Zur Reproduktion der Management-Elite: Eine Analyse von Verfahren und Kriterien


Diplomarbeit, 2008

78 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Theoretische Ansätze der Elitesoziologie
2.1.1 Zum Begriff der Elite
2.1.2 Reproduktionsmechanismen von Eliten
2.1.3 Funktionen von Eliten
2.2 Leistung als Zugehörigkeitsbedingung von Eliten
2.2.1 Zum Begriff der Leistung
2.2.2 Zur Herleitung eines Leistungsbegriffs
2.2.3 Der Leistungsbegriff im Rahmen von Funktionseliten

3 Analyse des Reproduktionsmechanismus der Management-Elite
3.1 Die Bedeutung von Rekrutierungskanälen im Reproduktions-prozess
3.1.1 Offene Rekrutierungskanäle
3.1.2 Geschlossene Rekrutierungskanäle
3.2 Die Bedeutung von fachlichen Auswahlkriterien im Reproduktionsprozess
3.2.1 Formale Kriterien
3.2.2 Informale Prozesse
3.3 Die Bedeutung von persönlichkeitsgebundenen Auswahlkriterien im Reproduktionsprozess
3.3.1 Bisheriger Lebensweg
3.3.2 Persönlicher Eindruck
3.4 Leistungsideologie: Zur Kritik am Reproduktionsmechanismus der Management-Elite

4 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Perspektiven und Facetten einer Leistung

Abbildung 2: Leistungsfacetten im Rahmen der Elitediskussion

Abbildung 3: Höchste schulische Ausbildung der Väter von Studenten in Prozent

Abbildung 4: Studienbezogene Auslandsaufenthalte in Abhängigkeit der elterlichen Ausbildung in Prozent

1 Einleitung

„Elite“ ist ein aktuell sehr kontrovers diskutierter Begriff. Dabei steht häufig die Frage im Mittelpunkt, wer sich „Elite“ nennen darf und warum. Hängt die Zugehörigkeit vom sozialen Status oder der erbrachten Leistung ab? Während die einen sagen: die Zugehörigkeit zur Elite „ist in Deutschland kein Geburtsrecht oder ein Ausweis besonderen Wohlstandes, sondern ein Verdienst. [...] Elite ist nur, wer etwas leistet für das Gemeinwohl“ (Rüttgers 1998), sind andere, wie Michael Hartmann (2002), weniger davon überzeugt:

„Mit dem ständigen Verweis auf das Prinzip der ‚Leistungsgerechtigkeit’ werden nicht nur die entscheidenden Karrierevorteile, die Bürgerkinder aufgrund ihrer Herkunft besitzen, vollkommen ignoriert, sondern es wird zugleich versucht, die daraus resultierenden, immer krasser werdenden Unterschiede in Macht und Einkommen öffentlichkeitswirksam zu legitimieren“ (ebd., S. 180).

Den Hintergrund der Diskussion bildet unter anderem die von der SPD initiierte Debatte über die massive Förderung einzelner Universitäten, mit dem Ziel, Eliteuniversitäten nach amerikanischem Vorbild zu schaffen. Diese sollen in der Lage sein, eine handlungsfähige Elite auszubilden, die es Deutschland ermöglicht, im internationalen Wettbewerb Schritt zu halten und nicht im Mittelmaß zu versinken (vgl. Hartmann 2004, S. 7). Neuen Schwung erhielt die Diskussion in diesem Jahr durch Julia Friedrichs (2008) Werk „Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von Morgen“. Für ihre Recherchen besuchte sie unter anderem private Internate sowie selbsternannte Eliteuniversitäten und interviewte die dortigen Schüler beziehungsweise Studenten zum Thema „Elite und soziale Herkunft“. Im Ergebnis hält sie fest: „Die Elite versorgt ihre Kinder mit den Abschlüssen der Elite-Unis, die nötig sind, damit sie das Erbe ihrer Eltern antreten können. So bleibt man unter sich“ (ebd., S. 229).

Im Fokus der Untersuchung steht die Frage: Vertreter des Leistungsprinzips[1] postulieren, dass der Zugang zu Elite beziehungsweise zu Topmanagementpositionen über Leistung jedem offen stünde (vgl. Fuchs-Heinritz 1995, S. 398). Doch ist die soziale Herkunft als Reproduktionsmechanismus der Management-Elite komplett durch das Leistungsprinzip aufgelöst worden und damit obsolet? Die Beantwortung dieser Frage gibt Aufschluss darüber, ob in Deutschland Topmanagement-Positionen nach dem Leistungsprinzip vergeben werden, oder ob es sich hier um eine ideologisch eingefärbte Verfahrensweise handelt, in der eine soziale Selektion zum Tragen kommt.

