands und den USA in der Bibliothek des Weißen Hauses.[3] Auf Initiative von Staatspräsident Valerý Giscard d’Estaing und Bundeskanzler Helmut Schmidt entwickelte sich aus der library group ein informelles Gipfeltreffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs, welches im November 1975 auf Schloss Rambouillet zum ersten Mal stattfand und die Erörterung von währungs- und finanzpolitischen Fragen zum Gegenstand hatte.

Dass die Agenda der Gipfeltreffen[4] über die ursprünglich angedachte Diskussion makroökonomischer Themen hinausgeht und die Zusammenkünfte nur noch schwerlich als reine Welt wirtschafts gipfel zu bezeichnen sind, ist aus den im Anschluss an die Treffen veröffentlichten Abschlussdokumenten ersichtlich. Spätestens seit dem Gipfeltreffen im Jahre 1978 (Bonn I) nehmen auch sicherheitspolitische Fragen teils wiederkehrend, teils regelmäßig Platz auf die Agenda ein.[5] Das Gipfeltreffen im kanadischen Kananaskis, Alberta im Juni 2002 hat die Agenda der G-8 um eine sicherheitspolitische Herausforderung erweitert. Fragen der Nichtweiterverbreitung waren bereits früher Gegenstand der Weltwirtschaftsgipfel, jedoch stellt die Initiative der „Globalen G-8 Partnerschaft gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen- und materialien“ eine insbesondere den finanziellen Umfang betreffend bemerkenswerte Vereinbarung dar: Die Staats- und Regierungschefs der G-8 Staaten haben auf dem Gipfeltreffen beschlossen, bis einschließlich 2012 mindestens 20 Milliarden US-Dollar für Nichtweiterverbreitungs- und Abrüstungsprojekte vornehmlich auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion bereitzustellen. Zudem ist die Globale G-8 Partnerschaft die erste Initiative im Bereich der Cooperative Threat Reduction

(CTR, kooperative Gefahrenreduzierung) [6] , die über einen bilateralen Rahmen hinausgeht und die weltweite Einbindung möglichst vieler Staaten als Geberländer verfolgt (Lugar 2002). Während der Weltwirtschaftsgipfel im kanadischen Kananaskis mit der Globalen G-8 Partnerschaft die finanziell bislang umfangreichste multilaterale CTR-Initiative darstellt, sind frühere Anläufe der USA gescheitert, ihre G-8 Partner im Rahmen der G-8 Gipfel zu konkreten finanziellen Zusagen für CTR-Projekte zu gewinnen. So sind auf dem Gipfel von Okinawa im Jahre 2000 trotz Bemühungen der Vereinigten Staaten keine finanziellen Ressourcen mobilisiert worden, um bereits existierende bilaterale CTR-Programme auf eine multilaterale Ebene zu befördern.

Im Rahmen dieser Arbeit soll das Modell der Concert Equality auf seine Plausibilität hin an einem Fall mit zwei Beobachtungspunkten (der Weltwirtschaftsgipfel von Okinawa 2000 und das Gipfeltreffen von Kananaskis 2002) untersucht werden.[7] Die abhängige Variable dieser Untersuchung ist die Entscheidungsperformanz („ decisional performance “) der Weltwirtschaftsgipfel im Bereich der Cooperative Threat Reduction, das heißt der Grad des Entscheidungsumfangs gemessen an den von den G-8 Staaten eingegangen Verpflichtungen in diesem Bereich.[8]

1.2 Vorgehensweise

Ziel dieser Arbeit ist es, die Erklärungskraft des Concert Equality Model an einem Fall aus dem Sachbereich Sicherheit zu überprüfen. Zunächst soll in einem ersten Schritt die theoretische und praktische Relevanz dieser Arbeit erörtert werden. Danach werden im zweiten Kapitel Überlegungen zu dem Begriff der Konzertpolitik in den IB angestellt, ]denen im direkten Anschluss die Vorstellung des Concert Equality Model folgt. Aus den Erläuterungen zu dem Modell wird dann die Hypothese abgeleitet, die anhand eines Falles mit zwei begründet ausgewählten Beobachtungspunkten auf ihre Plausibilität überprüft wird. Abschließend wird im letzten Kapitel die Untersuchungsergebnisse zusammengefasst und eine Einordnung der Ergebnisse in den Forschungsstand und die Diskussion um die G-8 als Akteur in dem Sachbereich Sicherheit vorgenommen.

1.3 Relevanz der Arbeit

Für die Begründung der Relevanz der vorliegenden Untersuchung werden die von King/Keohane/Verba (1994: 15) in der sozialwissenschaftlichen Forschung als notwendig erachteten Kriterien herangezogen. Demnach soll die Arbeit ein Problem der Wirklichkeit adressieren sowie einen Beitrag zum existierenden Forschungsstand liefern.[9]

1.3.1 Theoretische Relevanz

Zunächst kann festgehalten werden, dass die der G-8 zugrunde liegenden Strukturen und die Arbeitsweise bisher weitestgehend unerforscht geblieben sind (Schmunk 2000: 61). Mit Blick auf Anzahl und Qualität der theoriegeleiteten Studien in den Internationalen Beziehungen[10] kommt Baker zu dem Ergebnis, dass die seit 1975 stattfindenden Gipfeltreffen als Untersuchungsgegenstand vernachlässigt wurden (Baker 2000: 165).[11] Die politikwissenschaftliche Forschung zu den G-8 hat in den letzten Jahren zwar zugenommen, führt in der Disziplin der Internationalen Beziehungen jedoch weiterhin ein Schattendasein (Gstöhl 2005: 395).[12] Das anwachsende akademische Interesse an der G-8 als Forschungsobjekt lässt sich in den letzten rund 10 Jahren an der Zunahme von Erklärungsmodellen ablesen, die die politikwissenschaftliche G-8 Forschung hervorgebracht hat. So wurden bis vor wenigen Jahren in der Literatur vier analytische Erklärungsmodelle für die Gipfeltreffen aufgeführt (Rohde 2001: 55-57; Kirton/Daniels 1999: 5), mittlerweile zählt man deren neun.[13] Diese offensichtlich gestiegene Hinwendung der Forschung zu den G-8 muss jedoch dahingehend eingeschränkt werden, dass innerhalb der G-8 Forschung immer noch kein Konsens darüber besteht, welche analytischen und empirischen Punkte für die Untersuchungen dieser internationalen Institution als wesentlich zu betrachten sind. Es herrscht selbst in der speziell auf die G-8 ausgerichteten Forschung weiterhin ein diffuses Bild über die eigentlichen Funktionen und Aufgaben der G-8. Dieser Dissens innerhalb der G-8 Forschung führt laut Kirton unweigerlich dazu, dass nur „[...] few of the models are tested empirically and systematically against the performance of the G8 system over the thirty years since the institution began, as an annual summit of the leaders of the major market democracies, at Rambouillet, France in November 1975.“ (Kirton 2004a: 3)

So finden sich in der Literatur eine Vielzahl von Faktoren (der Begriff „Variable“ wird von den Autoren zumeist vermieden), die in einem kausalen Zusammenhang für die unterschiedlich hohen Ergebnisse der jährlichen Gipfeltreffen stehen sollen. Diese von den Autoren identifizierten Erfolgsbedingungen liegen mit Blick auf den vorliegenden Forschungsstand auf unterschiedlichen Analyseebenen und lassen sich auch unterschiedlichen theoretischen Denkschulen in den Internationalen Beziehungen zuordnen (Kirton 2004a).

