Wie verstehen Kinder die Bibel?

Kindertheologie als bibeldidaktischer Weg


Hausarbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Kindliche Exegese im Kontext der Bibeldidaktik
2.1 Die Bibeldidaktik: ein Überblick
2.2 Kinder als Exegeten?

3. Wie deuten Kinder biblische Geschichten?
3.1 Kindliche Interpretationen des Gleichnisses vom `verlorenen Schaf´

4. Resümee

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Kindertheologie als eine von Kindern selbst hervorgebrachte Theologie ist in den letzten Jahren auf breite Resonanz gestoßen. Verstanden als ein dreidimensionales Programm einer Theologie der Kinder, für Kinder und mit Kindern wird Kindertheologie zunehmend in das Bildungsprogramm von Kindergärten, Vorschulen und Schulen integriert, um durch eine bewusste Förderung kindlicher Theologie, d.h. einer selbsttätigen Entfaltung theologischer Kompetenzen, gleichsam eine umfassende und vielseitige Selbstbildung des Kindes zu gewährleisten, letztlich mit dem Ziel der `Entwicklung zu einer gemeinschaftsfähigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeit´. Der Wandel im Kindesbild und das Vertrauen in die kindliche Kompetenz, eigenständig religiöse Vorstellungen entwickeln und reflektieren zu können, spielen dabei neben weiteren wesentlichen Grundsätzen des Programms, z.B. einer grundlegenden Ernstnahme kindlicher Äußerungen, eine entscheidende Rolle.[1]

Kindertheologie als Programm erstreckt sich über verschiedene Bereiche, die sowohl das eigenständige und selbsttätige Fragen-Stellen und Nachdenken der Kinder z.B. über Gott als auch das bewusste Theologisieren mit Kindern durch Eltern, ErzieherInnen und LehrerInnen implizieren. An dieser Stelle, an der Kommunikation und Interaktion zu tragenden Elementen des Umgangs mit Kindern und ihrer Theologie sowie kindliche Vorstellungen durch biblische Bezüge herausgefordert werden, setzt der religionspädagogische Ansatz der Bibeldidaktik ein. Wenngleich die bibeldidaktischen Aufgaben vielfältig sind, lassen sich doch grob auf einen Aspekt zusammenfassen: Bibeldidaktik soll den Zugang zu biblischen Texten durch Schaffung eines entsprechenden Rahmens ermöglichen, sodass subjektive Erfahrungen mit biblischen Traditionen in Verbindung gebracht werden können. Die Auslegung biblischer Texte durch Kinder bildet dabei eine nicht unbedeutsame Rolle. Wie deuten und verstehen Kinder biblische Texte? Kann man Kinder, wenn doch bereits als Theologen tituliert, dann nicht auch als eigenständige Exegeten bezeichnen?

Zur Klärung dieser Leitfragen soll im Folgenden zunächst der bibeldidaktische Ansatz selbst ausgeführt und neben einer überblickhaften Darstellung der wesentlichen Grundsätze und Aufgaben auch seine Bedeutung für das Programm einer Kindertheologie herausgestellt werden, bevor dann in einem nächsten Schritt die kindliche Exegese unter vorheriger Berücksichtung der wissenschaftlichen Auslegungsmethodik beleuchtet und anhand eines Beispiels aus der Gattung der Gleichnisse untermauert werden soll. Den Abschluss dieser Arbeit bildet dann ein Resümee, in dem alle wesentlichen Aspekte kindlicher Deutung hinsichtlich der kindertheologischen und bibeldidaktischen Überlegungen noch einmal ausblickhaft zusammengefasst werden sollen.

Um dem Rahmen dieser Arbeit gerecht zu werden, bedarf es jedoch diverser Einschränkungen: So werden weder die Geschlechtlichkeit der Kinder noch die einzelnen Gattungen der Bibel berücksichtigt werden können.