Die vorliegende Arbeit ist in verschiedene Teile untergliedert und beschäftigt sich zunächst ausführlich mit den Konstrukten „Elite“ und „Leistung“, die einer näheren Bestimmung bedürfen. In Kapitel 2.1 und 2.2 werden die Fragen beantwortet, welche Personen der Elite oder einer Elite zugehörig sind und was sich hinter dem Begriff Leistung verbirgt. Ziel des Kapitels 2.1 ist es, die Entwicklung des Begriffs hin zu seinem aktuellen Verständnis zu verdeutlichen sowie den aktuellen Stand der Forschung in Bezug auf seine Reproduktionsmechanismen und Funktionen vorzustellen. Kapitel 2.2 widmet sich dem Leistungsbegriff, da eine eindeutige Definition bisher fehlt. In Kapitel 2.2.2 wird daraufhin die Herleitung eines kontextabhängigen Leistungsbegriffs vorgestellt, der in Kapitel 2.2.3 Anwendung findet. Dieses soll ein Leistungsverständnis ermöglichen, welches die speziellen Gegebenheiten eines Leistungsbegriffs als Zugehörigkeitsbedingung zu Eliten berücksichtigen kann. Daraufhin folgt eine kurze methodologische Reflexion, welche den analytischen Teil der Diplomarbeit einleitet. Im anschließenden Hauptteil werden die Verfahren und Kriterien zur Reproduktion der Management-Elite in Deutschland im Einzelnen dargestellt, auf Basis aktueller empirischer Studien analysiert und schließlich die zentralen Kernaussagen der Untersuchung in Form einer kritischen Diskussion veranschaulicht. Eine zusammenfassende Betrachtung der Analyseergebnisse bildet den Abschluss der Arbeit.

Ein Hinweis für die LeserInnen: In der gesamten Arbeit wird bei personenbezogenen Substantiven prinzipiell die männliche Form gewählt. Diese Entscheidung wurde nicht allein der Einfachheit halber getroffen, sondern auch, weil trotz 40 Jahren Emanzipationsbewegung zu Beginn des aktuellen Jahrtausends weiterhin kaum Frauen der Management-Elite angehören (vgl. Hartmann 1996, S. 202).

2 Theoretische Grundlagen

In diesem Kapitel wird zunächst die theoretische Basis für die spätere Analyse geschaffen, indem die Herleitung einer Definition der Konstrukte „Elite“ und „Leistung“ mit Blick auf das Untersuchungsziel erfolgt. Dieses Vorgehen soll eine einheitliche Terminologie gewährleisten, die für die Analyse Klarheit im Gebrauch der relevanten Termini schafft.

2.1 Theoretische Ansätze der Elitesoziologie

Die Elitesoziologie steht für einen Forschungsbereich der Soziologie[2], der sich mit dem Begriff „Elite“ auseinandersetzt. Ziel dieser Disziplin ist es den Begriff zu erläutern, die Gesellschaft aufzuklären und notwendige Kritik zu üben (vgl. Wasner 2004, S. 13 ff.).

In diesem Kapitel werden die theoretischen Ansätze der Elitesoziologie mit ihren bedeutsamsten Vertretern vorgestellt. Die Reproduktionsmechanismen der einzelnen Ansätze werden ausführlich in Kapitel 2.1.2 betrachtet. Auf die Funktionen von Eliten wird in Kapitel 2.1.3 separat eingegangen, um im Speziellen die Bedeutung von Eliten in der Gesellschaft aufzeigen zu können.

2.1.1 Zum Begriff der Elite

Der Begriff der Elite ist nicht einheitlich definiert. Die Zusammensetzung, Funktion und Legitimität von Eliten wurde im letzten Jahrhundert von diversen Theoretikern der Soziologie analysiert. Jeder dieser theoretischen Ansätze umreißt das Konstrukt Elite, aber nur ein geringer Teil versucht sich an einer klaren Definition. Trotzdem lässt sich ein Konsens der verschiedenen Perspektiven in Bezug auf eine Arbeitsdefinition des Begriffs erkennen. Unter Elite wird allgemein eine zahlenmäßig kleine herrschende beziehungsweise einflussreichen Kreise einer Gesellschaft oder überdurchschnittlich qualifizierte Gruppen oder Schichten verstanden, die sich vom Rest der Gesellschaft abheben.

Im Folgenden werden die theoretischen Ansätze vorgestellt: (1) die klassischen Eliteansätze, (2) elitetheoretische Ansätze im Nachkriegsdeutschland und (3) die elitekritischen Ansätze (vgl. Hartmann 2004, S. 12). Hieraus wird eine Arbeitsdefinition des Begriffs Elite abgeleitet, der im weiteren Verlauf der Arbeit verwendet wird.

Klassische Eliteansätze

Die Anfänge des wissenschaftlichen Interesses am Konstrukt Elite lassen sich um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. datieren. Hintergrund diesen Interesses bildet zunächst das „Phänomen der städtischen Massen“, entstanden auf Grund des starken Bevölkerungswachstums im 19. Jahrhundert (vgl. Hartmann 2004, S. 13). Der Terminus „Masse“ stand zu jener Zeit für das revolutionierende, Unruhe stiftende Proletariat, welches Sozialismus und damit die Stürzung des bürgerlichen Systems forderte (vgl. ebd., 15) und bildete damit das logische Gegenstück zur herrschenden Klasse beziehungsweise Elite. Verstärkt wurde diese Meinung durch das Verhalten der städtischen Massen während der Französischen Revolution 1789, sowie den revolutionären Aufruhren von 1848 bis 1905, die unter anderem in Deutschland, Italien, Frankreich und Russland stattfanden (vgl. ebd., S. 15).

Die Entwicklungen veranlassten Wissenschaftler, sich mit den Begriffen „Masse“ und „Elite“ auseinander zu setzen. Ziel ihrer Untersuchungen war zunächst die wissenschaftliche Erklärung der Machtzirkulation, das heisst: Wie gelingt es der dominierten Masse, die herrschende Klasse zu stürzen und warum? Folglich waren diese ersten Studien über Elite, in Form von herrschenden Klassen, eng mit jenen über die Masse verknüpft (vgl. Hartmann 2004, S. 13).

