Schwerstarbeit im Klassenzimmer - Subjektive Wahrnehmungen des pädagogischen Auftrages

Eltern vs. Pädagogen/Innen, Erziehungsauftrag vs. Wissensvermittlung, Selbst- und Fremdzuschreibungen


Diplomarbeit, 2007

138 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Qualitative Forschung

3. Grundlagen schulischer Sozialisation und Erziehungsarbeit
3.1 Grundlagen des Schulsystems
3.1.1 Kompetenzverteilung im Schulsystem
3.1.2 Volksschule
3.1.3 Hauptschule
3.1.4 Allgemein bildende höhere Schule / AHS-Unterstufe
3.2 Die Entwicklung der Schule
3.2.1 Geschichtliche Merkmale
3.2.2 Schulreform nach Maria Theresia 1774
3.2.3 Das Reichsvolksschulgesetz 1869
3.2.4 Die Novelle des Reichsvolksschulgesetzes 1883
3.2.5 Die Schulrechtsnovelle 1962
3.3 Sozialisation und Erziehung
3.3.1 Sozialisation als Übernahme kulturspezifischer Normen und Werte
3.3.2 Sozialisation als Erlernen von Rollen und Einnehmen von Positionen
3.3.3 Sozialisation als Lebenslanger Prozess
3.3.4 Sozialisation als Reproduktion des Bestehenden
3.3.5 Die Instanzen des Sozialisationsprozesses
3.4 Schule als Instanz sozialer Beeinflussung
3.5 Die Erziehung in der Schule
3.6 Zusammenwirken von Elternhaus und Schule
3.7 Schule im Spannungsfeld
3.8 Vorbildfunktion der Lehrer/innen
3.9 Unterricht und Erziehung
3.10 Schulversagen
3.10.1 Temporäre Leistungsschwäche
3.10.2 Schulwechsel
3.10.3 Drop-Out
3.10.4 Risikogruppen im österreichischen Bildungssystem

4. Auswertung exploratives Interview Landesschulratspräsident
4.1 Aktuelle Brennpunkte im Bildungswesen
4.2 „Negativ Werbung“ in den Medien
4.3 Erwartungen der Gesellschaft
4.4 Strafmaßnahmen
4.5 Beitrag der Eltern zum Bildungsweg der Kinder
4.6 Schulversagen
4.7 Kommunikation Elternhaus und Schule
4.8 Vorbereitung in der Ausbildung
4.9 Erzieherischer Anteil
4.10 Instanzenweg
4.11 Persönliche Anmerkungen

5. Auswertung der Experteninterviews - Pädagogen/innen
5.1 Ergebnisse in der Kategorie Stellenwert Wissensvermittlung & Vermittlung sozialer Kompetenzen
5.2 Ergebnisse in der Kategorie Erwartungen
5.3 Erziehungsauftrag der Schule
5.4 Ergebnisse in der Kategorie Kommunikation
5.5 Ergebnisse in der Kategorie Strafmaßnahmen
5.6 Ergebnisse in der Kategorie Schulversagen
5.7 Ergebnisse in der Kategorie Erziehungsauftrag der Eltern
5.8 Ergebnisse in der Kategorie Entwicklung
5.9 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

6. Auswertung der Experteninterviews – Eltern
6.1 Ergebnisse in der Kategorie Stellenwert Wissensvermittlung & Vermittlung sozialer Kompetenzen
6.2 Ergebnisse in der Kategorie Erwartungen
6.3 Ergebnisse in der Kategorie Erziehungsauftrag der Schule
6.4 Ergebnisse in der Kategorie Kommunikation
6.5 Ergebnisse in der Kategorie Strafmaßnahmen
6.6 Ergebnisse in der Kategorie Schulversagen
6.7 Ergebnisse in der Kategorie Erziehungsauftrag der Eltern
6.8 Ergebnisse in der Kategorie Entwicklung
6.9 Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

7. Schlussbetrachtung

8. Kritische Würdigung

IV Anhang
Zeittafel Bildungswesen
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Interviewleitfaden Lehrer/innen
Interviewleitfaden Eltern

1. Einleitung

Eltern und Lehrer/innen sind gemeinsam verantwortlich für die Erziehungsarbeit im Interesse der Schüler/innen und deren Bildung. Ist diese These in der modernen Gesellschaft noch vertretbar, oder gibt es eine Diskrepanz in der Aufgabenverteilung der Erziehung? Dieser Frage widmet sich diese Arbeit.

Gerade im Kontext der Frage nach Erziehung gab es schon früh die Erkenntnis, dass Gesellschaft und Kultur prägend auf das Individuum einwirken. „Von Plato über Rousseau und Jefferson bis zum frühen John Dewey hielt fast jeder, der über Erziehung schrieb, es, wie Lawrence A. Cremin in The Genius of American Education bemerkte, für selbstverständlich, dass Gesellschaft und Kultur – was die alten Griechen „paideia“ nannten – erziehen.“ (Silberman, E.: 1973, S 9)

Durch den stetigen sozialen und technologischen Wandel änderten sich auch die Erziehungsformen. In dieser Arbeit werden die Forderungen und Ansprüche, welchen die Schule als öffentliche Institution und fester Bestandteil im Leben eines Kindes in der Erziehungsaufgabe, nach Ansicht der Eltern und Lehrer/innen Genüge tun muss, erhoben.

Erziehung stellt ein viel diskutiertes und kontroverses Thema in unserer gegenwärtigen Gesellschaft dar. Aufgrund der verschiedensten Familienformen, Arbeitszeitmodelle und Schulmethodiken legt sich ein breit gefächertes Feld zum Thema Erziehung offen.

„Erziehungsanteil ist ein Fremdwort für einen erschreckend großen Anteil von Vätern und Müttern. Und das trotz geringerer Kinderzahl als in früheren Zeiten.“

„Erziehungsarbeit“

(Die Presse, Forum Bildung, 4. Dezember 2006)

Im Focus dieser Arbeit liegt es, herauszufinden, ob sich dieser öffentliche Diskurs in den Meinungen der Probanden/innen dieser Erhebung, widerspiegelt.

