Wörterbücher im Internet - Konzeptionen und Realisierungen


Seminararbeit, 1997

48 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Vorteile elektronischer Wörterbücher
1.1.1 Kognitionspsychologie und Lexikographie
1.2 Diskussion
1.2.1 Probleme 'authentischer' Wörterbücher

2 Text vs. Hypertext
2.1 Textsortenmuster
2.1.1 Ableitungen
2.2 Kontakt- und Beziehungsmuster
2.3 Organisationsebene
2.3.1 Gliederung und Strukturierung
2.3.2 Themenbehandlung mittels graphischer Oberflächen
2.3.3 Verständnissicherung
2.4 Diskussion

3 Konzeptionsmöglichkeiten von Wörterbüchern im Internet
3.1 Die Textsorte 'Wörterbuch'
3.2 Der Bedeutungsbegriff
3.2.1 Die Gebrauchstheorie der Bedeutung
3.2.2 Spracherwerb durch Konkordanz-Programme in Wörterbüchern
3.3 Instruktionstexte in Online-Wörterbüchern
3.4 Die Makrostruktur
3.4.1 Onomasiologische und semasiologische Wörterbuchschreibung im Vergleich
3.4.2 Typologie der Suchkriterien
3.5 Die Startseite
3.5.1 Strukturierung von Kommunikationseröffnungen
3.5.2 Anforderungen an Startseiten elektronischer Wörterbücher
3.6 Die Mikrostruktur
3.6.1 Kennzeichnung der Lemmata
3.6.2 Anordnung der Informationskategorien
3.6.3 'Graphische' Bedeutungserklärungen

4 Zusammenfassende Betrachtung

5 Literatur
5.1 Benutzte Wörterbücher

6 Anhang

1. Einführung

Nachdem es durch die technische Entwicklung (vgl. z.B. Hötker 1996, Feldweg 1996) möglich geworden ist, maschinenlesbare Datenbanken zur Erstellung von Wörterbüchern zu nutzen, bzw. Wörterbücher selbst im elektronischen Medium zu realisieren, stellen sich auch für die Lexikographie neue Aufgaben. Meine Arbeit soll sich daher in einer ersten Näherung auf die Probleme konzentrieren, die diese Veränderung mit sich bringt.

Zum jetzigen Zeitpunkt eine Kritik über Wörterbücher im Internet schreiben zu wollen, kann - zumindest bezogen auf den deutschsprachigen Raum - nur bedeuten, eine Mängelliste aufzustellen. So finden sich in einschlägigen Wörterbuchverzeichnissen - wie z.B. unter:

- http://www. bucknell.edu/~rbeard/diction2.html,
- http://www.ids-mannheim.de/quellen/texte.html,
- http://www.laum.uni-hannover.de/iln/bibliotheken/woerterbuecher.html und
- http://www.imise.uni-leipzig.de/~ingolf/SUCHEN/woerterbuecher.html

entweder keine Wörterbücher der deutschen Sprache oder Wörterbücher von nur sehr geringem Umfang bzw. Werbung für Wörterbücher in der gedruckten Version. (Vgl. beispielsweise auch:

- http://www.lexikonverlag.de/daten/ll/wahrig.html; Der große Wahrig / Bertelsmann
- http://gwdu19.gwdg.de/~uxaw/info.html; Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm
- http://www.duden.bifab.de/home.html; Duden - Online
- http://www.cssatt.co.uk/users/jao/Germany/Woerterbuch.htm; Technisches WB Eisenbahn- u. Verkehrswesen (deutsch - englisch)).

Um aber redundante Darstellungen, wie sie zwangsläufig aus Negierungen resultieren, zu vermeiden, ist es das Anliegen dieser Arbeit, ein sprachwissenschaftlich fundiertes Konzept zu entwerfen, das -wenn auch auf hypothetischer Ebene und innerhalb der Grenzen einer Seminararbeit- einige Grundzüge und Möglichkeiten zusammenfaßt, die sich aufgrund des theoretischen Hintergrundes ableiten lassen. Meine Ausführungen werden sich daher im wesentlichen im Rahmen der Metalexikographie bewegen. Eine ausführlichere und v.a. konkretere Wörterbuchkritik scheint mir erst dann wirklich sinnvoll zu sein, wenn ausreichend elaborierte Wörterbücher im Internet auch tatsächlich verfügbar sind.