2. Kindliche Exegese im Kontext der Bibeldidaktik

Das zunehmende Bemühen um eine Kindertheologie als eine von Kindern selbst hervorgebrachte und in dem Sinne selbsttätig entwickelte Theologie, in der Kinder die Möglichkeit haben, ihre Gedanken über religiöse Aspekte auf ihre eigene Weise, d.h. ohne belehrende Eingriffe von Seiten Erwachsener zu äußern und zu reflektieren, führt letztlich dazu, Kinder als eigenständige Theologen zu bezeichnen, die in ihren theologischen Kompetenzen und Einsichten durch Anregungen gefördert werden sollen. Dieses kindertheologische Selbstverständnis schließt dabei sowohl die Entwicklung von Gottesbildern und anderen religiösen Glaubensinhalten als auch die Deutung biblischer Geschichten mit ein.[2] Hinsichtlich eines angemessenen, kindgerechten Umgangs mit kindlichen Vorstellungen und Deutungen ist dabei vor allem der im Folgenden näher auszuführende Ansatz einer Bibeldidaktik von besonderer Bedeutung.

2.1 Die Bibeldidaktik: ein Überblick

„Die Religionspädagogik, in der Form, wie sie sich in der Neuzeit entwickelt hat, nämlich als das Bemühen, Kindern einen angemessenen Zugang zum Glauben zu ermöglichen, ist immer von bibeldidaktischen Überlegungen ausgegangen.“[3]

Ein Blick auf die bibeldidaktische Entwicklung macht deutlich, dass Überlegungen hinsichtlich eines angemessenen Umgangs mit der Bibel im Religionsunterricht seit dem Beginn der Entwicklung bewusst durchdachter Konzeptionen desselben stets eine bedeutsame Rolle gespielt haben. Dem heutigen Verständnis von Bibeldidaktik und Religionsunterricht sind zahlreiche Konzepte und Ansätze vorausgegangen, die sich wie ein roter Faden durch das 20. Jahrhundert ziehen. Im Vordergrund hat dabei stets die Frage nach einem möglichen Zugang zu biblischen Texten gestanden, ein Zugang, mit dem die Bedeutung der Bibel als Glaubenszeugnis bzw. Wort Gottes und der Inhalt der einzelnen Texte angemessen vermittelt werden kann.[4] Eine detaillierte und vergleichende Darstellung der einzelnen Entwicklungsschritte und Konzepte wird an dieser Stelle jedoch kaum möglich sein, da diese dem Rahmen der Arbeit nicht gerecht werden könnte, sodass im Folgenden vorwiegend das aktuelle Bild der Bibeldidaktik mit Blick auf seine Bedeutung für das Programm einer Kindertheologie im Fokus stehen wird.

Der religionspädagogische Ansatz der Bibeldidaktik hat seine Operationen zur Erschließung bibischer Texte stets auf der Voraussetzung eines `homogenen Kontexts´ gegründet, d.h. auf die mehr oder weniger wechselseitige Verbindung von historisch bedeutenden Traditionen und der individuellen sowie sozialen Wirklichkeit, wobei den Traditionen stets eine unbedingte Legitimität und Anerkennung zugekommen war.

Dieses Bild konnte den sich zunehmend verändernden Lebensund Denkweisen der Gesellschaft auf Dauer jedoch nicht standhalten: Die Gesellschaft zeichnete sich zunehmend durch eine Multikulturalität aus, die es nahezu unmöglich machte, die Legitimität des bisher vorherrschenden Traditionssystems aufrechtzuerhalten. Vielmehr war der gesellschaftliche Kontext durch die Entstehung pluraler Traditionsund Lebensformen gekennzeichnet, was sich zwangsläufig in einer Individualisierung und Mehrperspektivität in Bezug auf Traditionen, Werte und Lebensweisen äußerte, sodass sich die Religionspädagogik in der Konsequenz vor die Aufgabe gestellt sah, die bisherigen bibeldidaktischen Überlegungen von diesen Veränderungen her neu zu konzipieren.

Bibeldidaktik ist auf diesem Hintergrund als ein unmittelbarer Bestandteil des pädagogischen Feldes zu betrachten, in dem das Subjekt in seiner Beziehung zur Wirklichkeit, zur Welt und zum Menschen das Zentrum bildet, mit dem Ziel, die Selbstkonstruktion eines autonomen Subjekts durch die Suche nach Wahrheit in der Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Grundfragen des sozialen und persönlichen Lebens zu fördern.[5]

„Die pädagogische Aufgabe besteht deshalb darin, alles einzusetzen, damit das Subjekt einen Weg zu seiner Umwelt findet, seine Verantwortung wahrnimmt, sich die Grundfragen aneignet, auf die jeweiligen Antworten kritisch hört und sie auch ändert, in der Hoffnung, dass es dadurch eine humanisierte Zukunft aufbauen kann.“[6]

Mithilfe einer Bibeldidaktik im Religionsunterricht soll ein Zugang zur Bibel ermöglicht werden, der die Kinder und Jugendlichen in ihrer Individualität anspricht und in einem intersubjektiven Dialog zwischen Lernenden und Lehrendem „die Konstruktion des autonomen Subjekts und die Konstruktion von neuen Formen der Mitmenschlichkeit ermöglicht“[7] – eine Rahmenbedingung, die auch für das Programm einer Kindertheologie von grundlegender Bedeutung ist.