Projektziele und Forschungsfragen

Ziel dieser Arbeit ist es, die Anforderungen von Eltern und Lehrer/innen im Erziehungsbereich herauszuarbeiten und welche Argumente angeführt werden, um erzieherische Tätigkeiten in der Institution Schule zu rechtfertigen bzw. abzulehnen. Darüber hinaus ist es von Interesse, welche Schwierigkeiten bei der Ausübung erzieherischer Tätigkeit von den Probanden/innen wahrgenommen werden. Die Beantwortung folgender Frage steht im Vordergrund:

„Wie sehen die Eltern und Lehrer/innen den Erziehungsauftrag der Institution Schule?“

Darüber hinaus sind weitere Fragen von unmittelbarem Interesse:

- Wie ist der Erziehungsauftrag institutionell definiert und wie wird er praktisch wahrgenommen bzw. umgesetzt?
- Welche Deckungen und Abweichungen lassen sich in den Aussagen und Wahrnehmungen der Probanden/innen erkennen, welche subjektiven Begründungen werden gegeben?
- Welche Erziehungsaufgaben und welches Ausmaß an Verantwortung schreiben sich die Befragten selber zu und welche der jeweils anderen Partei?

Den Focus dieser Arbeit bildet die Selbsteinschätzung im Hinblick auf die Erziehungsaufgabe, sowohl seitens der Lehrer/innen wie auch der Eltern, sowie die jeweiligen Fremdzuschreibungen. Soziale Begründungen und wechselseitige Zuschreibungen der Eltern und Lehrer/innen stehen hierbei im Vordergrund.

Warum ist das Soziologische so wichtig? Wie schon bei Talcott Parsons nachzulesen ist, kann man sich eine Schulklasse als soziales System vorstellen. Es wird durch die Rolle des Lehrers/der Lehrerin und des Schülers/der Schülerin bestimmt. Weiters steht es im Austausch mit dem Persönlichkeitssystem der Teilnehmer/innen und dem kulturellen System. Dieses beinhaltet die Bildungsideen, Lehrmethoden und Wissensvorräte. Der Schulerfolg der Schüler/innen wird nicht nur von ihren eigenen Mitteln bestimmt, sondern auch durch das Handeln des Lehrkörpers und der Mitschüler/innen. Der Erfolg des eigenen Handelns ist somit nicht nur von der eigenen Mittelwahl und den äußeren Bedingungen abhängig, sondern auch von der Mittelwahl und den äußeren Bedingungen anderer Akteure. Die Chancen des eigenen Erfolges zu berechnen ist nur möglich, indem sich Schüler/innen und Lehrer/innen über den Lehrstoff und die Beurteilungskriterien für den Lernerfolg einig sind(vgl. Kaesler, 2003, S 33ff) Lehrer/innen und Schüler/innen sind Inhaber/innen bestimmter sozialer Positionen, an die sich Verhaltenstypen knüpfen. Erwartungen, Werte und Verhaltensweisen werden dem Akteur/der Akteurin einer Rolle zugeschrieben und genau an diesem Punkt will diese Arbeit anschließen. Die Untersuchung will herausfiltern, welche Erwartungen und Verhaltensweisen sich der Probanden/innen Kreis in wechselseitiger Zuschreibung beimisst.

Studiendesign

Das Design der Erhebung ist der qualitativen Sozialforschung zuzurechnen. Allgemeine Grundlagen aus dem Bereich der Bildungssoziologie sowie der Pädagogik und der Erziehungswissenschaft bilden das theoretische Grundgerüst dieser Untersuchung.

Als Erhebungsinstrument dienen Leitfaden gestützte Experteninterviews mit Pädagogen/innen aus dem Pflichtschulbereich und Eltern von schulpflichtigen Kindern. Die Leitfadeninterviews werden eingesetzt, da diese zwar standardisierte Fragen beinhalten, aber trotzdem noch immer genug Raum für zusätzliche Erkenntnisse und Anregungen bieten und beliebig ergänzt und erweitert werden können.

In der Sozialforschung ist trotz der Diskussion um die Vor- und Nachteile des Interviews die Befragung die am häufigsten gewählte Form in der Sozialforschung und findet auch in dieser Arbeit ihre Anwendung. (vgl. Diekmann, A.: 1995, S 371)

Zur Erfassung wesentlicher Aspekte werden Fragen vorformuliert und im Leitfadeninterview festgehalten. Dieser Entschluss begründet sich dadurch, dass die Thematik dieser Erhebung sehr vielseitig und komplex ist. Mit Hilfe des gewählten qualitativen Vorgehens ist es am ehesten möglich, wesentliche Faktoren zu erheben und zum anderen liegt das Interesse darin, Meinungen und Ansichten der Eltern und Lehrer/innen zum pädagogischen Auftrag zu gewinnen, was eine nur auf standardisierten Fragen basierende Methodik gar nicht zulassen würde.

Die Experten/innengespräche werden anhand einer qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (Paraphrasierung, Generalisierung, Reduktion) ausgewertet. Die weitere Strukturierung orientiert sich an der zusammenfassenden Inhaltsanalyse (vgl. Punkt 2).

Verantwortliche Instanzen für den Pflichtschulbereich (z.B. Landesschulrat), die Schule selbst mit ihren Mitarbeitern/innen, sowie Eltern sollen als Ansprechpartner mittels Experten/inneninterviews herangezogen werden. Die Stichprobe umfasst im Gesamten 22 Interviews. In der Gruppe der Pädagogen/innen fanden elf Gespräche statt und in der Gruppe der Eltern wurden zehn Befragungen durchgeführt. Die Auswahl der Probanden/innen erfolgte nach dem Zufallsprinzip.

Grundvoraussetzung für die Stichprobe bei den Pädagogen/innen war, dass sie in ihrer Schulform schulpflichtige Kinder unterrichten. Des Weiteren wurde in diese Gruppe eine Pädagogik Studentin aus dem Bekanntenkreis der Autorin in die Interviewgruppe aufgenommen. Dies erschien als sinnvoll, da sie die kommenden Generationen von Schüler/innen unterrichten wird und sie Erfahrungen direkt aus ihrer Ausbildung mit einbringen konnte.

Ihre Aussagen ließen auch einen Vergleich zwischen „alteingesessenen“ Lehrern/innen und Junglehrer/innen zu. Von Interesse war es auch, ob sie dem Erziehungsauftrag der Institution Schule anders gegenüber steht, als die Probanden/innen, die auf eine langjährige Berufserfahrung zurückgreifen können.

Bei den Eltern bildeten schulpflichtige Kinder im gemeinsamen Haushalt die Voraussetzung, um in die Stichprobe aufgenommen zu werden.