Als bedeutsamste Vertreter dieser ersten Studien gelten Gaetano Mosca, Robert Michels und Vilfredo Pareto (vgl. Hartmann 2004, S. 32). Da Mosca und Pareto die Schaffung einer allgemeinen Grundlage für die Wissenschaft anstrebten, werden ihre Ansätze im Folgenden vorgestellt (vgl. ebd., S. 32).

Mosca (1950) formuliert bereits zu Beginn seines Hauptwerkes ‚Elementi di Scienza Politica’[3] seinen entscheidenden Grundgedanken und erklärt:

„Unter den beständigen Tatsachen und Tendenzen des Staatslebens liegt eine auf der Hand: In allen Gesellschaften, von den primitivsten im Aufgang der Zivilisation bis zu den vortgeschrittensten und mächtigsten, gibt es zwei Klassen, eine, die herrscht, und eine, die beherrscht wird. Die erste ist immer die weniger zahlreiche, sie versieht alle politischen Funktionen, monopolisiert die Macht und genießt deren Vorteile, während die zweite, zahlreichere Klasse von der ersten befehligt und geleitet wird“ (ebd., S. 53).

Das notwendige Mittel, um diese Herrschaft sichern zu können, sieht Mosca (1950) in der materiellen, intellektuellen und psychologischen Überlegenheit der herrschenden Klasse (vgl. ebd., S. 55, 206). Die intellektuelle Überlegenheit führt er dabei nicht auf die Vererbung bestimmter Eigenschaften zurück, sondern auf ihre Anerziehung, also der familiären Weitergabe bestimmter Verhaltenweisen und Attitüden (vgl. ebd., S. 63).

Pareto gelang es mit seinem 1916 veröffentlichten „Trattota di Sociologia Generale“[4] seine Erkenntnisse zu Elite stärker in eine systematische Gesamttheorie einzubinden und somit einen entscheidenden Beitrag zur modernen Elite-Theoriebildung zu leisten (vgl. Hartmann 2004, S. 25 f.). Wie Mosca ist auch er von der Existenz einer kleinen herrschenden Klasse überzeugt, die sich „teilweise durch Gewalt und teilweise durch den Konsensus der beherrschten Klasse, die zahlenmäßig viel größer ist, an der Macht hält“ (Pareto 1955, S. 190). Anders als bei Mosca erfährt der Elitebegriff während seiner Ausarbeitung der Theorie eine Wandlung. Während die Ausführungen zunächst an eine funktionalistische Sichtweise erinnern (vgl. ebd., S. 148 ff.), also dass Leistung den Zugang zu Elitepositionen gewährleistet, wendet er sich im Lauf der Arbeit doch dem klassisch dichotomischen Modell zu (vgl. ebd., S. 150), welches die Gesellschaft in zwei Klassen, die statushöhere und damit herrschende, sowie die statusniedrigere, unterteilt. Hintergrund dieser Entwicklung ist Pareto’s (1955) Versuch, das soziale Gleichgewicht mit Hilfe von Leistungskriterien zu untersuchen und seiner darauf folgenden Erkenntnis, dass diese in Wirklichkeit nicht eindeutig bestimmbar sind. Stattdessen existieren vererbbare „Etiketten“, die gerade in der Politik bewirken können, dass Personen sich in Elitepositionen vordrängen, ohne eine entsprechende Prüfung ihrer Eignung ablegen zu müssen (vgl. ebd., S. 150 f.).

Zusammenfassend lässt sich über die zwei klassischen Ansätze der Elitesoziologie sagen, dass sie, auf Grund der beträchtlichen Kongruenzen in ihren Kernaussagen, ein sehr ähnliches Bild der herrschenden Klasse zeichnen. Beide gehen von einer fundamentalen Unterteilung der Gesellschaft in zwei Klassen aus, von denen die zahlenmäßig kleinere die größere auf Grund von materieller, intellektueller und psychologischer Überlegenheit beherrscht (vgl. Hartmann 2004, S. 37).

Elitetheoretische Ansätze im Nachkriegsdeutschland

Nachdem die Nationalsozialisten die Theorie der herrschenden Klasse für sich beanspruchten, um den Erhalt ihrer Autorität, Macht und Privilegien zu legitimieren, war der Begriff der Elite stark belastet und mit einer demokratisch ausgerichteten Grundordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert wurde, nicht mehr vereinbar (vgl. Hartmann 2004, S. 43). Otto Stammer (1951) schlug aus diesem Grund vor, zukünftig von Positions- oder Funktionseliten zu sprechen, um so die Möglichkeit zu schaffen, nach objektiven Qualifikationen den Personenkreis an der gesellschaftlichen Spitze zu erfassen:

„In den Systemen demokratischer Herrschaft sind [...] als Eliten anzusehen [...] die mehr oder weniger geschlossenen sozialen und politischen Einflussgruppen, welche sich aus den breiten Schichten der Gesellschaft und ihren größeren und kleineren Gruppen auf dem Wege der Delegation oder der Konkurrenz herauslösen, um in der sozialen oder der politischen Organisation des Systems eine bestimmte Funktion einzunehmen“ (ebd., S. 9).

Diese Definition einer Elite, basierend auf der Fähigkeit „eine bestimmte Funktion im gesellschaftlich-politischen Ordnungsgefüge zu übernehmen und die in dieser Funktion von ihm erwartete Leistung zu erbringen“ (Stammer 1965, S. 177), wurde in der Forschung, unter anderem von den deutschen Vertretern Ralf Dahrendorf (1961), Hans-Peter Dreitzel (1962) und Wolfgang Zapf (1965), weiterverfolgt und ausgearbeitet. Suzanne Keller (1963), deren Ansatz im Folgenden dargestellt wird, hat den wahrscheinlich umfassendsten Versuch unternommen, Eliten bezüglich ihrer Stellung und Funktionen analytisch zu erläutern (vgl. Hartmann 2004, S. 60).

