Trinität bei Meister Eckhart


Seminararbeit, 2001

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Hauptteil
2. 1 Leben und Werk Meister Eckharts
2. 2 Grundzüge von Eckharts Lehre
2. 2. 1 Die Vorläufer: Der Neuplatonismus und seine christliche Rezeption
2. 2. 2 Der Primat des Erkennens in Gott nach der ersten Pariser Quaestio
2. 2. 3 Die Identifizierung von Gott und Sein im Opus Tripartitum
2. 2. 4 Das Verhältnis des Schöpfers zu den Geschöpfen
2. 3 Meister Eckharts Trinitätstheologie
2. 3. 1 Traditionelle Züge
2. 3. 2 Innovative Züge

3. Schluß

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Gleich einer Oase in der Wüste des scholastischen Mittelalters erscheint uns die Mystik Meister Eckharts, des eigentlichen Vaters der deutschen Mystik“[1] - mit diesen Worten preist Kurt Leider einen Mann, der zu den bedeutendsten Denkern des Mittelalters gehörte, an dem sich aber beinahe von Anfang an die Geister schieden - und bis heute ist die Frage, wie seine Gedanken letztlich zu bewerten seien, umstritten[2].

Nichtsdestoweniger hat er in neuerer Zeit einen „Boom“ erlebt im Strome eines allgemeinen Interesses an „Mystik“ (vgl. z. B. Hildegard von Bingen als weibliche Vertreterin): Ob als „normative Gestalt geistlichen Lebens“ (so ein Buchtitel von A. M. Haas) oder durch (vermeintliche) Parallelen zu fernöstlich-mystischen Traditionen (untersucht z. B. von A. Wilke im Vergleich mit dem indischen Philosophen Sámkara).

Eckhart ist aber nicht „nur“ Mystiker - eine Bezeichnung, die in neuerer Zeit in der Eckhartforschung umstritten ist[3] - sondern, wie er selber im Vorwort zu seinem Johanneskommentar sagt, auch Theologe und Philosoph, wobei Theologie und Philosophie für ihn unmittelbar miteinander verknüpft sind.

Das Hauptthema Eckharts ist die „Einheit“, was besonders in seiner Spiritualität zum Tragen kommt (Einung/unio des Menschen mit Gott durch „ledig werden“ von allem, was nicht Gott ist); dies ist der Bereich, wo Eckharts „Mystiker-Sein“ anzusiedeln ist.

Aber auch in seiner Theologie findet sich der Einheitsgedanke immer wieder: Einheit zwischen Gott und Welt, Einheit zwischen Schöpfer und Geschöpf, Einheit in Gott selbst. Hier liegt jedoch eine der großen Schwierigkeiten, die Eckharts Denken für ein christliches Gottesverständnis mit sich bringt: Wenn Gott (nur) der Eine schlechthin ist - wie kann Trinität, die ja auch in der „orthodoxen“ Theologie eine Gratwanderung darstellt, dann noch gedacht werden ? Hat Eckhart sie überhaupt gedacht, und wenn ja, scharf genug, um der christlichen Überzeugung von dem einen Gott in drei Personen treu zu bleiben ? Diese Fragen näher in den Blick zu nehmen, soll in der vorliegenden Hausarbeit versucht werden.

Hierbei werde ich zuerst Eckhart als Person vorstellen sowie einen Überblick über sein Werk und einige darin enthaltene Hauptthemen geben, weil man Eckhart m. E. nur gerecht werden kann, wenn man die Perspektive, unter der er schreibt (nämlich die des Predigers, der seine Leser zur „Abgeschiedenheit“ führen will !), stets mitberücksichtigt. Sodann werde ich das neuplatonische Denken, aus dem Eckhart wesentliche Anregungen bezogen hat, skizzieren, um schließlich seine Trinitätstheologie unter dem Aspekt von Tradition einerseits und Innovation andererseits zu beleuchten.

2. Hauptteil

2. 1 Leben und Werk Meister Eckharts

Die uns heute vorliegenden biographischen Daten Eckharts stützen sich im wesentlichen auf die Forschungen Josef Kochs. Danach wurde Eckhart um 1260 in Thüringen in einem Dorf namens Hochheim geboren.[4] Er trat bereits als Kind oder Jugendlicher in das Dominikanerkloster Erfurt ein bzw. wurde diesem übergeben.