Das Gespräch mit Landesschulratspräsident Enzenhofer diente dazu, erste Eindrücke zum Themenbereich Schule und Erziehung zu gewinnen. Es wurde in der explorativen Phase dieser Untersuchung durchgeführt. Es diente der Sensibilisierung der Forscherin zum Themenbereich Bildung und Erziehungsarbeit. Das explorative Interview wurde wortwörtlich transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet. Die Auswertung des Interviews gab eine erste Übersicht über aktuelle Diskussionspunkte und gesetzlich verankerte Ansprüche. Das Gespräch dauerte rund eine Stunde und fand im Büro von Präsident Enzenhofer statt. Aus dem Interview mit dem Landesschulratspräsidenten ergaben sich im Vorfeld interessante Themenbereiche, die im Weiteren als Anhaltspunkte für die Konzipierung des Leitfadens für die Pädagogen/innen und Eltern herangezogen wurden.

Daraus ergaben sich folgende, im Leitfaden festgelegte, inhaltliche Themenbereiche, die in den Interviews mit den Eltern und Pädagogen/innen angesprochen wurden:

- Stellenwert der Wissensvermittlung und der Vermittlung von sozialen Kompetenzen
- Erwartungen
- Erziehungsauftrag der Schule
- Kommunikation
- Strafmaßnahmen
- Schulversagen
- Erziehungsauftrag der Eltern
- Entwicklungen

Die Textvorlagen für die Interviewleitfäden sind im Anhang zu finden.

Allgemeine Übersicht zur Führung der Experten/innengespräche

Die Experten/innen Gespräche wurden mit dem Einverständnis der Interviewpartner/innen auf Tonband aufgezeichnet. Teilweise wurden die Gespräche wortwörtlich transkribiert und zum Teil wurden die zentralen Aussagen anhand von Gedächtnisprotokollen und mit Hilfe des Tonbandes auf Papier gebracht. Aufgrund des kleinen Stichprobenumfangs erhebt diese Untersuchung keinen Anspruch auf Repräsentativität. Die Teilnahme an den Interviews war freiwillig. Bei den Gesprächen handelte es sich um Leitfaden gestützte Experten/innen Interviews.

Die Interviews wurden im Rahmen der Diplomarbeit von der Autorin selbst durchgeführt. Die Interviews fanden teilweise an der Arbeitsstelle der Autorin (Büro Ordination), in Klassenzimmern und bei den Interviewten zu Hause statt.

Die Interviews dauerten 20-30 Minuten und fanden in angenehmer Atmosphäre statt. Zum Einstieg wurden die demographischen Daten erhoben, die Einwilligung zur Tonbandaufnahme und Veröffentlichung im Rahmen der Diplomarbeit eingeholt und ein kurzer Überblick des inhaltlichen Schwerpunkts der Arbeit gegeben. Nach anfänglichem „Warm Reden“ wurden die für den Leitfaden entwickelten Fragenstellungen besprochen. Grundsätzlich fiel es den Interviewpartner/innen nicht schwer, die Fragen zu beantworten, da diese ja auf ihren Berufs- bzw. Lebensalltag abzielten.

Es muss jedoch angemerkt werden, dass die Experten/innen aus höheren Schulformen, im speziellen Fall aus der Handelsakademie und der Landwirtschaftsschule, den Erziehungsauftrag in ihrer beruflichen Tätigkeit im Vergleich zu ihren Kollegen/innen weniger bis gar nicht wahrnehmen. Die Probandin aus der Handelsakademie konnte nicht zu allen Fragen des Leitfadens Stellung nehmen bzw. musste mit „kann ich nichts dazu sagen“ antworten.

Sie wurden jedoch in die Stichprobe mit aufgenommen, da bereits im Gesprächsverlauf mit Präsident Enzenhofer die Aussage fiel, dass die höheren Schulformen den Erziehungsauftrag für sich weniger wahrzunehmen haben und diese Annahme in der Empirie falsifiziert werden sollte.

2. Qualitative Forschung

In der qualitativen Forschung spielt das Interview eine wichtige Rolle. Das Wort stammt vom französischen „entrevue“ ab und bedeutet übersetzt soviel wie „verabredete Zusammenkunft“. Das Gespräch findet bewusst in einer Frage-Antwort-Situation statt. Der Befragte/ die Befragte soll dazu bewegt werden, Informationen zu bestimmten Themenbereichen, die im Interesse des Forschers liegen, zu geben. Subjektive Bedeutungen können nur zu Tage kommen, wenn das Subjekt selbst zur Sprache kommt.

Die Befragung stellt eine sinnvolle Methode dar, wenn subjektive Erfahrungen von Personen aufgenommen werden sollen. In den Antworten kommen Einstellungen, Werthaltungen, Interessen, Wahrnehmungen der Umwelt, Einschätzungen anderer Personen und vieles mehr zur Geltung. Die Befragung, welche als eine Methode der qualitativen Forschung gilt, bietet einen direkten Zugang zu diesen Daten. Merkmale qualitativer Forschung sind Einzelfallbezogenheit, Alltagsnähe, Kommunikation, Deskription und Interpretation sowie Offenheit. Qualitative Vorgehensweise stellt auch immer den Anspruch an ein gewisses Vorverständnis des Forschers / der Forscherin. Die folgende Abbildung stellt respektive den Ablauf qualitativer Forschung und quantitativer Forschung dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Lineare und zirkuläre Strategie der quantitativen und qualitativen Forschung

Das Vorverständnis der Forscherin zum Thema dieser Arbeit gründet sich auf besuchte Vorlesungen der Bildungssoziologie, sowie der Recherche einschlägiger Literatur zur Bildungs- und Erziehungswissenschaft aus dem Bereich der Soziologie sowie der Pädagogik.

Die Auswahl des in dieser Untersuchung angewandeten Verfahrens (qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring) erfolgte in der Phase der Konzepterstellung. Die Inhaltsanalyse wurde ausgewählt, da diese Methodik sich am besten zur Auswertung der gesammelten Interviews eignete und die Autorin mit dieser Methode der Aufbereitung des Datenmaterials bereits vertraut war.

Die Personenauswahl erfolge nach dem Zufallsprinzip unter dem Kriterium von schulpflichtigen Kindern im gemeinsamen Haushalt bzw. dem Unterrichten von schulpflichtigen Kindern. Die Datenerhebung wurde anhand Leitfaden gestützter Interviews in Face to Face Situationen durchgeführt.

