„Was das Hänschen nicht lernt..."

Effektives Lernen - ein Leben lang?


Seminararbeit, 2006

19 Seiten


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

- Einleitung

- Was ist das eigentlich − Lernen?

- Wie man lernt − Grundsätzliches

- Lernen lernen − aus dem Workshop
- Gegenkonditionierung als Ausgangspunkt
- Assoziation und Umgebung
- „Werkzeug“ und Ordnung
- Die drei Lerntypen
- Durch sinnvoFes Portionieren motivieren
- Strategien des Einprägens

- Lernen im Erwachsenenalter
- Abnehmende Leistungsfähigkeit
- Kognitive Plastizität
- Integratives Lernen im Alter?
- Selbstständiges Lernen und Eflektivität

- Schlusswort

- QueFenverzeichnis

Einleitung

In einer Zeit, in der Lerninhalte bereits in vorschulischen Bereichen thematisiert werden und die Komplexität des benötigten Wissens in den verschiedenen Lebenssituationen und Lebensabschnitten rasant zunimmt, ist die ERektivität des Lernens, also der Erfolg der Vermittlung und besonders der Selbstvermittlung von LernstoRen, mehr und mehr eine formulierte, grundsätzliche Voraussetzung, um insbesondere die in der schulischen Bildung vorgegebenen und in der beruflichen Ausund Weiterbildung erwünschten Ziele erreichen zu können. Durch meine Tätigkeit in einer Lerntherapeutischen Praxis habe ich häufig Kontakt mit Kindern, die bereits an den Vorgaben der zu erreichenden Ziele durch die Schule zu scheitern drohen. Nicht etwa, weil diese Ziele nicht dem individuellen intellektuellen Leistungsvermögen entsprechen, sondern weil die Masse und Komplexität der Lerninhalte die durch die zuvor oder zeitgleich erworbenen Fähigkeiten der eigenverantwortlichen Strukturierung und Methodik des Lernens bedingten, tatsächliche Quantität des Erreichbaren übersteigt. Von der Qualität des Erreichten ganz zu schweigen. In einem Gespräch mit einem verzweifelten Elternpaar fiel ein Satz, der mich stutzen lie5 und dessen tiefere Bedeutung ich seither immer wieder „vor Augen“ habe:

„Es wird nur gesagt, was gelernt werden soll − aber keiner sagt uns wie!“

Mit diesem Satz verbinde ich seither zwei für mich relevante Erkenntnisse:

Zum Einen die relative Hilflosigkeit der Kinder, die sich oft genug mit ihren Lernschwierigkeiten und deren Folgen (z.B. Prüfungsangst oder Lernblockaden) alleingelassen fühlen. Auch, oder grade, zu Hause, da die Eltern den LernstoRen zumeist gleicherma5en machtlos gegenüberstehen. Zum Anderen brachte mich die Reaktion der Eltern zu der Frage, wie es wohl generell bei Erwachsenen um die Fähigkeiten des eRektiven,selbststrukturierten Lernens steht. Wer selbst nicht in der Lage ist, sich erfolgreich Wissen anzueignen, von dem kann sicherlich nicht erwartet werden, diesen Prozess anderen (wie den eigenen Kindern) zu vermitteln.

Zu dieser Zeit war ich im BegriR, auf mehrfache Nachfrage seitens einiger Eltern einen Workshop für den selbstgesteuerten, eRektiven Erwerb von Wissen mit dem Titel „Lernen lernen“ zusammenzustellen, den ich mit Erfolg durchgeführt habe und auf den ich im weiteren Verlauf noch eingehen werde. Grundsätzliche Erkenntnis aber, was meine Definition für ERektivität anbelangt war, dass nach meinem Dafürhalten viele kleine Änderungen Gro5es bewirken. Je umsichtiger, strukturierter und personenbezogener ein Lernprozess ist, umso besser sind seine Chancen, den Lerner zufrieden zu stellen − also eRektiv zu sein. Rückblickend auf die gesamten, aus der Arbeit an dem Workshop gewonnenen Erkenntnisse und eingedenk einiger Vertretungsstunden, in denen ich mit einer Gruppe Erwachsener der Breklumer Reha − Klinik gearbeitet habe und zahlreicher Stunden der Arbeit mit lerngestörten Kindern, werde ich zum Ende dieser Ausarbeitung den Versuch unternehmen, von der Methodik meines Workshops, der ja für Kinder und Jugendliche konzipiert ist, einen Bogen zu eRektiven Lernstrategien für Erwachsene zu schlagen.

