Japan - Arbeitsbeziehungen unter der Harmoniemaxime?


Seminararbeit, 2002

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Historie und kulturelle Entwicklung

3. Senioritätsprinzip und Langzeitbeschäftigung

4. Unternehmensgewerkschaften
4.1. Organisationsformen
4.2. Aufgaben und Aktivitäten

5. Strukturwandel / Paradigmenwechsel
5.1. Wirtschaftslage
5.2. Herausforderungen

6. Fazit

1. Einleitung

„Auf herausstehende Nägel wird eingehämmert, bis sie völlig im Holz verschwinden oder abbrechen.“

– japanisches Sprichwort –

In dieser Seminararbeit sollen die japanischen industriellen Beziehungen, speziell unter der Betrachtung des japanischen Harmoniebedürfnisses, näher beleuchtet werden. Es stellt sich hierbei die Frage, inwieweit dabei überhaupt von Harmonie gesprochen werden kann bzw. aus welcher Perspektive eine Beurteilung erfolgen kann. Das japanische und das westliche Kulturverständnis weisen gewisse Unterschiede auf, die wichtig für das Verständnis der industriellen Beziehungen sind und somit bedeutender Bestandteil dieser Arbeit sein wird, wobei der Fokus auf den japanischen Eigenheiten liegen wird.

Zuerst soll eine kurze historische Betrachtung erfolgen, um den Bezug herzustellen. Danach wird auf die Grundsteine des japanischen HRM eingegangen und die wichtigsten Merkmale herausgestellt. Hierbei handelt es sich um die sogenannten „Geheiligten Schätze“ – die Unternehmensgewerkschaften, das Senioritätsprinzip und der Langzeitbeschäftigung. Nach dieser Abgrenzung werden dann weitere bedeutende Eigenschaften herausgestellt, die sich nicht in eine der „Schatztruhen“ einordnen lassen.

Im letzten Teil wird die anfänglich aufgeworfene Frage nach der Harmonie in Japan rekapituliert und versucht werden einen Ausblick in die Zukunft zu geben bzw. Entwicklungstendenzen aufzudecken.

Um die Entwicklung des japanischen HRM verfolgen zu können, soll nun, unter Einbeziehung von historischen und kulturellen Faktoren, eine Abgrenzung erfolgen.

Dore vertrat schon 1973 die Ansicht, die Konvergenzthese zu unterstützen. (Vgl. Eaton, 2000, S. 26) Nach der Konvergenzthese bilden alle Industriegesellschaften über kurz oder lang ähnliche Institutionen, Verfahren und Wertorientierungen heraus und gleichen sich somit an. Die Gegenthese lautet: Der kulturelle Hintergrund und die geschichtlichen Traditionen einer jeden Gesellschaft sind so tief verankert, dass trotz der Industrialisierung kein uniformes Muster entstehen kann.

Historisch gesehen wurde die japanische Kultur stark vom Konfuzianismus beeinflusst und die daraus resultierenden Verhaltensnormen prägten sehr stark die Entwicklung industrieller Beziehungen. Der Konfuzianismus versteht sich hierbei als eine praxisorientierte Sozialethik, die primär auf Maximierung bestehender Möglichkeiten zielt, was v.a. durch den Lernprozess erzielt wird. Eine besondere Beachtung finden dabei Werte wie Fleiß, Konsens, Erziehung, moralische Selbstkultivierung, Genügsamkeit und Loyalität.

Die traditionelle Dorf- (Mula) mentalität bewirkt neben anderem eine strikte Trennung zwischen persönlicher und fremder Interessenssphäre. Alles wird dem Primat der Gruppenzugehörigkeit untergeordnet, wobei es hauptsächlich darum geht, innerhalb der Gruppe Ruhe und Ordnung (Wa) zu bewahren. (Vgl. Tanaka, 1998, S. 3) Das sich daraus ergebende autoritäre Patriarchat ist typisch in der japanischen Gesellschaft und spiegelt sich auch in den industriellen Beziehungen wieder.

Dennoch stellt sich die Frage, wie groß der Einfluss dieser kulturellen Facetten ist der japanischen Arbeitswelt ist und wo er vielleicht kontraproduktiv wirkt.