Keller (1963) geht mit den genannten Vertretern des Funktionselite-Ansatzes konform, dass auf Grund der zunehmenden inneren Differenzierung der Gesellschaft eine Vielzahl an parallelen Eliten existieren muss, damit die zentralen Aufgaben wahrgenommen werden können. Hier unterscheidet sich der Funktionseliteansatz deutlich von den klassischen Ansätzen der Elitesoziologie: Der monistische Elitebegriff wird durch eine pluralistische Perspektive ersetzt. Weiterhin nimmt sie an, dass nicht alle Eliten denselben Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können, sondern ein Machtgefälle unter ihnen besteht. Folgende Textpassage Keller’s (1963) verdeutlicht dies: „Beauty queens, criminal masterminds, champion bridge players, and master chefs all hold top rank in certain pyramids of talent or power, but not all are equally significant in the life of society. Certain elites may arouse momentary attention, but only certain leadership groups have a general and sustained social impact“ (ebd., S. 20).

Den Fokus ihrer Untersuchungen legt Keller (1963) auf die letzte Gruppe, die sie „strategische Eliten“ nennt (vgl. ebd., S. 20). Im Unterschied zu den deutschen Vertretern spezifiziert sie ihre Untersuchungen so auf die Gruppe der einflussreichen Elite, zu denen sie die politische, die wirtschaftliche, die wissenschaftliche, die geistliche, die militärische, die diplomatische sowie die Eliten der Künstler zählt (vgl. ebd., S. 62). Weiterhin setzt sie sich als einziger Vertreter des Ansatzes dezidiert mit den Funktionen von Eliten auseinander, die in Kapitel 2.1.3 vorgestellt werden.

Elitekritische Ansätze

Auch die Vertreter klassenspezifischer Theorien sozialer Ungleichheit, unter ihnen Pierre Bourdieu (1987) und Hilke Rebenstorf (1997), sehen eine Entwicklung seit der Zeit Mosca’s und Pareto’s dahingehend, dass

„anstelle der Besitztitel im früheren Systemzustand, nunmehr der Besitz eines Bildungstitels [...] eine Art Garantie und summarisches Indiz dafür [ist], dass der Betreffende im wesentlichen jene Eigenschaften und Qualitäten aufweist, die Führungskräfte zur Wahrnehmung von Machtpositionen [...] befähigen“ (Bourdieu et al. 1981, S. 28).

Im Gegensatz zum Funktionselite-Ansatz sind sie jedoch der Meinung, dass Lebensbedingungen, -stile und beruflichen Perspektiven nicht von den individuellen Anstrengungen einzelner Akteure abhängen, sondern sich auf eine klassen- beziehungsweise schichtspezifische Erziehung im Elternhaus zurückführen lassen (vgl. Rebenstorf 1997, S. 127). Hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung von Führungspositionen gilt deshalb, dass „selbst wenn Bildungschancen formal gleich verteilt sind, und berufliche Karrieremöglichkeiten in erster Linie von im Bildungsgang erzielten Erfolgen abhängen, [bleiben] herkunftsbedingte Ungleichheiten erhalten“ (Schnapp 1997, S. 71). Die Zusammensetzung der Führungsspitzen ändert sich kaum, was auf eine anhaltende soziale Schließung[5] hinweist (vgl. Hartmann 1997, S. 303, 306 ff.). Wie das, trotz augenscheinlich gleich verteilter Chancen, möglich ist, untersuchte insbesondere Pierre Bourdieu (1987) mit seiner „Theorie der sozialen Reproduktion“.

Das folgende Kapitel wird die verschiedenen Ansätze erneut aufgreifen und sich speziell mit dem Aspekt der jeweiligen Mechanismen zur Aufrechterhaltung des elitären Staus der Gruppe beschäftigen. Die Ausarbeitung der Mechanismen schafft einen theoretischen Überblick, der es in der Analyse ermöglicht, Parallelen zur Praxis zu ziehen und mögliche Ideologien[6] aufzudecken.

2.1.2 Reproduktionsmechanismen von Eliten

Der Reproduktion von Eliten gilt ein Großteil der Erkenntnisse der Elitesoziologie. Reproduktion im soziologischen Sinne kann als Aufrechterhaltung und Weiterführung bestehender sozialer Systeme und Prozesse verstanden werden. Dieser Reproduktionsprozess fußt auf Mechanismen, die sich direkt aus den in Kapitel 2.1.1 vorgestellten theoretischen Ansätzen der Elitesoziologie ableiten. Jeder dieser Ansätze verkörpert einen spezifischen Reproduktionsmechanismus, der darstellt, wie sich Eliten aufrechterhalten und als soziale Systeme abschließen.