Was ist das eigentlich − Lernen?

Lernen…

„... is t eine V erönde r u n g im Erleben und Verhalten eines Individuums , die durch eiederholte Erfahrung in der Interaktion mit der Umwelt zustande kommt“

( Schaub,H. u.a.,1995,S.230) .

Oder etwas ausführlicher:

„Der Prozess des Lernens führt zu dem Produkt des Neuerwerbs oder Veränderung psychischer Dispositionen, d.h. zur Bereitschaft und Fähigkeit, bestimmte seelische oder körperliche Leistungen zu erbringen. Manchmal spricht man in diesem Zusammenhang auch vom Erwerb eines „Verhaltenspotentials“. Lernen ist durch relativ überdauernde Veränderungen im Organismus gekennzeichnet, während die Leistung (Performanzf von mome¬− tanen Bedingungen (z.B. Ermüdung usw.f abhängt. Das eigentliche Lernen besteht also im Erwerb von Dispositionen, d.h. von Verhaltensund Handlungs möglich k eiten . Dies bedeutet, das der Lerner nach Abschluss des Lernprozesses sich anders verhalten, anders denken, anders woFen, anders handeln kann .

D e r psychologische Begrifl des Lernens schließ|ft nicht nur das durch Unterricht absichtlich und planvoF organisierte Lernen ein. Lernen ist auf keinen Entwicklungsabschnitt beschränkt. Sowohl der Säugling als auch der alte Mensch verändern laufend ihren Erfahrungsschatz. Lernen meint nicht nur den Erwerb einzelner, isolierter Dispositionen, so¬− dern auch den Au$au einer komplexen Persönlichkeit durch die Aneignung der menschlichen Kultur in einem individueFen Lebensweg“

(Edelmann,W. 2000,S.278).

Lernen ist also ein Vorgang, der unter Anderem der Identitätsbildung dient und dessen jeweilige Abschnitte neu erworbenen Wissens und erlernter Fähigkeiten das Individuum in die Lage versetzen, sich in seinem jeweiligen Umfeld freier bewegen zu können. Da das Lernen als lebenslanger Prozess angesehen werden kann, ziehe ich den Schluss, dass auch im Erwachsenenalter auftretende Schwierigkeiten mit der Bewältigung von LernstoRen negative Einflüsse auf das Selbstwertgefühl und somit auf die Stabilität des Identitätsempfindens haben können.

Wie man lernt − Grundsätzliches

Auf die gesamte Vielfalt der verschieden Lernprozesse einzugehen, würde sicherlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen und möglicherweise die Sicht auf das von mir angestrebte Ziel, nämlich die ERektivität des Lernens, trüben. Ich werde daher versuchen, mich auf die für meine Ausführungen relevanten Einsichten in dieses weite Feld zu beschränken.

Um veränderte Verhaltensformen als Folge eines Lernprozessen begreifen zu können, benennt W. Correll in seiner „Einführung in die Pädagogische Psychologie“ drei Elemente des Lernprozesses: die Assoziation, die Motivation und die Verstärkung (vergl. Correll,W. 1972, S.41−54).

Bei der Assoziation handelt es sich im weitesten Sinne um das Reiz − Reaktions − Lernen (S−R−Lernen), d.h., dass sich bei einer entsprechenden Wiederholung von Ereignissen (Stimulus) eine mit diesem Reiz assoziierte Reaktion einstellt. Dabei wäre es noch wichtig, zu erwähnen, dass bei dem wiederholten Auftreten verschiedener Reize deren Reaktionen wiederum miteinander verknüpft werden können, so das mit dem Reiz S1 neben der Reaktion R1 auch die Reaktion R2 hervorgerufen werden kann (vergl. Correll,W. 1972, S.43−44). Ein Umstand, der sich in meinen späteren Ausführungen noch als durchaus hilfreich erweisen wird.