1.1 Vorteile elektronischer Wörterbücher

Warum sollte man überhaupt Wörterbücher im Internet realisieren? Sicherlich sind Argumente wie die zunehmende Verbreitung von PCs, die steigende Bedeutung des elektronischen Mediums für verschiedene Formen der Kommunikation (E-Mail, Chat-Dienste, Einsatz von Textverarbeitungsprogrammen [electronic publishing], Nutzung des Internet zur Informationsbeschaffung und -verbreitung etc.) und die ebenso für den Anwender günstige parallele Nutzung eines Wörterbuchs im selben Medium anzuführen, aber es läßt sich auch aus lexikographischer Perspektive einiges hinzufügen.

Elektronische Wörterbücher bieten im Vergleich zur gedruckten Variante (nach Hoelter u.a. 1996, 212ff.) eine Reihe von Vorteilen:

- wesentlich kürzere Erstellungszeiten für ein Wörterbuch durch den Lexikographen (z.B. auf der Grundlage interaktiven Editierens [vgl. Handke 1995, 323f.], 'automatisches' Auswerten großer Datenmengen etc.),
- Möglichkeiten zur ständigen (auch partiellen) Aktualisierung,
- Steigerung der Authentizität von Wörterbüchern in bezug auf das erhobene Datenmaterial, wobei 'reale' Verwendungsbeispiele nicht notwendigerweise den vom Lexikographen konstruierten vorzuziehen sind (aufgrund z.B. der Repräsentativität; vgl. Schemann 1989, 1026; Svensén 1993, 41),
- Erhöhung des Beschreibungsspektrums durch größere Textkorpora,
- effektive Nutzung eines Querverweissystems,
- Nutzung von akustischer (z.B. statt oder ergänzend zu phonetischer Lautschrift) und visueller Information (Einzelbilder, Videosequenzen),
- (bei entsprechender Datenbasis) individuell wählbare Informationszusammenstellung, z.B. ausschließlich etymologische Daten, nur Verwendungsbeispiele oder lexikalische Information etc. Dies fördert selbständiges, exploratives Lernen und erhöht den Behaltenseffekt (vgl. Klimsa 1997, 13); gleichzeitig dient es der Effektivität, da irrelevante Informationen von vornherein ausgeblendet werden.

Prinzipiell scheint durch das elektronische Medium jede Art von Platzbeschränkung aufgehoben zu sein, was m.E. vor allem auf die (potentiell verfügbare) 'Informationsdichte' einer Bildschirmseite zu beziehen ist, da -zumindest theoretisch- jede beliebige Menge an Information durch Vernetzung darstellbar wird. Allerdings sind dem technisch Machbaren durch das menschliche Informationsverarbeitungssystem wiederum Grenzen gesetzt: So ist davon auszugehen, daß in Abhängigkeit von Menütiefe bzw. -breite und Menüstrukturierung Suchzeiten erheblich verringert oder erhöht werden können (vgl. Wandmacher 1993, 283 ff.), und daß Menütiefen größer 4/5 ohne entsprechende Navigationshilfe nur schwer zu überblicken sind (vgl. Lansdale/Ormerod 1995, 66), so daß sich rezeptionsseitig eine Integration psychologischer Aspekte in die Lexikographie (v.a. für Lernerwörterbücher) rechtfertigt.

1.1.1 Kognitionspsychologie und Lexikographie

Es stellt sich demnach in besonderem Maße die Frage nach der Darbietungsweise von Wissensinhalten -und dies gilt vor allem für Hypertextanwendungen (vgl. Kapitel: Text vs. Hypertext). Denn mit der Möglichkeit, über Wissen in großen Mengen als Texte, Datenbanken oder -wie in diesem Fall- elektronische Wörterbücher verfügen zu können,

"entstehen (...) auch neue Probleme, denn es genügt natürlich nicht, das Wissen extern in Form von Texten zu speichern. Der einzelne muß wissen, wo dieses Wissen niedergelegt ist und wie es abgerufen werden kann. D.h.: Inneres Wissen und extern gespeichertes Wissen müssen adäquat aufeinander bezogen werden (Schönpflug, 1986). Das extern in Form von Texten gespeicherte Wissen muß schließlich individuell angeeignet werden, um seine Orientierungsfunktion zu erfüllen. Damit ist der Erfolg der Wissensvermittlung in hohem Maße davon abhängig, wieweit die Externalisierung des Wissens den Gesetzmäßigkeiten der kognitiven Verarbeitung beim Lernen mit Texten bzw. beim Aufbau von Wissensstrukturen Rechnung trägt" (Schnotz 1994, 11) (eigene Hervorhebung).