Im Jahr 1277 war er Student der „artes liberales“ (Sieben freie Künste) in Paris, welche die Grundlage für das anschließende philosophisch-theologische Studium bildeten. Dieses begann er um 1280 und zwar - wie alle deutschen Dominikaner - in Köln.[5]

Im Schuljahr 1293/94 hielt er als „Bakkalaureus“ in Paris eine Vorlesung über die „Sentenzen“ des Petrus Lombardus (+1160); diese waren zu jener Zeit das scholastische Grundlagenbuch der Dogmatik. Der als Grundlage für diese Vorlesung dienende Sentenzenkommentar liegt uns vielleicht in schriftlicher Form vor;[6] auf jeden Fall ist die „Collatio in libros Sententiarum“, sozusagen seine Antrittsrede, erhalten.

Danach wurde er Prior in Erfurt und Vikar der „Ordensnation“ Thüringen. Als solcher führte er mit jüngeren Ordensmitgliedern Lehrgespräche, aus denen das erste deutschsprachige Werk, die „Reden der Unterweisung“ (RdU) hervorgingen.[7] In diese Zeit fallen die frühen deutschen Predigten.

1302 ging er erneut nach Paris, um dort als Magister der Theologie (=>

„Meister“ Eckhart) exegetische Vorlesungen zu halten[8] (Erstes Pariser Magisterium). Dessen Frucht sind die drei „Pariser Quaestionen“ ( = im akademischen Diskurs behandelte Streitfragen), die sich mit dem Verhältnis von Sein und Erkennen beschäftigen.

Nach Beendigung seines einjährigen Magisteriums wurde er Provinzial der neugegründeten Ordensprovinz Saxonia. In der folgenden Zeit hielt er die zweite große Gruppe deutscher Predigten. 1310 wurde Eckhart sogar noch zum Provinzial der Teutonia gewählt - ein Amt, das er aber nicht antrat, da er 1311 erneut Magister in Paris wurde - diese Auszeichnung war zuvor nur Thomas von Aquin zuteil geworden.[9] Während des Magisteriums oder kurz darauf[10] schrieb Eckhart sein wichtigstes lateinisches Werk, das „Opus tripartitum“, welches allerdings Fragment blieb.

Das zweite Pariser Magisterium dauerte vermutlich zwei Jahre, denn im April 1314 wird Eckhart als Generalvikar des Ordensgenerals in Straßburg erwähnt, als solcher war er für die spirituelle Betreuung von Männer- und Frauenklöstern zuständig.[11] In dieser Zeit - nach K. Ruh 1318[12] - entstand das deutsche „Buch der göttlichen Tröstung“ (BgT, lat. „Liber benedictus“). Es gehörte zur Gattung der Trostbücher und war der Königin Agnes von Ungarn gewidmet.

Etwa 1323 wurde Eckhart nach Köln als Leiter des Generalstudiums der Dominikaner berufen. Zu seinen Schülern gehörten auch die berühmten Mystiker Johannes Tauler (1300-1361) und Heinrich Seuse (1295-1366). - In die Straßburger und Kölner Zeit fällt die letzte große Gruppe Eckhart`scher Predigten. Insgesamt sind über 100 Eckhart zugeschriebene Predigten überliefert.[13]

Seine Lehrtätigkeit endete abrupt mit dem Beginn des Inqusitionsprozesses 1326. Dieser ist in drei Phasen gegliedert: Zunächst eröffnete Eckharts Mitarbeiter in Köln, Nikolaus von Straßburg, in seiner Eigenschaft als päpstlicher Visitator ein Verfahren zur Überprüfung von Eckharts Rechtgläubigkeit.[14] Dieses endete mit einem Freispruch.

Dennoch eröffnete der Kölner Erzbischof im Sommer 1326 einen Inquisitionsprozeß gegen Eckhart[15], bei dem durch eine dreiköpfige Kommission verdächtige Sätze in Listen zusammengestellt und Eckhart zur Rechtfertigung vorgelegt wurden, was dieser in der „Rechtfertigungsschrift“ vom 26. 9. 1326 auch sehr selbstbewußt tat.

Eckhart jedoch sprach der Kölner Kommission wegen seiner Ordenszugehörigkeit die Zuständigkeit für seine Sache ab und appellierte an den päpstlichen Stuhl in Avignon. Dort prüfte eine päpstliche Kommission Eckharts Lehre - allerdings bereits auf Grundlage der Kölner Listen - und beurteilte 28 der rund 150 Sätze als häretisch. Am 27. 3. 1329 schließlich erschien die päpstliche Verurteilungsbulle „In agro dominico“, die 17 Sätze als häretisch, 11 als „übelklingend und sehr kühn“ bezeichnete.