Am Beginn eines jeden Lernprozesses steht jedoch die Motivation, das Streben nach Befriedigung eines Bedürfnisses. In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Fortbestand der Motivation sehe ich in W.Corrells Hinweis auf Thorndikes „ERektgesetz“, in dem dieser die Verbindung zwischen einem Stimulus und einer Reaktion durch einen „positiven NacheRekt“(Erfolg) als gestärkt betrachtet, sowie er eben diese Verbindung durch einen „negativen NacheRekt“(Misserfolg) geschwächt sieht (vergl. Corell,W.1972, S.47). Dies würde wiederum bedeuten, das die ERektivität einer Lernmethode unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität der Motivation hätte. Das dem so ist, hat sich in meiner Arbeit mit Kindern mehrfach gezeigt,z.B. hatte ein Nachhilfeschüler trotz zeitaufwändigen Lernens von Vokabeln ein schlechtes Ergebnis im darauf folgenden Test. Dieser Misserfolg war auf unwirksame Lernstrategien zurückzuführen, hatte aber zur Folge, das der Schüler keinen Grund sah, sich auf weitere Stunden des Lernens einzulassen, da der erwünschte ERekt (eine gute Note) ausblieb. Ein Erfolg durch bessere Lernmethoden bei gleichem Arbeitseinsatz hätten sicherlich eher einen Motivationszuwachs bedeutet.

In enger Verbindung mit der Motivation steht das dritte Element, die V erstärkung. Die Verstärkung an sich ist ein nicht beobachtbarer Prozess, der nur an seinen jeweiligen Folgen erkennbar ist. Erhält z.B. ein Schüler für eine gelungene Klassenarbeit ein Lob von einer ihm wichtigen Person (Mutter/Vater), wirkt sich dies positiv verstärkend auf die dem Erlangen des Lobes vorausgegangenen Verhaltensweisen (eRektives Lernen ³souveräner Umgang mit dem Lerninhalt ³gute Zensur ³Lob) aus. Eine positiv verstärkte Verhaltensform tritt also häufiger oder intensiver auf, als eine nicht verstärkte. Der Umkehrschluss wäre hier eine negative Verstärkung, also z.B. Tadel bei einer schlechten Note. Liegt nun der Grund für den Misserfolg am Anfang der vorausgegangenen Verhaltensweise (nicht bewusste, ineRektive Lernstrategien ³lückenhaftes Verständnis der Lerninhalte ³schlechte Zensur ³Tadel), so tritt eine gegenläufige Verstärkung ein, die Auswirkungen von mangelnder Motivation bis sogar zur Selbstaufgabe („Ich bin eben zu blöd!“) haben kann. Man spricht in diesem Zusammenhang von negativer oder positiver Verstärkung.

Die Wechselwirkung von Assoziation, Motivation und Verstärkung kann man sich nun auf den verschiedenen Ebenen der sensorischen Wahrnehmung für den Prozess des Lernens zu Nutze machen, sie kann aber auch äusserst schädlich für jedweden Bildungsprozess sein.

Im nun Folgenden möchte ich kurz auf den von mir zusammengestellten Workshop

„Lernen lernen“ eingehen, da ich in diesem u. A. die zuvor gewonnen Erkenntnisse über Assoziation, Motivation und Verstärkung umzusetzen versuche. Konzipiert ist diese Auswahl verschiedener Lernstrategien ursprünglich für Kinder und Jugendliche, ich halte sie aber für beispielhaft vorstellbar, da sie in der Praxis grade von Erwachsenen, denen ich mich später noch zuwenden werde, sehr positiv aufgenommen wurde.