Die Datenauswertung orientierte sich an dem Modell der qualitativen Inhaltsanalyse von Phillip Mayring (Paraphrasierung, Generalisierung, Reduktion) und die Ergebnisse wurden durch interpretative Zusammenfassung dargestellt.

Zum Punkt der Theorieentwicklung kann diese Untersuchung dazu eingesetzt werden, mit anschließenden empirischen Befunden bildungspolitische Impulse beizusteuern, die es durch politische und gesellschaftliche Zusammenarbeit in den nächsten Jahren umzusetzen gilt.

Der Forschungsprozess

Beim Aufbau einer wissenschaftlichen Studie bzw. Untersuchung sollte man in folgenden Schritten vorgehen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Gemeinsames Ablaufmodell für qualitative und quantitative Forschung

Wie in der Einleitung bereits näher ausgeführt, liegt die Relevanz dieser Arbeit in der immer währenden Diskussion um den Themenkomplex Bildung. Es gibt unzählige Nachschlagewerke zum Themenbereich des pädagogischen Auftrages in den Fachdisziplinen (Soziologie, Pädagogik). Der Stichprobenumfang umfasst 22 Leitfaden gestützte Interviews mit Lehrer/innen und Eltern. Das Material liegt in Form von Tonbandaufnahmen und transkribierten Gesprächsprotokollen vor. Die Aufbereitung des Materials erfolgte wie o.a. nach der qualitativen Inhaltsanalyse von Mayring, mit anschließender interpretativer Darstellung der Ergebnisse.

Qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring

Der nachfolgende Absatz stützt sich überwiegend auf Mayring, „Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Techniken“ (1988 S 9ff).

Die Inhaltsanalyse hat Kommunikation zum Untersuchungsgegenstand, aber neben der Sprache können auch Musik, Bilder und dergleichen der Analyse unterzogen werden.
Die Inhaltsanalyse untersucht Texte, Bilder und Noten mit symbolischem Material.

In diesen Dispositiven liegt Kommunikation in irgendeiner Art vor, die systematisch analysiert wird.

Der qualitative Ansatz analysiert nicht nur Zusammenhänge, Prozesse und Gegenstände, sondern ermöglicht auch, sich in diese hineinzuversetzen, sie nach zu erleben oder sich diese wenigstens nacherlebend vorzustellen. Die qualitative Inhaltsanalyse arbeitet mit einer offenen, deskriptiven und interpretativen Methode.

Begriffsbestimmung

Das Ziel der Inhaltsanalyse ist die systematische Bearbeitung von Kommunikationsmaterial. Die Inhaltsanalyse ist Regel geleitet und geht systematisch vor. Das gewonnene Material wird mittels einer zugrunde liegenden theoretischen Fragestellung analysiert. Mayring unterscheidet dabei drei Arten der Interpretation: Zusammenfassung, Explikation und Strukturierung.

Konzeption und Technik der qualitativen Inhaltsanalyse

Allgemeines Ablaufmodell qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring, 1988 S 49)

1) Festlegung des Materials (Es muss geklärt werden, welches Material der Analyse zu Grunde liegt.)
2) Analyse der Entstehungssituation (Es muss beschrieben werden, von wem und unter welchen Bedingungen das Material produziert wurde.)
3) Formale Charakteristika des Materials (Schließlich muss beschrieben werden, in welcher Form das Material vorliegt.)
4) Richtung der Analyse (Wer sagt was, mit welchen Mitteln, zu wem, mit welcher Wirkung?)
5) Theoretische Differenzierung der Fragestellung (Theoriegeleitetheit heißt, an Erfahrungen anknüpfen, um einen Erkenntnisfortschritt zu erreichen.)
6) Bestimmung der Analysetechnik(en) und Festlegung des konkreten Ablaufmodells
7) Definition der Analyseeinheiten
8) Analyseschritte mittels des Kategoriensystems (Zusammenfassung – Explikation -Strukturierung)
9) Rücküberprüfung des Kategoriensystems an Theorie und Material
10) Interpretation der Ergebnisse in Richtung der Hauptfragestellung
11) Anwendung der inhaltsanalytischen Gütekriterien

Transkription

Die Transkription – die Verschriftlichung - verbaler Daten, welche in Form von Audioaufnahmen (z.B. Tonband, MP3) oder auch Videoaufnahmen vorliegen, ist oft notwendige Voraussetzung für den qualitativen Analyseprozess. Die Verschriftlichung der gewonnenen Daten bildet das Bindeglied zwischen der Aufzeichnung der Daten und ihrer Interpretation. (vgl. Flick, U.: 1991, S 161) Auswertungsverfahren, Forschungsansatz und Transkriptionssystem stehen in einem engen Zusammenhang. Während eine inhaltliche Wiedergabe für manchen Forschungsansatz angebracht ist, benötigen andere Settings eine schriftliche Darstellung, in der auch sprachliche Besonderheiten (Phänomene der Mündlichkeit) wie Intonation, Lautstärke und Auslassungen sichtbar werden. Aus diesem Grund richtet sich die Art der Transkription nach dem methodischen Hintergrund.

Zusammenfassende Inhaltsanalyse

Die Reduzierung des Materials erfolgt so, dass wesentliche Inhalte des Materials erhalten bleiben. In Folge soll ein überschaubarer Kurztext entstehen, der ein getreues Abbild des Grundmaterials darstellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Ablaufmodell zusammenfassender Inhaltsanalyse nach Mayring

Bis zu Punkt fünf wurde dieses Ablaufmodell in der Untersuchung genau durchgeführt. Punkt sechs und sieben wurden nur ansatzweise, aufgrund des befürchteten großen Umfanges der Datenmenge, übernommen. In dieser Studie galt es nicht nur neue Kategorien zu entwickeln, sondern vielmehr beispielhaft und trendmäßig Blitzlichter von Betroffenen Eindrücken und Ereignissen zu aktuellen Problemfeldern der Bildungsdebatte aufzufangen.