Da Hypertexte als delinearisierte Informationscluster strukturiert sind, ist für die Erstellung von Online-Wörterbüchern danach zu fragen, inwieweit sich lexikographisch sinnvolle Segmentierungen des Inhalts mit kommunikationstheoretischen und (wahrnehmungs)psychologischen vereinbaren lassen. Ziel einer derartigen Herangehensweise ist es, Benutzeroberflächen zu gestalten, die trotz der Komplexität des darzustellenden Inhalts möglichst intuitiv verständlich sind, d.h. Oberflächen, die das Orientierungsproblem (vgl. Bucher im Druck) dadurch zu lösen versuchen, daß sie entweder auf die Gesetze der Gestaltwahrnehmung (vgl. Kapitel: Graphische Strukturierung) oder aber auf allgemeine Kommunikationsprinzipien (vgl. Kapitel: Text vs. Hypertext) Bezug nehmen.

1.2 Diskussion

Die Nutzung des Internet zur Realisierung von Wörterbüchern wirft allerdings auch 'lexikographische Probleme' auf, die aus der Komplexität des Datenmaterials resultieren. Einige davon möchte ich exemplarisch herausgreifen:

1.2.1 Probleme 'authentischer' Wörterbücher

Da in Wörterbüchern keine Lexeme, sondern Lemmata gelistet werden, erfordert ein authentisches Textkorpus seitens des Lexikographen, daß er vom vorhandenen Textmaterial abstrahiert und somit den Schritt vom Lexembestand zum (beschreibenden) Lexikon einer Sprache vollzieht. Um diese Aufgabe zu bewältigen, ist es sinnvoll, auf bereits erstellte Wörterbücher zu rekurrieren, und vor diesem Hintergrund das "neue" Material aufzuarbeiten (vgl. Svensén 1993, 54ff.). Die alleinige Erhebung der Auftretenshäufigkeit einzelner Lexeme im 'authentischen' Textkorpus, die durch entsprechende Computerprogramme ermittelt werden könnte, ist hier nicht ausreichend, da beispielsweise Konjunktionen aus syntaktischen Gründen häufiger in der selben (Satzglied)Funktion verwendet werden als Substantive. Ein Wörterbuch, das nur die Lexeme als Lemmata verzeichnen würde, die häufig genug im Textkorpus auftreten, würde in erster Linie ein Wörterbuch der Funktionswörter liefern und damit natürlich nicht annähernd das Lexikon einer natürlichen Sprache beschreiben können. Außerdem ist es unerläßlich, repräsentative Textkorpora zu erstellen, um 'Verzerrungen' (z.B. besondere Berücksichtigung des literarischen Sprachgebrauchs bei der Auswertung überwiegend literarischen Materials) zu vermeiden (vgl. insgesamt Béjoint 1983, S. 70f.).

Des weiteren stellt sich die Frage nach der Auswahl derjenigen Lexeme, die zu einem Wörterbucheintrag, einem Lemma, werden sollen. Gerade im Deutschen, das die Bildung von Komposita in großem Umfang erlaubt, ist zu entscheiden, ob ein Kompositum gelistet werden soll, oder ob es -aus der Summe seiner Einzelteile- ableitbar ist. Ein Entscheidungskriterium ist der Grad der Lexikalisierung: d.h., inwieweit ein Kompositum tatsächlich verständlich ist (Hausmauer) oder zusätzliche 'Bedeutungsnuancen' enthält (z.B. Eisenbahn, das als eigenständiges Wort lexikalisiert ist, und dessen Bedeutung nicht unmittelbar aus Eisen und Bahn erschließbar ist). Insgesamt ist diese Fragestellung nur angemessen zu beantworten, wenn der Zweck des jeweiligen Wörterbuchs mitberücksichtigt wird, da beispielsweise in Lernerwörterbüchern eine Listung von 'eindeutigen' Komposita durchaus sinnvoll sein kann (vgl. Svensén 1993, 42f.).