Die Verurteilung hat Eckhart nicht mehr erlebt; er starb Anfang 1328 in Avignon.[16]

2. 2 Grundzüge von Eckharts Lehre

Da Eckharts Trinitätslehre in enger Verbindung zu seinem gesamten philosophisch-theologischen Konzept steht, sollen thematische Grundzüge seines Denkens, in denen sich seine Gotteslehre manifestiert, hier in knapper Form vorgestellt werden.

Eckhart selbst gibt an, es sei seine Absicht, „die Lehren des christlichen Glaubens und der Schrift beider Testamente mit Hilfe der rationes naturales, der Vernunftgründe, der Philosophen auszulegen.“[17] Er will sich also im Bereich des Glaubens - zu dem ja auch die Gotteslehre gehört - auf philosophische Autoritäten stützen. „Damit ist freilich der Boden der Scholastik, die eine natürliche Gotteserkenntnis im Spiegel der Kreaturen von einer übernatürlichen im Lichte des Glaubens unterschied, verlassen.“[18]

Bei diesen Autoritäten „handelt es sich eher um platonisch-neuplatonische denn aristotelisch-thomistische Interpretationen von Gott und Welt.“[19] Deshalb werde ich zunächst kurz auf die im Neuplatonismus und dessen christlicher Rezeption liegenden philosophischen Wurzeln Eckharts eingehen.

2. 2. 1 Die Vorläufer: Der Neuplatonismus und seine christliche Rezeption

Josef Koch versteht unter Neuplatonismus „zunächst die philosophische Bewegung, die von Plotin ausgeht und in Proklos ihren letzten großen Vertreter hat.“[20]

Plotin (205-270) ist in unserem Zusammenhang besonders deshalb interessant, weil er zwar „das Christentum ab[lehnte], sachlich [...] jedoch zu den Wegbereitern für das trinitarische Denken“[21] gehörte. Für ihn war „das schlechthin Eine, das zugleich das Gute ist, das Weltprinzip.“[22] Dieses schlechthin Eine (unum superexaltatum) ist über jeder Zweiheit, man kann von ihm nur in der Negation sprechen und das Viele fällt von ihm ab, wird degradiert.[23]

Das Eine ist also nicht das Sein, „Sein aber ist aus dem Einen und durch es. [...] Sein ist der Hervorgang des Einen.“[24] Wichtig für die Gotteslehre ist, daß „wesentliche Elemente seines Geist-Begriffes mit einigen charakteristischen Grundzügen des christlichen Gottesbegriffes [...] übereinkommen.“[25] Dies ist deshalb wichtig, weil das „aus und außer dem Einen seiende Sein [...] wesentlich Geist [ist], der sich auf sich selbst und seinen Ursprung [nämlich das Eine, M.K.] denkend zurückführt. Geist ist daher bestimmbar als die Selbstreflexion des Seins.“[26] - Daß diese Gedanken in der christlichen Trinitätsspekulation auf fruchtbaren Boden fielen, liegt nahe, besonders, weil Geist „demnach als Einheit oder Identität in der Differenz zu denken [ist]; er ist ¢en polla, Viel-Eines.“[27] Plotin hatte „damit bereits eine Theorie vorgelegt, die den Geist trinitarisch reflexiv dachte, ihn jedoch streng von seinem Gottesbegriff, dem Einen, trennte“.[28]

[...]


[1] Leider, Kurt, Deutsche Mystiker. Meister Eckhart - Nikolaus von Kues - Jakob Böhme, Hamburg 1973, 10

[2] Vgl. Ruh, Kurt, Meister Eckhart. Theologe - Prediger - Mystiker, München 1985, 13ff. [Künftig zitiert: Ruh, Eckhart]

[3] Vgl. Wilke, Annette, Ein Sein - ein Erkennen. Meister Eckharts Christologie und Sámkaras Lehre vom Atman: Zur (Un-)Vergleichlichkeit zweier Einheitslehren, Bern u. a. 1995 (=Studia religiosa Helvetica; Series altera; 2), 31 [Künftig zitiert: Wilke, Sein]

[4] Vgl. Koch, Josef, Zur einführung, in: Nix, Udo/Öchslin, Raphael (Hrsg.), Meister Eckhart der Prediger. Festschrift zum Eckhart-Gedenkjahr, Freiburg im Breisgau 1960, 1ff. [Künftig zitiert: Koch, Einführung]
Es ist allerdings unsicher, ob es sich um Hochheim bei Gotha oder bei Erfurt handelt und ob Eckhart aus einer adligen Familie stammt.