Das Bild der G-8 Forschung hinterlässt für den Betrachter also ein „Nebeneinander“ von Modellen, die bisher kaum einer empirischen Überprüfung unterzogen worden sind. Die vorliegende Arbeit möchte einen begrenzten Beitrag dazu leisten, indem das Concert Equality Model einem Plausibilitätstest unterzogen wird.

Die Wahl dieses Modells ist mit Blick auf den Forschungsstand innerhalb der auf die G-8 spezialisierten politikwissenschaftlichen Forschung zu begründen. Der lange Zeit wichtigste Ansatz in der G-8 Forschung, das für die politikwissenschaftliche G-8 Forschung mittlerweile als „klassisch“ zu bezeichnende Modell der American Leadership (Putnam/Bayne 1984, 1987), sieht die Führung einer dominanten USA als zwingend notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Bedingung für nennenswerte Ergebnisse – d. h. weitreichenden Verpflichtungen - auf den Weltwirtschaftsgipfeln.[14] Dieser Befund eines kausalen Zusammenhangs zwischen US-amerikanischer Führung und den Ergebnissen auf den Gipfeltreffen stützt sich auf die Untersuchung der Jahre 1975 bis 1988, die Putnam und Bayne in ihrer Studie Hanging Together [15] präsentierten. Einer der beiden Koautoren, der britische Diplomat Nicholas Bayne, hat auf Grundlage von empirischen Ergebnisse mittlerweile die Erklärungskraft des American Leadership Model für die Jahre nach 1988 eingeschränkt. Die Initiativ- und Führungsrolle fällt bei erfolgreichen Weltwirtschaftsgipfeln nicht mehr ausschließlich den USA zu, sondern kann ebenso von den anderen am Gipfel teilnehmenden Staaten ausgehen, alleine oder im Kollektiv (Bayne 2000: 194). Das American Leadership Model als klassische Erklärung für das Zustandekommen von erfolgreichen oder gescheiterten Weltwirtschaftsgipfeln hat in der G-8 Forschung und Lehre entsprechend an seiner dominanten Stellung eingebüßt. Alternative Erklärungsansätze gewinnen daher an Interesse, insbesondere solche, die nicht von der Führungsmacht USA ausgehen, sondern andere Variablen für die Erklärung erfolgreicher oder gescheiterter Gipfel konzipieren. Das zur Zeit wichtigste Modell in der G-8 Forschung, welches 1989 als erster Gegenentwurf zum American Leadership Model entwickelt wurde, ist das Concert Equality Model von John J. Kirton. Dieses Modell soll in der vorliegenden Arbeit auf seine Plausibilität (Eckstein 1975) hin an einem Gegenstand aus dem Sachbereich Sicherheit getestet werden.

Klassische Untersuchungen und Darstellungen der G-8 haben ihren Schwerpunkt in der Regel auf wirtschafts- und finanzpolitische Fragen gelegt (Gstöhl 2003b: 22).[16] Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts zeichnet sich in der G-8 Forschung jedoch ein zunehmendes Interesse an Themen ab, die über den traditionell makroökonomischen Fokus hinausgehen. So hat sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts – in erkennbaren Ansätzen bereits seit Mitte der 1990er – ein Strang in der G-8 Forschung herausgebildet, der sich mit der Behandlung sicherheitspolitischer Fragen in der G-8 auseinandersetzt. Die in diesem Politikfeld betriebenen Studien befassen sich in erster Linie mit der Rolle der G- 8 im Kosovo-Konfliktmanagement im Mai 1999 sowie mit der strukturellen Konfliktprävention.[17] Fragen zur Cooperative Threat Reduction, wie die umfassende Nichtweiterverbreitungsinitiative der G-8, die „Globale G-8 Partnerschaft gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und - materialien“, sind als Untersuchungsgegenstand systematischer Fallstudien in der G-8 Forschung bisher vernachlässigt worden. So blendet die derzeit umfangreichste vorliegende Studie zu der Rolle der G-8 in der Sicherheitspolitik Fragen der Cooperative Threat Reduction komplett aus.[18] Eine Zunahme der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Fragen der Cooperative Threat Reduction und der „Globalen G-8 Partnerschaft“ wird von Abrüstungsexperten jedoch zukünftig erwartet (SIPRI 2004: 57-63).[19]

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Untersuchung des Concert Equality Model als alternativer Erklärungsansatz zum Jahre lang dominanten American Leadership Model als vielversprechend angesehen wird. Zugleich versucht die Arbeit mit einer Fokussierung auf einen sicherheitspolitisch relevanten Verhandlungsgegenstand einen Trend in der G-8 Forschung zu berücksichtigen, der über die Untersuchung der klassischen finanz- und wirtschaftpolitischen Domäne der Weltwirtschaftsgipfel hinausgeht.

1.3.2 Praktische Relevanz

Als zweites Kriterium für die Relevanz einer Untersuchung wird die Bedeutung des Themas für die soziale Wirklichkeit betrachtet.