Eine weitere Schwierigkeit, die sich außerdem aus den neuen Konzeptionsmöglichkeiten elektronischer Wörterbücher ergibt, ist die vom Nutzer bestimmbare Auswahl der Suchaspekte zu einem Suchbegriff, was letztlich zur Konsequenz hat, daß möglichst alle Bereiche lexikographisch erfaßt sein müssen, um dem Nutzer die Verwendung eines derartigen Auswahlverfahrens auch tatsächlich zugänglich zu machen.

2 Text vs. Hypertext

Da im folgenden die besonderen Strukturierungseigenschaften von Hypertexten dazu verwendet werden sollen, um Ableitungen in bezug auf Wörterbuchgestaltung zu treffen, will ich an dieser Stelle einen kurzen Exkurs einfügen. Das Modell, das ich darlegen werde, beruht auf der Hypothese, daß sich natürliche Kommunikation und Mensch-Maschine-Interaktion zwar grundlegend in der Art der Ausführung unterscheiden, aber dennoch gleiche kommunikative Funktionen zu bewältigen haben. Auf Basis dieser funktionalen Gleichheit erfolgt eine Übertragung sprachlicher (!) Handlungsmuster in den Bereich graphisch-räumlich und sprachlich gestalteter Benutzeroberflächen. Dabei soll die Kenntnis der Kommunikationsmuster natürlicher Sprache verwendet werden, um dem Nutzer einen möglichst intuitiv verständlichen Zugang zur Hypertextanwendung zu gewährleisten. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich durch die Annahme, daß Nutzer nur nach bereits bekannten Interaktionsmustern handeln, bzw. bereits erworbene Schemata akkommodieren können, und somit der Umgang mit neuen Benutzeroberflächen, z.B. einem elektronischen Wörterbuch, um so leichter sein sollte, je ähnlicher (im Sinne einer funktionalen Gleichheit) sich die Strukturen von Benutzeroberfläche und natürlicher Kommunikation sind.

Ich beginne mit einem Überblick zu den Sprachhandlungsmustern natürlicher Kommunikation. Nach Holly (1995, 30f.) werden beim Sprachhandeln drei Handlungsfelder unterschieden:

1) Textsortenmuster,
2) Kontakt- und Beziehungsmuster und
3) Organisationsmuster

(Regelung des Sprecherwechsels; Gliederung und Strukturierung; Themenbehandlung; Verständnissicherung).

Schränkt man den Betrachtungsbereich auf die Textsorte 'Wörterbuch' ein, so ergeben sich m.E. die wesentlichsten Differenzen zwischen Text und Hypertext auf der Ebene der Organisationsmuster. Ich werde aber dennoch auch die relevanten Aspekte anderer Handlungsmuster aufgreifen:

2.1 Textsortenmuster

Textsortenmuster leisten eine thematische Einbettung der Einzelinformationen in einen thematischen Zusammenhang. So weiß ein Nutzer, der ein Wörterbuch als ein solches erkennt, damit gleichzeitig auch, welche Verwendungsweisen damit verknüpft sind. Das hat zudem den Vorteil, daß alle impliziten Vorannahmen nicht thematisiert werden müssen: Wer eine Datenmenge als Wörterbuch erkennt, weiß damit (aufgrund seines kulturspezifischen Weltwissens) ebenfalls, nach welchen Angaben im Wörterbuch zu suchen ist (z.B. Orthographie, Ausspracheregelung etc.; vergleichbar den 'slots' eines kognitiven Schemas - siehe Schnotz 1994, 65ff.).

Es bietet sich daher an, grundlegende Elemente der Textsortenmuster beizubehalten, um ein Wiedererkennen und Verstehen der Textsorte durch den Benutzer auch bei Wörterbüchern im Internet zu garantieren. Gerade ein neues Medium kann nur dann tatsächlich breite Akzeptanz erringen, wenn es in der Anknüpfung an das Alte neue Formen zu etablieren sucht (vgl. Reichertz im Druck). Auch unter funktionalen Aspekten bietet sich ein Anschluß an gewohnte Muster an: die neuen Strukturen der Organisationsmuster werden leichter verständlich, wenn sie innerhalb eines vertrauten 'Rahmens' variiert werden: so ist kaum zu erwarten, daß auf (textsortenkonstitutive) Elemente wie Nennung/Listung des Lemmas[1] und Definition des Lemmas (definiens) verzichtet werden kann.