[5] Kurt Ruh plädiert allerdings dafür, daß Eckhart auch dieses Studium in Paris absolviert hat, vgl. Ruh, Eckhart, 20

[6] Zur Auseinandersetzung um die Verfasserschaft Eckharts vgl. Dempf, Alois, Meister Eckhart, Freiburg i. Br. 1960, 27ff. [Kündtig zitiert: Dempf, Eckhart] gegen Soudek, Ernst, Meister Eckhart, Stuttgart 1973, 25 [Künftig zitiert: Soudek, Eckhart]

[7] Ruh nennt die RdU „ein Buch, das der Meister bei gegebenem Anlaß auch in sehr viel späteren Jahren hätte schreiben können“ (Ruh, Eckhart, 43) - es enthält also bereits Grundzüge von Eckharts neuartigen Gedanken.

[8] In dieser Zeit scheint er die für ihn charakteristischen theologischen Gedanken entwickelt zu haben; vgl. Kampmann, Ingrid, Ihr sollt der Sohn selber sein. Eine fundamentaltheologische Studie zur Soteriologie Meister Eckharts, Frankfurt a. M. 1996 (=Europäische Hochschulschriften, Reihe 23: Theologie; Bd. 579) Zugl.: Bochum, Univ., Dissertation 1994, 39

[9] Dies hing wahrscheinlich mit der Rivalität zwischen Dominkanern und Franziskanern zusammen, so daß möglichst hochrangige Vertreter der beiden Bettelorden an der berühmten Universität tätig sein sollten, vgl. Wehr, Gerhard, Meiser Eckhart, Hamburg 1989, 32 [Künftig zitiert: Wehr, Eckhart]

[10] Vgl. hierzu Ruh, Eckhart, 72 gegen Dempf, Eckhart, 32 und Soudek, Eckhart, 24

[11] Evtl. hat er auch Lehrtätigkeit ausgeübt, vgl. Soudek, Eckhart, 18

[12] Vgl. Ruh, Eckhart, 117

[13] Vgl. Wehr, Eckhart, 78

[14] Ruh kommt zu dem Schluß, daß Nikolaus mit diesem Verfahren, das Eckharts deutsche Schriften zum Gegenstand hatte, einem Prozeß des Kölner Erzbischof zuvorkommen wollte; dieses Ansinnen blieb allerdings erfolglos, vgl. Ruh, Eckhart, 169

[15] Den Anlaß zum Prozeß haben wohl mißgünstige Mitbrüder aus dem Dominikanerorden gegeben, vgl. Ruh, Eckhart, 170

[16] Vgl. Koch, Einführung, 20f.

[17] In Ioh. n. 2., LW III, 4 Zitiert nach: Ruh, Eckhart, 75

[18] Ruh, Eckhart, 77

[19] Hauke, Rainer, Trinität und Denken. Die Unterscheidung der Einheit von Gott und Mensch bei Meister Eckhart, Frankfurt a. M. 1986 ( = Kontexte; 3) [Künftig zitiert: Hauke, Trinität]

[20] Koch, Josef, Augustinischer und dionysischer Neuplatonismus und das Mittelalter, in: Beierwaltes, Werner (Hrsg.:) Platonismus in der Philosophie des Mittelalters, Darmstadt 1969, 317 - 342 [Künftig zitiert: Koch, Neuplatonismus]

[21] Hauke, Trinität, 159

[22] Koch, Neuplatonismus, 321

[23] Vgl. ebd., 322

[24] Beierwaltes, Werner, Platonismus und Idealismus, Frankfurt a. M. 1972, 18 [Künftig zitiert: Beierwaltes, Platonismus]

[25] ebd.

[26] ebd.

[27] ebd., 20

[28] Hauke, Trinität, 160

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Trinität bei Meister Eckhart
Hochschule
Universität Münster  (Katholisch-Theologische Fakultät)
Veranstaltung
Unterseminar: Deutsche Mystik - ein Beispiel mittelalterlicher Philosophie. Teil II
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
24
Katalognummer
V11879
ISBN (eBook)
9783638179249
ISBN (Buch)
9783638642149
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Meister Eckhart, Trinitätstheologie
Arbeit zitieren
Magnus Kerkloh (Autor:in), 2001, Trinität bei Meister Eckhart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11879

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