Die G-8 stellt in den internationalen Beziehungen eine Institution dar, die in der Öffentlichkeit häufig primär als Welt wirtschafts gipfel der führenden Industrienationen wahrgenommen wird.[20] Ihre Bedeutung für sicherheitspolitische Themen wird durch diese Perspektivverengung dagegen oftmals nicht oder nur unzureichend wahrgenommen (Döhrn 2001: 671; Pradetto 2000: 18). Kirton kommt auch Ende der 1990er Jahre zu der Einschätzung, dass „ many observers would regard it as unusual, or even inappropriate, to include the G7 as an institution of central relevance in dealing with the defining issues of global security [...]. “ (Kirton 1997).[21]

Dabei illustriert bereits ein kurzer Blick auf die mittlerweile 30 Jahre der Gipfeltreffen, dass sicherheitspolitische Themen trotz anfänglichem Widerwillen der französischen und japanischen Delegationen (Caravoglia/Padoan 1994: 50- 51) bereits in den 1970er Jahren Eingang in die Agenda der Weltwirtschaftsgipfel gefunden haben. Die auf dem ersten Bonner Gipfel (Bonn I) neben dem üblichen G-8 Kommuniqué gesondert abgegebene „politische Erklärung“ vom 17. Juli 1978, die eine Verurteilung des internationalen Terrorismus zum Gegenstand hatte, dokumentiert das erste Diskussionsthema auf den Gipfeltreffen, das nicht währungs- oder finanzpolitischer Natur ist. Die Einbeziehung des Terrorismus als Gesprächsgegenstand kam in Bonn I noch ad hoc zustande und wurde im Vorbereitungsprozess des Gipfeltreffens ursprünglich nicht einbezogen (Putnam/Bayne 1985: 112-113). Der Einmarsch sowjetischer Truppen im Dezember 1979 in Afghanistan führte dazu, dass sicherheitspolitische Themen seit der italienischen Präsidentschaft im Jahre 1980 (Venedig I) dann bereits in die vorbereitenden Sherpatreffen Eingang fanden (Garavoglia/Padoan 1994: 51). Seitdem befassen sich die Weltwirtschaftsgipfel gleichermaßen und regelmäßig mit (sicherheits- )politischen wie ökonomischen Fragen.[22]

Die Diskussion über eine Veränderung oder Stärkung des Profils der G-8 im Feld der Sicherheitspolitik hat in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit und Qualität gewonnen. Zunehmend wurde von verschiedenen Beobachtern die Frage aufgeworfen, ob sich mit den G-8 nicht unlängst ein „ neuer Akteur der Außen- und Sicherheitspolitik “ (Schwegmann 2000) herausgebildet hat. Diese Frage geht in erster Linie auf die politische Lösung des Kosovokonflikts und das Ende der NATO-Luftangriffe im Jahre 1999 zurück, an der die G-8 als ein maßgeblicher Akteur beteiligt war.[23] Hintergrund ist die Resolution 1244 [24] des VN-Sicherheitsrats zur Beilegung des Kosovokonflikts, die auf einen im Mai 1999 auf dem G-8 Außenministertreffen erzielten Konsens zurückgeht. Der Sicherheitsrat wurde demnach nur noch als vollziehendes Organ der von den G-8 Außenministern beschlossenen faits accomplis tätig.[25] In der Tat wurde in der Folgezeit die praktische Relevanz des sogenannten Köln-Modells (Joetze 2000: 8), also eine aktive Beteiligung der G-8 im Krisenmanagement für zukünftige Konflikte diskutiert.[26] Im Zuge der Terroranschläge des 11. Septembers 2001 in den USA wurde erneut die G-8 im Zusammenhang mit einer aktiven Rolle in der Sicherheitspolitik genannt. So schlugen Allison, Kaiser und Karaganov (IHT, 21. November 2001: o.S) die Gründung einer „ Globalen Sicherheitsallianz “ zur Terrorismusbekämpfung und zur Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen vor, die ihren Ausgangspunkt in der G-8 finden und in der China als gleichwertiger Partner am Tisch Platz nehmen sollte.[27] Zusammenfassend kann an diesem Punkt zunächst festgehalten werden, dass eine nähere Betrachtung der G-8 und ihrer Rolle in der Sicherheitspolitik – wie die oben skizzierten Beispiele belegen sollen – von wissenschaftlichem Interesse ist und die Bezeichnung Welt wirtschafts gipfel zu kurz greift.

2 Die G-8 als modernes internationales Konzert: Das Modell der Concert Equality (William Wallace 1984, John J. Kirton 1989, 1993, 1997, 1998, 2004a, 2004c)

Das Modell der Concert Equality konzeptualisiert die Weltwirtschaftsgipfel als ein Staatenkonzert im internationalen System. Die Anlehnung an die im Sprachgebrauch bekannteste und in der Literatur prominenteste Ausprägung eines Mächtekonzerts, dem „Europäischen Konzert“[28] des 19. Jahrhunderts, wird von Kirton ausdrücklich betont: „ It [die G-8, S.A.] was modelled as the modern equivalent of the Concert of Europe that the G7’s real founder, Henry Kissinger (1957), had explored in his doctorial dissertation and early scholary work.” (Kirton 2002: 193)[29]

Für eine Untersuchung des von Kirton speziell für die G-8 entwickelten Concert Equality Model erscheint es daher zweckmäßig, zunächst den Blick auf das Konzept der Konzertpolitik in den Internationalen Beziehungen zu richten, auf das sich das Modell von Kirton bereits dem Namen nach stützt und als dessen moderne Ausprägung der Weltwirtschaftsgipfel begriffen wird.[30]

2.1 Das Konzept der Konzertpolitik in den Internationalen Beziehungen

Kirton greift bei der Entwicklung seines Modells mit dem Konzert auf ein Konzept zurück, welches in der politikwissenschaftlichen Literatur überwiegend mit dem Europäischen Konzert des 19. Jahrhunderts assoziiert wird.[31] Das Concert Equality Model basiert nach Kirton expressis verbis auf der „ Logik des Europäischen Konzerts “ (Kirton 1997). Er führt zur Illustration dieser Behauptung aus, dass andere zeitgenössische Sicherheitsinstitutionen ebenfalls einer Logik folgen, die sich als moderne Fassung stets einem historischen Vorbild bedienen. Demnach greifen die Vereinten Nationen in ihrer Charta auf das Prinzip der Kollektiven Sicherheit zurück, welches bereits zuvor Teil der Völkerbundsatzung war. Entsprechend erkennt Kirton in Militärallianzen des ausgehenden 19. Jahrhunderts die Logik der Kollektiven Verteidigung, die später ein Kernelement der NATO darstellt (Kirton 1993: 342). Für Kirton, der die G-8 ausdrücklich als globale Sicherheitsinstitution (Kirton 1993, Global Security Governance) einordnet, findet sich der historische Vorläufer in dem Europäischen Konzert. Trotz der kaum vermeidbaren Probleme, die beim Vergleich konkreter internationaler Institutionen wie in diesem Fall über Jahrhunderte auftreten und von Kirton nicht verschwiegen werden, kommt der Autor zu dem Schluss, dass „ the contemporary seven-power summit shares with previous concerts the essential definitional characteristics of a concert. “ (Kirton 1989)

