Neurolinguistisches Programmieren. Ein Modell der Verhaltensmodifikation: Vom theoretischen Grundgerüst zur Praxeologie


Diplomarbeit, 2002

104 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I Basismodelle des NLP
I. A Von der Wahrnehmung zum Verhalten und Erleben
1. Subjektive Wahrnehmung der äußeren Welt
2. Individuelle Einschränkungen: Mechanismen und Filter der Modellbildung
2.1 Prozessmechanismen: Tilgung, Verzerrung, Generalisierung
2.2 Prozessfilter: Glaubenssätze, Werte und Meta-Programme
3. Kognitive Repräsentationen
3.1 Analoge Repräsentationssysteme
3.2 Digitales Repräsentationssystem
4. Strategien: Die Repräsentationen als Grundlage des Verhaltens
4.1 Das TOTE – Modell
4.2 Integration der Repräsentationssysteme in das TOTE – Modell

II. B Die Grundstruktur der Persönlichkeit
1. Das Konzept der Logischen Ebenen der Veränderung
1.1 Glaubenssätze
2. Zeitebenen: Das „Time-Line“ – Konzept
3. Wahrnehmungspositionen
4. Meta – Programme
4.1 Äußeres Verhalten: Introvertierter Typus vs Extrovertierter Typus
4.2 Innerer Prozess: Intuitiver Typus vs. Empfindungstypus
4.3 Innerer Zustand: Denktypus vs. Fühltypus
4.4 Berücksichtigung der Zeit: Beurteiler vs. Wahrnehmer
5. Zusammenfassung in der NLP – System – Matrix

III. C Entwicklungsmodell des NLP
1. Das Entwicklungsmodell Jean Piagets in Bezug auf das NLP
1.1 Genetische Erkenntnistheorie
1.2 Der strukturalistische Ansatz
1.3 Biologischer Ansatz
II Von den Ursachen problematischen Verhaltens zur Praxeologie des NLPs 54

IV. A Determinanten problematischen Verhaltens
1. Grundüberlegungen
2. Spezifische Ursachen problematischen Verhaltens

V. B Rahmenbedingungen der NLP Veränderungsarbeit
1. Idealtypische Beschreibung des NLP – Praktikers
2. Verlaufsmodell der NLP – Verhaltensmodifikation
2.1 Die Phase der Informationssammlung

VI. C Spezifische Techniken der NLP – Verhaltensmodifikation
1. Ankern
1.1 Moment of Excellence
1.2 Kollaps – Anker
2. Reframing
2.1 Inhaltliches Reframing
2.2 Verhandlungsreframing
3. Das Interventionsmodell der Neuprägung
4. Future Pacing

Abschließende Diskussion

Literaturverzeichnis

Vorwort

Seit ca. zwei Jahren beschäftige ich mich schon mit dem Thema NLP. Neben einem „Basiskurs NLP“ bestanden meine Bemühungen um die Materie in einem intensiven Literaturstudium. Allerdings stellte sich dies größtenteils als eine frustrierende Erfahrung dar. Seit der Entstehung des NLP in den siebziger Jahren wurde versäumt, ein fundiertes wissenschaftliches Theoriegebilde zu erstellen. Der größte Teil der Literatur beschäftigt sich ausschließlich mit der Beschreibung der verschiedenen NLP-Techniken. Überspitzt gesagt, können die meisten NLP-Bücher mit einem „Kochbuch für Veränderungen“ verglichen werden. Doch, um im Bild zu bleiben, es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen Kochen und Veränderungsarbeit:

Bereitet man ein Mahl zu, dann ist das Wissen um die chemischen Reaktionen während des Prozesses von geringer Bedeutung. Das Entscheidende ist hierbei das Endprodukt. Ist es gelungen, dann kann man sich an ihm erfreuen. Sollte es nicht gelungen sein, dann kann man das Produkt entsorgen.

Geht es um Veränderungsarbeit, dann sollte man nicht nur wissen, wie es geht, sondern insbesondere auch, warum es geht. Letztlich stellt ein Veränderungsmodell ohne ein theoretisches Fundament eine leere Hülle dar.

Die anfänglichen Ausführungen sollen nicht zu der Vermutung führen, ich sei ein NLP-Gegner. Im Gegenteil. NLP fasziniert mich nach wie vor und ich bin von seiner Effektivität im höchsten Maße überzeugt.

Ursprünglich sollte an dieser Stelle eine Arbeit entstehen, die zeigt, dass das NLP als eigenständige Therapierichtung angesehen werden kann. Allerdings war mir bis vor kurzem nicht bekannt, dass das NLP bereits seit 1999 unter der Bezeichnung „Neurolinguistische Psychotherapie (NLPt)“ von der Europäischen Gesellschaft für Psychotherapie (EAP) als eigenständige Therapierichtung anerkannt wurde. Aus diesem Grund habe ich mich für eine von egoistischen Motiven geleitete Arbeit entschieden. Die vorliegende Arbeit spiegelt somit die eigenen Versuche des Autors wider, das NLP in seiner Komplexität zu begreifen. Dabei wird es nicht um die bloße Beschreibung von Techniken des NLPs gehen, sondern es soll vielmehr ein theoretisches Grundverständnis der NLP-Veränderungsarbeit evoziert werden. Die leitende Frage dieser Arbeit ist demnach nicht: „Wie funktioniert NLP?“, sondern: „Warum funktioniert NLP und welche grundsätzlichen Vorstellungen über Verhalten und Erleben stecken hinter den Techniken?“.