Schwer voneinander trennbar sind diese beiden Praktiken, die ihren Ursprung in der frühen Industrialisierungsphase der 50er und 60er Jahre nach dem 2. Weltkrieg in Japan hatten. Um die damals raren guten Arbeitskräfte langfristig an das Unternehmen zu binden, wurden den Arbeitnehmern, die länger beim Unternehmen verblieben und eine gute Arbeitsmoral an den Tag legten, periodische Lohnsteigerungen garantiert. (Vgl. Nakamura / Nitta, 1995, S. 329) Im Vordergrund der damaligen Bemühungen stand die Gewährleistung der Arbeitsplatzsicherheit. Dieses ist als Zeichen der Konsensfindung zu verstehen, da das Konzept auf der einen Seite den Arbeitnehmern zusichert nicht gefeuert zu werden, solange sie sich in gebührender Weise verhalten, den Unternehmen wiederum das Zusammenhalten der Belegschaft ermöglichte, außer man würde die Arbeitnehmer schlecht behandeln. (Vgl. Nakamura / Nitta, 1995, S. 331)

Man kann hier von einem innerbetrieblichen Sozialvertrag (Vgl. Eaton, 2000, S. 27) sprechen, denn im Arbeitsvertrag existiert keine explizite Klausel, im Sinne einer Garantie, für ein langfristig stabiles Beschäftigungsverhältnis. (Vgl. Itoh, 1998, S. 235) Langfristig galt es also, den Arbeitnehmer an das Unternehmen zu binden und ihn als firmenspezifisches Human-Kapital zu betrachten. Die Firma löste nun die konfuzianische Familie als Keimzelle der Gesellschaft ab. Das Unternehmen stellte die Wohnung, sie vermittelte den Ehepartner, sie zahlte die Rente. Endlich hatten die Japaner die Marktwirtschaft mit ihrer traditionellen mittelalterlichen Dorfgesellschaft versöhnt. Ein Netz gegenseitiger Abhängigkeiten sorgte in der Firmen-Familie für Harmonie und Geborgenheit.

Japanische Arbeitsmärkte werden als hochsegmentiert charakterisiert und die daraus resultierenden Großgruppen stehen nicht in Konkurrenz zueinander, d.h. es existiert auf dem japanischen Arbeitsmarkt kein Wettbewerb. Man spricht von einer dualen Arbeitsmarktstruktur – auf der einen Seite die Stammbelegschaft, die zentralen Arbeitsbeziehungen, die eindeutige Privilegien genießt und andererseits die sogenannten peripheren Arbeitsbeziehungen, in denen sich v.a. Leiharbeitnehmer und Teilzeitarbeiter wiederfinden, aber auch die Frauenquote (40 % der weiblichen Arbeitnehmer) beträchtlich ist. (Vgl. Fürstenberg, 1999, S. 266) Der sekundäre Arbeitsmarkt macht dabei etwa 60 – 65% aller japanischen Arbeitskräfte aus und ist damit der relativ größte seiner Art im Vergleich zu den entwickelten Industriestaaten. (Vgl. Wallraf, 2000, S. 16) Somit ist es nicht verwunderlich, dass sich das Prinzip der Daueranstellung, obwohl es als Eckstein japanischer Unternehmen gilt, oft nur auf einen Anteil von 25 % anwenden lässt. (Vgl. Eaton, 2000, S. 27)

Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses startet jeder Neueinsteiger in der untersten Gehalts- oder Lohnklasse, wobei die Rekrutierung direkt von Schulen und Universitäten erfolgt. (Vgl. Aoki, 1998, S. 16) Der potentielle Arbeitnehmer im In- und Ausland durchläuft dabei einen sorgfältigen Selektionsprozess, der sich durch peinlich genaue und zahlreiche Eignungstests kennzeichnet, um dem Unternehmen eine hochqualifizierte Belegschaft zu garantieren. (Vgl. Eaton, 2000, S. 39) So kamen z.B. in Kanada bei CAMI, einem General Motors-Suzuki-Joint-Venture, nur 1.200 Einstellungen auf 43.000 Bewerbungen. (Vgl. Eaton, 2000, S. 40)