Teilstandardisiertes Interview/ Das Leitfadeninterview

„Entscheidend für die Abgrenzung zu standardisierten Interviews ist, dass es im Interview keine Antwortvorgaben gibt und dass die Befragten ihre Ansichten und Erfahrungen frei artikulieren können. In der Regel werden die Interviewer/innen zugleich dazu aufgefordert, die im Leitfaden vorgegebenen Fragen nach eigenem Ermessen und nach Einschätzung des theoretischen Anliegens der jeweiligen Studie durch klärendes Nachfragen zu ergänzen und Gesichtspunkte aufzugreifen, die von den Befragten unabhängig vom Gesprächsleitfaden in die Interviewsituation eingebracht werden, sofern diese im Fragekontext der Untersuchung als bedeutsam erscheinen.“ (Flick, U.: Handbuch qualitative Sozialforschung. 1991, S 177) Qualitative Interviews stellen einen weit größeren Anspruch an das Vorverständnis und die Interpretationsfähigkeit des Interviewers als die standardisierte Vorgehensweise. Die Interviewsituation sollte in einem geschützten Rahmen und ohne Anwesenheit Dritter (falls nicht anders vorgesehen) stattfinden, um Verzerrungen vorzubeugen.

3. Grundlagen schulischer Sozialisation und Erziehungsarbeit

In diesem Kapitel sollen wichtige Aspekte aus der Fachliteratur rund um das Thema Schule und Erziehung, sowie die wichtigsten Definitionen und Begriffsbestimmungen erörtert werden. Allem voran steht ein Überblick über die österreichische Rechtsordnung im Bildungssystem und dessen Organisation. Der nachstehende Punkt gibt nicht nur Einblick in die Organisation der verschiedenen Schulformen, sondern auch in deren bildungspolitische Aufgabenfelder und die dazugehörige Ausbildung der dort unterrichtenden Personen. Dies ist für die Forschungsfrage insofern von Bedeutung, da die Zusammenhänge schulischer Problemfelder besser verstanden und Verantwortliche mit Entscheidungsbefugnissen ausgemacht werden können. Die institutionelle Definition des Bildungsauftrages wird hier ersichtlich.

3.1 Grundlagen des Schulsystems - Gesetzgebung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 Österreichisches Schulsystem (BMBWK – Bildungswege in Österreich)

In Österreich steht den Schülern/innen ein breit gefächertes Ausbildungssystem zur Verfügung. Auch im zweiten Bildungsweg (nach Abschluss einer Lehre) gibt es viele Möglichkeiten zur Aus- bzw. Weiterbildung.

Die Zugänglichkeit zu öffentlichen Schulen ist in der österreichischen Rechtsordnung garantiert, unabhängig von Geschlecht, Rasse, Stand, Sprache, Religion oder anderen soziodemographischen Unterscheidungsmerkmalen. Privatschulen bleibt das Recht auf Selektion nach oben genannten Kriterien vorbehalten, jedoch kommt dies in der Regel nur selten vor. (vgl. Publikation Bildungsentwicklung in Österreich 2000-2003, S. 10)

Im Folgenden soll die gesetzliche Reglementierung des österreichischen Schulsystems dargestellt werden. Die Informationen stützen sich überwiegend auf die Publikation des Bildungsministeriums „Bildungsentwicklung in Österreich 2000-2003“.

3.1.1 Kompetenzverteilung im Schulsystem

Oberstes Aufsichtsorgan für das gesamte Primar- und Sekundarschulwesen ist das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, seit 2002 ist das Ministerium auch für die Schul- und Hochschulbildung zuständig. Im Programm der neuen Bundesregierung (große Koalition SPÖ-ÖVP) ist ein eigener Wissenschaftsminister vorgesehen, in dessen Kompetenzbereich die Universitäten fallen. In den Kompetenzbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit fällt die Ausbildung im Lehrbetrieb.

Die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern teilen sich wie folgt (Publikation Bildungsentwicklung in Österreich 2000-2003, S10-14):

- Gesetzgebung und Vollziehung sind ausschließlich Bundessache: Dies gilt insbesondere für das gesamte allgemein bildende höhere Schulwesen, aber auch für das berufsbildende mittlere und höhere Schulwesen (Sekundarbereich II) sowie die Bildungsanstalten für Sozialpädagogik, die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik und das Dienst- und Personalvertretungsrecht der an diesen Schulen unterrichtenden Lehrer/innen.
- Die Gesetzgebung ist Bundessache, die Vollziehung hingegen Angelegenheit der Länder: Diese Kompetenzverteilung trifft u.a. auf das Dienst- und Personalvertretungsrecht jener Lehrer/innen zu, die an öffentlichen Pflichtschulen unterrichten.
- Die Grundsatzgesetzgebung ist Bundessache, die Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung Landessache: Dies gilt insbesondere für die Gliederung der Schulbehörden des Bundes oder die äußere Organisation von öffentlichen Pflichtschulen.
- Die Gesetzgebung und Vollziehung sind Landessache: Dies trifft etwa auf das Kindergartenwesen zu.
Dort, wo dem Bund die Vollziehung zukommt, geschieht dies durch eigene Behörden. Das sind:
- die Bezirksschulräte auf der Ebene der politischen Bezirke,
- die Landesschulräte auf der Ebene der Bundesländer und
- der Bundesminister/die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur für ganz Österreich.

Eine beim Bezirksschulrat anhängig gemachte Angelegenheit kann bis zum Landesschulrat laufen, eine beim Landesschulrat ins Rollen gebrachte Materie bis zum Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BMBWK).

3.1.2 Volksschule

Mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September beginnt in Österreich die Schulpflicht für die Kinder. Die Volksschule soll Elementarbildung vermitteln. „Dabei soll den Kindern eine grundlegende und ausgewogene Bildung im sozialen, emotionalen, intellektuellen und körperlichen Persönlichkeitsbereich ermöglicht werden.“ (Publikation Bildungsentwicklung in Österreich 2000-2003, S. 20-25)

Organisation

Die Klassen werden koedukativ unterrichtet bei einer Schüler/innen Zahl von maximal 30 Kindern in einer Klasse. Durch die Angelobung der neuen Regierung Anfang dieses Jahres gibt es auch hier eine Änderung auf max. 25 Schüler/innen in einer Klasse. Ein Klassenlehrer bzw. eine Klassenlehrerin begeleitet und unterrichtet die Klasse meist über die vier Jahre hinweg.

Ausbildung Lehrpersonal

Zur Ausbildung der Lehrer/innen für die Volksschule bedient man sich den Pädagogischen Akademien. Grundvoraussetzung zum Antritt dieser Ausbildung ist die Reifeprüfung/Matura. Auch durch die Studienberechtigungsprüfung oder Berufsreifeprüfung erlangt man Zugang zu den pädagogischen Akademien. Die Ausbildung dauert mindestens sechs Semester und endet mit der Diplomprüfung für das Lehramt.