Um ein solches Ziel zu erreichen, sind grundsätzlich zwei Vorgehensweisen denkbar:

Man könnte versuchen, ein theoretisches Gerüst aus der Entstehungsgeschichte abzuleiten. Zu diesem Zweck müsste man sich mit den Paten des NLP und deren Therapieschulen auseinander setzen[1]. Ein solches Vorgehen erscheint jedoch aussichtslos, denn zum einen sind die theoretischen Wurzeln Perls, Satirs und Ericksons in großen Teilen zu verschieden, um sie in ein gemeinsames Konzept unter dem Deckmantel des NLPs zu stecken, und zum anderen zeigt sich sehr schnell, dass eine große Anzahl anderer Denkmodelle in die Konzipierung des NLP mit einfließen. So zeigt z. B. Walker, dass die wissenschaftlichen Arbeiten Gregory Batesons zu den theoretischen Wurzeln des NLP gehören (vgl. Walker 1996, S. 57-83 und S. 243-248). Darüber hinaus lassen sich in den verschiedenen NLP-Techniken ebenso Einflüsse der Lerntheorie, der Kognitiven Psychologie und der Tiefenpsychologie finden. Der Versuch, alle diese Elemente zu einem einheitlichen Theoriegebilde des NLP zu verknüpfen, wäre sicherlich höchst interessant und lohnend, doch würde dies den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen.

Der praktikablere Weg, zu einem Grundverständnis zu gelangen, ist die Bemühung, ein Theoriegebilde aus den Modellen des NLP direkt abzuleiten.

Kernstücke dieser Untersuchung werden das Wahrnehmungsmodell und das Reizverarbeitungsmodell des NLP sein. Mit Reizverarbeitungsmodell ist hier die Vorstellung über die kognitiven Repräsentationen der äußeren und inneren Welt gemeint. Auf dieser Grundlage und unter Zuhilfenahme des von Robert Dilts (1993) erarbeiteten Konzeptes der „Logischen Ebenen“ sowie des „Time- Line“-Konzeptes von James und Woodsmall (1991) soll dann ein Persönlichkeitsmodell abgeleitet werden.

Für die Hintergründe eines Modells der Verhaltensmodifikation ist die Betrachtung eines Entwicklungsmodells unerlässlich. „Entwicklung“ war aber leider bis zum heutigen Zeitpunkt nie ein Thema im NLP. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich, ein abgeschlossenes Entwicklungsmodell des NLP zu beschreiben und eine eigenständige Ableitung würde über die Grenzen dieser Arbeit hinaus gehen. In der vorliegenden Arbeit wird deshalb ein Mittelweg beschritten: Es soll aufgezeigt werden, dass das kognitive Entwicklungsmodell von Jean Piaget als Grundlage für das NLP dienen kann.

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll das NLP bezüglich einer Störungstheorie betrachtet werden. Vorstellungen des NLPs über die Ursachen problematischen Verhaltens werden zum einen auf Grundlage der bis dato erarbeiteten Modelle und zum anderen auf der Arbeit von Schauer (1995), welche hierfür eine hervorragende Basis darstellt, erörtert.

Nachdem die ätiologischen Vorstellungen des NLPs betrachtet wurden, wendet sich die Arbeit der Praxeologie zu. An dieser Stelle wird es unter anderem darum gehen, ein Verlaufsmodell der NLP-Veränderungsarbeit zu erstellen. Dabei soll insbesondere auch erörtert werden, über welche Fähigkeiten ein NLP-Praktiker verfügen sollte, um Veränderungen erfolgreich einleiten zu können.

Die Arbeit abschließend werden dann spezifische Interventionstechniken des NLPs betrachtet, wobei neben einer Beschreibung versucht werden soll, jeweils einen Bezug zu den Basismodellen des NLPs herzustellen, um zu erklären, warum die Intervention funktioniert bzw. worauf sie sich begründen lässt.

I. Basismodelle des NLP

I.A. Von der Wahrnehmung zum Verhalten und Erleben

1. Subjektive Wahrnehmung der äußeren Welt

„Die Wirklichkeit und die Welt als solche ist vom Menschen nicht objektiv, sondern nur subjektiv mit Hilfe kognitiver Repräsentationen (Modelle) erkennbar und denkbar.“ (Weerth 1994, S. 25)

In diesem Zitat, welches eine zentrale Grundannahme des NLP wiedergibt, wird deutlich, dass die äußere Welt in ihrer Vielfältigkeit vom Menschen weder objektiv noch in ihrer Gesamtheit erfahrbar und begreifbar ist. Im ersten Moment mag sich diese Erkenntnis negativ anhören und es scheint sich um eine grundlegende Einschränkung des Menschen zu handeln. Bei genauerer Betrachtung wird die Einschränkung allerdings schnell zu einer menschlichen Fähigkeit, welche das Überleben und das Zurechtfinden in der Welt ermöglicht[2]. Da jedes Individuum zu jeder Zeit einer fast unendlichen Menge an Reizen aus der Umwelt ausgesetzt ist, ist es notwendig, sich ein Modell der Welt zu schaffen. Das Charakteristikum von Modellen ist es, Sachverhalte in einer vereinfachten Form darzustellen, um sich leichter in ihnen zurechtzufinden (vgl. Duden 1997, S. 525). Der Sachverhalt, um den es sich hier handelt, ist die Welt und das Leben in ihr.

„Man muß hierbei sich daran erinnern, daß die ganze Vorstellungswelt in ihrer Gesamtheit nicht die Bestimmung hat, ein Abbild der Wirklichkeit zu sein – es ist dies eine ganz unmögliche Aufgabe – sondern ein Instrument, um sich leichter in derselben zu orientieren.“ (Vaihinger 1924, zitiert nach Bandler und Grinder 1998, S. 27)[3]

Für das Zustandekommen der subjektiven Modelle der Welt sehen Bandler und Grinder im Wesentlichen drei Determinanten (vgl. Bandler und Grinder 1998, S. 28-34):

- Neurologische Einschränkungen
- Soziale Einschränkungen
- Individuelle Einschränkungen

Neurologische Einschränkungen:

Die neurologischen Einschränkungen beziehen sich auf die Leistungsgrenzen der einzelnen Sinnesorgane. Für den Bereich des Hörens gilt z. B., dass nur Schallwellen zwischen 20 und 20.000 Schwingungen pro Minute vom Menschen wahrnehmbar sind. Jedes Geräusch außerhalb dieser Grenze bleibt daher im Verborgenen. Ähnliches gilt auch für das visuelle System, das durch die Wellenform zwischen 380 und 680 Nanometer begrenzt ist.