Durch die erfahrenen Mitarbeiter erfolgt eine intensive Sozialisation bzw. Indoktrination der neuen Kollegen. Ermöglicht wird dieses durch eine hohe Akzeptanz hierarchischer Ordnungen in der japanischen Gesellschaft. (Vgl. Dore, 1998, S. 385) Es existiert eine interne Ranghierarchie, deren einzelne Stufen der Belegschaft (white & blue collar staff) genau bekannt sind und deren Aufstieg mit einer Beförderung gleichzusetzen ist. (Vgl. Aoki, 1998, S. 53)

Die Bezahlung richtet sich in erster Linie nach dem Rang und nicht nach dem Individuum (Vgl. Itoh, 1998, S. 249) und die Vergütung wächst mit steigendem Dienstalter. Der Grundgedanke dabei ist, dass junge Arbeitnehmer einen Teil ihres Lebenseinkommens in der Form eines impliziten Lohnverzichts in dem Unternehmen „anlegen“, um ihn in höherem Alter ausgezahlt zu bekommen. So zeigten u.a. Lynn et al. in einer Studie (1997) auf, dass 74 % der japanischen Ingenieure immer noch in ihrer Erstanstellung sind, verglichen mit amerikanischen Ingenieuren mit nur 46 %, begründet v.a. durch den damit verbundenen Verlust des organisatorischen Gedächtnisses innerhalb des Unternehmen. (Vgl. Aoki, 1998, S. 80)

Die japanische Betriebsorganisation beteiligt die Arbeitnehmer stärker an den innerbetrieblichen Entscheidungen und koordinierenden Tätigkeiten, als dies in westlichen Unternehmen der Fall ist. Handlungsspielraum und der Verantwortungsbereich der einzelnen Arbeitnehmer sind größer, aber auch vager abgegrenzt; zu Teilen erfüllen Produktionsarbeiter Aufgaben, die in westlichen Unternehmen Spezialisten oder dem Management vorbehalten sind. (Vgl. Aoki, 1998, S. 45) Dies betrifft die Koordination der betrieblichen Abläufe innerhalb der Abteilungen, zwischen den Abteilungen und zwischen eigenständigen Unternehmen. Die Unternehmen erwarten von den Arbeitnehmern nicht nur, dass sie vorgegebene, präzise definierte und sich ständig wiederholende Teilarbeiten leisten, sie erwarten, dass sie in der Lage sind, „unübliche Situationen“ zu meistern, die aus der geplanten oder ungeplanten Unterbrechung oder Veränderung des kontinuierlichen Produktionsflusses resultieren. (Vgl. Aoki, 1998, S. 42) Die routinierte Bewältigung von Standardsituationen wird als Grundvoraussetzung angesehen; Veränderungen des Arbeitsprofils infolge von Unterbrechungen des Produktionsflusses (aufgrund der Veränderung der Endnachfrage und des Produktmixes, der Einführung neuer Produkte, Prozesstechnologien und Organisationsformen, der Unterbrechung des Produktionsflusses in einer vorgelagerten Einheit, der Veränderung der Zusammensetzung der Arbeitskraft usw.) sind die Regel. (Vgl. Aoki, 1998, S. 42 / 43) Um diesen erweiterten Aufgabenbereich ausfüllen zu können, müssen japanische Arbeitnehmer einen ständig wachsenden Fundus an betriebsspezifischem Wissen akkumulieren. Die lebenslange Beschäftigung in Großunternehmen und die Lohnzahlung nach dem Senioritätsprinzip verschaffen dem Arbeitnehmer einen stabilen Bezugsrahmen, innerhalb dessen er langfristig Wissen akkumulieren kann, wobei er mit zunehmendem Wissen immer höher honoriert wird.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Japan - Arbeitsbeziehungen unter der Harmoniemaxime?
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre)
Veranstaltung
Internationaler Vergleich industrieller Beziehungen
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
17
Katalognummer
V118584
ISBN (eBook)
9783640219193
ISBN (Buch)
9783640219230
Dateigröße
404 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Japan, Arbeitsbeziehungen, Harmoniemaxime, Internationaler, Vergleich, Beziehungen
Arbeit zitieren
Dipl. Kfm. Matthias Höppner (Autor:in), 2002, Japan - Arbeitsbeziehungen unter der Harmoniemaxime?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118584

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