Diese von dem Autor des G-8 Erklärungsmodells unterstellte Logik erweist sich bei einer Analyse der Fachliteratur zur Konzertpolitik in den internationalen Beziehungen jedoch als außerordentlich umstritten. Es fehlt sowohl in der politikwissenschaftlichen Disziplin der IB als auch in der geschichtswissenschaftlichen Nachbardisziplin „Internationale Geschichte“[32] an einem Konsens, welche Logik dem Europäischen Konzert des 19. Jahrhunderts zugrunde lag.[33] Insbesondere die Frage, ob das „Europäische Konzert“ eine Fortsetzung oder Abkehr von der Balance-of-Power darstellt ist in der Fachliteratur weiterhin strittig[34]. Die unterschiedlichen Interpretationen hinsichtlich der Logik des Konzertsystems lassen sich entlang dreier unterschiedlicher Bewertungen festmachen, die die politikwissenschaftliche und geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung weitestgehend geprägt haben (Ikenberry 2001: 80-81). Die älteste Position vertritt die Auffassung, dass das Konzertsystem im wesentlichen einer Balance-of-Power folgte (Gulick 1955), eine weitergehende interpretiert das Europäische Konzert als eine modifizierte Version des traditionellen Balance-of-Power Prinzips (Kissinger 1957, Gruner 1992), eine dritte Interpretation erkennt mit dem Europäischen Konzert einen grundlegenden Strukturwandel, der die klassische Balance-of-Power zugunsten einer quasi-institutionalisierten Großmächtekooperation abgelöst hat. (hier vor allem Elrod 1976; Lauren 1983; Kupchan/Kupchan 1991; Rosecrance 1992 sowie die Arbeiten von Paul W. Schroeder und Robert Jervis). Mit dem Ende des Kalten Kriegs und der Auflösung der bipolaren Machtstruktur hatte das akademische Interesse an dem Konzept der Konzertpolitik in den IB zugenommen und in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung (zumindest temporär) an Relevanz gewonnen (Jervis 1992: 716).[35] Die Konfliktlinien in der Forschung sind jedoch weiterhin erkennbar, so wurde u.a. in der „ International Security “ kontrovers diskutiert, ob Mächtekonzerte unter einem System kollektiver Sicherheit subsumierbar sind (Kupchan/Kupchan 1991: 119; 1995; Betts 1992) oder ob sich beide Prinzipien – einer unterschiedlichen Logik folgend – fundamental unterscheiden und sich schlicht gegenseitig ausschließen (so die Kritik des Neo-Realisten Mearsheimer 1995a: 34-37; 1995b: 87-90).

Mit dem oben skizzierten Problem der dahinterstehenden Logik eines Konzerts und einer daraus resultierenden Definition ist eng die Frage verbunden, welche Phänomene in der Geschichte der internationalen Beziehungen als Konzert gelten können. Die Identifizierung von Konzertpolitik in den Internationalen Beziehungen beschränkt sich nicht ausschließlich auf das hier angesprochene Phänomen des 19. Jahrhunderts, auch wenn es in der Literatur mehrheitlich als das klassische Beispiel für Konzertpolitik herhält und dementsprechend in seiner Existenz wenig strittig ist. Über das Europäische Konzert hinaus werden in der Literatur für die vergangenen 200 Jahre auch die beiden Großmachtkonzerte von 1919/20 sowie 1945/46 im direkten Anschluss an die Weltkriege angeführt (u.a. Jervis 1986: 58). So wird auch die Auffassung vertreten, dass Konzerte gewissermaßen als Organe in internationale Organisationen eingegangen sind. So führt Claude (1984: 28) aus, dass die Großmachtkonsultationen im Konzertsystem des 19. Jahrhunderts einen „ protoype of a major organ of modern international organization – the executive council of the great powers “ geschaffen haben. Dieser Auslegung nach bilden z.

B. die fünf ständigen Mitglieder des VN-Sicherheitsrats den Kern eines Konzerts innerhalb der Vereinten Nationen (Miller 1992: 10; Evans/Newnham 1998: 90; Rosecrance 1992: 65) und stehen für einige Kommentatoren in der Tradition des Europäischen Konzerts (Ziring/Plano/Olton 1995: 342-343). Auch wird in der Fachliteratur gelegentlich eine Unterscheidung zwischen langfristig angelegten Konzerten zum einen und zeitlich von vorneherein begrenzten Konzerten zum anderen vorgenommen. So schlägt Pentillä eine Unterscheidung zwischen „großen“ und „kleinen“ Konzerten vor. „Kleine“ Konzerte sind demnach ad hoc Zusammenschlüsse, die im konkreten Krisenfall vorübergehend installiert werden und sich nach der Behebung des Problems wieder auflösen. Beispiele in der Sicherheitspolitik sind hierfür die Kontaktgruppen für Namibia, Bosnien-Herzegowina und Kosovo (2003: 18-19).

„Große“ Konzerte dagegen sind Großmachtkoalitionen, die sich langfristig mit dem gemeinsamen Ziel bilden, für internationale (ggf. regionale) Systemstabilität und Sicherheit, Wachstum und den reibungslosen Ablauf des Finanzsystems zu garantieren (Pentillä 2003: 19). Allerdings hat sich eine solche Ausdifferenzierung in den IB bisher nicht durchgesetzt und wird zumeist zurückgewiesen (so von Miller 1994: 329).

Trotz der Schwierigkeit einer eindeutigen Bestimmung einer Konzertlogik und das Fehlen eines Konsens, was in den internationalen Beziehungen unter dem Terminus eigentlich zu subsumieren ist, lassen sich in der Literatur dennoch in einer Art Schnittmenge Merkmale zusammentragen, die zu einer tauglichen Definition eines „Konzerts“ führen. Sie basiert hauptsächlich auf Bezügen, die zu dem Europäischen Konzert als eines anerkannten Präzedenzfalls eines Großmächtekonzerts hergestellt werden. Kirton selbst definiert auf Grundlage dieser in den wissenschaftlichen Arbeiten vorhandenen Überschneidungen ein Konzert folgendermaßen: „ It (ein Konzert, S.A.) is an institution that arises when a seminal shock to system stability inspires an exclusive group of all, interdependent, effectively-equal and collectively predominant great powers to engage in institutionalized, well supported summit diplomacy, to provide system stability and international order.” (Kirton 1989)