Soziale Einschränkungen:

Als soziale Einschränkungen, oder auch „sozial-genetische Faktoren“ genannt (vgl. Bachmann 1991, S. 117), werden alle Wahrnehmungskategorien und Wahrnehmungsfilter bezeichnet, denen Menschen durch ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe ausgesetzt sind. Unter Filter fallen alle „allgemein anerkannten Arten der Wahrnehmung und alle sonstigen sozial vereinbarten

Fiktionen (...)“ (Bachmann 1991, S. 117) sowie die Sprache. Bandler und Grinder heben an dieser Stelle insbesondere die Sprache hervor:

„(...) wenn wir eine Sprache lernen, sind wir die Erben des Wissens der Menschen, die vor uns da waren. In diesem Sinne sind wir genauso die Opfer: aus der unbegrenzten Menge möglicher Erfahrungen haben nur ganz bestimmte einen Namen bekommen, sind mit Worten gekennzeichnet und binden, auf diese Weise hervorgehoben, unsere Aufmerksamkeit. Gleichermaßen valide, möglicherweise sogar spannendere und nützlichere Erfahrungen auf der sensorischen Ebene, die unbenannt blieben, dringen typischerweise nicht in unser Bewusstsein.“ (Bandler und Grinder 1981, S. 33; Hervorhebung im Original).

Bandler und Grinder gehen davon aus, dass die möglichen Erfahrungen, die ein Mensch machen kann, unmittelbar mit seinem Sprachsystem in Verbindung stehen. Je größer die Unterscheidungsmöglichkeit eines Sprachsystems bezüg-lich bestimmter Wahrnehmungsbereiche ist, desto vielfältiger werden die potentiellen Erfahrungen und umso komplexer wird das Modell der Welt sein (vgl. Bandler und Grinder 1998, S. 30).

Zur Verdeutlichung vergleichen die Autoren Maidu (eine amerikanische Indianersprache) und Englisch bezüglich der Beschreibungsmöglichkeiten des Farbspektrums (vgl. ebenda, S. 30). Im Maidu stehen nur drei Begriffe zur Verfügung, um das Farbspektrum abzudecken:

- Lak = rot
- Tit = grün-blau
- Tulak = gelb-orange-braun

Der englische Wortschatz dagegen umfasst acht Farben. Worum es in diesem Beispiel geht, ist, dass ein Mensch, dessen Muttersprache Maidu ist, nur drei Kategorien der Farbempfindung kennt. Würde man ihm nun zwei Farbtafeln zeigen, die gelb und braun sind, dann wären beide für ihn identisch: zwei tulak Tafeln. Daraus folgt, dass seine Wahrnehmung und damit sein subjektives Modell der Welt im Kontext der Farbempfindung bedeutend kleiner ist als das Modell der Welt eines Menschen, der in seinem Sprachsystem mehr Unterscheidungsmöglichkeiten des Farbspektrums aufweist.

Individuelle Einschränkungen:

Die dritte Kategorie von Filtern, durch die ein Mensch zu seiner individuellen Vorstellung von der Welt kommt, sind die individuellen Einschränkungen. Durch sie kommt es dahin, dass keine zwei Menschen ein identisches Weltbild haben. Bandler und Grinder beschreiben individuelle Einschränkungen als „(...) all diejenigen Repräsentationen, die wir als Menschen schaffen und die auf unserer einzigartigen persönlichen Geschichte beruhen.“ (Bandler u. Grinder 1998, S. 33). Jedes Individuum macht auf seinem Lebensweg vielfältige Erfahrungen, welche anschließend in die vorhandenen Kategorien eingebunden werden bzw. neue Kategorien und damit Repräsentationen der Welt schaffen. Somit sind die individuellen Einschränkungen maßgeblich dafür verantwortlich, was ein Mensch wahrnimmt, was er für möglich und unmöglich hält. Im nächsten Abschnitt werden die individuellen Einschränkungen genauer beschrieben. Im Fokus der Betrachtung wird vor allem ihre Auswirkung auf die Wahrnehmung und deren Verarbeitung stehen.

2. Individuelle Einschränkungen: Mechanismen und Filter der Modellbildung

Bevor mit den Erläuterungen zu den Mechanismen und Filtern der Modellbildung begonnen werden kann, soll zunächst eine Definition von Wahrnehmung von Bachmann wiedergegeben werden:

„Wahrnehmen ist ein sehr komplexer Vorgang, der sich auf mehreren Ebenen vollzieht; zum einen erfolgt ein (auf die Außenwelt gerichtetes) sinnliches Wahrnehmen der Umwelt, zum anderen ein (selbst- bzw. innengerichtetes) sinnliches Erfassen der eigenen Person. Beide Prozesse laufen immer parallel und zeitgleich ab, es erfolgt eine permanente wechselseitige Bezugnahme der stetig eintreffenden Informationsdaten und ein relationales (relativierendes, vergleichendes) ´Bewerten´ der Informationen aufgrund früher gesammelter Erfahrungsdaten durch den Organismus. Dieser verschafft sich laufend Gewißheit darüber, welche potentielle Bedeutung die jeweiligen Informations-daten für ihn selbst haben könnten, für seinen Fortbestand, für sein subjektives Wohlbefinden, für die Verwirklichung seiner Ziele, für seine kommunikativen Aktivitäten etc., alles immer im jeweils vorliegenden Kontext.“ (Bachmann 1991, S. 115)

Demnach stellen die persönlichen Erfahrungen einer Person den Nährboden für die Wahrnehmung dar. Auf ihrer Grundlage wird entschieden, was bewusst wahrgenommen wird. Bachmann hebt im obigen Zitat auch hervor, dass die Informationsdaten nicht wertneutral aufgenommen werden. Im Gegenteil, es findet eine ständige Bewertung der Informationsdaten statt, welchen dann, unter Bezugnahme auf die persönliche Geschichte, ein bestimmter Bedeutungs-gehalt zukommt. Die Reizverarbeitung im Wahrnehmungsmodell des NLP unterliegt drei Prozessmechanismen[4] (vgl. Bilgram 2001, S. 11-14) sowie mehreren Prozessfiltern.