Lernen lernen − aus dem Workshop

Die typischen Teilnehmer solcher Intensivma5nahmen, ob jung oder bereits etwas älter, haben erfahrungsgemä5 oft bereits eine „Karriere“ hinter sich, in deren Verlauf sie mehrfache Frustration und eigenes Versagen hinnehmen mussten. Einem auf diese Weise nega−

tivierten Selbstbild liegen meist ineÆziente, durch Misserfolg gekrönte und so als gestört zu betrachtende Lernprozesse zugrunde. Diese verfestigten Störungen haben nicht nur zur Folge, dass der Erwerb von neuem Wissen schwer fällt, weil das Lernen an sich ja bereits als nicht Erfolg bringend angesehen wird. Meistens sind auch die Momente, in denen gespeichertes Wissen abgerufen werden soll (z.B. bei Klausuren), so negativ beladen und Stressauslösend, dass ein so genannter Blackout eintritt, ein Moment, in dem die betroRene Person schier nichts mehr weiss. Einer solchen Verbindung von Lernen, als aussichtsloses Unterfangen betrachtet, und dem bereits erwarteten Versagen und der daraus möglicherweise resultierenden Aufgabe gilt es nun entgegenzuwirken.

GEGEN KONDITIONIERUNG ALS AUSGANGSPUNKT

Um in solchen Fällen einen guten Ausgangspunkt für neue Lernstrategien zu schaffen, setze ich zu Beginn und im weiteren Verlauf des Workshops des Öfteren das Mittel der Gegenkonditionierung ein. Auf diese Weise versuche ich von Anfang an, die neuen Lernstrategien mit positiven Verstärkungen zu koppeln − der Schüler, Student,usw. soll wieder wissen, warum er oder sie eigentlich lernt, dies ursprünglich sogar mit Neugier und Freude tat. Bei dieser Gegenkonditionierung geht es darum, positive Momente mit dem jeweiligen Problem zu kreieren und diese in die Reizsituation zu transferieren. Dazu ist es nötig, den Angst oder Stress auslösenden Moment so genau wie möglich zu lokalisieren. Ist es der Raum, in dem das Lernen stattfindet oder der Ort, an dem das Wissen abgerufen werden soll (möglicherweise schon vergeblich in der Vergangenheit)? Es kann das Thema, der Lehrer/ Dozent sein, vor dem man sich fürchtet oder sogar der Tisch, an dem man schon so oft versagt hat − und wie reagiert der Lerner in dem entsprechenden Moment?

Beginnt er bereits, sich das Versagensszenario auszumalen?

SchaRt man es nun, diese Reize und deren Wirkung bewusst zu machen, ist der erste Schritt zu einem Austritt aus den negativen Strukturen getan, denn nun besteht die Möglichkeit, diesen Reaktionen mit anderen, neuen Reaktionen zuvor zu kommen oder aber die Reize neu zu interpretieren.

Als Beispiel mag hier die Technik des Ankerns aus der Verhaltenstherapie stehen, die bei mir recht häufig bei der Arbeit mit Schulkindern Verwendung findet, die ich aber in Einzelfällen auch schon bei Erwachsenen eingesetzt habe:

Ich schaRe zunächst eine Situation, in der sich der Proband wohl und sicher fühlt und lasse ihn oder sie dann einen relevanten Gegenstand − z.B. einen Schreiber − in die Hand nehmen. Dann soll der BetreRende sich Situationen vorstellen, in denen er mit eben diesem Gegenstand Erfolgserlebnisse hatte. Das können durch erfolgreiches Lernen gute Klassenarbeiten sein wie auch einfach nur richtig gerechnete Hausoder Schulaufgaben.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
„Was das Hänschen nicht lernt..."
Untertitel
Effektives Lernen - ein Leben lang?
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)
Autor
Jahr
2006
Seiten
19
Katalognummer
V118579
ISBN (eBook)
9783640540808
ISBN (Buch)
9783640541577
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hänschen
Arbeit zitieren
Christoph Bachmann (Autor:in), 2006, „Was das Hänschen nicht lernt..." , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118579

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