Die Errichtung eines Konzerts geschieht nicht automatisch, sondern gewisse Bedingungen sind mit ihr verknüpft (Schwegmann 2001: 99) Zunächst wird ein notwendiger Schock oder eine akute Krise für das Zustandekommen eines Konzerts von den meisten Autoren als wichtiges Element identifiziert (Kirton 1989). Eine solche von einem Schock oder einer Krise ausgehenden Bedrohung muss ausreichend sein, um die existierende Ordnung im System zu gefährden. Das Vorliegen einer für sie alle bedrohlichen Situation begründet die Motivation der Staaten, dass sie in einem Konzert dieser Krise entgegenwirken müssen, um Systemstabilität und die internationale Ordnung aufrechtzuerhalten (Rosecrance 1992: 79). Die Zusammensetzung der Gruppe in einem Konzert ist nach gängiger Auffassung beschränkt, weist also einen exklusiven Charakter in der Mitgliedschaft auf (Evans/Newnham 1998: 90). Diese exklusive Mitgliedschaft ist in der Literatur zu dem Konzept der Konzertpolitik übereinstimmend nur den Großmächten im System vorbehalten, also Staaten, die hinsichtlich ihrer Ressourcen oder anderer relevanter Größen eine gewichtige Rolle im internationalen System einnehmen (Claude 1984: 25). Auch wenn Staaten außerhalb eines Konzerts zu Konsultationen gelegentlich herangezogen werden können (Miller 1994: 329; Elrod 1976: 163), so erfolgt eine solche Konsultation von Nicht-Mitglieder jedoch nicht auf der Grundlage eines gleichen Ranges. Die Mitglieder des Konzerts behalten ihren speziellen Status gegenüber den anderen Staaten bei (Evans/Newnham 1992: 50). Ferner wird eine verhältnismäßig ausgeglichene Verteilung an materiellen Machtressourcen im Inneren der Gruppe als Charakteristikum eines Konzerts eingeordnet (Evans/Newnham 1992: 50). Miller (1992: 9) führt aus, dass „ a precondition for the formation of a concert is a rough balance of forces among its members.” Eine relativ ausgeglichene Verteilung der Machtmittel innerhalb der Gruppe wird dadurch begünstigt, dass der Zugang zu dem Konzert auf permanenter Basis nur den Großmächten im System ermöglicht wird, der Teilnehmerkreis also auf die Großmächte dauerhaft beschränkt bleibt (Kirton 1989). Einem Konzert wird in der Literatur in der Regel ein informeller Charakter zugeschrieben, der darin zum Ausdruck kommen kann, dass das Zustandekommen eines Konzerts nicht auf Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrages oder einer Charta basiert. Die Staaten sind weder Vertragsparteien noch Allianzpartner im völkerrechtlichen Sinne (Slaughter 2004: 37-38). Schwegmann (2001: 98) führt aus, dass Staaten durch die Errichtung eines Konzerts versuchen, ihre Flexibilität zu erhöhen, die sie durch kodifizierte Regeln innerhalb völkervertragsrechtlich errichteten internationalen Organisation verloren glauben.[36] Dieses geht einher mit der Beurteilung, dass Konzerte von den dahinter stehenden Staaten nicht mit dem Ziel gegründet werden, sie auf kurz oder lang in eine „ full-blown “ internationale Organisation zu transformieren (Miller 1992: 10; Kirton 1989). Der ideologische Konsens unter den Staaten wird als weiteres Kriterium für ein Konzert in den internationalen Beziehungen als wichtig erachtet. Rosecrance (1992: 79-80) unterstreicht die Notwendigkeit einer möglichst hohen ideologischen Basis und Übereinstimmung unter den im Konzert organisierten Staaten.

Im direkten Anschluss soll das Concert Equality Model in seinen wesentlichen Aussagen vorgestellt werden.

2.2 Vorstellung des Concert Equality Model: Die G-8 als modernes internationales Konzert

Die gewonnenen Einsichten über Konzertpolitik in den internationalen Beziehungen sind erstmals von Wallace (1984,) in allerdings noch begrenztem Maße, auf die G-7 übertragen worden. Wallace vergleicht dabei implizit die informellen Konversationen der Staats- und Regierungschefs auf den Gipfeltreffen mit dem Konzert des 19. Jahrhunderts. Er geht dabei auch der Frage nach, ob sich der Weltwirtschafsgipfel mit seiner Mitgliederstruktur eignen würde, sich neben der Krise der Weltwirtschaft auch politischen und sicherheitspolitischen Instabilitäten im internationalen System zu widmen. Auch in anderen Arbeiten außerhalb der speziellen G-8 Forschung, die die G-8 in sehr unterschiedlichem Umfang untersuchen, werden Bezüge zu dem Europäischen Konzert des 19. Jahrhunderts hergestellt. So trifft Lewis die Festsstellung, dass die Bezugnahmen der Teilnehmer des Weltwirtschaftsgipfels auf „ gemeinsame Werte “ gleichsam zu einem „ Vergleich mit dem Europäischen Konzert einladen “ (Lewis 1991-92: 28). Auch Anne M. Slaughter (2004: 37-38) betont, dass zu den informellen Treffen der G-8 Staaten „ the closest equivalent in traditional history is perhaps the ‚concert’, as in the Concert of Europe of 1815 [...].“

Insbesondere der von Wallace herangezogene Vergleich der informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs auf den Weltwirtschaftsgipfeln mit den diplomatischen Treffen des Europäischen Konzerts fließt in die analytische Arbeit und Modellbildung von John Kirton ein, der in seinem Concert Equality Model die G-8 als ein modernes internationales Mächtekonzert von demokratischen Staaten erfasst. Das Modell greift dabei für die Erklärung der decisional performance der Weltwirtschaftsgipfel auf Variablen zurück, die sich auf verschiedenen Analyseebenen und in der Theorietradition des Realismus, Institutionalismus, der Politischen Ökonomie und des Konstruktivismus befinden (Kirton 2004a: 14-15). Den bereits angestellten Vorüberlegungen zur Konzertpolitik in den internationalen Beziehungen soll nun eine genaue Vorstellung des Concert Equality Model und seiner erklärenden Variablen für die decisional performance eines Gipfeltreffens folgen.

2.2.1 Kollektiv dominante Machtressourcen und gleiche Machtressourcen im Inneren der Gruppe

Das Concert Equality Model bestimmt sowohl die kollektive Dominanz der Gruppe hinsichtlich der Machtressourcen im internationalen System sowie gleiche Machtressourcen im Inneren der Gruppe als eine erklärende Variable für eine hohe decisional performance.[37] Mit anderen Worten, die Dominanz der Gruppe hinsichtlich der verfügbaren Machtressourcen gegenüber allen anderen Staaten im System zum einen und eine gleichmäßige Verteilung der verfügbaren Ressourcen unter den G-8 Staaten zum anderen sind zwei der Faktoren, die weitreichende Entscheidungen auf den Gipfeltreffen erwarten lassen.