2.1.1 Ableitungen

Die Zuordnung einer Datenmenge zu einer Textsorte kann explizit sprachlich erfolgen: z.B. durch Identifizierung des Wörterbuchs mittels einer Titelzeile: web-trans Dictionary[2] (vgl. Anhang). Den selben Zweck erfüllen auch Piktogramme oder ein Firmenlogo (vgl. Anhang: Langenscheidt's New College English Dictionary). Außerdem lassen sich Beschreibungen anführen, die eine thematische Einbettung zur Textsorte 'Wörterbuch' leisten: Langenscheidt's New College English Dictionary has 1,495 pages and contains around 220.000 words and phrases used in modern English an German... (vgl. Anhang).

Außerdem verwenden alle von mir analysierten Wörterbücher die (adaptierte) Metapher 'Datenbankabfrage' zur Layout-Gestaltung der Startseite. Diese Parallele wird zum einen durch die semantische Nähe von 'Datenbank' und 'Wörterbuch' gerechtfertigt, zudem ist die Metapher 'Datenbankabfrage' inzwischen ebenfalls vertraut und besser geeignet, den Nutzer über den aktuellen Handlungsbereich zu instruieren als ein (unreflektiert) übernommenes Wörterbuch-Deckblatt.

2.2 Kontakt- und Beziehungsmuster

Kontakt- und Beziehungsmuster können trotz der Abwesenheit eines tatsächlichen Interaktionspartners auch für die Gestaltung von Wörterbüchern im Internet relevant sein; allerdings übernehmen sie in diesem Kontext zusätzliche Funktionen. Es tritt nun ein anderes Kriterium in den Vordergrund, das den Fluß der Mensch-Maschine-Interaktion steuert: das Wissen des Nutzers über den jeweiligen 'Arbeitszustand' des Systems.

Vertraute Beziehungsmuster (wie z.B. begrüßen[3], verabschieden etc.) können übernommen und gleichzeitig umfunktioniert werden. So ist es möglich, diese mit einer zusätzlichen Orientierungsfunktion zu verknüpfen (vgl. Problemstellung in Kapitel: Instruktionstexte in Online-Wörterbüchern), die dazu dient, die Interaktion zu regulieren, indem sie dem Nutzer die notwendigen Informationen über den 'Arbeitszustand' des Systems vermittelt und damit die Voraussetzung für das Ausführen des nächsten Arbeitsschrittes durch den Benutzer schafft. Das Muster besitzt dann in etwa die folgende Struktur: informieren-orientieren indem[4] begrüßen / verabschieden.

Als bereits in verschiedenen Anwendungen realisierte Muster von informieren indem Begrüßen lassen sich beispielsweise anführen:

1. Welcome to Netscape… (Netscape; siehe Anhang[5] ); zusätzliche Information = 'Browser (Netscape) gestartet und interaktionsbereit',

als 'Verabschiedungen':

1. Hiermit beenden Sie Ihre Windows-Sitzung (Windows 3.11)
2. Der Computer wird heruntergefahren / Sie können den Computer jetzt ausschalten (Windows 95); zusätzliche Information = 'Programm beendet'.

Als Beziehungsmuster sind diese Sprachhandlungen zu identifizieren, da sich die gleiche Information, nämlich daß die Interaktion beendet ist und der Computer ausgeschaltet werden kann (was einer bloßen Gliederungsfunktion entspräche), auch durch ein schlichtes Ende darstellen ließe. Außerdem fällt auf, daß gewisse Formen der Höflichkeit gewahrt bleiben (siehe Unterstreichung).

Zudem ist bei 'Fehlermeldungen' ein potentieller Angriff auf das Selbstbild (face) des Nutzers möglich (durch Kontrollverlust), so daß eine Einbettung dieser Information in Handlungsmuster der 'Höflichkeit' angebracht erscheint. So kann beispielsweise ein Error durch eine explizite und höfliche (!) Formulierung (eventuell mit Angabe von Gründen) ersetzt werden.