Mosca (1950) ist der Ansicht, dass eine Veränderung der sozialen Kräfte die Zusammensetzung der herrschenden Klasse beeinflussen kann und aus diesem Grund ein ständiger „Konflikt zwischen dem Bestreben der Herrschenden nach Monopolisierung und Vererbung der politischen Macht und dem Bestreben neuer Kräfte nach einer Änderung der Machtverhältnisse“ (ebd., S. 64 f.) herrscht. Dieser Konflikt ist laut Mosca (1950) nur zeitweilig zu Gunsten der herrschenden Klasse zu lösen. Langfristig wird es zu einer wechselseitigen Durchdringung von Unter- und Oberschicht kommen (vgl. ebd., S. 65). Positiv zu bewerten ist dieser Prozess allerdings nur, wenn „die Neuaufgenommen[en] nach Quantität und Qualität die Voraussetzungen besitzen, um sich schnell die besten Eigenschaften der alten Herrenklasse anzueignen“ (ebd., S. 344). Umgekehrt ist dieser Prozess aber nicht erwünscht, „[d]enn dann erhält die Aristokratie nicht neues Blut, sondern sie wird selbst zum Pöbel“ (ebd., S. 344). Auch Pareto (1955) vertritt die Ansicht, dass es auf Dauer nicht möglich ist, unqualifizierte Personen in Machtpositionen zu halten, da dieses Verhalten einen Sturz der herrschenden Klasse durch eine Revolution der Masse provozieren würde. Ähnlich wie Mosca hält Pareto einen kontinuierlichen Zirkulationsprozess zwischen Ober- und Unterschicht für notwendig, um die Vorherrschaft durch neue Impulse und Energien zu gewährleisten und die dekadenteren Mitglieder der herrschenden Klasse zu verdrängen (vgl. ebd., S. 153 f.).

Beide Ansätze erkennen, dass stetige Machtveränderungen einen Zirkulationsprozess der herrschenden Klassen bewirken, wobei Individuen der Unter- in die Oberschicht gelangen können. Trotz dieser Durchdringung kommt es aber nicht unweigerlich zu einer veränderten Zusammensetzung der herrschenden Klasse oder zu einer Machtverschiebung zu Gunsten der Unterschicht, da die „Emporkömmlinge“ von der Oberschicht assimiliert und zu somit ihresgleichen werden.

Anders gestaltet sich der Reproduktionsprozess bei Keller (1963). Hier sichert nicht die Geburt einen bestimmten Status in Form einer angesehenen Position. Funktionseliten werden auf Grund ihrer bisher erbrachten Leistungen ausgewählt, da: „When men are placed by birth into elite positions without regard to their inclinations and talents, the result is often lowered morale or lowered efficiency or both. Hereditary elites are thus prone to boredom, incompentence, and stagnation“ (ebd., S. 189). Der Vorteil einer Rekrutierung von Eliten auf Basis von Leistung besteht vor allem in der Ausweitung des Kreises potenzieller Kandidaten. So besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, jemanden einzustellen, der qualifiziert und hoch motiviert solch eine Aufgabe übernimmt (vgl. ebd., S. 189). Obwohl diese Aussage die Ablösung der sozialen Herkunft als „chief principle of recruitment“ durch individuelle Leistung impliziert, muss Keller (1963) einräumen, dass dies nicht ad hoc geschieht. Die soziale Hierarchie bleibt zunächst bestehen. Mit jeder Generation wird aber immer mehr dazu übergegangen, Leistung vor Geburt anzuerkennen (vgl. ebd., S. 262 f.). Keller (1963) ist von einer sozialen Öffnung in der Zukunft überzeugt und glaubt, dass „this trend weakens and may eventually break the age-old link between elite status and upper-class status“ (edb., S. 217). Die Frage, inwiefern sich das circa 45 Jahren nach Erscheinen des Buches bewahrheitet hat, wird in Kapitel 3 beantwortet.

Keller (1963) erkennt, dass an dieser Rekrutierungsweise die Anerkennung von Leistung unter den aufstrebenden Kandidaten und später beim Zusammenhalt unter den Erfolgreichen problematisch sein könnte. Problematisch vor allem auf Grund der Nicht-Existenz einheitlicher Leistungskriterien, die eine objektive Beurteilung ermöglichen (vgl. Keller 1963, S. 190). Dieser Aspekt kann zu Neid und Missgunst untereinander führen und so den Zusammenhalt der Gruppe gefährden.

Nach Bourdieu (1987) funktioniert der Reproduktionsprozess langfristig und systematisch, wobei die jeweils gewählten Verhaltensstrategien der Akteure, zum Beispiel in Bezug auf ihre Karriereplanung, von ihrer Einschätzung der eigenen sowie der klassenspezifischen Zukunftsperspektive und den „objektiven Reproduktionschancen der Gruppe" abhängig sind (vgl. ebd., S. 210). Den Begriff der „objektiven Reproduktionschancen der Gruppe“ erläutert er vor dem Hintergrund der Wahl eines Ausbildungsweges wie folgt:

„Das, was wir als Verteilung sozialer Chancen statistisch messen, ist Ergebnis einer Erhebung von individuellen Strategien [...]: Die Wahl der Bildungseinrichtung, die Wahl des Fachbereichs, die Wahl eines guten Feriensprachkurses usw. Alle diese individuellen Auswahlentscheidungen summieren sich zu statistischen Regelmäßigkeiten, die zur Struktur einer jeden sozialen Klasse gehören" (Bourdieu 1997, S. 24 f.).