2.1 Prozessmechanismen: Tilgung, Verzerrung und Generalisierung

Tilgung:

Wird einer Information kein Bedeutungsgehalt zugewiesen, kommt es zur Tilgung des Wahrgenommenen. Der Prozessmechanismus der Tilgung sorgt dafür, dass aus der schier unbegrenzten Menge an Reizen aus der Umwelt nur solche in das Bewusstsein des Menschen gelangen, welche für den Organismus nötig und/oder nützlich sind. So ist es durch Tilgung bestimmter Aspekte der Außenwelt möglich, seine Aufmerksamkeit auf einzelne Reize zu fokussieren. Beispielsweise werden in einem Raum voller Menschen alle, bis auf das eigene Gespräch, ausgeblendet. Auf der einen Seite schützt der Prozess der Tilgung den Menschen vor einer Reizüberflutung. Auf der anderen Seite kann es aber auch dazu kommen, dass wichtige Informationen verloren gehen, da sie in der Repräsentation der Welt eines Individuums nicht vorkommen bzw. für unmöglich gehalten werden. Z. B. kann es vorkommen, dass ein Kind, welches noch nie in seinem Leben ein Lob bekommen hat, ein solches bei Darbietung ignoriert. Das Lob passt nicht in sein Weltbild, und um dieses aufrecht zu erhalten, wird es schlichtweg überhört.

Verzerrung:

Eine andere Art und Weise, wie das Kind mit dem Lob umgehen könnte, wird durch den Prozessmechanismus der Verzerrung erklärt. Der Organismus ist bestrebt, seine innere Repräsentation von der äußeren Welt stabil zu halten. Treffen nun Reize auf den Organismus ein, die nicht mit dem Weltbild konform sind, dann stellen diese Reize eine Gefährdung für die Stabilität dar. Aus diesem Grund werden Anpassungen an den Informationen vorgenommen. Ihnen werden Bedeutungsgehalte zugeordnet, welche wieder mit den Repräsentationen der Welt übereinstimmen. Die Umdeutung bzw. Verzerrung des Lobes könnte wie folgt aussehen: „Ich werde nicht gelobt, weil ich des Lobes wert bin oder gar, weil ich einmal etwas richtig gemacht habe, sondern nur, weil meine Mutter nicht möchte, dass ich traurig bin.“

Generalisierung:

Die dritte Art der Prozessmechanismen wird Generalisierung genannt. Gemeint ist hiermit der Prozess, durch den Dinge aufgrund gemeinsamer Eigenschaften zu Kategorien zusammengefasst werden. „Dinge“ bezeichnet hier alles Mögliche. Die Bezeichnung „Stuhl“ ist ebenso eine Kategorie wie z. B. „Verhaltensweisen, die zum Erfolg führen“ oder „Frauen“ und „Männer“. Der Sinn von Generalisierungen besteht darin, dem Menschen das Leben zu vereinfachen. Erfährt ein Individuum einen neuen unbekannten Reiz, dann wird er automatisch nach einer Kategorie suchen, in der ähnliche bzw. vergleichbare Elemente vorhanden sind. Die passende Kategorie dient als Referenz für den Umgang mit dem neuen Reiz.

2.2 Prozessfilter: Glaubenssätze, Werte und Meta-Programme

Prozessfilter sind die Kriterien, nach denen Menschen tilgen, verzerren und generalisieren und werden von Weerth wie folgt definiert:

„(...) Prozessfilter stehen untereinander in Beziehung und beeinflussen sich wechselseitig. Sie sind einerseits selbst Modelle, die sich in verschiedenen Erfahrungen eben durch Generalisierung, Tilgung und/oder Verzerrung gebildet haben bzw. ständig neu bilden, und bestimmen andererseits, nach welchen Kriterien die mit den fünf Sinnen aufgenommenen Informationen gefiltert, also generalisiert, getilgt und/oder verzerrt werden: was jeder Mensch von seiner Umwelt wahrnimmt und zu einem speicherbaren Modell weiterverarbeitet.“ (Weerth 1994, S. 22; Hervorhebung im Original)

Die Prozessfilter sollen an dieser Stelle lediglich überblicksartig beschrieben werden, da es bei der Erläuterung des Persönlichkeitsmodells (Kapitel I.B.) zu einer ausführlichen Darstellung kommt.

Glaubenssätze:

Unter Glaubenssätzen versteht man im NLP Überzeugungen, denen ein Individuum Wahrheitscharakter zuschreibt. Glaubenssätze sind somit Genera-lisierungen über Zusammenhänge, Bedeutungen und Grenzen hinsichtlich der Umwelt, unserer Verhaltensweisen und Fähigkeiten sowie unserer Identität (vgl. Ötsch u. Stahl 1997, S. 35 ff.).

Der Glaubenssatz: „Menschen können keine monogame Beziehung führen!“ soll den Einfluss von Prozessfiltern auf die Wahrnehmung und den Modellbildungsprozess veranschaulichen. Bei einem Menschen mit einer solchen Überzeugung kann es dazu kommen, dass er/sie monogame Beziehungen nicht wahrnimmt; er/sie tilgt diese Information. Oder er/sie verzerrt seine Wahrnehmung: „Es hat nur den Anschein, dass die Beziehung monogam geführt wird. Früher oder später werden die beiden schon ´ausbrechen´!“

Glaubenssätze beeinflussen aber nicht nur die Wahrnehmung. Auch das Verhalten wird in hohem Maß von Überzeugungen gesteuert. Ein Mensch mit dem oben angeführten Glaubenssatz wird höchstwahrscheinlich nicht zu einer monogamen Beziehung fähig sein.