3.1.3 Hauptschule

Die Aufgabe der österreichischen Hauptschulen umfasst die Vermittlung weiterführender, allgemeiner Bildung. Schüler/innen im Alter von 10-14 Jahren besuchen koedukativ geführte Klassen und sollen auf das Berufsleben vorbereitet werden. Die Hauptschule ermöglicht den Kindern bzw. Jugendlichen aber auch den Übertritt in mittlere bzw. höhere Schulen. (Publikation Bildungsentwicklung in Österreich 2000-2003, S. 26-30)

Lehrpersonal

Die Ausbildung der Lehrer/innen der Haupt- und Polytechnischen Schulen findet genau wie bei den Volks- und Sonderschullehrer/innen an den Pädagogischen Akademien statt.

3.1.4 Allgemein bildende höhere Schule / AHS-Unterstufe

Die Allgemeinbildende höhere Schule gliedert sich in eine vierjährige Unterstufe (10. bis 14. Lebensjahr) und eine vierjährige Oberstufe (14. bis 18. Lebensjahr). In den Unterstufen wird eine umfassende und vertiefte Allgemeinbildung gelehrt. Sie gelten als Zubringer zu den AHS Oberstufen und bieten auch die Möglichkeit des Übertritts in eine Berufsbildende Schule.

Lehrpersonal

Das Lehrpersonal wird an Universitäten ausgebildet, die Lehramtsstudien sind als Diplomstudien definiert und schließen mit einem Magisterdiplom ab. Zusätzlich muss ein einjähriges Unterrichtspraktikum absolviert werden um in den Schuldienst aufgenommen zu werden. (Publikation Bildungsentwicklung in Österreich 2000-2003, S. 30-33)

An die Hauptschule bzw. die AHS Unterstufen schließen Polytechnische Schulen, AHS Oberstufen, Berufsbildende mittlere und höhere Schulen, Berufsbildende höhere Schulen, Bildungsanstalten für Sozialpädagogik, Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik und Berufsbildende Pflichtschulen an.

3.2 Die Entwicklung der Schule

Wie im Punkt 3.1 bereits ausführlich beschrieben, ist die Institution Schule im öffentlichen Recht geregelt. Um die geltende Rechtsordnung zu verstehen, müssen die historischen Zusammenhänge erörtert werden. Die wichtigsten Ereignisse und Epochen sollen in diesem Kapitel überblicksmäßig dargestellt werden. Die Informationen stützen sich auf die Diplomarbeit „Familie und Schule im Wandel“ (Kröll R., Kvasznicza M., 2004). Für den/die interessierte/n Leser/in steht im Anhang der Arbeit noch eine Zeittafel des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur ab 1770 mit detaillierten Daten zum Nachlesen zur Verfügung.

Querbezüge zur Forschungsfrage lassen sich dadurch herstellen, dass durch die verschiedenen Epochen hindurch das Schulsystem den Erziehungsauftrag in seine Statuten aufgenommen und diesen für sich als zusätzliche Aufgabe neben der Wissensvermittlung definiert und gesetzlich verankert hat. Der Erziehungsauftrag kann nicht per se als Konstante im Bildungswesen angenommen werden, sondern wurde erst im Verlauf der Zeit dem Bildungsauftrag an die Seite gestellt.

3.2.1 Geschichtliche Merkmale

Die wichtigsten Änderungen im Schulwesen der letzten 250 Jahre waren:

- Die Reform Maria Theresias
- Das Reichsvolksschulgesetz 1869
- Die Schulreform 1927
- Das Schulgesetz 1962

3.2.2 Schulreform nach Maria Theresia 1774

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5 Maria Theresia nach Meytens. (fotografiert von Heinz Kröll)

Ausgehend vom Mittelalter unterlag das Schulwesen in seinen Anfängen der kirchlichen Herrschaft, die im Laufe der Zeit in die staatliche Hand überging. Ausschlaggebend für diese Änderung war vor allem die absolutistische Regierungspolitik M. Theresias im 18. Jahrhundert.

Im Jahre 1774 wurde das österreichische Schulrecht durch die „Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämtlichen Kays. Königl. Erblanden“ umstrukturiert. Diese Gesetzesvorschrift bildete die Grundlage für neue Strukturen, die zum Teil bis in die Gegenwart Gültigkeit haben. Auf die Reform Maria Theresias gründet sich auch die Schulpflicht, die damals für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren zum Tragen kam. Die Reform gliederte den Unterricht im Wesentlichen in fünf Teilbereiche:

Häuslicher Unterricht:

Dieser Unterricht wurde durch einen eigenen Privatlehrer abgehalten und ging mit einem großen finanziellen Aufwand einher. Aus diesem Grund war der häusliche Unterricht den Kindern aus gut betuchtem Elternhaus vorbehalten.

Trivialschule:

Die Trivialschule wird in der Literatur auch Regelschule genannt. Die Schüler und Schülerinnen stammten zu über 90 Prozent aus bäuerlichen Familien.

Hauptschulen:

Hauptschulen waren in größeren Städten, an Klöstern und später in jeder Provinzhauptstadt angesiedelt. Sie entsprachen vor allem den Anforderungen des gewerblichen Bürgertums.

Normalschulen:

Diese Art von Schule gab es nur einmal pro Provinz. Diese Schulen wurden überwiegend von Kindern aus „oberen Ständen“, sofern diese keinen privaten Unterreicht erhielten, besucht. Die Normalschule war auch Stätte für die Lehrer/innen-Ausbildung, die in ihren Anfängen drei, dann sechs Monate und zuletzt ein Jahr dauerte.

Gymnasien:

Auf Wunsch des Kaisers war für den Besuch des Gymnasiums eine „gute“ Herkunft vonnöten. Somit war auch diese Schulform den Kindern der Oberstände vorbehalten.

3.2.3 Das Reichsvolksschulgesetz 1869

Mit diesem Gesetz wurde die Pflichtschule vereinheitlicht. In ihren Grundzügen finden sich die Strukturen auch heute noch im Schulgesetz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6 Auszug Reichsvolksschulgesetz 1869

Die wichtigsten Punkte im Überblick:

- Die Unterrichtspflicht wurde von den bisherigen sechs auf acht Jahre angehoben.
- Die Bildungsaufsicht wurde der Kirche nun zur Gänze entzogen und oblag ganzheitlich dem Staat. Religion wurde zu einem eigenen Unterrichtsfach.
- Die Lehrer/innen-Ausbildung wurde auf vier Jahre ausgedehnt (später fünf Jahre) und erfolgte in eigens dafür geschaffenen Lehranstalten. Die Profession des Lehrers wurde in den Beamtenstatus erhoben.
- Der Schulbesuch und der Zugang zum Lehramt an öffentlichen Schulen erfolgten nun unabhängig von Religion oder Herkunft.
- Die Klassengröße wurde auf max. 80(!) Schüler/innen begrenzt.