Dabei stehen vor allem zwei bibeldidaktische Grundsätze im Vordergrund: Zum einen gilt es, die Bibel als `Darstellung menschlicher Grundbefindlichkeit in poetischreligiöser Form´ in ihrer Mehrperspektivität anzuerkennen. Es geht also nicht mehr darum, das Entscheidende des Glaubens zu präsentieren oder die biblischen Texte in ihrer ursprünglichen Bedeutsamkeit herauszustellen und zu vermitteln. Vielmehr stehen der jeweilige Inhalt des biblischen Textes und sein Bezug zur gegenwärtigen Situation und Erfahrung des Subjekts im Vordergrund. Die Mehrperspektivität eröffnet den Zugang zu einer Vielfalt möglicher Glaubensvorstellungen, die dem Einzelnen im intersubjektiven Dialog zur Konstruktion einer persönlichen Überzeugung verhelfen kann. Zum anderen liegt das Selbstverständnis vor, dass Lernen in erster Linie immer Bereicherung und Fortschritt bedeutet, der mit dem Wunsch eines `Überschreiten des Gegebenen und einem Umstürzen der etablierten Ordnung´ einhergeht. Da Bibeldidaktik auf eine wirkungsgeschichtliche Annäherung zwischen Bibel und Subjekt abzielt, muss sie einen entsprechenden Rahmen schaffen und entsprechendes Material zur Verfügung stellen, z.B. narrative Texte, damit sowohl die erwünschte Annäherung und Erfahrungsnähe als auch die Selbstkonstruktion des Subjekts gewährleistet werden kann. Bei der Auswahl eines biblischen Textes steht also weniger der Sinn als die `Dramaturgie´ desselben im Vordergrund, um anschließend zu sehen, ob und wie diese „den affektiven und kognitiven Möglichkeiten von Kindern und Jugendlichen entsprechen kann“[8]. Offen bleibt an dieser Stelle jedoch, welche biblischen Texte letztlich für den Religionsunterricht wirklich geeignet sind, da die Ansichten diesbezüglich weit auseinander gehen.

Aber auch ohne dieses genaue Wissen wird deutlich: Dem bibeldidaktischen Ansatz kommt eine wichtige Aufgabe zu, da es ohne einen angemessenen Zugang zur Bibel kaum möglich wäre, die Vergangenheit wahrzunehmen, die Gegenwart zu verstehen und Zukunftsperspektiven zu entwickeln. Biblische Texte könnten nur in ihrer Ursprünglichkeit betrachtet, aber nicht mehr in Beziehung zur gegenwärtigen Situation gesetzt werden, sodass der Text weitergehend auch keine unterstützende oder Rat gebende Funktion einnehmen könnte.[9]

[...]


[1] Vgl. Bucher (2002): S.9ff. , Schweitzer (2003): S.9ff. sowie Kunze-Beiküfner (2008): S.47ff.

[2] Vgl. Bucher (2002): S.9ff. sowie Müller (2003): S.19.

[3] Schori (1999):S.19.

[4] Berg (1993): S.96ff.

[5] Baumann (1999): S.34ff.

[6] Baumann (1999): S.37.

[7] Baumann (1999): S.38.

[8] Baumann (1999): S.41.

[9] Vgl. Baumann (1999): S.33.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Wie verstehen Kinder die Bibel?
Untertitel
Kindertheologie als bibeldidaktischer Weg
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Religionspädagogik/ Bibeldidaktik
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V118902
ISBN (eBook)
9783640220205
ISBN (Buch)
9783640230051
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine sehr gute Arbeit, die in überzeugender Gliederung die aktuelle bibeldidaktische Herausformung beschreibt und mit dem Programm der Kindertheologie diskursiv verbindet.
Schlagworte
Kinder, Bibel, Religionspädagogik/, Bibeldidaktik
Arbeit zitieren
Christina Busch (Autor:in), 2008, Wie verstehen Kinder die Bibel? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118902

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