In den Ausführungen zum Begriff der Konzerte in den internationalen Beziehungen wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Exklusivität der Konzerte und der Zugang zu dieser Gruppe im wesentlichen auf die mächtigen Staaten im System beschränkt bleibt. Die kollektive Dominanz der G-8 Staaten hinsichtlich der Machtressourcen im internationalen System bringt die Qualität der Gruppe als ein modernes internationales Konzert zum Ausdruck, in dem sich die führenden Industrienationen und Russland zu einer „konzertierten Weltwirtschaftsregierung“ (Gstöhl 2003b: 338), einem Direktorium über die Belange des internationalen Systems (Lewis 1991; Kirton 2004a: 8) zusammengefunden haben.

Die Dominanz dieses Konzerts bleibt jedoch nicht auf den traditionellen ökonomischen Sachbereich dieser Gruppe beschränkt, dem ursprünglichen Feld der G-8 Arbeit, sondern erstreckt sich laut Kirton auch über das sicherheitspolitische Politikfeld (Kirton 1993: 342). So wird von ihm angeführt, dass die Gruppe nicht nur eine Führung in der Verfügbarkeit der wesentlichen wirtschaftlichen Machtressourcen aufweist. Er weist darauf hin, dass dementsprechend auch eine Konzentration sicherheitspolitisch relevanter Machtressourcen in den Händen der Gruppe ihre Bedeutung und decisional performance auf den Gipfeltreffen in sicherheitspolitischen Fragen steigert (Kirton 1997).

[...]


[1] In der angelsächsischen Literatur sind dies die Termini Summit, Economic Summit, The Summit of Industrialised Countries, the Western Economic Summit, the Seven-Power Summit und seit einigen Jahren The (Seven /)Eight-Power Summit. Hajnal weist darauf hin, dass keiner dieser Begriffe die Zusammensetzung oder Arbeit der Gruppe exakt wiedergibt. Die vorliegende sprachliche Vielfältigkeit belegt u.a. ein Blick auf die Internetseiten der Bundesministerien. Spricht das AA im Zusammenhang mit der G-8 (zumeist) von „ Gipfeltreffen “, setzen das BMWA und das BMF für die Treffen der Staats- und Regierungschefs weiterhin konsequent den Terminus „ Weltwirtschaftsgipfel “ ein. Im vorliegendem Papier wird für die untersuchte Institution in Anlehnung an andere Studien die Bezeichnung „Gruppe der Acht“ (G-8) verwendet, welche die sieben führenden Industrienationen plus Russland umfasst. Abweichende Benennungen finden von mir Verwendung, wenn besonderes Augenmerk auf die sich seit 1975 zahlenmäßig verändernde Mitgliederstruktur der Institution gerichtet werden soll (z. B. die G-5 der Finanzminister oder die für finanz- und währungspolitische Fragen bis Ende 2005 noch existierende G-7, die G-8 ohne Russland). Für die jährlichen Treffen der G-8 Staats- und Regierungschefs setze ich den Terminus Weltwirtschaftsgipfel oder synonym dazu die Kurzformen Gipfeltreffen oder Gipfel ein (entsprechend dem im angelsächsischen Sprachraum vorherrschenden Terminus Summit).

[2] Die Mitglieder der Gruppe sind im völkerrechtlichen Sinne weder Vertragsparteien noch über für internationale Organisationen typische Organe wie ein Sekretariat oder Hauptquartier miteinander formell verbunden (Slaughter 2004: 37-39; Gstöhl 2003b: 20; De Guttry 1994: 68, Abbott et al. 2000); auch fehlt ein eigenes Budget. Eine vereinzelt vorzufindende Bezeichnung der G-8 als Internationale (Regierungs-)organisation wird daher ausdrücklich zurückgewiesen (siehe auch Woyke 2000: 195).

[3] Diese informellen, geheimen Treffen fanden in den ersten beiden Jahren noch ohne Japan statt. Der Beitritt des japanischen Finanzministers begründete die G-5 (De Menil/Solomon 1983: 87-88; Culpeper 2000), später wurden die Zentralbankchefs hinzugezogen. Siehe auch Bergsten/Henning (1996: 16).

[4] Der Begriff „Gipfeltreffen“ (Summit) ist in der G-8 Forschung den Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs vorbehalten. Er bezeichnet üblicherweise nicht die Vorbereitungstreffen der Sherpa, die Ministertreffen oder die regelmäßigen Zusammenkünfte der Arbeits- und Expertengruppen und wird in diesem Sinne auch in dieser Arbeit Verwendung finden. Dieser Gebrauch orientiert sich an einer Definition, die Gipfeltreffen im Allgemeinen als offizielle und persönliche Zusammenkünfte von Staats- und Regierungschefs und damit auf höchster Ebene der Exekutive erfasst (Dunn 1996b: 19-20; Berridge 2002: 168 ). Eine solche Einschränkung vermeidet den inflationären Einsatz des Terminus „Gipfeltreffen“, der vor allem in den Medien nahezu täglich als Worthülse für scheinbar jede Form von Politikertreffen in Gebrauch ist (Dunn 1996b: 19; Weilemann 2000: 17).

[5] Vgl. zur sicherheitspolitischen Dimension der Weltwirtschaftsgipfel die Ausführungen zur praktischen Relevanz der Untersuchung unter Gliederungspunkt 1.3.2.

[6] Für den Begriff der Cooperative Threat Reduction vgl. die Ausführungen unter Gliederungspunkt 4.1. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der englische Terminus „Cooperative Threat Reduction (Programm)“ (CTR) verwendet, der sich mittlerweile auch im deutschen Sprachgebrauch als vorherrschend entwickelt.

[7] Die weiterführende Begründung für den Plausibilitätstest des Concert Equality Model (Eckstein 1975) vgl. die Ausführungen zur Relevanz der Arbeit unter Gliederungspunkt 1.3.

[8] Für den Begriff der decisional performance vgl. ausführlichst die Ausführungen unter Gliederungspunkt 3.4. Die decisional performance ist die wichtigste Funktion, die neben dem Concert Equality Model die meisten anderen Modelle in der G-8 Forschung im Fokus ihrer Untersuchungen haben. Vgl. neben dem klassischen American Leadership Modell von Putnam/Bayne (1987) auch den Ansatz von Bergsten/Henning (False New Consensus,1996), Gill (G8 Nexus, 1998), Bayne (Collective Management, 2000), Bailin (Group Hegemony, 2001) sowie Penttilä (Meta Institution, 2003).

[9] Vgl. für die aufgeführten Kriterien der theoretischen und praktischen Relevanz einer sozialwissenschaftlichen Untersuchung auch von Alemann (1995: 75-79) sowie van Evera (1997: 97-99).

[10] Sofern in der Arbeit die politikwissenschaftliche Teildisziplin Internationale Beziehungen (IB)

gemeint ist, wird sie mit Großbuchstaben geschrieben; andernfalls sind die real existierenden internationalen Beziehungen angesprochen. Für diese Unterscheidung siehe auch Krell (2000: 12, Fn. 2).