3.2.4 Die Novelle des Reichsvolksschulgesetzes 1883

In der Novelle des Reichsvolksschulgesetztes wurde mitunter festgelegt, dass der jeweilige Schulleiter derselben Konfession wie die Mehrheit der Schüler angehören musste – das bedeutete kein Direktorenamt für einen Nicht-Katholiken. Darüber hinaus wurde Religion fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip. Erst aufgrund einer Klage eines evangelischen Anwärters auf das Direktorenamt wurde dieser Beschluss 1925 vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erklärt.

Im Weiteren wurden Schulbesuchserleichterungen für die 7. und 8. Schulstufe eingeführt. Dies stellte praktisch eine Verkürzung der Pflichtschulzeit dar. Nach fünf Klassen Volksschule gab es die Möglichkeit, die Bürgerschule zu besuchen – diese dauerte drei Jahre. Mädchen und Burschen wurden nach unterschiedlichen Lehrplänen unterrichtet, d.h. weniger Arithmetik, Geometrie und Zeichnen für die Mädchen, dafür sechs Wochenstunden Handarbeiten.

3.2.5 Die Schulrechtsnovelle 1962

Die Schulgesetze von 1962 (Schulorganisationsgesetz) stellten das österreichische Schulwesen der Zweiten Republik auf eine einheitliche Rechtsbasis. Die Schulpflicht wurde auf neun Jahre verlängert. Die Lehrer/innen-Ausbildung erfolgt seit dem an Pädagogischen Akademien.

Der Schulbesuch an öffentlichen Schulen ist unentgeltlich. Das ist ebenfalls bis heute so geblieben. Eine Ausnahme stellen lediglich die Studiengebühren an Universitäten dar. Im SchOG ist festgelegt, welche Aufgabe die österreichische Schule hat, wie sie gegliedert ist und welchen Inhalt die Lehrpläne haben.

Nachstehend sollen die wichtigsten, mit dem Erziehungsauftrag in Zusammenhang stehenden Passagen des Gesetzes angeführt werden:

§ 2 Aufgabe der österreichischen Schule

(1) Die österreichische Schule hat die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.

Die jungen Menschen sollen zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Sie sollen zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.

§ 3 Gliederung der österreichischen Schulen

1) Das österreichische Schulwesen stellt in seinem Aufbau eine Einheit dar. Seine Gliederung wird durch die Alters- und Reifestufen, die verschiedenen Begabungen und durch die Lebensaufgaben und Berufsziele bestimmt. Der Erwerb höherer Bildung und der Übertritt von einer Schulart in eine andere ist allen hiefür geeigneten Schülern zu ermöglichen. Schüler und Eltern sind über die Aufgaben und Voraussetzungen der verschiedenen Schularten zu informieren und insbesondere in der 4. und 8. Schulstufe sowie vor dem Abschluss einer Schulart über den nach den Interessen und Leistungen des Schülers empfehlenswerten weiteren Bildungsweg zu beraten.

§ 6 (2) Die Lehrpläne haben zu enthalten:

a. die allgemeinen Bildungsziele,
b. die Bildungs- und Lehraufgaben der einzelnen Unterrichtsgegenstände und didaktische Grundsätze
c. den Lehrstoff
d. die Aufteilung des Lehrstoffes auf die einzelnen Schulstufen, soweit dies im Hinblick auf die Bildungsaufgabe der betreffenden Schulart (Schulform, Fachrichtung) sowie die Übertrittsmöglichkeiten erforderlich ist und
e. die Gesamtstundenzahl und das Stundenausmaß der einzelnen Unterrichtsgegenstände (Stundentafel),
f. soweit es schulautonome Lehrplanbestimmungen erfordern, sind Kernanliegen in den Bildungs- und Lehraufgaben oder den didaktischen Grundsätzen oder im Lehrstoff zu umschreiben.

3.3 Sozialisation und Erziehung

Um Erziehung besser einordnen zu können, greife ich zuerst auf eine Definition von Erziehung aus der Literatur zurück. W. Brezinka beschreibt Erziehung wie folgt: "Unter Erziehung werden Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Bestandteile zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten." (Brezinka, W.: 1981, S.95).

Grundsätzlich kann aus dieser Begriffsbestimmung abgeleitet werden, dass es sich bei Erziehung vordergründig um die Vermittlung von Werten und Normen der Gesellschaft handelt. Im Gegensatz zur Sozialisation, die als das Werden der Persönlichkeit als bloßes Geschehen verstanden wird, ist der Begriff der Erziehung um die Intention erweitert. (vgl. Götz, B.: 1978, S. 14ff)

Was ist nun der nähere Zusammenhang zwischen Sozialisation und Erziehung? In der Literatur von W. Brezinka wird von einer Einbettung der Erziehung im Sozialisationsgeschehen gesprochen. Erzieherische Handlungen und deren Wirkung können nur im Zusammenhang mit anderen prägenden Faktoren eingeschätzt werden. Brezinka führt aus, dass die tatsächliche Wirkung von Erziehung nicht nur der Erziehung selbst, sondern dem gesamten Bedingungszusammenhang zugeschrieben werden muss. Bei diesem Erklärungsansatz stellen die erzieherischen Handlungen die unabhängige Variable dar, welche auf die Persönlichkeit als abhängige Variable einwirken.

Erzieherisches Handeln kann auf der anderen Seite aber auch als abhängige Variable betrachtet werden. „Das heißt, dass Formen, Inhalte und Ziele der Erziehung mitbedingt sind durch sozioökonomische, ökologische und ökonomische Strukturen: z.B. Herkunft, Schichtzugehörigkeit, räumlich-soziale Umwelt, Berufsstatus usw. der Eltern bzw. Lehrer.“ (Götz, B.: 1978, S. 15) Aus diesem Betrachtungsmuster lässt sich eine Verflechtung von geistlich-kulturellen, gesellschaftlichen und geschichtlichen Faktoren erkennen.