Werte:

Werte ist die Bezeichnung für all das, was einem Individuum wichtig ist, ihm Bedeutung verleiht und motiviert. „Sie bezeichnen etwas Übergeordnetes, etwas Allgemeines. Werte sind Begriffe, die Konzepte von Lebensqualität beschreiben.“ (Ötsch u. Stahl 1997, S. 231). Beispiele für Werte sind „Liebe“, „Treue“, „Frieden“, „Ehrlichkeit“, „Helfen“, usw.

Hat ein Mensch z. B. „Helfen/Hilfsbereitschaft“ als hohen Wert, dann kann seine Wahrnehmung dahin gehend beeinflusst werden, eigene Bedürfnisse zu tilgen.

Werte und Glaubenssätze stehen in enger Verbindung. Der Wert „Helfen/Hilfsbereitschaft“ könnte beispielsweise mit dem Glaubenssatz: „Durch Helfen bekomme ich Anerkennung!“ zusammenhängen.

Meta-Programme:

Meta-Programme werden im NLP als grundlegende Persönlichkeitsmerkmale verstanden. James und Woodsmall beschreiben in Anlehnung an C. G. Jung zwanzig Meta-Programme wie z. B.: Introvertierter Typus vs. Extrovertierter Typus, Intuitiver Typus vs. Empfindungstypus oder auch „Hin zu Etwas“ vs. „Weg von Etwas“ (vgl. James und Woodsmal 1991, S. 107 ff.)

Zur Veranschaulichung des Einflusses von Meta-Programmen auf den Modellbildungsprozess soll der „Weg von Etwas“-Typus dienen.

„Weg von Etwas“-Menschen bewegen sich von den Dingen, die sie nicht mögen, fort. Dabei sind ihre Ängste der Antriebsmotor und potentielle Probleme die Motivation. „Weg von Etwas“-Personen haben die Fähigkeit bzw. Einschränkung, ein besonderes Gespür für Probleme zu haben. Sie sehen sie immer und überall, obwohl sie noch gar nicht eingetreten sind. Dabei verlieren solche Menschen jedoch den Blick für positive Aspekte von Situationen; sie werden getilgt oder verzerrt.

3. Kognitive Repräsentationen

Bisher wurde das Wahrnehmungsmodell ausschließlich hinsichtlich der Reizaufnahme und -verarbeitung betrachtet. In diesem Abschnitt sollen nun die Reizcodierung und Reizspeicherung erörtert werden. Die Theorie bzw. das Modell der Repräsentationssysteme (im Folgenden als RS bezeichnet) befasst sich mit dieser Thematik. Nach Schauer setzt sich das Modell der RS mit kognitiven Abläufen, der Informationscodierung und der Art und Weise, wie Wahrnehmung gespeichert wird, auseinander (vgl. Schauer 1995, S. 65). Eine ähnliche Definition findet sich auch bei O´Connor und Seymour. Sie definieren die RS als:

„Die Modalitäten, wie wir Informationen aufnehmen, abspeichern und in unserem Gehirn codieren.“ (O´Connor und Seymour1998, S. 58).

Zwei Annahmen bilden die Stütze der Theorie der RS (vgl. Ötsch und Stahl 1997, S. 166):

- Man geht im NLP davon aus, dass das Wahrgenommene in Form innerer Bilder codiert wird. Mit Bildern ist hier jedoch nicht nur eine visuelle, sondern eine alle Sinnesorgane umfassende Codierung gemeint; d. h. eine vollständige Repräsentation setzt sich aus visuellen, auditiven, kinästhetischen, olfaktorischen und gustatorischen Informationen zusammen.
- Die zweite Grundannahme bezüglich der RS postuliert diese „Bilder“ als grundlegende Ebene des Bewusstseins. Somit sind die RS Basis aller mentalen Operationen.

In der Theorie der RS geht man von zwei unterschiedlichen in Beziehung stehenden Repräsentationsmöglichkeiten aus:

„- zum einen analoge (sensorische, nonverbale) Repräsentationsmöglichkeiten, die sich zunächst grob, den fünf Sinnesmodalitäten entsprechend, in fünf Repräsentationssysteme (...) aufteilen lassen (...) und darüber hinaus durch die formal-quantitativen Unterscheidungsmerkmale innerhalb jedes dieser fünf Systeme, die Submodalitäten, weiter differenziert werden können (...);

- zum anderen ein digitales (sprachliches, verbales) Repräsentationssystem (...)“ (Weerth 1994, S. 44; Hervorhebung im Original).

3.1 Analoge Repräsentationssysteme

Die analogen RS lassen sich gemäß den fünf Sinnesorganen aufteilen. In ihnen und durch sie werden alle externen sowie internen Reize[5] aufgenommen, verarbeitet, codiert und gespeichert. Unter der Mitwirkung des digitalen RS werden sie anschließend zu subjektiven Modellen der Welt weiterverarbeitet

(vgl. hier und im Folgenden Weerth 1994, S. 45 ff. sowie Schauer 1995,
S. 65 ff.).

Im NLP hat sich eine formale Darstellung bzw. Notation zur Beschreibung der RS durchgesetzt. Zwar hat eine solche Darstellung keine Aussagekraft über den Inhalt der Repräsentationen; da sich NLP jedoch als ein prozessorientiertes Modell versteht, bei dem Inhalte meist nicht direkt, sondern über formale Veränderungen der RS erzielt werden, scheint diese formale Darstellung zweckmäßig und hilfreich zu sein. Die anologen RS werden wie folgt gekennzeichnet:

V e,i (er, k) = visuell

A e,i (er, k) = auditiv

K e,i (er, k) = kinästhetisch

O e,i (er, k) = olfaktorisch

G e,i (er, k) = gustatorisch

Die Indizes e/i geben an, ob es sich um e xterne oder i nterne Reize handelt.