Diese Form der Reproduktion könnte gewährleisten, dass die herrschende Klasse ihre wirtschaftliche, politische und soziale Macht auch langfristig für sich beanspruchen kann, während Angehörige der Masse systematisch in ihre eigenen Reihen zurückgedrängt und so vom beruflichen und sozialen Aufstieg ferngehalten werden (vgl. Bourdieu 1996, S. 264 f.). Dies wird zum einen durch die Anpassungsfähigkeit und zum anderen durch die Fähigkeit, Mitglieder der Gruppe über ihren Habitus identifizieren zu können, gewährleistet. Erstere sorgt dafür, dass Veränderungen der jeweiligen historischen Rahmenbedingungen neue Mechanismen für den bis dato vorherrschenden Reproduktionsprozess herausbilden, welche die soziale Reproduktion zukünftig sicherstellen können (vgl. Bourdieu 1997, S. 210). Als Beispiel dient die Bildungsexpansion der 60er Jahre, in deren Folge Bildungschancen vermehrt wahrgenommen wurden (vgl. Bourdieu et al. 1981, S. 24). Dies führte zu einer „Bildungsinflation“, woraufhin sich die gesellschaftliche Elite „zu einer intensiveren Nutzung der Bildungsinstitutionen“ gezwungen sah und nicht mehr „nur“ der akademische Grad, sondern insbesondere die Art und Weise seines Erwerbs, den zentralen Maßstab bei der Vergabe elitärer Positionen bildeten (vgl. ebd., S. 24). Das Beispiel macht deutlich, dass eine Anpassung des sozialen Reproduktionsprozesses stattfindet, die gewährleistet, dass eine soziale Öffnung in dem Maße, wie durch die Bildungsreform beabsichtigt, nicht stattfinden kann. Die zweite Fähigkeit, die eine anhaltende soziale Schließung gewährleisten kann, ist die Fähigkeit von Eliten sich auch in Zeiten stetigen Wandels gegenseitig als zugehörig identifizieren zu können. Bourdieus (1987) Konzept des klassenspezifischen Habitus versucht dies zu erläutern (vgl. Bourdieu 1987, S. 518). Der Habitus wird als „charakteristische[s] Distributionssystem“ (ebd., S. 25) beschrieben. Über Indikatoren, wie Ausbildungsniveau, soziale Herkunft oder Geschmack, kann er Aufschluss über Lebenslagen und Lebensstile sozialer Akteure in Klassengesellschaften geben (vgl. ebd., S. 277 ff.):

„Wer den Habitus einer Person kennt, der spürt oder weiß intuitiv, welches Verhalten dieser Person versperrt ist. Wer z.B. über einen kleinbürgerlichen Habitus verfügt, der hat eben auch, wie Marx einmal sagte: Grenzen seines Hirns, die er nicht überschreiten kann. Deshalb sind für ihn bestimmte Dinge einfach undenkbar, unmöglich, gibt es Sachen, die ihn aufbringen oder schockieren. Aber innerhalb dieser Grenzen ist er durchaus erfinderisch, sind seine Reaktionen keineswegs immer voraussehbar" (Bourdieu 1989, S. 26 f.).

Der Habitus dient jedoch nicht der Klassifizierung gesellschaftlicher Akteure, sondern erklärt, wie sie ihr gesellschaftliches Umfeld mit Hilfe spezifischer „Wahrnehmungs- und Beurteilungsschemata“ begreifen (vgl. Bourdieu 1987, S. 279). Das Konzept scheint somit in der Lage zu sein, eine schlüssige Erklärung für die andauernde soziale Schließung von Eliten gegenüber anderen Gruppen anzubieten. Es erlaubt eine Identifizierung der Klasse des Individuums auf Grund von teilweise sichtbaren Indikatoren und ermöglicht somit Bevorzugungen beziehungsweise Diskriminierungen. Inwiefern diese Annahme auf die Management-Elite zutrifft, wird in Kapitel 3 untersucht.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die dargestellten Ansätze der Elitesoziologie, mit den Vertretern Mosca, Pareto, Keller und Bourdieu, unterschiedliche Ausgangspunkte bei ihren Ansätzen zur Reproduktion von Eliten aufweisen. Während Mosca und Pareto „Macht“ als existenzielle Basis von herrschenden Klassen ansehen, die sie zusammenhält und für ihre Reproduktion sorgt, nimmt bei Keller „Leistung“ diese Funktion wahr. Bourdieu erkennt sowohl „Macht“ als auch „Leistung“ als gültige Reproduktionsmechanismen an, indem er sagt, dass Leistung vom sozialen Hintergrund abhängig ist.

2.1.3 Funktionen von Eliten

Nach Definition des Begriffs Elite und Beschreibung des Reproduktionsprozesses, wird abschließend die Existenzberechtigung von Eliten herausgearbeitet. Welche Funktionen erfüllen sie, die für die Gesellschaft so bedeutsam sind, dass ihre herausragende Stellung akzeptiert wird? Aussagen hierzu trifft lediglich der bereits vorgestellte elitetheoretische Ansatz im Nachkriegsdeutschland beziehungsweise Funktionseliten-Ansatz .

Stammer (1951) hat in seiner Definition des Begriffs „Funktionseliten“ darauf hingewiesen, dass sich Eliten herausbilden, um bestimmte Aufgaben beziehungsweise Funktionen zu erfüllen. Er begnügt sich allerdings mit der Aussage, dass sie eine „funktionale Mittlerstellung zwischen Führung und Volk“ einnehmen, ohne diese näher zu spezifizieren (vgl. ebd., S. 10). Dreitzel (1962) vertieft diesen Aspekt und identifiziert die Führungs- und Vorbildfunktion von Eliten, wobei erstere durch Autorität sowie Leistungswerte charakterisiert wird (vgl. ebd., S. 138 ff.) und zweitere dazu dient, die vorherrschenden Werte einer Epoche zu repräsentieren und sichtbar zu machen (vgl. ebd., S. 150).