Zusammengefasst lassen sich daraus zwei Bedeutungsvorstellungen von Einbettung der Erziehung in das Sozialisationsgeschehen unterscheiden (Götz, B.: 1978, S 16):

1. Absichtliche erzieherische Handlungsversuche stellen nur eine Teilmenge des gesamten Sozialisationsgeschehens und seiner Wirkung auf die Persönlichkeitsentwicklung dar. Man könnte hier von der These der Gleichzeitigkeit erzieherischer Handlungen und formender Sozialisationseinflüsse sprechen.
2. Absichtliche erzieherische Handlungsversuche sind selbst in Form, Ziel und Inhalt von gesellschaftlichen Bedingungsfaktoren abhängig. Man könnte hier von der These der gesellschaftlichen Vermittlung erzieherischer Handlungen sprechen.

Die Grundvorstellung der Einbettung im Sinne der Gleichzeitigkeit beabsichtigter Erziehungshandlungen und übergreifender sozialisatorischer Prägungsprozesse wird bei Emile Durkheim deutlich.

„Erziehung ist die Einwirkung der erwachsenen Generation auf diejenigen, die noch nicht reif sind für das Leben in der Gesellschaft. Sie zielt darauf ab, beim Kind eine Reihe physischer, geistiger und sittlicher Kräfte zu wecken und zu fördern, die die politische Gesellschaft in ihrer Gesamtheit und das jeweilige Milieu, für das in besonderer Weise bestimmt ist, von ihm fordern.“ (Durkheim, E. zitiert in: Klafki, W.: 1970, S 193)

Hierunter versteht Durkheim die geplante und methodische Einwirkung der Erwachsenen auf die Kinder.

Weiters schreibt Durkheim: „Diese Einwirkung ist immer gegenwärtig und ist allgemein. Es gibt keine Periode im sozialen Leben, nicht einmal (…) einen Augenblick während des Tages, wo die jüngeren Generationen nicht in Kontakt mit den älteren stehen und wo sie deshalb von ihnen nicht irgendeine erzieherische Beeinflussung empfangen. Es gibt eine unbewusste Erziehung, die niemals aufhört. Durch unser Beispiel, durch die Worte, die wir äußern, durch die Handlungen, die wir vollziehen, formen wir ständig die Seelen unserer Kinder.“ (Durkheim, E. zitiert in: Götz, B.: 1978, S 17)

Hier liegt die Betonung auf der Allgegenwärtigkeit des Erziehungsprozesses. Man kann sich ihm nicht entziehen, er prägt ständig die Persönlichkeit des Kindes.

Das kann so verstanden werden, dass Kinder während ihres ganzen Erwachsenwerdens der Formung durch die Erwachsenen nach ihrem Vorbild unterworfen sind. Erzieherische Handlungen können dabei manifest und gezielt vor sich gehen, aber auch latent während des Interaktionsprozesses stattfinden. Jede Handlung die durch die Erwachsenen gesetzt wird, prägt die Persönlichkeit des Kindes, somit spiegelt das Verhalten der Kinder die Werte der Gesellschaft, im speziellen des sozialen Umfeldes in dem sie leben, wider. Im Weiteren kann Erziehung immer nur als Teilbereich des gesamten Gesellschaftssystems betrachtet werden.

Nun sollen einige Bestimmungsmerkmale, wie die Schaffung des sozialen Wesens vor sich geht, erläutert werden (vgl. Klafki, W.: 1970, S 263-270).

3.3.1 Sozialisation als Übernahme kulturspezifischer Normen und Werte

Von frühester Kindheit an lernen wir, dass es bestimmte Normen und Werte gibt, deren Einhaltung durch Kontrolle und Strafe bei Verstößen gesichert wird. Die zu vermittelnden Normen und Werte werden durch die jeweilige Gesellschaft definiert.

Ein Auszug von Margaret Mead über die Manus aus Neguinea, bei denen Besitz als Heiligkeit gilt, macht diese Einhaltungs- und Sanktionsmechanismen deutlich.

„… Auf Manus dagegen, wo Besitz als heilig gilt und man um verlorene Dinge jammert wie um einen Toten, wird den Kindern Respekt vor dem Besitz von den ersten Jahren an beigebracht. Ehe sie noch laufen können, werden sie getadelt und bestraft, wenn sie irgendetwas anfassen, was ihnen nicht gehört. – Nie werden Dinge, die das Kind nichts angehen, aus seiner Reichweite genommen…“ (Mead, M. zitiert in Klafki, W.: 1970, S 263 f)

3.3.2 Sozialisation als Erlernen von Rollen und Einnehmen von Positionen

An einzelne Positionen, auch Status genannt, die man innerhalb einer Gruppenstruktur erwirbt, sind auch bestimmte Verhaltenserwartungen gebunden, welche auch Rollenvorschriften genannt werden. An die einzelnen Positionen werden somit bestimmte Verhaltenserwartungen gebunden.

Helmut Fend (1981 90ff) unterscheidet weiter zwischen zugewiesenen und erworbenen Rollen. Zugewiesene Rollen sind solche, die biologisch oder durch andere Kriterien bestimmt sind. Das Individuum kann sie nicht beeinflussen wie z.B. Alter, Geschlecht, Rasse, Abstammung. Erworbene Rollen sind solche, die das Individuum in bestimmtem Maße beeinflussen kann z.B. Einstellung, Aktivitäten, usw.

3.3.3 Sozialisation als lebenslanger Prozess

Rollen werden bereits als Kind erlernt, eines der wichtigsten Stadien umfasst die Schülerrolle, mit der weitreichende Erwartungen verbunden sind. Der Beruf ist wiederum mit einer neuen Rolle verbunden. Die Rollenvielfalt erweitert und verändert sich im Laufe des Lebens.

[...]

Ende der Leseprobe aus 138 Seiten

Details

Titel
Schwerstarbeit im Klassenzimmer - Subjektive Wahrnehmungen des pädagogischen Auftrages
Untertitel
Eltern vs. Pädagogen/Innen, Erziehungsauftrag vs. Wissensvermittlung, Selbst- und Fremdzuschreibungen
Hochschule
Johannes Kepler Universität Linz  (Abteilung für theoretische Soziologie und Sozialanalysen)
Note
3,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
138
Katalognummer
V119375
ISBN (eBook)
9783640260201
ISBN (Buch)
9783640260508
Dateigröße
1215 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schwerstarbeit, Klassenzimmer
Arbeit zitieren
Mag. Melanie Knoll (Autor:in), 2007, Schwerstarbeit im Klassenzimmer - Subjektive Wahrnehmungen des pädagogischen Auftrages, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/119375

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