Bei internen Reizen kann weiter unterschieden werden, ob es sich um er innerte oder um k onstruierte Vorstellungen handelt. Auf diese Weise lässt sich nun jede kognitive Repräsentation bzw. jede Erfahrung in Form einer „Quadrupel“ darstellen:

< V e,i (er, k), A e,i (er, k), K e,i (er, k), O e,i (er, k), G e,i (er, k) >

Je nach Situation und Person wechseln die analogen RS ihre Bedeutung.

Erinnert sich z. B. jemand visuell, aufgrund des Duftes eines Parfüms, an eine liebe Person, hört daraufhin seine/ihre Stimme und bekommt dadurch ein „gutes“ Gefühl, dann entspricht dies der Quadrupel: <O e, V er, A er, K i>. Dieselbe Quadrupel könnte in einem anderen Kontext und/oder bei einer anderen Person etwas vollkommen anderes beschreiben. Z. B. löst ein unangenehmer Geruch die visuelle Vorstellung eines WCs aus, daraufhin nimmt die Person das Geräusch einer Toilettenspülung wahr und bekommt ein Gefühl von Ekel.

An den Ausführungen zu den analogen RS wird deutlich, dass die RS als Schnittstelle zwischen Wahrnehmung und Verhalten[6] angesehen werden.

Dilts u. a. weisen darauf hin, dass jedes RS ein dreiteiliges Netzwerk bildet:

„Die erste Phase, der Input, besteht aus einer Sammlung von Informationen und dem Erhalten von Feedback aus der (inneren und äußeren) Umwelt. Repräsentation/Verarbeitung umfaßt die Abbildung der Umwelt und die Etablierung von Verhaltensstrategien wie Lernen, Entscheidungen treffen, Informationsspeicherung usw. Output ist das jeweilige Transformationsprodukt des repräsentationsvermittelten Abbildungsprozesses.“ (Dilts u. a. 1989, S. 39)

Eine ausführliche Darstellung der im Zitat erwähnten Verhaltensstrategien und

der Zusammenhang zu den RS würde an dieser Stelle zu weit führen. Und da sie im NLP einen zentralen Stellenwert besitzen, werden sie in einem der folgenden Punkte gesondert behandelt. Zunächst soll die Beschreibung der RS zu Ende gebracht werden.

Wie schon erwähnt werden den fünf analogen RS weitere Untereigenschaften, die Submodalitäten, zugewiesen. Submodalitäten sind qualitative Unterscheidungsmerkmale eines RS. Sie sind „die feinen, subtilen Unterscheidungen, die wir in jedem Repräsentationssystem treffen: Die Unterscheidungen, die den Unterschied ausmachen.“ (Bandler und Mac Donald; zitiert nach Ötsch und Stahl 1997, S. 211). Zur Veranschaulichung werden in der folgenden Tabelle einige Submodalitäten des visuellen, auditiven und kinästhetische RS aufgeführt:

Visuelle Auditive Kinästhetische

Submod. Submod. Submod.

Helligkeit Tonhöhe Temperatur

Größe Klangfarbe Intensität

Farbe Lautstärke Ausbreitungsgebiet

Farbsättigung Deutlichkeit Ausbreitungsrichtung

Schärfe Klangqualität stechend oder pulsierend

Transparenz Entfernung Dauer

Entfernung Tempo Lokalisierung

Dauer Rhythmus Empfindungsart

Eine weitere Unterscheidung im Submodalitäten-Konzept des NLPs ist die Differenzierung der Wahrnehmungsposition (vgl. Bandler 1992, S. 51 ff.).

Der Mensch hat drei Möglichkeiten, die Welt wahrzunehmen:

1. Assoziiert in der eigenen Person
2. Assoziiert in einer anderen Person
3. Dissoziiert

Eine Situation assoziiert in der eigenen Person wahrzunehmen bedeutet, die Situation unmittelbar mit den eigenen subjektiven Emotionen und Gefühlen auf der Basis des persönlichen Modells der Welt zu erfassen. Man sieht die Dinge durch seine eigenen Augen, hört mit den eigenen Ohren usw. Nimmt man dagegen eine Situation assoziiert in einer anderen Person auf, dann versucht man, sich voll und ganz in diese Person hineinzuversetzen. Man sieht mit ihren Augen, fühlt, was sie fühlen würde. Das Ereignis wird dabei, soweit möglich, auf der Grundlage des subjektiven Modells der Welt des anderen aufgenommen. Ein Erlebnis dissoziiert zu betrachten hat den Charakter eines neutralen Beobachters. Dissoziiert bedeutet, aus der Situation herauszugehen und sie mit Abstand zu betrachten. Man könnte auch sagen, dass man in der dissoziierten Wahrnehmungsposition neben sich steht, sich selbst sieht und hört. Durch den Wechsel in verschiedene Wahrnehmungspositionen ist es dem Menschen möglich, ein und dieselbe Situation aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen. Allein durch einen Perspektivwechsel kommt es oft zu neuen Einsichten und Erkenntnissen, die eine Verhaltensmodifikation zur Folge haben.