[11] So stellten die Arbeiten aus den frühern 1980er Jahren - insbesondere von Hellmann (1982), De Menil/Solomon (1983) und Putnam/Bayne (1984) – lange Zeit quasi unangefochten die wichtigsten Studien zu den Gipfeltreffen dar. Gstöhl (2003b: 22) konstatiert zurecht, dass die Zahl der deutschsprachigen politikwissenschaftlichen Arbeiten zu den G-8 bemerkenswert gering ist. Für eine umfassende und regelmäßig erweiterte Bibliographie zu den G-8 siehe die Zusammenstellung von Peter Hajnal (http://www.g7.utoronto.ca/bibliography/index.htm).

[12] Das akademische Zentrum der G-8 Forschung um John J. Kirton ist seit 1987 an der Universität Toronto angesiedelt. Die G-8 Forschungsgruppe (G8 Research Group, G8RG) pflegt u.a. seit 1995 die Internetplattform „ G8 Information Centre “, die neben Analysen und Berichten eine außerordentlich dichte Dokumentation der G-8 Gipfeltreffen bereitstellt. Dieses ist bemerkenswert, da weder ein G-8 Sekretariat die Arbeit der G-8 fortlaufend dokumentiert noch alle Mitgliedsstaaten eine lückenlose und dauerhafte Dokumentation ihrer Arbeit in der G-8 leisten (vorbildlich ist hier die ständig abrufbare und aktualisierte Gipfelseite der kanadischen Regierung unter www.g8.gc.ca; die US-amerikanische Administration hat ihre Sea Island- Gipfelseite (www..g8usa.gov; Rev. August 2005) bereits ein gutes Jahr nach ihrer Präsidentschaft wieder aus dem Internet gestellt) . Zur Geschichte, Aufbau und Ziele des G8 Information Centre siehe Hajnal (1999: 111-124).

[13] Im einzelnen sind dies folgenden Modelle: American Leadership (Putnam/Bayne 1984, 1987), Concert Equality (Wallace 1984, Kirton 1989), False New Consensus (Bergsten and Henning 1996), Democratic Institutionalism (Ikenberry 1993, Kokotsis 1998). Diese vier Modelle werden innerhalb der G-8 Forschung als die erste Generation von Erklärungsansätzen bezeichnet, die in den 1980er und 1990er Jahren entstanden sind. In der G-8 Forschung und Lehre als zweite Generation von Erklärungsmodellen erfasst werden: G-8 Nexus (Gill 1998), Collective Management (Bayne 2000), Ginger Group (Baker 2000, Hodges 1999), Group Hegemony (Bailin 2001) und Meta Institution (Penttilä 2003).

[14] Die Kernaussage des American Leadership Modells schreibt den Vereinigten Staaten eine besondere Bedeutung zu, die von Putnam/Bayne im Modell als „subjektive Hegemonie“ der USA bezeichnet wird : Wenn die Amerikaner auf den Gipfeln die Initiative ergreifen, eine Führungsrolle ausfüllen und sich die Unterstützung eines weiteren starken G-7 Landes sichern, so sind die Weltwirtschaftsgipfel erfolgreich. Eine Führung der Amerikaner alleine ohne Unterstützung eines weiteren (starken) Staates führte zu enttäuschenden Ergebnissen. Wenn die Vereinigten Staaten nicht Willens zur Führung waren, so war der gesamte Gipfel am Ende bedeutungslos (Putnam/Bayne 1987: 271-272).

[15] „Hanging Together“ erschien im Original 1984, eine erweiterte deutsche Übersetzung ist 1985 unter dem Titel „Weltwirtschaftsgipfel im Wandel“ erschienen. Eine abermals erweiterte Auflage aus dem Jahre 1987 entwickelte dabei explizit das Modell der American Leadership.

[16] Nur selten finden sich in der Fachliteratur der 1970er und 1980er Jahre überhaupt Belege, die eine Verknüpfung der Weltwirtschaftsgipfel mit dem Sachbereich Sicherheit vornehmen. Eines der wenigen Beispiele ist der „Vier-Institute-Bericht“ aus dem Jahre 1981, der den an den Gipfeltreffen teilnehmenden Staaten empfiehlt, „ [sich] sicherheitspolitischen Fragen zumindest ebenso intensiv wie wirtschaftlichen Problemen zu widmen.“ (Kaiser et al. 1981 : 48).

[17] Zum Kosovokonflikt sind dies vor allem die Arbeiten von Kirton (2002); Kühne/Prantl (2000); Schwegmann (2001); Pentillä (2003). Für die Rolle der G-8 in der Konfliktprävention vgl. insbesondere die Beiträge in Kirton/Stefanova (2004). Für eine frühe Arbeit zu den G-8 als sicherheitspolitisch interessante Institution siehe Kirton (1993).

[18] Pentillä (2003).

[19] Hier findet sich zugleich eine Schnittstelle zwischen theoretischer und praktischer Relevanz von Cooperative Threat Reduction im Rahmen der G-8, die im anschließenden Abschnitt weiter ausgeführt wird.

[20] Die G-8 sind wegen des von ihnen repräsentierten Wirtschafts- und Finanzsystems eines der beliebten Ziele von Globalisierungskritikern und –gegnern. Den Weltwirtschaftsgipfel von Genua 2001 nahmen rund 200.000 Demonstranten zum Anlass, in der italienischen Hafenstadt öffentlichkeitswirksam an den Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen und der ihr vertretenen Wirtschaftspolitik Kritik zu üben. Diese Kritik weist in der Regel einen direkten wirtschaftspolitischen (kapitalistischen) Bezug auf, in zugespitzter Form ist vom klientelistischen „Club der Reichen für die Reichen“ die Rede. Vgl. hierzu Bayne (2005: 91-103) und insbesondere Meier-Walser (2004: 523-525) sowie eine Aufstellung der G8RG für die Jahre 2000 bis 2003 unter

http://www.g7.utoronto.ca/evaluations/factsheet/factsheet_demonstrators.html, Rev. August 2005.

[21] Zu den führenden Beobachtern, die die Relevanz der G-8 weiterhin in ihrer (grob gesprochen) klassischen wirtschafts-, währungs- und finanzpolitischen Domäne erkennen, kann neben Bayne auch Bergsten/Henning (1996) dazugerechnet werden.

[22] Auf die Vielzahl der Themen mit sicherheitspolitischem Bezug kann hier im einzelnen nicht weiter eingegangen werden. Für eine zeithistorische Aufarbeitung der sicherheitspolitischen Agenda der G-8 siehe insbesondere Pentillä (2003).