2.3 Organisationsebene

2.3.1 Gliederung und Strukturierung

Betrachtet man den globalen Aufbau der Textstruktur von Hypertexten, so fallen nach Jakobs und Bucher ( im Druck) vor allem folgende Punkte ins Gewicht:[6]

1. Auflösung der linearen Textstruktur. Zusammenhänge werden in Hypertexten nicht nur durch sequentielle Abfolge (A-B-C…), sondern auch durch räumliche Anordnung des Textes und der weiterführenden Hyperlinks zueinander, durch graphische Markierung und mittels verweisender Hyperlinks hergestellt.
2. Das hat zur Folge, daß die einzelnen Texteinheiten, die Cluster, in sich kohärent und abgeschlossen sein müssen und damit einen gewissen Grad an Autonomie in Anspruch nehmen. Der Benutzer steht also nunmehr vor dem Problem zu erkennen, daß überhaupt ein Zusammenhang existiert, bevor er entscheiden kann, welche Art von Zusammenhang besteht. Bezog sich vormals der Begriff der Verständlichkeit auf Textkohärenz, so ist bei Hypertexten nur von Cluster-Kohärenz zu sprechen: Die Informationen eines linearen Textes müssen nach inhaltlichen Kriterien strukturiert und zu kleineren, in sich abgeschlossenen Clustern zusammengefaßt werden, da eine Bildschirmseite immer nur für eine begrenzte Menge an Informationseinheiten Platz bietet und auch Faktoren wie die Schriftgröße (vgl. Wandmacher 1993, 321f.) nur in einem Ermessensspielraum, den das menschliche Wahrnehmungssystem festlegt, variabel sind.
3. Staffelung der einzelnen Cluster nach Relevanzkriterien, wobei im Idealfall die Anordnungsstruktur der Clusterbeiträge auch der semantischen Struktur der Inhalte entspricht.

Demnach ergeben sich folgende Problemstellungen bei der Konstruktion kohärenter Cluster:

1. "(…) das Segmentierungsproblem: In welche Einheiten kann ein komplexes Thema portioniert werden?
2. (…) (und das, J.H.) Organisations- und Verständlichkeitsproblem: Wie muß das Cluster präsentiert werden, damit sich der Leser darin orientieren und es selektiv nutzen kann?" (Bucher im Druck).

2.3.1.1 Graphische Strukturierung

Ein Weg, das Orientierungsproblem zu lösen, besteht darin, die Relationen zwischen den einzelnen Clustern graphisch 'auszudrücken'. Dies bietet sich außerdem an, da, wie Weingarten (1997) ausführt, Hypertexte nur durch wenige (sprachliche) kohäsive Mittel verknüpft sind. Am häufigsten sei beispielsweise noch das Prinzip der Rekurrenz anzutreffen, welches eingesetzt wird, um Referenz zwischen Link (bzw. hot word) und dazugehörigem Textbaustein herzustellen.

[...]


[1] Dabei ist aber zu beachten, daß sich die traditionelle Listung der Lemmata durch das bloße Eintippen des Suchbegriffes in den dafür vorgesehenen Bereich der Startseite zu einem nunmehr technischen Suchvorgang wandelt.

[2] Das eine Titelzeile außerdem unter werberelevanten Aspekten zu betrachten ist, sei an dieser Stelle ausgeblendet.

[3] BEGRÜßEN, VERABSCHIEDEN etc. haben natürlich gleichzeitig auch eine Gliederungsfunktion, die in den Bereich der Organisationsmuster gehört.

[4] Vgl. zur indem-Relation Holly 1979, Heringer 1974

[5] Der vorliegende Ausdruck präsentiert die Begrüßung nur noch in der Titelzeile des Ausdrucks. Die zitierte Version der Netscape-Homepage war leider nicht mehr abrufbar. Ich habe dieses Zitat dennoch verwendet, da zum ersten die Präsentation eines Firmenlogos eine verknappte Form von Begrüßung darstellt, und da sich zum zweiten mühelos weitere Beispiele in anderen Anwendungen finden lassen.

[6] Ich verkürze an dieser Stelle meine Darstellung auf die für Wörterbücher relevanten Teilaspekte der Organisationsebene.

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Wörterbücher im Internet - Konzeptionen und Realisierungen
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Angewandte Sprachwissenschaft)
Note
1
Autor
Jahr
1997
Seiten
48
Katalognummer
V11944
ISBN (eBook)
9783638179799
Dateigröße
1991 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wörterbücher, Internet, Konzeptionen, Realisierungen
Arbeit zitieren
Jana Kullick (Autor:in), 1997, Wörterbücher im Internet - Konzeptionen und Realisierungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11944

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