3.2 Digitales Repräsentationssystem

Das digitale RS ist im Groben die Bezeichnung für unser Sprachsystem. Wobei Sprachsystem hier nicht nur als das gesprochene Wort verstanden wird, sondern als jede Form der Übermittlung von Informationen. So gehören die Höhlenmalereien der Steinzeit genauso zum digitalen RS wie ein Brief oder Zeichensprache. Die zuvor beschriebenen fünf analogen RS können auch als vorsprachliche RS bezeichnet werden. Erst durch das digitale RS ist es jedoch möglich, diese in Verbindung zu bringen und zu umfassenden subjektiven Modellen der Welt zu verarbeiten (vgl. Grinder u. Bandler 1989, S. 14 ff.). Außerdem sind sie die einzige Möglichkeit, andere Menschen an unserer individuellen Repräsentation der Welt teilhaben zu lassen. Ebenso wie die analogen RS unterliegt das digitale RS den Gesetzmäßigkeiten der Prozessmechanismen Tilgung, Verzerrung und Generalisierung. Dadurch kommt es dazu, dass die Sprache nur einen Bruchteil davon wiedergeben kann, was in den analogen RS vorhanden ist. Bandler und Grinder bezeichnen daher die Sprache als Oberflächenstruktur unserer kognitiven Repräsentationen, welche die Tiefenstruktur darstellen[7] (vgl. Bandler u. Grinder 1998, S. 43 ff.).

Weerth weist in Anlehnung an Dilts darauf hin, dass die analogen RS ohne Sprache auskommen, während das digitale RS „nur in Wechselwirkung mit sensorischen Erfahrungen (auch abstrakter Natur) existieren und so einen Sinn erhalten (...)“ (Dilts zitiert nach Weerth 1994, S. 54) kann. Demzufolge haben nur Worte, für die es eine analoge Repräsentation gibt, eine Bedeutung für den Menschen. Die Bedeutung variiert dabei von Person zu Person und von Situation zu Situation. Zur Veranschaulichung möchte ich den Leser bitten, den folgenden Satz aufmerksam zu lesen und insbesondere darauf zu achten, ob durch ihn Bilder entstehen, Geräusche wahrgenommen werden usw.

„Während Sie durch einen Wald laufen und die Vögel singen hören, steigt in Ihnen das Gefühl von Freiheit empor.“

Wenn Sie der Aufforderung nachgekommen sind, dann haben Sie vielleicht einen Wald gesehen, das Zwitschern von Vögeln wahrgenommen und eventuell sogar ein Gefühl von Freiheit empfunden. Aber was für einen Wald haben Sie gesehen? Einen Wald voller Nadelbäume, einen Wald voller Laubbäume oder eine Mischung daraus? Zu welcher Jahreszeit? Strahlte die Sonne? Lag Schnee? Welche Vögel haben Sie gehört? Waren die Geräusche weit weg oder ganz nah bei Ihnen? Haben Sie das alles wahrgenommen, als ob Sie in diesem Moment tatsächlich durch den Wald gelaufen wären (assoziiert) oder haben Sie sich von außen beobachtet (dissoziiert)? Und wenn Sie so etwas wie Freiheit empfunden haben, wie fühlt sich das an und wo im Körper haben Sie dieses Gefühl?

Das Beispiel soll verdeutlichen, dass hinter jedem Wort und hinter jedem Satz

eine kognitive Repräsentation verborgen ist, die sich von Individuum zu Individuum grundsätzlich unterscheiden kann. Je präziser die Worte bzw. die Sätze sind, desto ähnlicher werden sich einzelne Repräsentationen.

Der Satz „Während Sie durch einen Wald voller Laubbäume laufen und eine Nachtigall singen hören, steigt in Ihnen das Gefühl von Freiheit empor.“ erlaubt dem Leser weniger Spielraum als das obige Beispiel.

Die Darstellung des digitalen RS wird an dieser Stelle mit der Erweiterung der formellen Notation, welche bei den analogen RS eingeführt wurde, abgeschlossen. Das digitale RS wird in der formellen Notation des NLP mit dem Index d gekennzeichnet. Es ergeben sich folgende Notationsmöglichkeiten (vgl. Weerth 1994, S. 54):

A ed = externe mündliche Mitteilung

A id = interner Dialog

V ed = externe schriftliche Mitteilung

V id = internes schriftliches Denken

K ed = externe taktil-sprachliche Mitteilung

K id = internes taktil-sprachliches Denken

Wie bereits erwähnt kann das digitale RS nicht allein stehen bzw. kommt nicht ohne das analoge RS als Grundlage aus. Daraus ergibt sich, dass jede digitale Mitteilung durch eine erweiterte Quadrupel dargestellt werden kann, z. B.:

A e,i d < V e,i (er, k), A e,i (er, k), K e,i (er, k), O e,i (er, k), G e,i (er, k) >

4. Strategien: Die Repräsentationssysteme als Grundlage des Verhaltens

Das Konzept der Strategien[8] liefert einen Erklärungsansatz, wie es bei Menschen zu Verhalten kommt. In einer ersten Annäherung lassen sich Strategien definieren als geordnete Reihenfolge von Repräsentationen, die zu einem Output in Form von äußerem und/oder innerem Verhalten führen (vgl. Ötsch und Stahl 1997, S. 183). Das NLP-Konzept der Strategien basiert in erster Linie auf einem von Miller, Eugene, Galanter und Pribam entwickelten Verhaltensmodell, das sie als TOTE bezeichnen (vgl. Dilts u. a. 1989, S. 45).

4.1 Das TOTE- Modell

TOTE steht für Test–Operate–Test–Exit und wird von Dilts wie folgt definiert:

„Eine TOTE ist im wesentlichen eine Reihenfolge von Aktivitäten in unserem sinnlichen [analogen, M.B.] Repräsentationssystem, die sich so zu einer funktionalen Verhaltenseinheit konsolidiert hat, daß sie typischerweise unterhalb der Schwelle der Bewußtheit ausgeübt wird (...).“(Dilts u. a. 1989,
S. 45-46)