[23] Die Diskussion um die Funktion der G-8 im Kosovokonflikt ist der prominenteste empirische Beleg für die Befürworter der These, dass die G-8 zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf dem Weg befindet, sich als neuer Akteur der Sicherheitspolitik zu etablieren. Darüber hinaus wird auch die umfassende Initiative der G-8 Außenminister zur Konfliktprävention unterstützend herangezogen, die unter japanischer Präsidentschaft im Juli 2000 auf dem Treffen in Miyazaki ins Leben gerufen wurde. Vgl. hierzu die Beiträge in Kirton/Stefanova (2004) sowie Schwegmann (2000).

[24] http://www.un.org/Docs/scres/1999/sc991244.htm, Rev. August 2005.

[25] Für eine so lautende Interpretation vgl. Kirton (2002: 198-199), Kirton/Daniels/Freytag (2001b: 287-288), Pleuger (2000: 83-86), Penttilä (2003: 44-46; 2001), Schnabel (2000: 32-34, 41-44), Bayne 2005 (54-55).

[26] Diese Frage war u.a. Gegenstand eines von der Stiftung Wissenschaft und Politik organisierten Workshops mit internationalen Diskutanten aus Politik und Wissenschaft. Für die Diskussionsbeiträge vgl. Kühne/Prantl 2000.

[27] Im Anschluss an die Ereignisse vom 11. September 2001 fanden umfangreiche Maßnahmen auf der Ebene der G-7 Finanzminister statt. So einigten sich die Fachminister am 6. Oktober 2001 auf einen Aktionsplan gegen die Finanzierung des Terrorismus, der nach dem 11. September 2001 eine Schlüsselrolle bei der Terrorismusfinanzierung einnahm. Der italienische Vorschlag eines außerplanmäßigen G-8 Sondergipfels auf Ebene der Staats- und Regierungschefs wurde jedoch nicht aufgegriffen (Pentillä 2003: 47; Belelieu 2002).

[28] Die vorliegende Arbeit verzichtet auf eine eingehende Darstellung des Europäischen Konzerts des 19. Jahrhunderts. Umfassende historische Einführungen zu dem Europäischen Konzert bieten inter alia Albrecht-Carrié (1968) . Für eine ausgezeichnete strukturgeschichtliche Arbeit siehe vor allem Hinsley (1963) sowie zuletzt Schroeder (1994, 1986).

[29] Vgl. ebenso Kirton (1989, 1997).

[30] Schwegmann (2001: 95) merkt an, dass in den letzten Jahrzehnten einem hohen theoretischen Interesse in den IB an Kooperation in internationalen Regimen und internationalen Organisationen eine vergleichsweise niedrige Aufmerksamkeit an dem Konzept der Konzertpolitik gegenübersteht.

[31] Einträge in politikwissenschaftlichen Lexika führen unter dem Stichwort „Konzertsystem“ – sofern kommentiert - in der Regel nur das Europäische Konzert als Referenz auf (u.a. Evans/Newnham 1992: 50-51). In die Sprache der klassischen Diplomatie hat der Terminus „Konzert“ vermutlich bereits im 18. Jahrhundert Einzug gehalten (Baumgart 1974: 1)

[32] Die unterstützende Einbeziehung der Nachbardisziplin „Internationale Geschichte“ für die hier vorgenommene Begriffsbestimmung wird als sinnvoll und notwendig erachtet, da diese Forschungsergebnisse für die politikwissenschaftliche Theoriebildung als auch für die empirische Anwendung in den IB erfolgsversprechend sein können (entsprechend auch die Auffassung von Richardson 1999: 49). Der Disziplinname „Internationale Geschichte“ findet „in der Fachliteratur auch Eingang unter den Begriffen „Geschichte der internationalen Beziehungen“ oder einem weitgefassten Verständnis von „Diplomatiegeschichte“. Vgl. hierzu die eingesetzten Definitionen zahlreicher Autoren in Gardiner (1988: 131-142).

[33] Dieser Dissens erstreckt sich auch über weitere Fragen im Zusammenhang mit dem Europäischen Konzert, die im einzelnen jedoch eher von historischem Interesse sind, so z. B.

die zeitliche Dauer des Konzerts, die in der Literatur unterschiedlich bestimmt wird (Lauren 1983: Fn. 6). Auch wird durch eine undifferenzierte Verwendung der Begriffe „Wiener System“, „Wiener Ordnung“, Europäisches Konzert“ und „Kongressystem“ über weite Teile der Literatur eine eindeutige Begriffsbestimmung erschwert. Plausibel ist eine Einteilung in vier Phasen von Richardson (1999: 57), die u.a. den Zeitraum von 1818-1822 als das Kongressystem definiert.

[34] Vgl. hierzu die Beiträge von Jervis, Gruner und Schroeder in der American History Review, 97: 3.

[35] Das Ende der bipolaren Konstellation lies das Konzertprinzip als ordnungspolitisches Modell wieder für die soziale Wirklichkeit interessanter und aktueller erscheinen als zur Zeit des Kalten Krieges. So sind gelegentlich regionale ordnungspolitische Überlegungen angestellt worden. Neben dem hier bereits angeführten Artikel der Kupchans (1991) und Zelikow (1992) für ein neues Konzert in Europa, auch Miller (1992), der die praktische Relevanz einer Konzertpolitik für den Nahostkonflikt untersucht sowie Acharya (1999) für den Asien-Pazifikraum (kritisiert und letztlich zurückgewiesen dagegen von Khoo/Smith 2001).Wells führt zur Policyrelevanz aus (1979: 275): “In order to serve the needs of policy makers, social science studies must be brief, related to issues presently under consideration (…). The first and most basic task is to improve the general quality and policy relevance of the literature on international affairs.”

[36] Diese Interpretation setzt die Existenz von internationalen Organisationen voraus und ist für das Europäische Konzert daher nur bedingt zulässig. Dennoch wird in der Literatur insbesondere in Abgrenzung zu internationalen Organisation die informelle Struktur eines Konzerts als wichtiges Kriterium herangezogen.

[37] Kirton spricht von „ collectively predominant and internally equal capabilities” (u.a. Kirton/Fratianni/Rugman/Savona 2005: 255; Kirton 2004b: 6).

Ende der Leseprobe aus 115 Seiten

Details

Titel
Die G-8 im Bereich der Cooperative Threat Reduction
Untertitel
Ein Plausibilitätstest des Concert Equality Model
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
2,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
115
Katalognummer
V119487
ISBN (eBook)
9783640229178
ISBN (Buch)
9783640230761
Dateigröße
927 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bereich, Cooperative, Threat, Reduction
Arbeit zitieren
Stephan Anders (Autor:in), 2006, Die G-8 im Bereich der Cooperative Threat Reduction, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119487

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