Keller (1963) befasst sich intensiv mit den Funktionen von Eliten, die vornehmlich der Gesellschaft als Ganzem dienlich sein sollten: „[T]he term elites refers first of all to a minority of individuals designated to serve a collectivity in a socially valued way“ (ebd., S. 4). Um zu untersuchen, welche Funktionen die jeweiligen strategischen Eliten in der Gesellschaft wahrnehmen, betrachtet Keller sie im Lichte von Talcott Parsons’ „Theorie der Sozialen Systeme“. Sie adaptiert Parsons et al.’s (1953) Vorstellung einer Gesellschaft, die aus differenzierten Gruppen besteht (vgl. ebd., S. 167) und deklariert Eliten als Gruppen innerhalb des sozialen Systems. Ferner transferiert sie Parsons’ systematische Betrachtung der Funktionen sozialer Systemen auf die von Eliten (vgl. Keller 1963, S. 91). Es handelt sich zum einen um instrumentelle Grundfunktionen sozialer Systeme und zum anderen um symbolische, die unter anderem über die Kreation eines Images dafür sorgen, dass auch andere Mitglieder der Gesellschaft diese Gruppe als Gruppe erkennen und anerkennen (vgl. Parsons et al. 1953, S. 31).

Instrumentelle Funktionen

Um die instrumentellen Funktionen von strategischen Eliten systematisch beschreiben zu können, greift Keller (1963) auf Talcott Parsons AGIL-Schema zurück, welches die vier Grundfunktionen sozialer Systeme beschreibt (vgl. Parsons/Smelser 1957, S. 18). Bei den besagten Funktionen handelt es sich um „Adaptation“, „Goal Attainment“, „Integration“ und „Latent Pattern Maintenance“ (vgl. Parsons et al. 1953, S. 189). Anhand dieses Schemas ist sie in der Lage vier Grundtypen von strategischen Eliten auf Grund ihrer Funktion im sozialen System zu unterscheiden.

„Adaptation“ steht für die Anforderung an das System, auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren zu können und sich gegebenenfalls anzupassen (vgl. Parsons et al. 1953, S. 183). Langfristiger gesellschaftlicher Erfolg, in Form von wirtschaftlichem Wachstum, politischer Stabilität oder wissenschaftlichem Vorsprungs, ist abhängig von der Auffindung und effektiven Verwendung verfügbarer Mittel (vgl. Keller 1963, S. 97). Laut Keller kommen für die Bereitstellung dieser Mittel vor allem die wirtschaftliche, die wissenschaftliche, die militärische und die diplomatische Elite in Frage (vgl. ebd., S. 97).

„Goal Attainment“ umfasst die Fähigkeiten eines sozialen Systems, Ziele zu definieren und durchzusetzen (vgl. Parsons et al. 1953, S. 184). Prädestiniert für die Entscheidung, welche Ziele mit welchen Mitteln wann und wo verfolgt werden, ist die politische Elite. Keller (1963) führt als Beispiel die Auseinandersetzung zwischen U.S. Steel Corporation gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten im Jahre 1962 an. Der Präsident setzte eine Preiserhöhung trotz der Proteste von U.S. Steel mit den Worten setzte: „[T]he United States is bigger than United States Steel“ (vgl. ebd., S. 96).

„Integration“ drückt die Notwendigkeit einer Gruppe aus, sich gegen die Umwelt abzuschirmen und Grenzen über gemeinsame Standards und Überzeugungen im Licht moralischer und ethischer Traditionen auszubilden (vgl. Parsons et al. 1953, S. 184 f.). So werden Werte geschaffen, mit denen sich die jeweilige Funktionselite identifizieren kann (vgl. Keller 1963, S. 98). Auf diese Weise vertreten die Mitglieder eines Systems dieselben moralischen Grundsätze, was den Zusammenhalt sowie die Akzeptanz untereinander stärkt. Laut Keller sind strategische Eliten in Form von Kirchenvertretern, Philosophen, Lehrkräften sowie „first families“ geeignet, diese Formulierung moralischer Standards vorzunehmen (vgl. ebd., S. 98).

„Latent Pattern Maintenance“ erfasst die Bedingung, grundlegende Strukturen und Wertmuster aufrecht zu erhalten (vgl. Parsons et al. 1953, S. 185). Dafür sind laut Keller (1963) die Eliten der Künstler, Schriftsteller und Sportler zuständig (vgl. ebd., S. 98). Ein Beispiel verdeutlicht dies: In Mario Puzos (1969) Buch „The Godfather“ wird eine einflussreiche Mafiafamilie mit ihrem Geschäft vorgestellt. Der Leser bekommt einen detaillierten Einblick in die Strukturen des Geschäfts sowie die zu Grunde liegenden Wertmuster für das Handeln der Familie. Ein Buch ist in der Lage diese, normalerweise nicht-öffentlichen, Aspekte nach außen zu kommunizieren und festigt dadurch das Bild, das in der Öffentlichkeit von dieser Gruppe herrscht.