Das Modell stellt eine Weiterentwicklung des behavioristischen Reiz- Reaktionsmodells dar (vgl. Dilts 1989, S. 46 ff.). Die „Black Box“ der Behavioristen wurde hierbei durch die TOTE als Bindeglied zwischen Reiz und Reaktion substituiert. Durch diese Veränderung wurde das bis dato reine Reflexbogenmodell durch eine Feedbackschleife bzw. eine Rückkoppelungs-operation – Test und Operate – ergänzt. Der Test besteht darin, den aktuellen Zustand mit dem erwünschten Zielzustand zu vergleichen. Sind aktueller Zustand und Zielzustand kongruent, dann wird die Feedbackschleife verlassen; es kommt zum Exit. Weisen die beiden Zustände Inkongruenzen auf, geht das „System“ in die Operatephase über. Hier werden Aspekte des Reizes oder des inneren Zustandes des Organismus verändert, um den wiederkehrenden Tests zu genügen. Der Wechsel zwischen Test und Operate wird solange wiederholt, bis der aktuelle Zustand und der Zielzustand Kongruenz aufweisen. Der TOTE-Prozess lässt sich grafisch wie folgt darstellen[9]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: TOTE-Prozess (vgl. Dilts u. a. 1989, S. 47)

Schütz u. a. ziehen zur Veranschaulichung des TOTE-Prozesses die allgemeinste Form der Verhaltensmodifikation des NLP heran. Demnach lässt sich Verhalten anhand eines Drei-Punkte-Prozesses beschreiben (vgl. Schütz
u. a. 2001, S. 70):

- Darstellung des gegenwärtigen Zustandes
- Darstellung des Zielzustandes
- Darstellung der Ressourcen zur Zielerreichung

Übersetzt in den TOTE-Prozess kommt es zu folgender Darstellung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Drei-Punkte-Prozess des NLP im TOTE-Modell

Dilts u. a. weisen darauf hin, dass TOTEs auch komplexere Strukturen annehmen können. Komplexe TOTEs weisen in der Operatephase weitere eingebettete TOTEs mit Test- und Operatephase auf (vgl. Dilts u. a. 1989, S. 49). Die Veränderungsarbeit mit einem Klienten z. B. wird in den seltensten Fällen mit nur einer Intervention auskommen. Die Operatephase - Ressourcen finden und durch Interventionen auf den gegenwärtigen Zustand anwenden - setzt sich demzufolge aus weiteren TOTEs zusammen, die in der Operatephase die Interventionen ausführen und in der Testphase überprüfen, ob die Intervention erfolgreich war.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Eingebettete TOTEs

[...]


[1] NLP entstand ursprünglich aus der Beobachtung und Modellierung von Fritz Perls, Vergina Satir und Milton Erickson (vgl. hierzu und zur Entstehungsgeschichte des NLP Bilgram 2001, S. 3-6).

[2] Zur Untermauerung dieser These wird in der einschlägigen NLP-Literatur auf die „Philosophie des Als Ob“ von Vaihinger verwiesen.

[3] Wird in Zitaten die alte Rechtschreibung benutzt, dann wird diese beibehalten.

[4] Die drei Prozessmechanismen wurden bereits in einer der Diplomarbeit vorausgehenden Arbeit (schriftliche Prüfungsleistung) ausführlich dargestellt. Da die vorliegende Darstellung nicht ohne ihre Erwähnung auskommt, werden die Inhalte an dieser Stelle nochmals in verkürzter Form erläutert.

[5] Externe Reize beziehen sich auf „reale“ Informationen der Umwelt in der Gegenwart. Interne Reize beziehen sich auf Vorstellungen, die sich, unabhängig vom gegenwärtigen externen Geschehen, in Raum und Zeit frei verhalten.

[6] Im NLP wird nicht zwischen Verhalten und Erleben unterschieden. Verhalten wird verstanden als eine Aktivität innerhalb der RS. Demnach sind beispielsweise „Denken“ und „Fühlen“ ebenso Verhalten wie beispielsweise „Reden“, „Laufen“ oder „Augenbewegungen“ (vgl. Dilts u. a. 1989, S. 39)

[7] Das Begriffspaar „Tiefenstruktur“ und „Oberflächenstruktur“ entstammt dem Modell der Transformationsgrammatik Noam Chomsky´s, welches auch als Ausgangsbasis für das Wahrnehmungsmodell des NLP gilt. Hierbei insbesondere die Annahme über die Prozessmechanismen (Tilgung, Verzerrung, Generalisierung), die sich in der ersten NLP- Technik – Meta Modell der therapeutischen Kommunikation (Fragetechnik) – widerspiegeln. Auf eine detaillierte Darstellung wird in der vorliegenden Arbeit verzichtet. Ich verweise deshalb auf Bandler und Grinder 1998.

[8] Die Existenz von Strategien setzt eine Vernetzung von Aktivitäten auf neuronaler Ebene voraus. Die einzelnen RS stehen über Kreuzverbindungen miteinander in Kontakt. Es kommt somit dazu, dass Aktivitäten in einem RS Aktivitäten anderer RS stimulieren und auslösen. Dieser Prozess wird im NLP Synästhesie genannt (vgl. Dilts u. a. 1989, S. 43). Löst beispielsweise der Gesichtsausdruck einer Person Schuldgefühle aus, dann handelt es sich um eine visuell – kinästhetische Synästhesie.

[9] Dabei entspricht ein roter Pfeil dem Verlauf bei Inkongruenz und ein grüner Pfeil dem Verlauf bei Kongruenz.

Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Neurolinguistisches Programmieren. Ein Modell der Verhaltensmodifikation: Vom theoretischen Grundgerüst zur Praxeologie
Hochschule
Hochschule Fulda  (FB Sozialwesen)
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
104
Katalognummer
V11863
ISBN (eBook)
9783638179096
ISBN (Buch)
9783638698368
Dateigröße
783 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neurolinguistisches, Programmieren, Modell, Verhaltensmodifikation, Grundgerüst, Praxeologie
Arbeit zitieren
Markus Bilgram (Autor:in), 2002, Neurolinguistisches Programmieren. Ein Modell der Verhaltensmodifikation: Vom theoretischen Grundgerüst zur Praxeologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11863

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