Symbolische Funktionen

Neben den instrumentellen Funktionen erfüllen Eliten auch eine symbolische Funktion, die wesentlich dazu beiträgt, dass andere Mitglieder der Gesellschaft sie als Gruppe anerkennen und ihnen „Macht“ zuschreiben (vgl. Keller 1963, S. 162 ff.). Dies basiert auf der Annahme, dass eine Gesellschaft - somit auch die Gruppen der Elite - als Zustand des Geistes definiert werden kann. Diese Gesellschaft und die darin befindlichen Gruppen existieren, weil Individuen sie anerkennen. Überleben einzelner Gruppen ist abhängig von kollektiven Überzeugungen von innen und außen. Soziale Gleichgültigkeit oder Unglauben können die Existenz der Gruppe gefährden (vgl. ebd., S. 153). Cooley (1902) beschreibt diesen Umstand wie folgt:

„[A] function of the great and famous man is to be a symbol, and the real question in other minds is not so much, Who are you? as, what can I believe that you are? what can you help me feel and be? How far can I use you as a symbol in the development of my instinctive tendency?“ (ebd., Chapter VII, IX, zit. nach Keller 1963, S. 166).

Eliten repräsentieren ein bestimmtes Bild. Darin besteht ihre symbolische Funktion, die sich in die symbolisch-expressive, symbolisch-moralische sowie der symbolisch-kognitive Rolle untergliedern lässt (vgl. Parsons/Tolman 1951, S. 142 ff.).

Die symbolisch-expressive Rolle verkörpert die Aufgabe von Eliten, sich darzustellen, um intrinsische Befriedigung zu schaffen sowie emotionale Reaktionen bei anderen Mitgliedern der Gesellschaft zu provozieren (vgl. Keller 1963, S. 156). Ein Beispiel aus dem Bereich der politischen Elite: In Zeiten von Unruhen ist es eine Aufgabe des Staatsmannes Ruhe und Zuversicht auszustrahlen, damit die Bevölkerung nicht in Panik verfällt. Behilflich sind dabei unter anderem seine Redensart sowie bestimmte körperliche Merkmale[7], die auf Grund ihrer Symbolträchtigkeit als elitezugehörig ausweisen (vgl. ebd., S. 157).

Die symbolisch-moralische Rolle dient der Stärkung der sozialen Solidarität sowie des moralischen Verhaltens, indem mustergültiges Verhalten von Eliten exemplarisch vorgelebt wird. Basierend auf dem öffentlichen Interesses an Personen aus bestimmten Eliten - zum Beispiel aus der politischen oder wirtschaftlichen Elite - kann diese Vorgehensweise eine Möglichkeit darstellen, bestimmte moralische Ansichten zu transportieren und so zu bewahren (vgl. Keller 1963, S. 156).

[...]


[1]Leistungsprinzip, Bezeichnung für die Verteilungsnorm moderner Gesellschaften, nach welcher sich die materiellen und sozialen Chancen der Individuen allein nach der Qualität und dem Umfang ihrer Leistung bemessen sollen“ (Fuchs-Heinritz 1995, S. 399). „Insbes. aus liberaler Sicht sollen durch die weitestgehende Institutionalisierung u. lebensprakt. Durchsetzung des L.s Gerechtigkeit im Sinne von Chancengleichheit sowie Fortschritt u. Wohlstand mittels optimaler Ausschöpfung des ges. Leistungspotentials erreicht werden“ (Hillmann 1994, S. 483).

[2]Soziologie, eine selbstständige Einzelwissenschaft, die mit bestimmten Begriffen und Theorien, Methoden und empirische Techniken Struktur-, Funktions- und Entwicklungszusammenhänge der Gesellschaft beschreibt und aus allgemeineren Prinzipien heraus erklärt. [...] S. fragt nach den Zielen, Formen und Funktionen der Vergesellschaftung, den Mechanismen und Kräften des gesellschaftlichen Zusammenhalts, wie den Ursachen und Determinanten der Bildung sozialer Klassen und Schichten, nach den Ursachen, Formen und Folgen sozialen Wandels“ (Fuchs-Heinritz et al. 1995, S. 624).

[3] 1923 erschien eine erweiterte 2. Auflage dieser Monografie welche die Grundlage für die 1950 veröffentlichte deutsche Übersetzung „Die herrschende Klasse“ bildete.

[4] 1955 erschien die deutsche Übersetzung unter dem Titel „Allgemeine Soziologie“.

[5] Den Begriff der „sozialen Schließung“ prägte erstmals Max Weber (1990), der sie als Tendenz institutioneller Verfestigung interpretierte, die zum systematischen Ausschluss bestimmter Individuen auf Grund ihrer soziostrukturellen Merkmale führt und die damit verbundene soziale Homogenität der Wirtschaftselite beschreibt (vgl. ebd., S. 202).

[6]Ideologie, [...] System von Überzeugungen und Begriffen, das der Durchsetzung von Machtinteressen in der Gesellschaft dient und, um dieser Funktion zu genügen, die soziale Realität teilweise verzerrt wiedergibt“ (Fuchs-Heinritz 1995, S. 287). In Orientierung an der Alltagssprache trägt der Begriff I. gemeinhin einen abwertenden Akzent, weil er als Kontrast zu »Realität«, »Objektivität« u. »Wahrheit« dient“ (Hillmann 1994, S. 352).

[7] mehr dazu in Kapitel 3.3

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Zur Reproduktion der Management-Elite: Eine Analyse von Verfahren und Kriterien
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Personalpolitik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
78
Katalognummer
V118647
ISBN (eBook)
9783640216550
Dateigröße
733 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Reproduktion, Management-Elite, Eine, Analyse, Verfahren, Kriterien
Arbeit zitieren
Diplom Kauffrau Kathi Völkner (Autor:in), 2008, Zur Reproduktion der Management-Elite: Eine Analyse von Verfahren und Kriterien , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118647

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